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Joachim Kaiser
Joachim Kaiser (* 18. Dezember 1928 in Milken, Kreis Lötzen, Ostpreußen; † 11. Mai 2017 in München) war seit 1959 leitender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung und von 1977 bis 1996 Professor für Musikgeschichte an der Hochschule für Musik und Darstellende Künste in Stuttgart. Kaiser zählte zu den einflussreichsten deutschsprachigen Musik-, Literatur- und Theaterkritikern. Er war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.
Leben
Joachim Kaiser wurde 1928 als Sohn eines Landarztes geboren. Im Alter von acht Jahren begann er mit dem Klavierspiel. Das gemeinsame Musizieren mit seiner Familie zählte er später zu den glücklichsten Momenten in seinem Leben. Literatur und Musik begannen ihn schon früh zu interessieren. Nach der Flucht aus Ostpreußen zu Kriegsende besuchte er das Wilhelm-Gymnasium in Hamburg und studierte anschließend Musikwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Soziologie in Göttingen, Frankfurt am Main und Tübingen; zu seinen Kommilitonen gehörten die Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus und Rudolf Stephan. Im Juni 1951 begann er seine journalistische Laufbahn als Theater-, Literatur- und Musikkritiker. Den Weg dazu ebnete ihm eine einzige Besprechung einer Veröffentlichung von Theodor W. Adorno: Musik und Katastrophe. Über die „Philosophie der Neuen Musik“. Adorno empfahl Kaiser Alfred Andersch vom Hessischen Rundfunk, was wiederum die Frankfurter Hefte aufmerksam machte. Mathias Döpfner bezeichnete ihn als einen „der bekanntesten und erfolgreichsten Adorno-Schüler überhaupt“.[1] Auf Einladung von Hans Werner Richter durfte Kaiser ab 1953 an Veranstaltungen der Gruppe 47 teilnehmen. 1958 wurde er in Germanistik an der Universität Tübingen über Grillparzers dramatische[n] Stil promoviert. Auf Initiative des damaligen SZ-Journalisten Erich Kuby konnte Kaiser dann ab 1959 in der Kulturredaktion der Süddeutschen Zeitung arbeiten.
Kaiser zählte neben Marcel Reich-Ranicki zu den einflussreichsten Kritikern Deutschlands. Sein Buch Große Pianisten in unserer Zeit wird gelegentlich als „Klavier-Michelin“ bezeichnet. Neben wegweisenden Pianisten wie Artur Rubinstein, Vladimir Horowitz, Glenn Gould, Swjatoslaw Richter oder Friedrich Gulda stellte er junge Interpreten vor und erläutert Entwicklungen in der Klavierkunst.[2] Kaiser fühlte sich auch in besonderer Weise dem Werk Richard Wagners verbunden und unterstützte und begleitete den Neubeginn der Bayreuther Festspiele im Jahre 1951 unter der Regie der Wagnerenkel Wieland und Wolfgang Wagner.
Joachim Kaiser war seit Dezember 1958 mit der Übersetzerin und Romanautorin Susanne Kaiser († 2007) verheiratet[3] und bekam mit ihr zwei Kinder: die Regisseurin Henriette Kaiser (* 30. Dezember 1961) und den Sportredakteur Philipp (* 29. August 1963). Kaiser wohnte in München am Rande des Englischen Gartens.[4]
2009 übergab er sein umfangreiches Privatarchiv dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar als Vorlass. Neben Briefen von Theodor W. Adorno und Alfred Andersch enthält es Korrespondenz mit Ingeborg Bachmann, Ernst Bloch und Heinrich Böll.[5]
Von Mai 2009 an beantwortete Kaiser in seiner Video-Kolumne Kaisers Klassik-Kunde auf der Website des SZ-Magazins wöchentlich Fragen der Leser. Infolge einer Erkrankung musste er dies im Januar 2011 aufgeben. Die Reihe wurde seitdem nicht mehr fortgesetzt.[6]
Auszeichnungen
- 1966: Theodor-Wolff-Preis[7]
- 1993: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
- 1993: Erstmals verliehener Ludwig-Börne-Preis
- 1997: Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München
- 2001: Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik
- 2004: Julius-Campe-Preis der Kritik
- 2009: Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München
- 2010: Theodor-Wolff-Preis, für sein Lebenswerk[8]
- 2013: Auszeichnung des Medium Magazins, für sein Lebenswerk[9]
Werke (Auswahl)
- Kleines Theatertagebuch. Rowohlt, Reinbek 1965 (mit Vorwort: Kritik als Beruf).
