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Kernfusionsreaktor
Ein Kernfusionsreaktor oder Fusionsreaktor ist eine technische Anlage, in der die Kernfusion von Deuterium und Tritium als thermonukleare Reaktion kontrolliert abläuft. Fusionsreaktoren, die zur Stromerzeugung in einem Fusionskraftwerk geeignet wären, existieren noch nicht[veraltet]. Obwohl dieses Ziel bereits seit den 1960er Jahren verfolgt wird, rückt es wegen hoher technischer Hürden und auch aufgrund unerwarteter physikalischer Phänomene nur langsam näher.
Die Forschung konzentriert sich aktuell (2019) auf Tokamaks und Stellaratoren. Diese Reaktorkonzepte beruhen auf der Technik des magnetischen Einschlusses. Eine kleine Menge von wenigen Gramm des Deuterium-Tritium-Gasgemisches wird in ein luftleeres, viele Kubikmeter großes, torusförmiges Behältnis eingebracht und auf 100 bis 150 Millionen Grad Celsius erhitzt. Bei diesen Temperaturen sind Elektronen und Atomkerne voneinander getrennt und bilden ein elektrisch leitendes Plasma. Um die torusförmige Plasmakammer sind supraleitende Elektromagnete angeordnet, die ein Magnetfeld von bis zu 10 Tesla Stärke erzeugen. Durch dieses Magnetfeld wird das Plasma in der Kammer so eingeschlossen, dass es die Wände nicht berührt. Bei einem Kontakt mit der Wand würde das Plasma sofort auskühlen und die Reaktion würde zusammenbrechen. Die Teilchendichte entspricht dabei einem technischen Vakuum. Die stark exotherme Kernreaktion erfolgt durch den Zusammenstoß der schnellen Atomkerne.
Die wichtigsten europäischen Forschungsreaktoren sind die Tokamaks JET in Culham in Großbritannien und ASDEX Upgrade in Garching bei München sowie der Stellarator Wendelstein 7-X in Greifswald. Das erfolgversprechendste Projekt ist der internationale Forschungsreaktor ITER, ein Tokamak, der seit 2007 in Cadarache in Südfrankreich im Bau ist. Mit ITER soll gezeigt werden, dass es physikalisch und technisch möglich ist, durch Kernverschmelzung Energie zu gewinnen. Die Erzeugung des ersten Wasserstoffplasmas ist für 2025 geplant. Der Betrieb mit einem Deuterium-Tritium-Plasma wird voraussichtlich frühestens ab 2035 erfolgen. Die mit ITER gewonnenen Erkenntnisse sollen die Grundlagen für den Bau des Demonstrationskraftwerks DEMO liefern, das alle Funktionen eines Kraftwerks erfüllen und zehnmal soviel Energie erzeugen soll, wie zum Heizen des Plasmas benötigt wird.[1][2]
Potentielle Energiequelle der Zukunft
Mit der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren erhofft man sich die Erschließung einer praktisch unerschöpflichen Energiequelle[3] ohne das Risiko katastrophaler Störfälle[4] und ohne die Notwendigkeit der Endlagerung langlebiger radioaktiver Abfälle.[5] Falls Kernfusionsreaktoren die technische Reife zur Stromerzeugung erreichen, ist ein erster kommerzieller Reaktor nach heutigem Erkenntnisstand nicht vor 2050 zu erwarten. Ein großtechnischer Einsatz ist im letzten Viertel des 21. Jahrhunderts absehbar, vorausgesetzt die Technologie trifft auf Akzeptanz und ist wirtschaftlich.[6] Über die Wirtschaftlichkeit kann heute (2018) keine Aussage gemacht werden. Die zukünftig regional geltenden Vor- und Nachteile gegenüber anderen Stromerzeugungsmethoden, die Reaktorbau- oder Importkosten, die Aufwendungen für Finanzierung, Betrieb, Rückbau und Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie der dann gültige Strompreis sind nicht verlässlich prognostizierbar.
Geschichte
Grundlagenforschung
Bereits während der Entwicklung der Atombombe legten Edward Teller, Enrico Fermi und andere Wissenschaftler erste Entwürfe zur Stromerzeugung durch kontrollierte Kernfusion vor. Ein Konzept sah vor, das für die Fusion auf mehrere Millionen Grad zu erhitzende Deuterium-Tritium-Plasma mithilfe eines Magnetfelds einzuschließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf dieser Basis in England das erste zivile Forschungsprogramm zur Nutzung der Kernfusion gestartet. George Paget Thomson und Moses Blackman verfolgten die Idee des ringförmigen Einschlusses des Plasmas weiter. Zur Aufheizung waren hochfrequente elektromagnetische Wellen vorgesehen.
Erste Stellaratoren und Tokamaks
Dieses Konzept wurde in den folgenden Jahren unabhängig voneinander in zwei Varianten in den USA und der Sowjetunion weiterentwickelt. In den USA erarbeitete Lyman Spitzer den Stellarator, dessen Verhalten ab 1951 im Rahmen von Projekt Matterhorn und Projekt Sherwood unter anderem an der Universität in Princeton erforscht wurde.[7]
Zum Einschluss der Teilchen sollte ein Magnetfeld dienen, bei dem Feldlinien für den magnetischen Einschluss jeweils innerhalb ineinander geschachtelter Torusoberflächen verlaufen. Es zeigte sich bald, dass solche Flussflächen im Stellarator nicht leicht zu erreichen sind. Die theoretischen Grundlagen dafür wurden erst nach und nach entwickelt. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnten die nötigen Berechnungen dank genügend leistungsfähiger Computer durchgeführt werden; dadurch wurde der Bau des Stellarators Wendelstein 7-X möglich, der 2015 sein erstes Plasma erzeugt hat.
In den Jahren 1950 und 1951 wurde in der Sowjetunion durch Andrei Sacharow und Igor Tamm eine andere Variante des magnetischen Einschlusses erprobt, der Tokamak.[8] Nach diesem Konzept wirkt ein im Plasma selbst durch Stromfluss erzeugtes Magnetfeld beim Einschluss mit; der Strom im Plasma trägt darüber hinaus zu dessen Heizung bei. Im sowjetischen Tokamak T3 wurde im Jahr 1968 mit 10 Mio. °C über 10 Millisekunden ein überraschender Temperaturrekord aufgestellt. Nachdem dies auch im Westen bekannt geworden war,[9] wurde das einfachere Tokamak-Design zur Grundlage fast aller nachfolgenden einschlägigen Experimente.
