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Katja Weintraub
Katja Weintraub (geb. als Katja Hof möglicherweise in Weidenhaus, Kreis Biedenkopf[1]; gest. Dezember 1970 in Stockholm) war eine deutsch-polnische Übersetzerin von polnischer Literatur und Sachbüchern. Ihre literarische Übersetzung eines Werks von Janusz Korczak trug mit dazu bei, dass ihm 1972 posthum der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zuerkannt wurde.[2]
Leben
Katja Hof studierte Slavistik in Göttingen, wo sie den Medizinstudenten und Holocaust-Überlebenden Leon Weintraub kennenlernte und heiratete. 1948 bekam das Paar einen Sohn. Im April 1951 zog sie zu ihrem Mann nach Warschau, wo er seit 1950 als Arzt in einer Frauenklinik arbeitete. 1969 emigrierte die Familie nach Schweden.[2]
Werk
Weintraub war in Polen als Übersetzerin und Redakteurin tätig; sie übersetzte Sachbücher, wissenschaftliche Werke sowie Gedichte und Volksmärchen aus dem Polnischen ins Deutsche. Für die 1963 veröffentlichte Aufarbeitung der Tagebücher des nationalsozialistischen Politikers und verurteilten Kriegsverbrechers Hans Frank durch den Historiker und ehemaligen polnischen Anklagevertreter bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, Stanislaw Piotrowski, besorgte Katja Weintraub die deutsche Übersetzung. Weintraub beriet die Edition einer deutschen Übersetzung der Erinnerungen von Auschwitzüberlebenden, die 1970 unter dem Titel Erinnerungen Auschwitzer Häftlinge beim Staatlichen Museum Auschwitz herausgegeben wurde. Zusammen mit Lothar Fahlbusch übernahm sie die Übersetzung und Redaktion des preisgekrönten Werks Ästhetik der Filmmusik der polnischen Musikwissenschaftlerin Zofia Lissa.
Ihre bekannteste Arbeit ist die literarische Übersetzung von Janusz Korczaks zweibändigem Kinderroman, der in Polen das beliebteste Kindbuch war[3] und dessen erster Band Król Maciuś Pierwszy (1923) erstmals 1957 auf Deutsch mit dem Titel König Hänschen I. im staatlichen Warschauer Polonia Verlag erschien. Das polnische Wort ‚Król’ bedeutet ‚König’. Katja Weintraub setzte für 'Maciuś' den Jungennamen 'Hänschen' als Diminutivum ein, abgeleitet von ‚Hans’, damit sich die deutschen Leser mit dem kleinen König identifizieren können. Diese übersetzerische Lösung sei bewusst und vermittle dieselbe Botschaft des Autors in der polnischen Fassung, dass der Roman an Kinder gerichtet sei, so die Germanistin Anna Fimiak-Chwiłkowska. Korczak selbst hatte darauf hingewiesen, dass der Roman sich nicht für Erwachsene eigne, weil diese ihn nicht verstehen werden.[4] Die erste Veröffentlichung in Deutschland in der Übersetzung von Katja Weintraub erfolgte 1970 im Göttinger Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, laut Karl-Heinz Janßen „begleitet von überschwenglichen Rezensionen“. [3] Damit wurde sie einem größeren Publikum zugänglich.[5] Es folgten vier weitere unveränderte deutschsprachige Auflagen sowie Taschenbuch-Ausgaben bei dtv.[6][3] 1971 verlegte Vandenhoeck & Ruprecht Weintraubs Übertragung des zweiten Bandes mit dem Titel König Hänschen auf der einsamen Insel, dem sich eine zweite Auflage und drei Taschenbuchausgaben anschlossen.[7]
Rezeption
In ihrer Untersuchung Zum Problem der Übersetzung der Kinderliteratur am Beispiel des Romans Król Maciuś I (1923) von Janusz Korczak in zwei deutschen Übersetzungen hebt die polnische Germanistin Anna Fimiak-Chwiłkowska die Übersetzungsleistung von Katja Weintraub hervor:
„Katja Weintraub geht in ihrer Übersetzung mit großer Sensibilität auf alle Einzelheiten ein, die im Original eine Schlüsselrolle für die vermittelte Botschaft spielen, ohne die Rezipientengruppe aus den Augen zu verlieren. Sie formuliert dieselben Postulate wie Janusz Korczak, dass jeder mal klein war („als sie noch nicht erwachsen und alt waren“), dass es angebracht ist, Fotos von den kleinen „Königen, Reisenden und Schriftstellern zu bringen“ und dass es gar nicht stimmt, Kinder „könnten niemals Minister, Reisende oder Schriftsteller werden“. Weintraub vermittelt auch das Gebot, „Erwachsene sollten [das] Buch überhaupt nicht lesen“, obwohl niemand es ihnen verbieten kann. Durch ein solches Verfahren mit starker Konzentration auf den Rezipienten erreicht die Übersetzerin denselben Grad an Verständigung, auf den Korczak abzielte, und dieselbe geheime Aura einer Relation zwischen dem Schriftsteller und den Kindern als Lesern.“
Übersetzungen und Publikationen (Auswahl)
Werke von Janusz Korczak. Aus dem Polnischen von Katja Weintraub
- König Hänschen I (Król Maciuś Pierwszy). (Mit einem Nachwort von Elisabeth Heimpel. Illustrationen von Jerzy Srokowski). Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970
- Zweite unveränderte Auflage 1971; dritte Auflage 1972; vierte Auflage 1973. Die fünfte unveränderte Auflage von 1995 gehört 2014 zum Verlagsprogramm von Vandenhoeck & Ruprecht.[9]
- Ungekürzte Taschenbuchausgaben, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974, 1975, 1976, 1978
- König Hänschen auf der einsamen Insel (Król Maciuś na wyspie bezludnej). Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1971, 1973
- Ungekürzte Taschenbuchausgaben, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974, 1975, 1977
- König Hänschens I. Kinderparlament, in: Janusz Korczak. Das Kind lieben. Ein Lesebuch von Erich Dauzenroth und Adolf Hampel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-04585-7, S. 206–209 (weitere Auflagen 1988 und 1996)[10]
Polnische Volksmärchen
- Prinzessin Zauberfee (Królewna czarodziejka). Übertragen von Hella Rymarowicz und Katja Weintraub. Illustrationen von Olga Siemaszko. Warschau 1961, 1963, 1969
Biografie
- Stanisław Piotrowski (Hrsg.): Hans Franks Tagebuch (Dziennik Hansa Franka). Übersetzung aus dem Polnischen von Katja Weintraub. Polnischer Verlag der Wissenschaften, Warschau 1963[11]
Gedichte, übertragen aus dem Polnischen von Katja Weintraub
- Lech Pijanowski: Fahren wir zur Grossmama (Kosi, kosi łapci…). Nasza Księgarnia Publishing, Warschau 1958
- Czesław Janczarski: Wer im Walde wohnt (Kto w lesie mieszka). Nasza Księgarnia Publishing, Warschau 1958
Sachbücher
- Zdzisław Wdowiński: Im Lande der Wälder und Seen (Wśród puszcz i jezior). Warschau 1955
- Lieder aus Polen. Redaktion: Wanda Doleźal. Übersetzung aus dem Polnischen: Elźbieta Baumzetzer und Katja Weintraub, Warschau 1955
- Joanna Kozicka: Pariser Kommune 1871. Übersetzung aus dem Polnischen: Katja Weintraub. Warschau 1955
- Kazimierz Saysse-Tobiczyk: In der Hohen Tatra (Pod wierchami Tatr) (Fotoband). Übertragen von Elźbieta Baumsetzer und Katja Weintraub. Warschau 1956
- Marian Sobański: Die Weichsel (Wisła) (Bildband). Übersetzung aus dem Polnischen: Katja Weintraub; Zeichnungen: Antoni Uniechowski Sobanski. Sport i Turystyka, Warschau 1956
- Tomasz Kostuch (Redaktion): Polen. Zahlen - Fakten (Polska. cyfry - fakty). Redaktion der deutschen Ausgabe: Katja Weintraub. Polonia-Verlag, Warschau 1958
- Przemysław Trzeciak: Kreuz und quer durch Polen (Przez polskie ziemie). Polonia-Verlag, Warschau 1960
