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Jugendherberge
Der Begriff Jugendherberge beschreibt umgangssprachlich eine preisgünstige, einfache Herberge. Im engeren Sinne bezeichnet er in Deutschland eine Unterkunft des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), in Österreich des Österreichischen Jugendherbergverbands oder -werks und in der Schweiz eine Herberge der Schweizer Jugendherbergen. International ist die englische Bezeichnung Youth Hostel (Herberge) üblich. Jugendherbergsähnliche Einrichtungen, die nicht einem Landesverband des internationalen Jugendherbergsverbandes Hostelling International (HI) angeschlossen sind, werden weltweit als Hostel bezeichnet.
Kommerziell betriebene Unterkünfte, die sich an Rucksackreisende wenden, bezeichnen sich daher auch in Deutschland meist als Hostel, Backpacker Hostel oder einfach Backpacker.
Jugendherbergen in Deutschland
Entstehung
Entstanden sind Jugendherbergen ab Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der Jugendbewegung als Unterkünfte für junge Menschen, Jugendgruppen und Schulklassen. Am 26. August 1909 hatte Richard Schirrmann, ein Lehrer in der heutigen Richard-Schirrmann-Schule in Altena, erstmals die Vision einer Jugendherberge.[1] Die Idee wurde von ihm in seiner Schule 1911 realisiert.[2]. Dieses Provisorium wurde 1912 durch eine Jugendherberge auf der Burg Altena oberhalb der Stadt ersetzt, die heute als Teil des Museums der Burg Altena im Original zu besichtigen ist.[3] Daneben besteht auch heute auf der Burg Altena eine Jugendherberge. 1911 gab es bereits 17 Jugendherbergen, 1921 etwa 1.300 und 1928 rund 2.200. Sie hatten häufig große Schlafsäle und wenige kleinere Zimmer für die Betreuer.
Mit der reisenden Jugend überschritt die Idee rasch die nationalen Grenzen Deutschlands: Überall auf der Welt entstanden Youth Hostels, die heute unter dem Dach des Weltverbandes Hostelling International mit mehr als 90 nationalen Verbänden aus 90 Ländern und über 4.000 Jugendherbergen global zusammengefasst sind. Ideelle Zielsetzung ist unverändert seit fast einem Jahrhundert neben der Förderung des Jugendreisens das gemeinsame Eintreten für Frieden und Völkerverständigung durch den interkulturellen Austausch junger Menschen.
Nutzergruppen/Altersgrenzen
Zur Nutzung einer Jugendherberge ist die beitragspflichtige Mitgliedschaft im Deutschen Jugendherbergswerk zwingend erforderlich. Im Gegensatz zu Hostels ist ein Gelegenheitsaufenthalt oder eine Spontanübernachtung nur bei gleichzeitigem Eintritt in das DJH möglich.
Auch heute werden Jugendherbergen noch häufig für Gruppenreisen von Jugendlichen wie zum Beispiel Klassenfahrten in Anspruch genommen. Es gibt aber auch ältere Gäste, viele Eltern bzw. Alleinerziehende mit Kindern, auch Senioren. In größeren Städten nutzen auch Geschäftsleute – beispielsweise Messebesucher – das Angebot der Jugendherbergen. Gründe dafür sind die günstigen Übernachtungspreise im Vergleich zum Hotel, aber auch der nähere Kontakt zu anderen Gästen und ein geselliger Umgang unter den Gästen. In den meisten Jugendherbergen gibt es daher heute auch kleinere so genannte „Familienzimmer“, einige Jugendherbergen haben die großen Schlafräume ganz abgeschafft. Viele Jugendherbergen stellen sich auch sonst auf ein gemischtes Publikum ein.
Seit dem Jahr 2005 dürfen auch in Bayern ältere Alleinreisende ab 27 Jahren in Jugendherbergen übernachten. Allerdings werden Jugendliche sowie Jugend- und Schülergruppen weiterhin vorrangig berücksichtigt. Der bayerische Landesverband des DJH begründet dies mit der Zweckbindung von Investitionszuschüssen der bayerischen Staatsregierung an den Landesverband. Zudem sei eine „direkte Konkurrenz zum kommerziellen Beherbergungsgewerbe … aufgrund der direkten und indirekten Subventionen nicht zu vertreten“.