Erste Erfolge in der EU und den USA
Die ersten Versuche zur Energiegewinnung aus Kernfusion hatten noch unabhängig voneinander und unter militärischer Geheimhaltung stattgefunden. Im Jahr 1956 brach Igor Wassiljewitsch Kurtschatow, der frühere Leiter des sowjetischen Atombomben-Programms, mit einem Fachvortrag im englischen Forschungszentrum Harwell die Geheimhaltung. Auf der zweiten internationalen Genfer Atomkonferenz wurden 1958 erstmals eine Offenlegung der Ergebnisse und eine stärkere internationale Zusammenarbeit beschlossen, auch angesichts der großen technologischen Schwierigkeiten.
In Europa wurde 1958 der Euratom-Vertrag unterzeichnet, in dem sich zunächst sechs Länder verpflichteten, im Bereich der Kernenergie und Kernforschung zusammenzuarbeiten. 1973 wurde der Bau des Joint European Torus (JET) in Culham (Großbritannien) beschlossen, des zurzeit größten Tokamaks. 1983 ging der Reaktor in Betrieb. Am 9. November 1991 konnte am JET erstmals eine nennenswerte Energiemenge aus kontrollierter Kernfusion freigesetzt werden. Ein Deuterium-Tritium-Plasma lieferte zwei Sekunden lang eine Leistung von 1,8 Megawatt. 1997 wurde eine Fusionsleistung von 16 Megawatt erreicht, wobei allerdings 24 Megawatt für die Plasmaheizung erforderlich waren.[10]
Bereits seit dem sowjetischen Temperaturrekord von 1968 war an der amerikanischen Princeton University neben dem Stellaratorkonzept auch intensiv an Tokamak-Projekten gearbeitet worden. Am Tokamak Fusion Test Reactor (TFTR) im Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) konnten ähnliche Erfolge wie am konkurrierenden europäischen JET erzielt werden; 1994 wurden 10,7 Megawatt Fusionsleistung erreicht, 1995 eine Plasmatemperatur von 510 Mio. °C.[11] Der TFTR war von 1983 bis 1997 in Betrieb. Seit 1999 wird im PPPL am Nachfolger National Spherical Torus Experiment (NSTX) geforscht.
Internationale Projekte und Planungen
Bis zu einem ersten praxistauglichen, im Dauerbetrieb arbeitenden und wirtschaftlich rentablen Fusionsreaktor sind auf den verschiedensten Gebieten noch eine Vielzahl technischer Schwierigkeiten zu überwinden. Die Entwicklung zur zivilen Nutzung der Fusionsenergie wird auch wegen der hohen Kosten in internationalen Projekten vorangetrieben. Dabei wird weltweit fast ausschließlich die magnetische Einschlussmethode verfolgt.
Physikalische Grundlagen
Deuterium-Tritium-Reaktion
Bei einer Kernfusion verschmelzen Atomkerne zu einem neuen Kern. Viele Kernreaktionen dieser Art setzen Energie frei. So stammt auch die von der Sonne abgestrahlte Energie aus Kernfusionsprozessen. In ihrem Zentrum verschmilzt Wasserstoff in der Proton-Proton-Reaktion sowie im CNO-Zyklus unter einem Druck von 200 Milliarden bar bei etwa 15 Millionen Grad Celsius zu Helium. Diese Prozesse sind jedoch wegen des extremen Drucks für eine Nutzung auf der Erde ungeeignet.
Damit es zwischen zwei Atomkernen zur Fusionsreaktion kommt, müssen sie einander sehr nahe kommen, auf etwa 2,5 Femtometer (siehe Starke Kernkraft). Dem steht die elektrische Abstoßung entgegen, die mit großem Energieaufwand (hoher Temperatur) überwunden werden muss. Die zu einer technischen Energiegewinnung geeigneten Fusionsreaktionen sind aus Untersuchungen mittels Teilchenbeschleunigern gut bekannt. Bei Beschleunigerexperimenten wird jedoch für den Betrieb der Apparatur viel mehr Energie aufgewendet, als die Reaktion dann freisetzt; ein Netto-Energiegewinn, also der Betrieb eines Kraftwerks, ist auf diese Weise nicht möglich.
Damit eine Kernfusion entsprechend der Einsteinschen Formel E = mc2 Materie in Energie umwandeln kann, muss die Masse der beiden fusionierenden Kerne zusammen größer sein als die Masse der entstehenden Kerne und Teilchen. Diese Massendifferenz wird in Energie umgewandelt. Besonders groß ist die Massendifferenz, wenn sich Helium-4 aus Isotopen des Wasserstoffs bildet. Bei diesen ist zudem die vor der Fusion zu überwindende elektrische Abstoßung am kleinsten, weil sie nur je eine einzige Elementarladung tragen. Als Fusionsbrennstoff ist deshalb ein Gemisch aus gleichen Anteilen Deuterium (D) und Tritium (T) vorgesehen:
Diese Reaktion zeichnet sich weiterhin durch einen – die Reaktionswahrscheinlichkeit charakterisierenden – Wirkungsquerschnitt aus, der schon bei technisch gerade noch erreichbaren Plasmatemperaturen ausreichend groß ist. Alle realistischen Konzepte für Fusionskraftwerke beruhen deshalb bis heute (2016) auf dieser Reaktion.
Fusion mit magnetischem Plasmaeinschluss
Die bisher aussichtsreichsten Konzepte für Fusionsreaktoren sehen vor, ein Deuterium-Tritium-Plasma in einem ringförmigen Magnetfeld einzuschließen und auf hinreichende Temperatur zu erhitzen. Um auf diese Weise einen Netto-Energiegewinn zu erreichen, muss das Plasmavolumen ausreichend groß sein (siehe A/V-Verhältnis).
Um den Prozess in Gang zu bringen, werden in das viele Kubikmeter große, gut evakuierte Reaktionsgefäß einige Gramm eines Deuterium-Tritium-Gasgemischs (1:1) eingelassen; die Teilchendichte entspricht dann einem Fein- bis Hochvakuum. Das Gas wird durch Aufheizen in den Plasmazustand gebracht und weiter erhitzt. Das Plasma übt nach Erreichen der Zieltemperatur – im innersten Bereich des Plasmas rund 150 Millionen Grad[12] – einen Druck von einigen Bar aus. Gegen diesen Druck muss das Magnetfeld die Teilchen zusammenhalten. Eine Berührung mit der Gefäßwand muss verhindert werden, da das Plasma sonst sofort auskühlen würde.
