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Ludwig Adamovich junior
Ludwig Karl Adamovich (* 24. August 1932 in Innsbruck; † 16. Juni 2024 in Wien[1][2]) war ein österreichischer Jurist und Verfassungsrichter. Er war von 1984 bis 2002 Präsident des Verfassungsgerichtshofes der Republik Österreich. Er war Sohn von Ludwig Adamovich senior.
Beruflicher Werdegang
Adamovich besuchte in Wien das Akademische Gymnasium, studierte dann Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wo er 1954 zum Doktor der Rechte (Dr.iur.) promovierte. 1955 trat er in den Verwaltungsdienst des Landes Niederösterreich ein, ab 1956 war er im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes tätig. Nach der Habilitation für österreichisches Verfassungsrecht und Verfassungspolitik an der Universität Wien wurde Adamovich 1974 o. Univ.Prof. für öffentliches Recht an der Universität Graz. 1976 kehrte er als Leiter in den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts zurück, wo er 1977 zum Sektionschef im Bundeskanzleramt ernannt wurde. Die Universität Graz ernannte ihn zum Honorarprofessor.
Von 1984 bis 2002 war Adamovich Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes.
Besondere Bekanntheit erlangte Adamovich durch die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der die 2001 ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Ortstafelstreit (zur Frage, welche Rechte die slowenische Minderheit Kärntens auf Nennung slowenischer Dorfnamen auf amtlichen Ortstafeln hat) nicht akzeptieren wollte. Haider meinte in einer Bierzeltrede: „Wenn einer schon Adamovich heißt, muss man sich zuerst einmal fragen, ob er eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung hat.“[3]
Nebenberufliche Tätigkeiten
Ab September 2004 war Ludwig Adamovich ehrenamtlicher Berater für verfassungsrechtliche Fragen beim damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer. Dieses Amt übte er bis zum Ende der Amtszeit Heinz Fischers, im Juli 2016, aus. Für den seit Jänner 2017 amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen war er ebenfalls als ehrenamtlicher Berater für verfassungsrechtliche Fragen tätig.[4]
2008 wurde er vom Innenministerium als Leiter einer Evaluierungskommission berufen, die beauftragt wurde, den Entführungsfall Natascha Kampusch aufzuarbeiten, in dem es – möglicherweise infolge von Ermittlungspannen der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei – zur mehrjährigen Gefangenschaft des Mädchens in einem Verlies ihres Entführers gekommen war.
Ende 2009 gab Adamovich dazu mehrere kritische Interviews, in denen er sich spekulativ unter anderem mit der schwierigen Familiensituation von Kampusch befasste. Daraufhin wurde er von Angehörigen des Entführungsopfers wegen übler Nachrede geklagt und in erster Instanz verurteilt.[5][6] Die Richterin Birgit Schneider, die Adamovich verurteilte, ist Tochter des ehemaligen Leiters der Wiener Staatsanwaltschaft Otto Schneider. Dieser hatte neben Oberstaatsanwalt Werner Pleischl „führende Mitverantwortung im Ermittlungsverfahren zum Fall Kampusch“, den die Kommission um Adamovich untersuchte. Der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes, Johann Rzeszut, ortete in diesem Zusammenhang Befangenheit. Die Richterin wäre seiner Ansicht nach im Interesse der Objektivität „verpflichtet gewesen“, eine Befangenheitserklärung abzugeben.[7] Am 22. Dezember 2010 wurde das Urteil gegen Adamovich vom Oberlandesgericht Wien in zweiter und letzter Instanz rechtskräftig aufgehoben. Seine Aussagen überschritten nach Auffassung des Berufungsgerichts die Grenzen des Rechts auf Meinungsfreiheit nicht.[8]
Im Jahr 2013 übernahm Adamovich die Leitung des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats, der gemeinsam mit dem Parteien-Transparenz-Gesetz geschaffen wurde und beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist.[9]
Auszeichnungen
- 1979: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich[10]
- 1987: Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich[11]
- 1989: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien[12]
- 1992: Berufstitel „o. Univ.Prof.“
- 1995: Wilhelm-Hartel-Preis
- 1995: Goldene Medaille der Masaryk-Universität, in Brünn, Tschechien
- 1996: Ehrendoktorat der Josip-Juraj-Strossmayer-Universität Osijek, Kroatien
- 1996: Franz Gschnitzer-Wissenschaftspreis der Universität Innsbruck[13]
- 1997: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien mit dem Stern
- 1997: Ehrendoktorat der Karl-Franzens-Universität Graz
- 1998: Ehrenmitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- 2001: Großkreuz des Ordens de Isabel la Católica
- 2002: Ehrendoktorat der Universität Wrocław (Breslau), Polen
- 2002: Friedrich Torberg-Medaille[14]
Mitgliedschaften
- Mitglied der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer e. V.