Ausstattung
Jugendherbergen besitzen immer Gemeinschaftseinrichtungen wie Speiseraum, Bistro oder Cafeteria, Sporteinrichtungen, Aufenthaltsräume und ähnliches und werben manchmal mit besonderen Angeboten und Ausstattungen wie Tagungs- und Seminarräumen, einer besonderen Eignung für Familien oder speziellen Kursangeboten (z. B. Erlebnispädagogik, Sprachkurse).
Insbesondere bei den Jugendherbergen im ländlichen Raum befinden sich ein großes Gelände mit Spielplatz, Sportmöglichkeiten (Fußballplatz, Basketballplatz, Tischtennis, Volleyballfeld etc.) und meist auch einem Grill- und Lagerfeuerplatz direkt am Haus, durch Kontakte mit örtlichen Vereinen ergeben sich üblicherweise auch Möglichkeiten, kommunale Sporteinrichtungen zu nutzen.
Ein besonderer Schwerpunkt bei Investitionen in die Gebäude wurde in den letzten Jahrzehnten sowohl in die Schaffung von Zimmern mit geringerer Bettenanzahl als auch im Bereich der Sanitärausstattung gesetzt. Deshalb gibt es inzwischen in vielen Jugendherbergen auch sehr gut ausgestattete Zwei- und Vierbettzimmer mit Dusche und Toilette.
Eine Jugendherberge ist kein Hotel. Die Gäste beziehen ihre Betten selbst und ziehen diese vor der Abreise wieder ab. Handtücher sind in der Regel selbst mitzubringen oder können gegen ein geringes Entgelt gemietet werden. In einigen Häusern gibt es am Tag eine Schließzeit von einigen Stunden, die vor allem für die notwendigen Reinigungsarbeiten der sanitären Räume genutzt wird.
Qualitätssteigerung
Seit vielen Jahren und an vielen Orten wird die Qualität von Jugendherbergen verbessert. Viele Jugendherbergen, vor allem in Großstädten, wurden komplett renoviert oder neu gebaut und zeigen nun einen vorher für Jugendherbergen unüblichen Komfort und Standard. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sind Häuser fast hotelartig. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 13 komplett modernisierte oder neu gebaute Jugendherbergen eröffnet. Der früher zum Schutz der Wolldecken übliche Leinenschlafsack braucht heute nicht mehr mitgebracht werden.
Parallel mit dem Ansteigen des Niveaus stiegen auch die Übernachtungskosten. Im Jahr 2007 waren dies nach Angaben des DJH zwischen 11,50 Euro und 24,50 Euro pro Nacht; der Durchschnittspreis lag bei 16,25 Euro. Gäste, die 27 und älter sind, zahlten in der Regel einen Aufschlag von etwa 3 Euro pro Nacht, Kinder bis zwei Jahre waren kostenlos. Kinder bis zum Alter von fünf Jahren erhielten 50 Prozent Rabatt auf alles (in einigen Fällen nur auf Mahlzeiten). Für ältere Kinder wurden oft auch ermäßigte Sätze angewandt. Eine warme Mahlzeit kostete zwischen 4 und 5 Euro, ein Lunchpaket weniger.[4]
Pädagogisches Angebot
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Jugendherbergen und kommerziellen Einrichtungen, wie beispielsweise Hotels, Pensionen oder Campingplätze, liegt in der pädagogischen Ausrichtung von Jugendherbergen als Partner der Jugendarbeit und der Schulen. Neben dem Verfügbarmachen von Gemeinschaftseinrichtungen und -unterkünften, unterstützen die Jugendherbergen Lehrer und Jugendgruppenleiter auch mit Hilfe von Programmangeboten bei der Einübung sozialen Lernens in der Schulklasse bzw. Gruppe. Ferner gibt es in Jugendherbergen ein so genanntes Leiterzimmer, in dem sich die Gruppenleiter und Lehrer treffen können, um gemeinsam Ideen und Konzepte auszutauschen.