Bei einer Temperatur von ca. 150·106 °C und einer Teilchendichte von ca. 1020 m−3 erfolgen Fusionsreaktionen. Die dadurch frei werdende Energie verteilt sich als Bewegungsenergie im Verhältnis 1:4 auf die gebildeten Alphateilchen (He-4-Kerne) und freien Neutronen (siehe Kinematik (Teilchenprozesse)). Die Energie der Alphateilchen verteilt sich weiter durch Stöße im Plasma und trägt zu seiner weiteren Heizung bei. Bei genügender Kernreaktionsrate (Anzahl der Reaktionen pro Zeitintervall) kann diese Energie ausreichen, um die Plasmatemperatur ohne weitere äußere Heizung aufrechtzuerhalten: Das Plasma hat dann „gezündet“ und „brennt“ von selbst. Dies tritt ein, wenn bei gegebener Temperatur das Tripelprodukt aus Teilchendichte, Temperatur und einer durch die unvermeidlichen Wärmeverluste bestimmten Zeitkonstanten, der Energieeinschlusszeit, gemäß dem Lawson-Kriterium einen bestimmten Mindestwert übersteigt.
Für einen Energie liefernden Reaktor muss dieser Punkt allerdings nicht erreicht werden. Auch bei etwas niedrigeren Temperaturen und ständiger Zusatzheizung laufen genügend Fusionsreaktionen ab (siehe Fusion mit Netto-Energiegewinn ohne Erreichen des Lawson-Kriteriums). Die Zusatzheizung bietet sogar eine willkommene Möglichkeit (zusätzlich zur Brennstoffnachfüllung), die Reaktionsrate, also die Reaktorleistung, zu steuern.[13] Der erreichte Plasmazustand muss dauerhaft aufrechterhalten werden, indem neuer Brennstoff entsprechend dem Verbrauch nachgefüllt und das entstandene Helium – das Resultat der Fusion, die „Asche“ – abgeführt wird. Die freigesetzten Neutronen verlassen das Plasma; ihre Bewegungsenergie, vier Fünftel der Fusionsenergie, steht für die Nutzung zur Verfügung.
Ein Energiegewinn wurde bisher nur ganz kurzfristig bei Versuchen an JET und TFTR (Princeton, USA) erreicht, aber in den vielen sonstigen Experimenten noch nicht, denn die Plasmagefäße der existierenden Versuchsanlagen sind dafür zu klein, wodurch das Plasma zu stark auskühlt (siehe A/V-Verhältnis). In dem deshalb größeren Tokamak ITER soll mit ständiger Zusatzheizung eine dauerhaft „brennende“ Fusion realisiert werden. Auch spätere Anlagen wie DEMO wird man voraussichtlich eher so auslegen, dass eine schwache Zusatzheizung von beispielsweise wenigen Prozent der Fusionsleistung nötig bleibt, um eine zusätzliche Möglichkeit zur Steuerung zu behalten.
Durch Erhöhung von Temperatur oder Dichte steigt die durch Fusionsreaktionen produzierte Leistung an. Ein Aufschaukeln auf zu hohe Temperaturen ist jedoch nicht möglich, da auch der Energieverlust des Plasmas durch Transportprozesse mit der Temperatur ansteigt. Die erwünschte Reaktionsrate bleibt damit bei gleichbleibender Temperatur und Dichte konstant.
Technik
Plasmaaufheizung
Für das Aufheizen des Plasmas auf über 100 Millionen Grad wurden verschiedene Methoden entwickelt. Alle Teilchen im Plasma bewegen sich der jeweiligen Temperatur entsprechend mit sehr hoher Geschwindigkeit (Deuteriumkerne bei 100 Mio. °C haben eine mittlere Geschwindigkeit von etwa 1000 km/s). Die Heizleistung erhöht die Temperatur und kompensiert die Verluste durch hauptsächlich turbulenten und neoklassischen (durch Stöße der Teilchen untereinander hervorgerufen) Transport sowie durch Bremsstrahlung.
Mit manchen der nachstehenden Aufheizmethoden kann auch die Temperatur- und somit auch die Stromverteilung im Plasma beeinflusst werden, was für dessen Formstabilität wichtig ist:
- Elektrisches Aufheizen: Das Plasma ist ein elektrischer Leiter und kann mittels eines induzierten elektrischen Stroms aufgeheizt werden. Dabei ist das Plasma die Sekundärspule eines Transformators. Allerdings steigt die Leitfähigkeit des Plasmas mit steigender Temperatur, so dass der elektrische Widerstand ab etwa 20–30 Millionen Grad bzw. 2 keV nicht mehr ausreicht, das Plasma stärker zu erhitzen.
- Neutralteilchen-Einschuss: Beim Einschießen schneller neutraler Atome in das Plasma (neutral beam injection, kurz NBI) wird die kinetische Energie dieser Atome – die im Plasma sofort ionisiert werden – durch Stöße auf das Plasma übertragen, wodurch sich dieses aufheizt.
- Elektromagnetische Wellen: Mikrowellen können die Ionen und Elektronen im Plasma auf ihren Resonanzfrequenzen (Umlauffrequenz in der Schraubenlinie, die das Teilchen im Magnetfeld beschreibt) anregen und somit Energie in das Plasma übertragen. Diese Methoden des Aufheizens werden Ion Cyclotron Resonance Heating (ICRH), Electron Cyclotron Resonance Heating (ECRH) und Lower Hybrid Resonance Heating (LHRH) genannt.
- Magnetische Kompression: Das Plasma kann wie ein Gas durch schnelles (adiabatisches) Zusammenpressen erwärmt werden. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Methode ist, dass zugleich die Plasmadichte erhöht wird. Nur von Magnetspulen mit veränderbarer Stromstärke erzeugte Magnetfelder sind geeignet, das Plasma zusammen zu pressen; von supraleitenden Magnetspulen erzeugte Magnetfelder sind dafür nicht geeignet, weil ihre Stärke unveränderlich ist.
