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Josef Ochs

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Franz Josef Ochs, genannt Seppl Ochs (geb. 31. März 1905 in Schmitten (Hochtaunus); gest. 12. November 1987) war ein deutscher Kriminalbeamter und SS-Obersturmführer, der im Nationalsozialismus an der Deportation von Sinti und Roma beteiligt war. In der Nachkriegszeit wirkte er von 1951 bis 1965 im Bundeskriminalamt (BKA) als Leiter der Exekutivabteilung der Sicherungsgruppe des BKA und als Referatsleiter sowie stellvertretender Leiter der Abteilung Nachrichtensammlung.

Leben

Josef Ochs wurde als Sohn eines Holzwollfabrikanten im Luftkurort Schmitten im Taunus geboren. Nach dem Erwerb des Abiturs 1925 studierte er Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Frankfurt am Main, München und Erlangen. 1933 promovierte er zum Dr. jur., arbeitete anschließend bis zum Sommer 1934 in der väterlichen Fabrik, ehe er bis September 1936 als treuhänderischer Mitinhaber einer Schuhhandelsfirma tätig war.[1]

Im Reichskriminalpolizeiamt (RKPA)

Anfang Oktober 1936 begann er seine berufliche Laufbahn bei der Kriminalpolizei Frankfurt und bestand sein Kommissarexamen im Juli 1938 mit „gut“. Im September 1938 heiratete er die 13 Jahre jüngere Tochter eines Apothekers. Aus der Ehe gingen zwei 1939 und 1943 geborene Kinder hervor. Ende 1938 wurde er nach Düsseldorf versetzt und am 15. Januar 1939 zum Kriminalbeamten auf Lebenszeit ernannt.

Der SA war Ochs bereits am 1. Mai 1933 beigetreten, in die NSDAP wurde er am 1. Mai 1937 mit der Mitgliedsnummer 5.927.971 aufgenommen, in die SS im Februar 1938 mit der Mitgliedsnummer 290.982. Am 2. Juli 1938 wurde er zum SS-Obersturmführer ernannt.

Laut eigenen Angaben will Ochs zwischen Oktober und Dezember 1939 im vom Deutschen Reich annektierten Thorn (Danzig-Westpreußen) „zwecks Einrichtung einer Kripo-Dienststelle“ tätig gewesen sein. Die Vermutung des Kriminologen Dieter Schenk, er habe statt diesen Angaben in Wirklichkeit einer SS-Einsatzgruppe angehört und an deren Morden teilgenommen,[2] konnten nicht belegt werden.[3]

Ochs war von Ende 1939 bis Juli 1941 im von Eduart Richrath geleiteten Referat V A 2b („Asoziale, Prostituierte, Zigeuner“) des RKPA als Sachbearbeiter zuständig für die Einweisungen in Konzentrationslager. Die örtlichen Kriminalpolizeistellen bzw. Kriminalpolizeileitstellen stellten im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung einen Vorbeugehaftbefehl zur Einweisung in KZs aus, der binnen einer Woche durch das Referat V A 2b bestätigt werden musste.[4]

Er war der Vertreter des RKPA bei der Maideportation 1940 beim Sammellager in Köln; hier selektierte er die rheinischen „Zigeuner“ für den Transport ins deutsch besetzte Polen. Auch danach war er mit „Zigeunerfragen“ beschäftigt. Beispielsweise schrieb Ochs für die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ in einem Brief vom 9. August 1940 an die anfragende Kriminalpolizeistelle Magdeburg, der betreffende Familienvater Robert R. sei entgegen seiner Behauptung nicht arischer Abstammung, man müsse von einem „Zigeuner-Mischling […] mit vorwiegendem Zigeunerblutsanteil“ ausgehen.[5] Aufgrund dieser Beurteilung wurde R. aus der Wehrmacht entlassen und später, am 1. März 1943, mit Frau und sechs Kindern in das Zigeunerlager Auschwitz deportiert. Für den Historiker Andrej Stephan zeigt dieses Schreiben exemplarisch, „dass Ochs sehr wohl eigene Kompetenzen innehatte und er sich nicht als stetig nur Befehle Empfangender und diese Ausführender sehen musste“.[6] So wurde in einer von Kriminaldirektor und SS-Sturmbannführer Friedrich Riese verfassten dienstlichen Beurteilung vom 15. September 1940 auch seine Eigeninitiative betont:

„Er wurde auf den Arbeitsgebieten Vorbeugende Verbrechensbekämpfung und Zigeunerangelegenheiten sowie bei der Planung des sicherheitspolizeilichen kolonialen Einsatzes beschäftigt. (…) Gestützt auf fachliche und allgemeine Kenntnisse verfügt er über ein bemerkenswert sicheres und selbständiges Urteilsvermögen. Neue oder grundsätzlich bedeutsame Vorgänge werden erkannt und aus eigener Initiative zweckmäßig ausgewertet.“[7]

Auch nach seiner Versetzung zur Kripoleitstelle Düsseldorf im Juni 1943 wirkte Ochs im Zuge der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, etwa indem er den Vorstand des Polizeigefängnisses Hamburg-Fuhlsbüttel in einem Brief vom 22. Juli 1943 aufforderte, den 1919 geborenen Johann A. nach Beendigung von dessen Zuchthausstrafe „in das Polizeigefängnis Düsseldorf überführen zu lassen, da ich beabsichtige, gegen ihn polizeiliche Vorbeugungsmaßnahmen anzuordnen“.[8]

Nachkriegszeit

Nach dem 8. Mai 1945 wurde Ochs bis April 1948 im Internierungslager Neuengamme interniert. Dabei war Ochs sehr erfolgreich darin, für ihn entlastende „Persilscheine“ angesehener Persönlichkeiten zu organisieren, unter anderem zwei auf 1946 und 1948 datierte „Ehrenerklärungen“ des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold.[9] Im Prozess vor einem britischen Militärgericht wurde er vom Vorwurf der Ermordung von „Fremdarbeitern“ freigesprochen. Nachdem er bis Juli 1949 arbeitslos war, arbeitete er ein Jahr im Werkschutz der Rheinischen Röhrenwerke AG Düsseldorf, ehe er im Dezember 1950 bei der Düsseldorfer Kriminalpolizei angestellt wurde. Im Mai 1951 wechselte Ochs in das Kriminalpolizeiamt der Britischen Zone und damit direkt in das daraus entstehende Bundeskriminalamt. In der Gründungsphase der Sicherungsgruppe des BKA führte er deren Exekutivabteilung und nach einem Briefbombenattentat 1952 auf Bundeskanzler Konrad Adenauer die zuständige Sonderkommission. Der Historiker Patrick Wagner, Leiter des Projekts BKA-Historie,[10] betont, dass Ochs in diesem Fall die Täterschaft einer rechtszionistische Terrorgruppe aus Israel zum Anlass nahm, um in einem internen Bericht von „Zürich, Paris, Amsterdam und München“ als „Zentralen des Judentums in Europa“ zu schreiben und – da man der Täter nicht habhaft werden konnte – seinen Vorgesetzten empfahl, „Internierungslager“ für Menschen aus deren Umfeld einzurichten, da nur der „Weg der Repressalien“ bleibe.[11] Ochs leitete zudem ein Referat in der Abteilung Nachrichtensammlung und wurde schließlich 1954 stellvertretender Leiter dieser Abteilung. In dieser Funktion war er ab 1954 als „Zigeunerexperte“ des BKA für dessen letztlich nicht erfolgreichen Versuche verantwortlich, „eine polizeiliche Sonderkontrolle der Sinti und Roma unter Federführung des BKA zu institutionalisieren“.[12]

