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Kulturgeschichte

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Die Kulturgeschichte (bzw. Kulturhistorik) befasst sich mit der Erforschung und Darstellung des geistig-kulturellen Lebens in Zeiträumen und Landschaften.

Die Kulturgeschichte befasst sich nicht direkt mit der politischen Geschichte oder Staatsgeschichte. In der Kulturgeschichte ist die Angabe genauer Zeitpunkte weniger relevant als in der politischen Geschichtsschreibung.

Der Begriff Kulturgeschichte geht auf das 18. Jahrhundert zurück und fußt im Glauben der Aufklärung (Voltaire) an die ständig fortschreitende kulturelle Entwicklung der Menschheit. In der deutschen Romantik (Johann Gottfried Herder) sah man jedes unbewusste Schaffen als Teil der Kulturgeschichte und erkannte in ihm den Ausdruck eines „Volksgeists“. Das 20. Jahrhundert führte zu einer Kulturphilosophie mit Vertretern wie Arnold J. Toynbee und Oswald Spengler, die ihre Erkenntnisse aus einer vergleichenden Kulturgeschichte der Völker entwickelten. Alfred Weber entwickelte die Kulturgeschichte mehr in Richtung der Geistesgeschichte zur Kultursoziologie. Elemente der Kulturgeschichte sind die Familie, die Sprache, das Brauchtum, die Religion, die Kunst und die Wissenschaft.

Die Kulturgeschichte beruht auf einem weiten Quellenbegriff, der z. B. auch „Alltagsquellen“ beinhaltet.

„Neue Kulturgeschichte“ in der Geschichtswissenschaft

Unter Kulturgeschichte werden in der Geschichtswissenschaft sehr unterschiedliche Konzepte verstanden. Zum einen gibt es Historiker, die unter „Kulturgeschichte“ bestimmte Forschungsgegenstände verstehen, die in der Regel von der politischen Geschichte abgegrenzt werden. Zum anderen wird in jüngerer Zeit von Historikern wie Ute Daniel, Barbara Stollberg-Rilinger oder Thomas Mergel ein Kulturgeschichtsbegriff vertreten, der sich nicht auf bestimmte Gegenstände bezieht.

In den 1980er Jahren entstand innerhalb der Sozialgeschichte eine kritische Gemeinschaft, die insbesondere die „Suche nach sozialen, politischen und vor allem ökonomischen Determinanten/Faktoren und den daraus erklärbaren langfristigen Prozessen“ als „eurozentrische Fortschrittsgeschichte“ ablehnte. In dieser „sozial-, politik oder wirtschaftsgeschichtlich ausgerichteten Struktur- und Prozessgeschichte“ komme die „kulturelle Kreativität der Menschen in der Gestaltung ihrer Lebenszusammenhänge“ nicht ‚angemessen‘ zum Tragen.[1] So wurde mit einer „neuen Kulturgeschichte“ (New Cultural History) das Forschungsinteresse auf „symbolische Formen der Vergangenheit“ gelenkt wie „Zeichen, Metaphern, politische Sprachen, kollektive Repräsentationen oder Rituale“. Die Übergange zur Sozialgeschichte sind daher in der Praxis fließend.[2]

Vielmehr geht es dieser neuen Kulturgeschichte also darum, eine bestimmte, eben kulturgeschichtliche, Perspektive auf alle möglichen Gegenstände zu richten. Auf diese Weise wird der Anspruch erhoben, gerade auch Gegenstände auf kulturgeschichtlichem Weg zu erforschen, von denen sich die traditionelle Kulturgeschichtsschreibung immer deutlich abgrenzte, wie der Politik und dem Recht. Im Zentrum einer kulturgeschichtlichen Analyse des Politischen und Rechtlichen stehen im Gegensatz zur traditionellen Politikgeschichte die kommunikative Prozesse. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive sind politische und rechtliche Institutionen keine objektiven Gegebenheiten mit rationaler Struktur, sondern Kondensate kommunikativ erhobener, anerkannter oder zurückgewiesener Geltungsansprüche. Kommunikation wird dabei als Zeichenaustausch verstanden, weswegen besonders elaborierte Zeichen – Symbole, Rituale oder Zeremonien – für die neue Kulturgeschichte eine prominente Rolle spielen. Denn Text- und Symbolquellen eröffnen keinen objektiven Blick auf die Tatsachen der Geschichte, sondern liefern lediglich Hinweise auf die sprachliche Kommunikation der Vergangenheit. Dieser als Linguistic Turn (Linguistische Wende) in die Geschichtswissenschaft eingeganger Paradigmenwechsel basierte auf der Auffassung, dass auch „soziale Lagen, Marktzwänge oder demografische Entwicklung ihrerseits als eigenständige Faktoren auf die semiotische Praktiken der betroffenen Menschen einwirken“.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Maryanne Cline Horowitz (Hg.): New Dictionary of the History of Ideas. Detroit 2005
  • Peter Burke: Was ist Kulturgeschichte?. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-58442-1
  • Christoph Conrad, Martina Kessel: Kultur & Geschichte. Neue Einblicke in eine alte Beziehung. Reclam, Stuttgart 1998
  • Ute Daniel: Kompendium Kulturgeschichte. 5., durchges. u. akt. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-29123-8
  • Lars Deile: Die Sozialgeschichte entlässt ihre Kinder. Ein Orientierungsversuch in der Debatte um Kulturgeschichte. In: Archiv für Kulturgeschichte. Bd. 87, 2005. S. 1–25
  • Martin Eichhorn: Kulturgeschichte der Kulturgeschichten: Typologie einer Literaturgattung. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 978-3-8260-2341-5
  • Michael Erbe: Die Erfindung der Antike – Das Altertum und der Aufbruch in die Neuzeit. wjs-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-937989-07-2
  • Michael Maurer: Kulturgeschichte. Eine Einführung. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-8252-3060-9
  • Jean-Pierre V. M. Hérubel: Observations on an Emergent Specialization: Contemporary French Cultural History. Significance for Scholarship. In: Journal of Scholarly Publishing. Volume 41, Number 2, January 2010. S. 216–240
  • Philippe Poirrier: Les enjeux de l’histoire culturelle. Seuil, Paris 2004
  • Philippe Poirrier (dir.): L’Histoire culturelle : un « tournant mondial » dans l’historiographie ?. Éditions universitaires de Dijon, Dijon 2008
  • Barbara Stollberg-Rilinger: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (= Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 35). Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11868-5
  • Silvia Serena Tschopp, Wolfgang E. J. Weber: Grundfragen der Kulturgeschichte. WBG, Darmstadt 2007
  • Hans-Ulrich Wehler: Die Herausforderung der Kulturgeschichte. C. H. Beck, München 1998
  • Werkstatt Geschichte: Historische Fachzeitschrift für Alltags- und Kulturgeschichte.
  • Achim Landwehr: Kulturgeschichte. UTB, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8252-3037-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2003. S. 233
  2. Lutz Raphael, 2003. S. 228
  3. Lutz Raphael, 2003. S. 233 f.
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