Magnetfeld
Das Magnetfeld muss das Plasma gegen seinen Druck zusammenhalten, damit es nicht die Gefäßwand berührt. Beide Konzepte für den magnetischen Einschluss, Tokamak und Stellarator, nutzen dazu ein torusförmiges, verdrilltes Magnetfeld. Tokamaks erzeugen die Verdrillung des Feldes durch Induzieren eines elektrischen Stroms im Plasma, Stellaratoren bewerkstelligen dies durch eine besondere, komplizierte Formung ihrer Magnetspulen (genauere Erklärung des magnetischen Einschlusses und der Notwendigkeit der Verdrillung der Feldlinien in Fusion mittels magnetischen Einschlusses).
Besondere, lokalisierte Verformungen des Feldes entfernen die unerwünschten Ionen, also das Fusionsprodukt Helium und etwaige Verunreinigungen, aus dem Plasma (siehe Divertor).
Das Magnetfeld wird mit großen Spulen erzeugt. Deren Form und Anordnung bestimmen die Form des Plasmas; die Stromstärke in den Spulen bestimmt die Stärke des Magnetfeldes und damit die mögliche Größe des Plasmas, der Teilchendichte und des Drucks. In einem Reaktor (oder in Experimenten, in denen das Plasma länger eingeschlossen ist) müssen die Spulen supraleitend sein: Der in normalleitenden Spulen fließende Strom produziert Wärme aufgrund des zu überwindenden elektrischen Widerstandes. Solche Spulen könnten bei längerer Betriebsdauer nicht mehr effektiv gekühlt werden, wodurch die Temperatur anstiege und die Spule zerstört würde. Supraleitende Spulen dagegen haben keinen Widerstand, weshalb in ihnen der Strom auch keine Wärme produziert, die abgeführt werden muss.
Der Tokamak ist das am weitesten fortgeschrittene und international mit ITER verfolgte Konzept. Er hat jedoch, zumindest in seiner ursprünglichen Betriebsweise mit einem rein induktiv erzeugten Plasmastrom, den Nachteil, dass der Betrieb nicht kontinuierlich, sondern nur gepulst möglich ist, das heißt mit regelmäßigen kurzen Unterbrechungen. Deshalb werden
- einerseits andere, zusätzliche Möglichkeiten zum „Treiben“ des Stroms in Tokamaks entwickelt,[14]
- andererseits auch weiterhin Stellaratoren als Alternative verfolgt.
Experimente am ASDEX Upgrade und anderen Forschungsreaktoren deuten darauf hin, dass künftig Tokamak-Reaktoren im Dauerbetrieb arbeiten könnten.[15]
Brennstoff
Vorkommen und Beschaffung
Während Deuterium im Wasser der Erde in geradezu unerschöpflichen Mengen (2,5 · 1013 t) vorhanden ist, kann Tritium in den für einen Fusionsreaktor nötigen Mengen praktisch nur durch „Erbrüten“ aus Lithium-6 in der Anlage selbst erzeugt werden:
Das irdische Vorkommen von Lithium wird auf mehr als 29 Mio t geschätzt. Zum Tritiumbrüten dient nur das mit einem natürlichen Anteil von 7,5 % vorkommende Isotop 6Li. Aus diesem anteiligen Vorrat von rund 2 Mio t an Lithium-6 sind nach der obigen Formel theoretisch rund 1 Mio t Tritium gewinnbar. In der Praxis soll angereichertes Lithium mit einem Gehalt an Lithium-6 von 30 – 60 % verwendet werden. Das technisch nutzbare Lithiumvorkommen reicht also rechnerisch aus, um den Energiebedarf der Menschheit für Tausende von Jahren zu decken.
Einer Verknappung durch den Lithiumbedarf anderer Industriezweige steht entgegen, dass bei diesen die Isotopenzusammensetzung keine Rolle spielt und für sie somit über 90 % des Lithiums verfügbar bleiben. Selbst bei einem Szenario mit stark steigender Lithium-Nachfrage durch massiven Ausbau der Elektromobilität kommt es bis 2050 lediglich zur Erschöpfung derjenigen Lithium-Ressourcen, die zu heutigen Lithium-Preisen und Technologien abbaubar sind.
Tritium ist radioaktiv mit einer Halbwertszeit von 12,32 Jahren. Es emittiert allerdings nur Betastrahlung mit geringer Maximalenergie und ohne begleitende Gammastrahlung. Im Radioaktivitätsinventar eines Fusionsreaktors, der für einige Zeit in Betrieb gewesen ist, wird Tritium nur einen relativ kleinen Beitrag darstellen.
Das zum Start von Fusionsreaktoren nötige Tritium könnte in konventionellen Kernspaltungsreaktoren problemlos gewonnen werden. Insbesondere fällt in Schwerwasserreaktoren (beispielsweise CANDU) Tritium in einer Menge von rund 1 kg pro 5 GWa erzeugter elektrischer Energie als Nebenprodukt an. Auch das während der vorgesehenen Laufzeit von ITER benötigte Tritium (einige Kilogramm) wird voraussichtlich daher stammen.[16]
Für den Dauerbetrieb von Fusionskraftwerken würden diese bisher einzigen verfügbaren Quellen jedoch bei weitem nicht genügend Tritium liefern, woraus sich die Notwendigkeit ergibt Tritium im Reaktor zu erbrüten. Ein Fusionskraftwerk mit 1 GW elektrischer Leistung würde jährlich etwa 225 kg Tritium benötigen.
Tritiumbrüten und Neutronenvermehrung
Eine wirtschaftliche Gewinnung der nötigen Tritiummengen wäre durch die oben beschriebene Erzeugung aus Lithium-6 im Fusionsreaktor selbst mittels der ohnehin emittierten freien Neutronen möglich. Dafür wird das Plasma von einem Brutmantel, dem Blanket, umgeben.
Die Kernfusion liefert pro verbrauchtem Tritiumatom genau ein Neutron; daraus könnte im Prinzip je ein neues Tritiumatom erzeugt werden. Das ist aber nicht verlustfrei möglich, denn das Blanket kann rein geometrisch nicht 100 % der Neutronen erfassen,[17] und von den das Blanket treffenden Neutronen wird ein Teil unvermeidlich in anderen Atomkernen als Lithium absorbiert oder entweicht aus der Anlage. Auch bei der Überführung des erbrüteten Tritiums in das Fusionsplasma sind Verluste unvermeidlich, ebenso durch seinen radioaktiven Zerfall. Um trotzdem ebenso viel neues Tritium ins Plasma bringen zu können, wie verbraucht wurde, müssen die Neutronen im Blanket um rund 30 bis 50 % vermehrt werden. Dazu sehen die Blanketentwürfe die Nutzung der (n,2n)-Kernreaktion entweder an Beryllium oder an Blei vor. Kommerzielle Fusionsreaktoren müssen also so ausgelegt werden, dass eine leichte Tritium-Überproduktion möglich ist. Über den Anreicherungsgrad des Isotops 6Li im Blanket kann dann das Tritium-Brutverhältnis eingestellt und nachgeregelt werden.
