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Jon Fosse

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Jon Fosse (2020)

Jon Olav Fosse (* 29. September 1959 in Haugesund, Provinz Rogaland) ist ein norwegischer Autor. Er ist als Dramatiker, als Prosa- und Kinderbuchautor, Lyriker, Essayist und Übersetzer tätig. Mit seinen über 50 literarischen Veröffentlichungen ist er eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen norwegischen Literatur. Sein literarisches Werk, dem oft etwas Düsteres, Melancholisches und Mystisches nachgesagt wird, wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Größere Bekanntheit brachten ihm seit den 1990er-Jahren seine mehr als 20 weltweit uraufgeführten Dramen ein. 2023 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Leben

Jon Fosse wuchs mit zwei Schwestern auf einem Bauernhof in Strandebarm in der Kommune Kvam in Hardanger auf. Seine Familie gehörte den Quäkern an. Er besuchte ein Gymnasium in Øystese, wo er 1979 das Abitur ablegte. Fosse galt während seiner Schulzeit als wortkarg und aufrührerisch. Eigenen Angaben zufolge lebte er sein Ausdrucks- und Geltungsbedürfnis als Jugendlicher durch ein monomanes Gitarren- und Violinenspiel aus. Er zog nach Bergen. Dort studierte er bis 1987 Literaturwissenschaften, Soziologie und Psychologie.[1]

Ein schwerer Unfall im Alter von sieben Jahren brachte ihn dem Tod nahe. Fosse rutschte mit einer Flasche in der Hand aus und schnitt sich mit dem Glas die Pulsadern auf. Diese Erfahrung hat sein Schreiben als Erwachsener stark beeinflusst: „Ich glaube bis heute, dass ich durch diesen Unfall zum Schriftsteller geworden bin. Die Hauptperspektive meiner Texte ist nämlich die von jemandem, der sich an der Grenze zwischen Leben und Tod befindet“.[2]

Zu Beginn seines Studiums wurde Fosse freier Mitarbeiter bei der Tageszeitung Gula Tidend. Nachdem er sein Studium beendet hatte, war er von 1987 bis 1993 als Dozent an der Schreibakademie in Hordaland tätig. Gemeinsam mit Jan Kjærstad arbeitete er von 1994 bis 1996 als Redakteur für die Literaturzeitschrift Bøk.[1]

Er lebt heute in Oslo in der staatlichen Künstlerresidenz Grotten, in Frekhaug bei Bergen und in der niederösterreichischen Gemeinde Hainburg an der Donau.[3]

Fosse wurde nach seinem Austritt aus der lutherischen Staatskirche zuerst Quäker und konvertierte 2013 zum Katholizismus.[4]

Werk

Jon Fosse ist als Dramatiker, Prosa- und Kinderbuchautor, Lyriker, Essayist und Übersetzer tätig. Mit seinen über 50 literarischen Veröffentlichungen ist er eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen norwegischen Literatur.[5] Sein literarisches Werk, dem oft „etwas Düsteres, Melancholisches und Mystisches“ anhaftet,[6] wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Fosse selbst trat auch als Übersetzer von Werken Franz Kafkas, Georg Büchners, Thomas Bernhards, James Joyces, Samuel Becketts, Peter Handkes oder Sarah Kanes ins Norwegische hervor. Internationale Bekanntheit erlangte er seit den 1990er-Jahren durch die Uraufführung von mehr als 20 Dramen. Diese wurden weltweit inszeniert, darunter auch in den USA und im Nahen Osten. Außerhalb des skandinavischen Raums stehen Fosses Werke vor allem in Deutschland, England und Frankreich auf dem Spielplan. Er gilt damit als bekanntester norwegischer Dramatiker seit Henrik Ibsen.[5][6]