An einigen Standorten werden außerdem fachliche Schwerpunkte der erlebnis- oder freizeitpädagogischen Jugendarbeit gesetzt in Form von einer Profilierung der Jugendherberge, z. B. Umwelt- oder Kulturstudienplätze, Gut-Drauf-Jugendherbergen, Graslöwen-Freizeit- oder Klassenfahrt-Jugendherbergen. Auf diese Weise werden Jugendherbergen zu Spiel- und Entfaltungsräumen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Unterstützt wird die sozialpädagogische Arbeit der Jugendherbergen vor Ort auch durch Kooperationen mit lokalen Trägern der Jugendhilfe, der freien und verbandlichen Jugendarbeit und der Schulen sowie durch ehrenamtliche Helfer.
Organisation
In Deutschland sind über 550 Jugendherbergen im Deutschen Jugendherbergswerk (DJH), einem gemeinnützigen eingetragenen Verein, organisiert und arbeiten nach einheitlichen Qualitätsstandards. Dieser „Hauptverband“ ist selbst nicht Eigentümer von Jugendherbergen, sondern sorgt für die ideelle Einheit, führt Zertifizierungsverfahren durch (z. B. für Studienplätze[5][6]), organisiert den internationalen Austausch mit anderen Jugendherbergsverbänden, schult die Jugendherbergsmitarbeiter in Leitungsfunktionen und übernimmt zentrale Verwaltungsaufgaben für die ebenfalls gemeinnützigen Landesverbände.
Betreiber und meist auch Eigentümer der einzelnen Jugendherbergen sind die 14 Landesverbände des DJH, hinzu kommen eine Reihe freier Träger, oftmals Gemeinden, Städte oder Jugendverbände, die ihre Häuser nach den Bedingungen des DJH als Jugendherberge zur Verfügung stellen.
Sonderbriefmarke/Gedenkmünze
Mit einer 55-Cent-Briefmarke ‚100 Jahre Jugendherbergen‘ und einer 10-Euro-Silber-Gedenkmünze (Prägestätte Karlsruhe, Gewicht 18 Gramm) würdigt die Bundesrepublik Deutschland das Jubiläum des DJH. Erstausgabetag war der 13. August 2009.
Die Marke „Jugendherberge“
Der Schutz des Begriffs „Jugendherberge“ als Wortmarke des Deutsche Jugendherbergswerks (DJH) ist umstritten. Das DJH hatte die Marke im Jahr 1998 eintragen lassen.
So hat das Oberlandesgericht München im April 2005 einem Unterlassungs-Anspruch des DJH gegen einen Münchener Hostelier Recht gegeben. Dieser hatte Werbung im Internet mit dem Wort „Jugendherberge“ betrieben. Die Richter waren der Auffassung, dieses Verhalten sei nach dem Markenrecht sittenwidrig, irreführend und fange Kunden ab (AZ. 29 U 5753/04).[7]
Nach fünf Jahren Rechtsstreit zwischen dem Kläger A&O Hotels and Hostels und dem DJH ordnete das Bundespatentgericht (Az.: 25 W(pat) 8/06) im Januar 2009 an, die Marke „Jugendherberge“ zu löschen.[8] Hiergegen hat das DJH Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingereicht, so dass der Name zunächst weiter geschützt blieb und der Rechtsstreit in eine neue Runde ging.[9] Mit einem Beschluss vom BGH vom 17. September 2009 wurde die Beschwerde des DJH abgelehnt. Die Marke Jugendherberge ist damit endgültig gelöscht.[10]
Das DJH beruft sich darauf, die Bezeichnung in die deutsche Sprache eingeführt zu haben und den Begriff nur für die eigenen Unterkünfte verwenden zu wollen, die hohen Qualitätsanforderungen entsprechen.[11] Der Kläger ist der Meinung, dass der Begriff ein allgemein beschreibender Teil der deutschen Sprache geworden ist. Insbesondere ergebe die Suche im Wörterbuch für den englischen Begriff „youth hostel“ stets die Übersetzung „Jugendherberge“, so dass private Anbieter benachteiligt seien.