Die technologische Entwicklung dieser Tritiumgewinnung ist eine entscheidende Aufgabe für die künftige Fusionsforschung, insbesondere am ITER. Ob das Erbrüten von Tritium in der Praxis mit ausreichender Effizienz möglich ist, wird sich erst zeigen, wenn ein erster Deuterium-Tritium-Fusionsreaktor im Dauerbetrieb damit arbeitet. Aber nur wenn die Anlagen ihren Tritium-Eigenbedarf selbst decken können und die für den Start eines Fusionsprozesses benötigten Mengen anderweitig gewonnen werden können, ist der Aufbau einer Stromversorgung mittels Fusionsreaktoren möglich. Diese Frage wird in wissenschaftlichen Veröffentlichungen diskutiert.[18] Während einige Wissenschaftler wie Michael Dittmar vom CERN die Selbstversorgung von Fusionsreaktoren mit Tritium angesichts bisheriger experimenteller und rechnerischer Ergebnisse als unrealistisch kritisieren,[19] sehen die meisten Fusionsforscher in diesem Punkt jedoch keine prinzipiellen Probleme.[20]
Brennstoffnachfüllung
Während der Brenndauer des Plasmas ist ein Nachfüllen von Brennstoff entsprechend dem jeweiligen Verbrauch nötig. Dafür hat sich das Hineinschießen von Pellets aus einem gefrorenen Deuterium-Tritium-Gemisch in das Gefäß als geeignete Technik erwiesen.[21] Solche Pellets mit einer Masse von beispielsweise 1 mg werden hierfür durch eine Zentrifuge oder pneumatisch mit einer Art Gasgewehr auf eine Geschwindigkeit von etwa 1000 m/s gebracht. Diese Nachfüllmethode gestattet es auch, durch die Wahl der Einschussstelle und der Pelletgeschwindigkeit die räumliche Dichteverteilung des Plasmas gezielt zu beeinflussen. Mit mehr oder weniger Nachfüllung kann auch die Fusionsrate gesteuert werden; ein Stopp der Nachfüllung beendet die Fusionsreaktionen.
Entfernen von Helium und Verunreinigungen
Das Reaktionsprodukt 4He sowie unvermeidlich aus dem Wandmaterial herausgeschlagene Kerne wirken als Verunreinigungen; sie müssen ständig aus dem Plasma entfernt werden. Da sie höhere Ladungszahlen haben als die Wasserstoffisotope, gelingt dies mit magnetischer Ablenkung. Dazu dienen speziell entwickelte Divertoren; sie bestehen aus am Rande des Torus montierten Prallplatten, auf die mit einem Hilfs-Magnetfeld die im Plasma unerwünschten Ionen gelenkt werden. Dort kühlen sie ab und fangen dadurch wieder Elektronen ein, d. h., sie werden zu neutralen Atomen. Diese werden vom Magnetfeld nicht beeinflusst und können von der das Hochvakuum aufrechterhaltenden Absauganlage ausgeschleust werden.
Nutzung der freigesetzten Energie
Von der Energieausbeute der Kernreaktion, pro Einzelreaktion 17,6 MeV, treten vier Fünftel, also 14,1 MeV, als Bewegungsenergie des freigesetzten Neutrons auf. Die Neutronen werden vom Magnetfeld nicht beeinflusst und gelangen in das Blanket, wo sie zunächst durch Stöße ihre Energie als nutzbare Wärme abgeben und danach zum Erbrüten je eines Tritiumatoms dienen sollen. Die thermische Energie kann dann wie in jedem konventionellen Kraftwerk über Wärmetauscher Wasserdampf erzeugen, der wiederum Dampfturbinen mit angekoppelten Stromgeneratoren antreibt.
Reaktorwerkstoffe
Anforderungen
Die Nutzenergie des Deuterium-Tritium-Reaktors tritt in Form von Neutronen hoher Energie (14,1 MeV) auf. Die Neutronen treffen mit hoher Flussdichte, rund 1014 s−1cm−2, auf die dem Plasma zugekehrte Seite des Blankets – zusätzlich zur Belastung durch Wärmestrahlung. Dies führt unvermeidlich zu erheblichem Strahlenschaden im Material (zum Vergleich: Selbst mitten im Kern eines typischen Druckwasserreaktors ist die Neutronenflussdichte rund zehnmal kleiner, und es handelt sich dort ganz überwiegend um thermische Neutronen). Der Strahlenschaden hängt stark von der Energie des Neutrons ab. Deshalb wird die Wandbelastung oft als Produkt aus Neutronenflussdichte und Neutronenenergie, also als Leistungsflächendichte in MW/m² (Megawatt pro Quadratmeter) angegeben. Bei der Energie 14,1 MeV entsprechen 1014 Neutronen s−1cm−2 etwa 2,2 MW/m². Dies ist die in einem Entwurf für das Blanket des DEMO-Reaktors[22] vorgesehene Neutronen-Wandbelastung. Das Blanket soll dabei eine Lebensdauer von 20.000 Betriebsstunden, also etwa 2,3 Jahren erreichen. Der so angesammelte Versetzungsschaden – der hauptsächlich Versprödung bewirkt – beträgt in Stahl etwa 50 dpa (displacements per atom).[23] Zusätzlich wird das Material durch Schwellung geschädigt, weil (n,p)- und (n,alpha)-Kernreaktionen im Metallgefüge Gase, Wasserstoff bzw. Helium, erzeugen. Helium im Metall ist auch der Schweißbarkeit abträglich. Damit Teile und Rohrverbindungen aus Stahl nach Auswechselungen wieder zusammengeschweißt werden können, ist eine Heliumkonzentration unterhalb 1 appm („atom parts per million“, also ein He-Atom pro 1 Million Metallatome) gefordert worden.[24]
Zudem werden in den Materialien radioaktive Nuklide durch Aktivierung gebildet. Um möglichst kleine Mengen davon zu erzeugen, die zudem möglichst geringe Halbwertszeiten aufweisen sollten, können nur Materialien aus bestimmten Elementen verwendet werden. In den heute gängigen Strukturmaterialien wie austenitischen Chrom-Nickel-Edelstählen entstehen durch Neutronenaktivierung große Mengen des relativ langlebigen und stark gammastrahlenden 60Co. Das Strukturmaterial von ITER ist zwar noch ein solcher austenitischer Chrom-Nickel-Stahl; für zukünftige Kraftwerksreaktoren sind derartige Stähle jedoch nicht brauchbar.