Fosse kam über die Musik zur Sprache und zur Literatur und versuchte sich früh an Pop- und Rocktexten. Im Alter von 16 Jahren verfasste er erste kleine Erzählungen und Gedichte. Im Jahr 1981 gewann er den Novellenwettbewerb einer Studentenzeitschrift.[1] Fosse veröffentlichte zunächst vor allem Lyrikbände und Romane; in den letzten Jahren hat er sich überwiegend dem Schauspiel gewidmet. Als Prosaautor debütierte er mit dem Roman Raudt, svart (dt. Rot, schwarz, 1983). Im Jahr 1994 wurde sein erstes Theaterstück Og aldri skal vi skiljast (dt. Und trennen werden wir uns nie, 1993) am Den Nationale Scene in Bergen uraufgeführt.[5]

Die Schriftstellergeneration, der Jon Fosse angehört, führte in den 80er Jahren den Postmodernismus in Norwegen ein. Diese Stilrichtung sieht sich in einem bewussten Gegensatz zu der sozialkritischen Strömung der 70er Jahre. Bei Fosse zeigt sich das nicht in einem Hang zur Intertextualität, sondern eher in einem Hang zum Religiösen. Auch scheint in seinen Texten seine Heimatregion Westnorwegen häufig auf. Seine hauptsächlich auf Nynorsk verfassten Werke erscheinen oft düster, in der Lyrik lehnt er sich teilweise an Georg Trakl an.

In seinen Romanen bevorzugt er deutlich die personale Erzählweise, bei der kein allwissender Erzähler vorhanden ist und die Geschehnisse nur durch die Augen des Ich-Erzählers gefiltert werden. Sehr klar wird dies in der Erzählung Morgen und Abend (Morgon og kveld, 2001, dt. 2003). Hier berichtet ein sterbender Fischer einer ihn betreuenden alten Frau seine Lebensgeschichte und vor allem die Geschichte der Liebe zwischen ihm und seiner vor ihm verstorbenen Frau. Trotz des düsteren Themas gelingt es Fosse, etwas Lichtes durchschimmern zu lassen, das von aufdringlicher Bekehrungsreligiosität weit entfernt ist. In seinem Roman Melancholie (dt. 2001, norw. Melancholia I, 1995, Melancholia II, 1996) beschreibt Fosse das Leben des geistig verwirrten Malers Lars Hertervig.

Fosses Dramen stellen ebenso wie die Romane Begegnungen zwischen Menschen in den Mittelpunkt, die die jeweiligen Protagonisten zu einem neuen Verständnis füreinander bringen können.

Im Jahr 2000 wurden drei seiner Stücke an einigen der wichtigsten deutschsprachigen Bühnen in deutscher Übersetzung inszeniert: Bei den Salzburger Festspielen, an der Schaubühne am Lehniner Platz und dem Deutschen Theater Berlin, am Hamburger Thalia Theater und am Schauspielhaus Zürich. Es handelt sich um die Stücke Der Name, Die Nacht singt ihre Lieder und Das Kind. Die Münchner Kammerspiele brachten 2002 Traum im Herbst heraus. Nach dem Roman Morgen und Abend entstand das Libretto der gleichnamigen Oper von Georg Friedrich Haas (London 2015 und Heidelberg 2017).

2007 wurde ihm das Ritterkreuz des französischen Ordre national du Mérite verliehen.[7] Der Daily Telegraph führte Fosse ebenfalls 2007 an 83. Stelle im Ranking der Top 100 living geniuses.[8]

Am 5. Oktober 2023 wurde ihm „für seine innovativen Theaterstücke und Prosa, die dem Unsagbaren eine Stimme verleihen", der Nobelpreis für Literatur zuerkannt.[9]

Deutscher Stammübersetzer der Prosawerke Fosses ist seit 2001 Hinrich Schmidt-Henkel.