- Große Pianisten in unserer Zeit. Piper, München 1965; Neuausgabe 1996, ISBN 3-492-22376-1.
- Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten. S. Fischer, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-10-038601-9.
- Erlebte Musik. Von Bach bis Strawinsky. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-08942-9.
- Erlebte Musik. Teil 2. Von Wagner bis Zimmermann. DTV, München 1982, ISBN 3-423-01787-2.
- Mein Name ist Sarastro. Die Gestalten in Mozarts Meisteropern von Alfonso bis Zerlina. Piper, München 1984, ISBN 3-492-02818-7.
- Wie ich sie sah … und wie sie waren – Zwölf kleine Porträts. List, München 1985, ISBN 3-471-77969-8.
- Erlebte Literatur. Deutsche Schriftsteller in unserer Zeit. Piper, München 1988, ISBN 3-492-03048-3.
- Leben mit Wagner. Knaus, München 1990; Neuausgabe: Siedler, München 2013, ISBN 978-3-8275-0028-1.
- „Vieles ist auf Erden zu thun.“ Imaginäre Gespräche (…). Piper, München 1991, ISBN 3-492-03490-X.
- Was mir wichtig ist. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1996, ISBN 3-421-05056-2.
- Kaisers Klassik. 100 Meisterwerke der Musik. Schneekluth, München 1997, ISBN 3-7951-1425-X.
- Kaisers Klassik. Da Capo. Schneekluth, München 1999, ISBN 3-7951-1732-1.
- Von Wagner bis Walser. Neues zu Literatur und Musik. Pendo, Zürich 1999, ISBN 3-85842-358-0.
- „Ich bin der letzte Mohikaner“. (Autobiografie, mit Henriette Kaiser). Ullstein, München 2008, ISBN 978-3-550-08697-7.
Werkverzeichnis
- Gesa Anssar, Gert Rabanus, Helmut Kreuzer: Kaiser-Verzeichnis. Allitera, München 2003, ISBN 3-86520-019-2.
Vortragsreihen
Zu Kaisers langjähriger Vortragstätigkeit im Münchner Gasteig gehören seine ausführlichen Vortragsreihen zu bestimmten Künstlern und Kunstformen, vor allem zum Thema Musik:
- Über Ludwig van Beethoven in den 1970er Jahren; in München (Gymnasium Fürstenried, 60 Vorträge)
- Über Mozarts Opern; in den 1990er Jahren in Vaterstetten
- Über Richard Wagner; im Münchner Gasteig (Carl-Orff-Saal), von 1989 bis 11. Mai 1993 (63 Vorträge)
- Zum Thema Symphonie und Sonate zwischen Beethoven, Brahms und Mahler
- Das Geheimnis großer Streichquartette – Beethoven und Schubert als Schöpfer klassischer Kammermusikwerke; im Münchner Gasteig; die Reihe wurde in „Die grossen Spätwerke“ überführt, vom 18. September 2007 bis 16. November 2010.
Vom 11. Oktober 1994 bis 17. Juli 2007 gab Kaiser 206 Vorlesungen, insgesamt 322. Mit 170'000 Zuhörern sind Kaisers Vorträge die bislang erfolgreichste Veranstaltung der Münchner Volkshochschule.
Rundfunkreihen
In wöchentlichen Rundfunksendungen (einstündig, z. B. „Kaisers Corner“ in Bayern4-Klassik) befasste er sich beispielsweise ein halbes Jahr lang mit Chopin und ein ganzes Jahr mit „Beethoven – Werk und Wirkung“. Dazu kamen regelmäßige Wortsendungen, wie etwa „Kaisers Zeitschriftenschau“.