Die Hauptvorgaben für die Werkstoffentwicklung sind niedrig aktivierbare Werkstoffe, die genügend Beständigkeit unter Neutronenbestrahlung aufweisen und alle Anforderungen an ihre jeweilige spezielle Aufgabe erfüllen müssen, wie Stabilität, Amagnetismus oder Vakuumdichtigkeit.[25] Bisher wird auch davon ausgegangen, dass die innerste Hülle periodisch ausgewechselt werden muss, da kein Material den hohen Neutronenfluss eines kommerziellen Reaktors über Jahre aushalten wird.[26] Wegen der Strahlung der aktivierten Teile müssten Reparaturen und Wartungsarbeiten nach Inbetriebnahme ferngesteuert ausgeführt werden. Es soll sichergestellt werden, dass der größte Teil der aktivierten Anlagenteile nach Ende der Nutzungsdauer für lediglich etwa 100 Jahre kontrolliert gelagert werden muss, bis ein Recycling möglich ist; der kleinere Teil muss ungefähr 500 Jahre gelagert werden. Eine Endlagerung wäre somit nicht nötig.[27] Die Entwicklungsarbeit konzentriert sich auf nickelfreie, ferritisch-martensitische Stähle,[28] aber auch Legierungen auf Vanadiumbasis und das keramische Siliziumcarbid (SiC) werden untersucht. Mit ASDEX Upgrade wurde festgestellt, dass sich für die dem Plasma zugewandten Frontflächen der Blanketmodule und für Divertorplatten auch Wolfram eignet. Für Bestrahlungsversuche an diesen Materialien soll, etwa zeitgleich mit ITER, die hochintensive und hochenergetische Neutronenquelle IFMIF betrieben werden.
Aktivierungsberechnungen
Eine räumlich detaillierte Berechnung der Aktivierung in einem DEMO-Reaktor wurde 2002 vom Forschungszentrum Karlsruhe vorgestellt.[29] Für den Reaktor wurden 2200 MW Fusionsleistung angenommen. Sein Blanket besteht aus 77 t (Tonnen) Lithiumorthosilikat Li4SiO4 (auf 40 % Lithium-6 angereichert) als Brutstoff, 306 t metallischem Beryllium als Neutronenvermehrer und 1150 t des in Entwicklung befindlichen Eurofer-Stahls (Hauptbestandteile 89 % Eisen, 9 % Chrom und 1,1 % Wolfram) als Strukturmaterial. Bei allen Materialien wurde nicht nur die nominelle, ideale Zusammensetzung berücksichtigt, sondern auch die typischen natürlichen Verunreinigungen, darunter zum Beispiel ein Anteil von 0,01 % Uran im Beryllium. Berechnet wurde die Aktivität am Ende eines ununterbrochenen Volllastbetriebs von 20.000 Stunden; das ist die für die DEMO-Blanketteile geforderte Lebensdauer bis zum Austausch. Als bestimmende Größe für den späteren Umgang mit den aktivierten Teilen wurde die Gammastrahlungs-Dosisleistung an der Materialoberfläche eines massiven Bauteils betrachtet. Es wurde angenommen, dass eine Wiederverarbeitung zu neuen Reaktorteilen bei weniger als 10 mSv/h (Millisievert pro Stunde) mit ferngesteuerter Technik (remote handling) und bei weniger als 10 Sv/h mit direkter Handhabung (hands-on handling) möglich ist. Es ergibt sich, dass alle Materialien – Lithiumsilikat, Beryllium und Stahl – nach 50 bis 100 Jahren Abklingzeit ferngesteuert wieder verarbeitet werden können. Bis zum Abklingen auf direkte Handhabbarkeit vergehen beim Stahl, abhängig von dessen genauer Zusammensetzung, Zeiten bis zu 500 Jahren.
2006 wurde die Gesamtmenge des während einer 30-jährigen Lebenszeit einer Anlage anfallenden radioaktiven Materials je nach Bauart mit insgesamt zwischen 65.000 und 95.000 Tonnen abgeschätzt. Trotz dieser größeren Masse wäre deren Aktivität in Becquerel mit den Rückbauprodukten eines entsprechenden Spaltreaktors vergleichbar; die Umwelteigenschaften wären aber deutlich günstiger. Anders als bei Kernspaltungskraftwerken blieben weder große Mengen Spaltprodukte während der Stromproduktion übrig noch Erzreste, die radioaktives Radon produzieren.[30]
Stand der Forschung
In annähernd 50 Jahren Fusionsforschung[veraltet] seit den Ergebnissen mit dem ersten russischen Tokamak T3 von 1968 konnte man jede der drei entscheidenden Größen – Temperatur , Teilchendichte und Energieeinschlusszeit – erheblich vergrößern und hat das Tripelprodukt bereits um den Faktor von etwa 10.000 verbessert; es ist noch etwa um den Faktor sieben von der Zündung entfernt, für die das Tripelprodukt ungefähr einen Wert von 1021 keV s/m³ haben muss. In kleineren Tokamak-Anlagen konnten die erreichten Temperaturen von 3 Mio. °C bereits auf über 100 Mio. °C gesteigert werden.
Hauptziel der aktuellen Forschung an den beiden magnetischen Einschlussverfahren ist es, Plasmabedingungen zu finden, die die Energieeinschlusszeit wesentlich verlängern. In den vielen bisherigen Experimenten erwies sich die gemessene Energieeinschlusszeit als viel kürzer als theoretisch erwartet.[31] Ende April 2016 berichtet das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, dass Experimente am ASDEX Upgrade bezüglich der Einschlusszeit erfolgreich verlaufen sind und der Dauerbetrieb eines Tokamak technisch machbar ist. Damit seien auch die „Bedingungen für ITER und DEMO nahezu erfüllt“.[15]
Der 2015 fertiggestellte Stellarator Wendelstein 7-X arbeitet zunächst nur mit Wasserstoff, später soll auch Deuterium eingesetzt werden.[32] Mit ihm soll der kontinuierliche dauerhafte Plasma-Einschluss ohne Stromfluss im Plasma – der Hauptvorteil gegenüber Tokamaks – demonstriert werden. Damit wäre gezeigt, dass sich auch das Stellaratorkonzept grundsätzlich als Fusionskraftwerk eignet.