Im Jahr vor Ochs’ Pensionierung 1965 begannen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn, nachdem das Berlin Document Center am 30. April 1964 der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft Unterlagen zugesandt hatte, die auf eine Tätigkeit von Ochs im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) hindeuteten. In der Tat hatte das Reichskriminalpolizeiamt, Ochs’ Dienststelle, als Amt V zum RSHA gehört. Doch die Generalstaatsanwaltschaft vermochte eine entsprechende Tätigkeit von Ochs im RSHA nicht zu erkennen und entschied, dass „von weiteren routinemäßigen Abfragen bei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg Abstand genommen werden“ solle.[13] Gegenstand der Ermittlungen waren „Einweisungen in Konzentrationslager unter dem Oberbegriff ‚Vernichtung durch Arbeit’“.[14] Man begnügte sich mit Vernehmungen des Juristen Ochs. Er sagte in seiner ersten Vernehmung am 18. Oktober 1966 aus, er habe weder mit Einweisungen in Konzentrationslager zu tun gehabt, noch an der „Vernichtung durch Arbeit“ mitgewirkt. In einer abschließenden Vernehmung vor Einstellung des Verfahrens 1970 machte er geltend, „Sonderbehandlungen“ seien ihm „völlig unbekannt“ gewesen – er habe im Gegenteil davon ausgehen können, dass die „nach dem Vorbeugungserlaß eingewiesenen Häftlinge legal behandelt wurden“.[15] Ochs’ Einlassung, er habe damals keine Kenntnis davon gehabt, dass der Begriff „Sonderbehandlung“ in der Tarnsprache der SS für die Ermordung rassisch unerwünschter Menschen steht, hält sein Biograph Andrej Stephan für eine unglaubwürdige Schutzbehauptung, da Ochs aufgrund von Mitteilungen aus den Konzentrationslagern, die ihn erreichten, wusste, „dass die von ihm persönlich verfügten Maßnahmen Menschen in den Tod führten“.[16]

Literatur

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2003, S. 442.
  • Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), ein „Zigeunerexperte“ mit Erinnerungslücken. In: Imanuel Baumann/Herbert Reinke/Andrej Stephan/Patrick Wagner: Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bundesrepublik. Hrsg. vom Bundeskriminalamt, Kriminalistisches Institut. Luchterhand, Köln 2011, ISBN 978-3-472-08067-1 (Polizei + Forschung, Sonderband), S. 313–322.
  • Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5.

Anmerkungen

  1. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), ein „Zigeunerexperte“ mit Erinnerungslücken. In: Imanuel Baumann/Herbert Reinke/Andrej Stephan/Patrick Wagner: Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bundesrepublik. Hrsg. vom Bundeskriminalamt, Kriminalistisches Institut. Luchterhand, Köln 2011, ISBN 978-3-472-08067-1 (Polizei + Forschung, Sonderband), S. 313–322. Soweit nicht anders angegeben sind alle Daten dieser wissenschaftlichen Kurzbiografie entnommen. Zitate daraus sind gesondert angemerkt.
  2. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 207.
  3. Zu Schenks nicht vorhandenem Beleg und zudem seinem verfehlten Vergleich mit Adolf Eichmann siehe Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 315 (fehlender Beleg) u. S. 321 (Eichmann).
  4. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 205f.
  5. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 315.
  6. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 316.
  7. Zit. nach Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, S. 206.
  8. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 315.
  9. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 317; siehe auch Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, S. 208.
  10. Projekt BKA-Historie mit Publikationen der von Wagner geleiteten Forschungsgruppe zum Download
  11. Patrick Wagner: Prägungen, Anpassungen, Neuanfänge. Das Bundeskriminalamt und die nationalsozialistische Vergangenheit seiner Gründergeneration. Ansatz und Ergebnisse des Forschungsprojektes. Vortrag vom 6. April 2011, Bundeskriminalamt Köln (Download Nr. 8, S. 3); siehe auch Jan Friedmann: Lippenbekenntnisse zum Rechtsstaat. Der Historiker Patrick Wagner über die erstaunlichen Karrieren von Alt-Nazis im Bundeskriminalamt. In: Der Spiegel, Nr. 15, 11. April 2011.
  12. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 313 f.
  13. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 318.
  14. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 319.
  15. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 319 f.
  16. Andrej Stephan: „Der Begriff Sonderbehandlung … war mir damals unbekannt“. Dr. Josef Ochs (1905–1987), S. 321.
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