Werke (Auswahl)

Dramen

  • Und trennen werden wir uns nie (Og aldri skal vi skiljast, 1994)
  • Der Name (Namnet, 1995) – Nationaler Ibsen-Preis (1996), Nestroy-Preis (2000)
  • Da kommt noch wer (Nokon kjem til å komme, 1996)
  • Das Kind (Barnet, 1996)
  • Mutter und Kind (Mor og barn, 1997)
  • Der Sohn (Sonen, 1997)
  • Die Nacht singt ihre Lieder (Natta syng sine songar, 1997)
  • Sommertag (Ein sommars dag, 1999)
  • Der Gitarrenmann (Gitarmannen, 1999)
  • Traum im Herbst (Draum om hausten, 1999)
  • Besuch (Besøk, 2000)
  • Winter (Vinter, 2000)
  • Schönes (Vakkert, 2001)
  • Todesvariationen (Dødsvariasjonar, 2001)
  • Lila/Purple (Lilla, 2003)
  • Schlaf (Svevn, 2005)
  • Rambuku (2006)
  • Schatten (Skuggar, 2006)
  • Ich bin der Wind (Eg er vinden, 2007)
  • Tod in Theben, UA: 2010 im Rahmen der Salzburger Festspiele. Es handelt sich um eine Zusammenfassung dreier Sophokles-Dramen. Regie: Angela Richter. Spielstätte: Republic

Romane

  • Rot, schwarz (Raudt, svart, 1983)
  • Melancholie (Melancholia I & II, 1995/96) – Melsom-Preis
  • Morgen und Abend (Morgon og kveld, 2000)
  • Das ist Alise. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Mare Verlag, Hamburg 2003, ISBN 978-3-936384-08-6. (Det er Ales, 2003)
  • Trilogie. Schlaflos, Olavs Träume, Abendmattigkeit. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Rowohlt, Reinbek 2016. (Trilogien, 2014)
  • Der andere Name. Heptalogie I–II. Roman. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Rowohlt, Hamburg 2019. (Det andre namnet. Septologien I–II, 2019)
  • Ich ist ein anderer. Heptalogie III–V. Roman. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Rowohlt, Hamburg 2022. (Eg er ein annan. Septologien III–IV, 2021)

Erzählung

  • Schlaflos (Andvake 2008)

Libretto

Lyrik

  • Diese unerklärliche Stille (Denne unforklarlege stille), mit Radierungen von Olav Christopher Jenssen und übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, Verlag Kleinheinrich, Münster 2016

Kinderbuch

Auszeichnungen

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Jon Fosse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Jon Fosse. In: Munzinger-Archiv (abgerufen am 5. Oktober 2023 via Munzinger Online).
  2. Perspektive zwischen Leben und Tod, deutschlandfunkkultur.de, 26. Mai 2016, abgerufen am 5. Oktober 2023.
  3. Øystein Rottem und Janne Stigen Drangsholt: Jon Fosse. In: Store norske leksikon. 25. November 2021, abgerufen am 15. Februar 2022.
  4. Neue Zürcher Zeitung, 21. November 2013, S. 53
  5. 5,0 5,1 5,2 Leonie Krutzinna: Fosse, Jon Olav. In: Munzinger Online/KLfG - Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, URL: http://www.munzinger.de/document/18000000735 (abgerufen am 5. Oktober 2023)
  6. 6,0 6,1 Nobelpreis für Literatur geht an Jon Fosse . In: spiegel.de, 5. Oktober 2023 (abgerufen am 5. Oktober 2023).
  7. Alfred Fidjestøl: Åtvarer mot kjendiseriet (Norwegisch). In: Klassekampen, 24. Oktober 2007. Abgerufen am 6. Februar 2009. 
  8. Top 100 living geniuses (Englisch) Abgerufen am 16. April 2011.
  9. vgl. Livestream via nobelprize.org (abgerufen am 5. Oktober 2023).
  10. Porter Anderson: At London Book Fair: International Booker Prize Shortlist, publishingperspectives.com, veröffentlicht und abgerufen am 7. April 2022.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Jon Fosse aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.