Die bisherigen Anlagen sind für eine Zündung des Plasmas noch zu klein, so dass das Plasma zu stark auskühlt. Es ist eine bestimmte Mindestgröße des Plasmas nötig, um im Zentrum 10 bis 15 keV (110–170 Mio. °C) zu erreichen, weil bei gegebener Größe das Plasma nur eine bestimmte maximale Gesamtenergie besitzen kann.[31] Eine positive Energiebilanz soll erstmals im zukünftigen internationalen Fusionsreaktor ITER verwirklicht werden, der seit 2007 im südfranzösischen Forschungszentrum Cadarache errichtet wird.[veraltet] Der Reaktor soll etwa zehnmal mehr Fusionsleistung liefern, als zur Heizung des Plasmas aufgebracht werden muss. Dafür sollen ab 2026
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Zuheizung die für solche Fusionsraten erforderlichen Temperaturen erzeugt werden. An ITER sollen auch das Tritiumbrüten und die dazu nötige Neutronenvermehrung entwickelt und optimiert werden. Die Forschungsergebnisse aus ITER sollen den Weg ebnen für das erste „Demonstrationskraftwerk“ DEMO, das ab 2050 Strom erzeugen und damit die kommerzielle Nutzbarkeit der Kernfusion nachweisen soll.[33]
mitAlternative Konzepte
Kein anderes Fusionskonzept hat einen Entwicklungsstand erreicht, der aus heutiger Sicht (2019) für eine Stromerzeugung in Betracht kommt.
- Andere Brennstoffe als Deuterium-Tritium würden noch weit größere technische Schwierigkeiten aufwerfen. Lediglich in Versuchsanlagen zur Plasmaphysik, in denen Energiegewinnung nicht das Ziel ist, wird mit reinem Deuterium gearbeitet, um die praktische Erschwerung durch das radioaktive Tritium zu vermeiden.
- Das Konzept des Trägheitseinschlusses befindet sich im Stadium der Grundlagenforschung, ist nicht primär auf die Entwicklung von Kraftwerken ausgerichtet und weit von einer kommerziellen Nutzung entfernt.
- Die kalte Fusion ist nach Ansicht der meisten Wissenschaftler ebenfalls keine mögliche Alternative. Technische Prozesse dieser Art mit der behaupteten Energiefreisetzung sind nach der bekannten Physik nicht möglich.
Liste der Versuchsanlagen
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Anlagen aufgeführt.
Beendete Experimente | Anlagen in Betrieb | Anlagen im Bau | |
---|---|---|---|
Tokamaks | Joint European Torus (JET) in Culham, England | ITER in Cadarache, Frankreich | |
Tokamak Fusion Test Reactor (TFTR) an der Princeton University, USA (1983–1997) | National Spherical Torus Experiment (NSTX) an der Princeton University, USA (seit 1999) | ||
ASDEX Upgrade am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München | |||
TEXTOR am Institut für Plasmaphysik des Forschungszentrums Jülich (1983–2013) | |||
Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) in Hefei, China[34] | |||
JT-60 in Naka, Japan[35] | |||
Tokamak à configuration variable (TCV) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, Schweiz | |||
Tore Supra/WEST in Cadarache, Frankreich[36] | |||
KSTAR in Daejeon, Südkorea[37] | |||
Stellaratoren | Wendelstein 7-AS in Garching bei München (1988–2002) | Wendelstein 7-X in Greifswald | |
National Compact Stellarator Experiment (NCSX) an der Princeton University, USA (2003–2008, Bau nicht fertiggestellt) | |||
Columbia Non-Neutral Torus an der Columbia University in New York, USA | |||
Large Helical Device (LHD) in Toki (Gifu), Japan | |||
H-1NF in Canberra, Australien | |||
TJ-II am CIEMAT in Madrid, Spanien[38] | |||
Trägheitseinschluss (Laserfusion) |
National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Livermore (Kalifornien), USA | ||
National Laser Users' Facility (NLUF) | |||
Laser Mégajoule in Le Barp, Südwestfrankreich | |||
Sonstige | Z-Maschine | ||
Polywell | |||
Dense Plasma Focus | |||
ECRIS driven neutronless Fusion |
Literatur
- Uwe Schumacher, Hans Herold, Institut für Plasmaforschung der Universität Stuttgart; in: Ullmanns Encyclopedia of Industrial Chemistry, Vol 24: Nuclear Technology, 4. Nuclear Fusion. S. 823–838.
- Garry McCracken, Peter Stott: Fusion – the Energy of the Universe. 2. Auflage. Elsevier, München 2012, ISBN 978-0-12-384656-3 (Eine auch für Laien verständliche Übersicht).
- Weston M. Stacey: Fusion. An Introduction to the Physics and Technology of Magnetic Confinement Fusion. Wiley-VCH, 2010, ISBN 978-3-527-40967-9, Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche.
- A. A. Harms, K. F. Schoepf, G. H. Miley, D. R. Kingdon: Principles of Fusion Energy. World Scientific, Singapur 2000, ISBN 981-02-4335-9.
- Jeffrey P. Freidberg: Plasma physics and fusion energy. Cambridge University Press, 2007, ISBN 978-0-521-85107-7, Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche.
- Einführung in die Kernfusion, IPP-Berichte (PDF; 9 MB).
- A. Bradshaw, T. Hamacher: Kernfusion – Eine nachhaltige Energiequelle der Zukunft. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 12/2005, S. 629.
- H.-St. Bosch, A. Bradshaw: Kernfusion als Energiequelle der Zukunft. In: Physikalische Blätter 2001, 57(11), S. 55–60.
- Alexander M. Bradshaw (IPP), Reinhard Maschuw (FZK), Gerd Eisenbeiß (FJZ): Kernfusion (Broschüre der Helmholtz-Gemeinschaft)[39]
Weblinks
- Ulrich Samm: Fusion, eine Zukunftsperspektive? (PDF) Institut für Plasmaphysik, Forschungszentrum Jülich GmbH, 15. Juli 2003, archiviert vom Original am 27. September 2007; abgerufen am 3. August 2008 (ITER verständlich erklärt).
- Ralph P. Schorn: TEXTOR. Institut für Energieforschung, Forschungszentrum Jülich GmbH, 27. März 2003, abgerufen am 3. August 2008.