Filme
- Der letzte Kaiser. Fernseh-Feature, 2008, 5:25 Min., Buch: Peter Gerhardt, Produktion: hr, ttt – titel, thesen, temperamente, Erstsendung: 16. November 2008.
- Musik im Fahrtwind. Dokumentarfilm, 2006, 87 Min., Buch und Regie: Henriette Kaiser, Produktion: Lemuel Film, Erstausstrahlung: 5. November 2006, BR
- Der Klassik-Kaiser. Dokumentarfilm, 1997, Buch und Regie: Eckhart Schmidt, Produktion: Raphaela Film GmbH
- Im Spielfilm Bruckners Entscheidung (1995) von Jan Schmidt-Garre übernahm Kaiser die Rolle von Richard Wagner.
Weblinks
- Literatur von und über Joachim Kaiser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- AudioVideo: Folge 10, über Bach bzw. Beethoven (Goldberg- bzw. Diabelli-Variationen) auf YouTube
Interviews
- „Ich weiß, dass ich sterben muss. Und zwar relativ bald“. In: Süddeutsche Zeitung Magazin, 12. Dezember 2008, Nr. 50, Interview in neun kleinen Teilen
- „Ich habe nichts gegen Dackel“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Oktober 2005
- Joachim Kaiser – Im Gespräch mit Frank Stepanek, 4. Januar 1995.
Nachrufe
- Langjähriger Feuilletonchef und SZ-Kritiker Joachim Kaiser ist tot. In: Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 2017
- tagesspiegel.de: Meinungshäuptling der deutschen Kulturnation
- FAZ.net: Vom Genie eines ergriffenen Begreifers
- welt.de / Manuel Brug: Er war der Florist im Garten der Prosa
Einzelnachweise
- ↑ Mathias Döpfner: Wie Joachim Kaiser zum Anti-Adorno wurde. In: welt.de. 18. Dezember 2008, abgerufen Format invalid.
- ↑ Joachim Kaiser über Arthur Rubinstein: „Wunderbar, erstaunlich, unbegreiflich aber mutet nicht bloß technische Klarheit seines Spiels an, die rührende, in langsamen Sätzen herzbewegende Erlauchtheit seiner Phrasierung, das stürmische Temperament seiner Ausbrüche. Das alles wiegt viel, will erobern, bewahren und lebendig gehalten sein…“ In: Große Pianisten in unserer Zeit. 5. Auflage, 1996, S. 60.
- ↑ Autoren – Susanne Kaiser. Website des dtv.
- ↑ „Ich habe nichts gegen Dackel“. In: FAZ.net. 24. Oktober 2005, abgerufen am 4. Dezember 2015.
- ↑ Pressemitteilung PM 019 (Memento vom 28. Juli 2012 im Webarchiv archive.is), Deutsches Literaturarchiv, März 2009.
- ↑ Folge 87: Ein Trick in Es-Dur. In: sz-magazin.sueddeutsche.de. Abgerufen am 4. Dezember 2015. Erklärung der SZ-Redaktion vom Januar 2011 zu Kaisers Erkrankung (im Anschluss an einen der üblichen Kommentare zu „Kaisers Klassik-Kunde“).
- ↑ Siehe 1966 in: Theodor-Wolff-Preis – Preisträger der Jahre 1962 bis 1997
- ↑ Siehe Theodor-Wolff-Preis – Preisträger 2010
- ↑ Siehe [1]
Personendaten | |
---|---|
NAME | Kaiser, Joachim |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist, Musikkritiker und Literat |
GEBURTSDATUM | 18. Dezember 1928 |
GEBURTSORT | Milken, Ostpreußen, Deutsches Reich |
STERBEDATUM | 11. Mai 2017 |
STERBEORT | München, Bayern, Deutschland |
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- Essay
- Autobiografie
- Literaturkritiker
- Musikkritiker
- Musikschriftsteller
- Theaterkritiker
- Kolumnist
- Schriftsteller (München)
- Germanist
- Hochschullehrer (Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart)
- Träger des Theodor-Wolff-Preises
- Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse
- Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
- Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
- Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland
- Echo-Klassik-Preisträger
- Deutscher
- Geboren 1928
- Gestorben 2017
- Mann