Jugendherberge Frankfurt am Main
Jugendherberge Friedrichshafen
Jugendherberge Menzenschwand
Youth Hostels
Youth Hostel ist die englischsprachige Bezeichnung für Jugendherberge. Daher bezeichnet das Wort in englischsprachigen Ländern wie Neuseeland, Australien, Großbritannien oder Südafrika Herbergen des jeweiligen Jugendherbergsverbandes. Die 26 Youth Hostels (Stand 2008/09) in der Republik Irland firmieren auch unter An Óige.
Stellung der Jugendherbergen im Verhältnis zu anderen Unterkünften
Städtische Jugendherbergen haben heute häufig Hotelniveau und sind in Angebot, Service und Erscheinungsbild der kommerziellen Konkurrenz angepasst. Die Gebäude werden vielfach von den Bundesländern finanziert und zu sehr geringen Mieten zur Verfügung gestellt.[12] Jugendherbergen werden als gemeinnützig anerkannt und müssen weder Körperschaftssteuer noch Gewerbesteuern zahlen. Auch im Umsatzsteuergesetz werden sie von der Steuer ausgenommen, während private Betriebe mit dem gleichen Angebot kaum eine Möglichkeit haben in den Genuss der Steuerbefreiung zu gelangen.
Da sich die Häuser des Deutschen Jugendherbergswerks nur noch wenig von denen ähnlicher, privater Unternehmen unterscheiden und die Preise gelegentlich sogar höher liegen als bei privatwirtschaftlich geführten Beherbergungsbetrieben gibt es vielfach Kritik an ihrer bevorzugten Stellung. Dies gilt besonders, seit sich um die Jahrtausendwende viele neue Jugendunterkünfte (Hostels) in Deutschland etablierten.
Der bayrische Jugendherbergsverband führte 2011 einen Diskurs über sein „gemeinnütziges Selbstverständnis“ und kam zu dem Schluß: „Jugendherbergen sind dort gemeinnützig, wo sie das Erleben von Gemeinschaft möglich machen, insbesondere in kind- und jugendgerechten Angeboten und Programmen“.[13]
Verwandte Themen
- Gastgeberdienste sind preisliche Alternativen zu Jugendherbergen
- Hostels sind preisgünstige, sehr einfache Unterkünfte
- Jugendburgen sind alternative Unterkünfte für Pfadfinder
Siehe auch
Literatur
- Jürgen Reulecke/Barbara Stambolis (Hrsg.): 100 Jahre Jugendherbergen 1909–2009. Anfänge – Wandlungen – Rück- und Ausblicke. Klartext Verlag, Essen 2009, ISBN 978-3-89861-990-5.[14]
Weblinks
- Literatur zum Thema Jugendherberge im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- BGH Beschluss zur Marke Jugendherberge
- Jugendherbergen in Deutschland
- Jugendherbergen in Österreich - Österreichischer Jugendherbergsverband
- Schweizer Jugendherbergen
- Internationaler Jugendherbergsverband
Einzelnachweise
- ↑ focus.de: Der Charme von Stockbetten
- ↑ Kölner Stadt-Anzeiger vom 9. März 1921
- ↑ http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3967713,00.html
- ↑ www.jugendherberge.de
- ↑ Regionales Profil: Alpiner Studienplatz
- ↑ Erster Umweltstudienplatz in Brandenburg
- ↑ Meta-Tags - Jugendherberge
- ↑ Jugendherberge für alle, Süddeutsche Zeitung, 29. Januar 2009.
- ↑ Bundesgerichtshof soll Streit um Marke «Jugendherberge» klären, beck-aktuell-Redaktion (Verlag C. H. Beck) 10. Februar 2009.
- ↑ Löschungsverfahren Jugendherberge, Rechtsanwalt Stelzner, 10. August 2009.
- ↑ Die Marke "Jugendherberge" auf www.jugendherberge.de
- ↑ www.Herbergsförderung.de
- ↑ Der Vorstand des DJH-Bayern „bloggt“.
- ↑ Vgl. Ulrich Linse: Rezension zu: Reulecke, Jürgen; Stambolis, Barbara (Hrsg.): 100 Jahre Jugendherbergen 1909–2009. Anfänge – Wandlungen – Rück- und Ausblicke. Essen 2009. In: H-Soz-u-Kult, 22. Dezember 2009.
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