- Tatiana Berenstein, Adam Rutkowski: Hilfsaktion für Juden in Polen 1939–1945. Übersetzung aus dem Polnischen: Katja Weintraub. Warschau 1963
- Zofia Lissa: Ästhetik der Filmmusik (Estetyka muzyki filmowej). Übersetzung und Redaktion: Lothar Fahlbusch und Katja Weintraub, Berlin : Henschel 1965[12]
Beraterin der deutschsprachigen Ausgaben
- Kazimierz Smoleń, Jadwiga Bezwinska; Jerzy Brandhuber (Hrsg.): Hefte von Auschwitz 5. Aus dem Polnischen von Herta Henschel. Beraterin der deutschen Ausgabe Katja Weintraub. Oświęcim : Verl. Państwowe Muzeum w Oświęcimiu 1962
- Kazimierz Smoleń (Hrsg.): Erinnerungen Auschwitzer Häftlinge (Wspomnienia więźniów oświęcimskich). Aus dem Polnischen von Herta Henschel. Beraterin der deutschen Ausgabe Katja Weintraub. Oświęcim : Verl. Państwowe Muzeum w Oświęcimiu 1970
Literatur
- Anna Fimiak-Chwiłkowska: Die Welt in Kinderworten. Zum Problem der Übersetzung der Kinderliteratur am Beispiel des Romans ‚Król Maciuś I‘ (1923) von Janusz Korczak in zwei deutschen Übersetzungen. In: Andrzej Kątny, Katarzyna Lukas, Jan Sikora (Hrsg.): Pragmalinguistische Aspekte der polylektalen Kommunikation. Studia Germanica Gedanensia 27, Gdańsk 2012, ISBN 978-83-7865-034-8, S. 196–210; online
Weblinks
- Literatur von und über Katja Weintraub im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Übersetzungen von Katja Weintraub in der bibliografischen Datenbank WorldCat
Einzelnachweise
- ↑ Leon Weintraub, Video, sat3 online, 17. Februar 2011
- ↑ 2,0 2,1 Leon Weintraub, Projekt Riese
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Karl-Heinz Janßen: Die Kinderbücher des Friedenspreisträgers. König Hänschens Wachtparade, in: Die Zeit, 29. September 1972
- ↑ Anna Fimiak-Chwiłkowska: Die Welt in Kinderworten. Zum Problem der Übersetzung der Kinderliteratur am Beispiel des Romans ‚Król Maciuś I‘ (1923) von Janusz Korczak in zwei deutschen Übersetzungen, S. 201
- ↑ Hartmut von Hentig: Die Kinder an die Macht? Hartmut von Hentig über Janusz Korczak König Hänschen I.. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1970 (online).
- ↑ Janusz Korczak: König Hänschen I. Aus dem Polnischen von Katja Weintraub. Mit einem Nachwort von Elisabeth Heimpel. Illustrationen von Jerzy Srokowski. Vandenhoeck & Ruprecht, 5., unveränd. Auflage 1995, ISBN 978-3-525-39106-8
- ↑ Anmerkung: In seiner Laudatio zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Janusz Korczak zitierte Harmut von Hentig aus Korczaks Werken König Hänschen I. und König Hänschen auf der einsamen Insel in der Übersetzung von Katja Weintraub. Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1972, S. 5ff.
- ↑ Anna Fimiak-Chwiłkowska: Die Welt in Kinderworten. Zum Problem der Übersetzung der Kinderliteratur am Beispiel des Romans ‚Król Maciuś I‘ (1923) von Janusz Korczak in zwei deutschen Übersetzungen. In: Andrzej Kątny, Katarzyna Lukas, Jan Sikora (Hrsg.): Pragmalinguistische Aspekte der polylektalen Kommunikation. Studia Germanica Gedanensia 27, Gdańsk 2012, ISBN 978-83-7865-034-8, S. 203; pdf online
- ↑ Vandenhoeck & Ruprecht. König Hänschen I. Verlagswebsite
- ↑ Janusz Korczak: Das Kind lieben. Ein Lesebuch. Deutsches Polen-Institut, abgerufen am 1. Dezember 2014.
- ↑ Eintrag Website des Historischen Instituts Warschau
- ↑ Zofia Lissa: Ästhetik der Filmmusik, 1965, Vorwort S. 6
Personendaten | |
---|---|
NAME | Weintraub, Katja |
ALTERNATIVNAMEN | Hof, Katja |
KURZBESCHREIBUNG | Übersetzerin polnischer Literatur ins Deutsche |
STERBEDATUM | 1970 |
STERBEORT | Stockholm |
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