- European Fusion Development Agreement. 2008, abgerufen am 3. August 2008 (english).
- Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
- Fusionsforschung am Forschungszentrum Jülich
- weltderphysik.de
Einzelnachweise
- ↑ Günther Hasinger: Ein GAU ist unmöglich, Focus Magazin 44, 2009; ITER, DEMO und das erste Kraftwerk (PDF, 932 kB) vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik; Stand der Fusionstechnik (PDF, 464 kB)
- ↑ New schedule agreed for Iter fusion project. Abgerufen im Januar 2017 (english).
- ↑ Jeffrey P. Freidberg: Plasma Physics And Fusion Energy. 2007, S. 16f.
- ↑ Jeffrey P. Freidberg: Plasma Physics And Fusion Energy. 2007, S. 17.
- ↑ Weston M. Stacey: Fusion. An Introduction to the Physics and Technology of Magnetic Confinement Fusion. 2010, S. 151ff
- ↑ A roadmap to the realisation of fusion energy. EFDA Roadmap
- ↑ Joan Lisa Bromberg: Fusion-science, politics, and the invention of a new energy source. MIT Press, Cambridge 1982, ISBN 0-262-02180-3, S. 36ff (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
- ↑ Eckhard Rebhan: Energiehandbuch. Springer, 2002, ISBN 3-540-41259-X, S. 524ff.
- ↑ Robert Arnoux: Off to Russia with a thermometer. iter newsline, 2009.
- ↑ History & Anniversaries. In: efda.org. EFDA, archiviert vom Original am 4. Oktober 2014; abgerufen am 9. Juni 2016.
- ↑ Achievements of the Tokamak Fusion Test Reactor. In: pppl.gov. PPPL, 18. April 1999, archiviert vom Original am 5. August 2012; abgerufen am 9. Juni 2016.
- ↑ 150 million °C. auf: iter.org, Facts & Figures
- ↑ Stacey: Fusion (siehe Literaturliste) Seite 9
- ↑ Weston M. Stacey: Fusion. An Introduction to the Physics and Technology of Magnetic Confinement Fusion. 2010, S. 77–78.
- ↑ 15,0 15,1 Max Planck Institut: Dauerbetrieb der Tokamaks rückt näher. Abgerufen am 17. Januar 2017.
- ↑ A. Fiege (Hrsg.): Tritium. Bericht KfK-5055, Kernforschungszentrum Karlsruhe, 1992. ISSN 0303-4003
- ↑ U. Fischer et al.(KIT): Nuclear design analyses of the helium cooled lithium lead blanket for a fusion power demonstration reactor. Fusion Engineering and Design, Bd. 85 (2010), S. 5
- ↑ M. E. Sawan, M. Abdou: Physics and technology conditions for attaining tritium self-sufficiency for the DT fuel cycle. (PDF; 464 kB) In: Fusion Engineering and Design. 81 (2006), S. 1131–1144.
- ↑ Michael Dittmer: The Future of Nuclear Energy: Facts and Fiction – Part IV: Energy from Breeder Reactors and from Fusion? (online)
- ↑ S. Hermsmeyer: Improved Helium cooled pebble bed blanket. (PDF; 2 MB) Forschungszentrum Karlsruhe, Wissenschaftliche Berichte, FZKA6399
- ↑ S. K. Combs u. a., High-Field-Side Pellet Injection Technology. Konferenzbeitrag von 1998 (Memento vom 6. Dezember 2008 im Internet Archive) (PDF; 555 kB)
- ↑ M. Dalle Donne (Hrsg.): European DEMO BOT solid breeder blanket. Kernforschungszentrum Karlsruhe, Report KfK-5429 (1994)
- ↑ W. M. Stacey: Fusion. 2nd edition, Wiley, Weinheim 2010, Tab. 9.4 auf S. 145.
- ↑ U. Fischer, P. Pereslavtsev, D. Grosse u. A.: Nuclear design analyses of the helium cooled lithium lead blanket for a fusion power demonstration reactor. Fusion Engineering and Design Bd. 85 (2010) S. 1133–1138
- ↑ ITER & Safety (Memento vom 12. November 2009 im Internet Archive), ITER Organization (englisch)
- ↑ The Oil Drum: The Future of Nuclear Energy: Facts and Fiction – Part IV: Energy from Breeder Reactors and from Fusion?
- ↑ SEIF Report (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive) (PDF; 420 kB) auf: Efda.org
- ↑ siehe z. B.: A.A.F. Tavassoli, E. Diegele, R. Lindau, N. Luzginova, H. Tanigawa: Current status and recent reasearch achievements in ferritic/martensitic steels. Journal of Nuclear Materials Band 455 (2014), S. 269–276
- ↑ U. Fischer und H. Tsige-Tamirat: Activation characteristics of a solid breeder blanket for a fusion power demonstration reactor, Journal of Nuclear Materials Bd. 307–311, S. 798–802 (2002). Anmerkung: Das Blanket umfasst hier auch die „erste Wand“ und damit praktisch alles hoch mit Neutronen belastete Material der Anlage
- ↑ IPP 2006: Kernfusion, 4. Sicherheits- und Umwelteigenschaften der Fusion PDF, aufgerufen 4. Juli 2013
- ↑ 31,0 31,1 Deutsche Phys. Gesellschaft, Webseite Stand 31. Oktober 2011: Magnetisch eingeschlossene Fusionsplasmen.
- ↑ http://www.tuv.com/de/deutschland/ueber_uns/presse/meldungen/newscontentde_269442.html
- ↑ EFDA Roadmap (Memento vom 11. August 2013 im Internet Archive).
- ↑ Xinhua: Nuke fusion reactor completes test (Memento vom 1. September 2006 im Internet Archive)
- ↑ Japan Atomic Energy Agency, Naka Fusion Institute, JT-60 Research Program (Memento vom 20. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ Tore Supra. auf: www-fusion-magnetique.cea.fr.
- ↑ KSTAR Project (Memento vom 22. Juli 2015 im Internet Archive).
- ↑ The TJII project: Flexible Heliac. auf: www-fusion.ciemat.es.
- ↑ Alexander M. Bradshaw (IPP), Reinhard Maschuw (FZK), Gerd Eisenbeiß (FJZ): Kernfusion (PDF; 15,1 MB). Broschüre des Forschungszentrum Jülich (FZJ), Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) und Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP). 2006, S. 45–49. Abgerufen am 11. Mai 2013.
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