- Mitglied der Österreichischen Juristenkommission
- Ehrenmitglied e.s.v. AV Austria Innsbruck im ÖCV
- Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste
- Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Schriften
- Ludwig Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts, 6. Auflage, neu bearb. Wien u. a.: Springer 1971 (Rechts- und Staatswissenschaften 3). ISBN 3-211-81008-0.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk: Allgemeines Verwaltungsrecht. Wien u. a.: Springer 1980 (Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft). ISBN 3-211-81558-9. 2. Auflage: 1984. ISBN 3-211-81785-9. 3. Auflage: 1987. ISBN 3-211-81999-1.
- Ludwig Adamovich, Peter Pernthaler (Hrsg.): Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit. Festschrift für Hans R. Klecatsky, dargeboten zum 60. Lebensjahr. Wien: Braumüller 1980, 2. Bände. ISBN 3-7003-0257-6.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk: Österreichisches Verfassungsrecht. Verfassungsrechtslehre unter Berücksichtigung von Staatslehre und Politikwissenschaft Wien u. a.: Springer 1982 (Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft). ISBN 3-211-81694-1. 2. Auflage: 1984. ISBN 3-211-81811-1. 3. Auflage: 1987. ISBN 3-211-81862-6.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk, Gerhart Holzinger, Stefan L. Frank (Bd. 4): Österreichisches Staatsrecht, 4 Bände: 1. Grundlagen (1997), 2. Staatliche Organisation (1998), 3. Grundrechte (2003), 4. Allgemeine Lehren des Verwaltungsrechts (2009), Wien u. a.: Springer 1997–2009.
- Ludwig Adamovich: Was kann man von einer Verfassung erwarten? Vortrag, gehalten vor der Vollversammlung der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft in St. Pölten am 19.11.1997. Wien: Orac 1998 (Schriftenreihe Niederösterreichische Juristische Gesellschaft 76). ISBN 3-7007-1331-2.
- Ludwig Adamovich: Das Menschenbild der Demokratie und der Grundrechte. Vortrag mit Diskussion gehalten in Salzburg am 7. November 2000. 5. Hermann-und-Marianne-Straniak-Vorlesung des Österreichischen Instituts für Menschenrechte in Zusammenarbeit mit dem ORF-Landesstudio Salzburg, Köln u. a.: Heymann 2001 (Hermann-und-Marianne-Straniak-Vorlesung des Österreichischen Instituts für Menschenrechte 5). ISBN 3-452-24958-1.
- Ludwig Adamovich: Eine neue Republik? Gedanken zur Verfassungsreform, Wien: Holzhausen 2004. ISBN 3-85493-083-6.
- Ludwig Adamovich: Verfassungsreform. Ein gewaltiges Vorhaben. Vortrag, gehalten vor der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft in St. Pölten am 17. November 2004. Wien: LexisNexis ARD Orac 2005 (Schriftenreihe Niederösterreichische Juristische Gesellschaft 93). ISBN 3-7007-3208-2.
- Ludwig Adamovich: Der Weg zum allgemeinen und gleichen Wahlrecht. Wien: Verlag Österreich 2008. ISBN 978-3-7046-5258-4.
- Ludwig Adamovich: Erinnerungen eines Nonkonfirmisten. Wien: Seifert Verlag 2011. ISBN 978-3-902406-87-3.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk, Gerhart Holzinger, Stefan L. Frank: Österreichisches Staatsrecht, 2. aktualisierte Auflage, 4 Bände: 1. Grundlagen (2011), 2. Staatliche Organisation (2013), 3. Grundrechte (2011), 4. Allgemeine Lehren des Verwaltungsrechts (2017), Wien u. a.: Springer/Verlag Österreich 2011–2017.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk, Gerhart Holzinger, Stefan L. Frank: Österreichisches Staatsrecht, 3. aktualisierte Auflage, 4 Bände: 2. Staatliche Organisation (2014), Wien: Verlag Österreich 2014–.
- Ludwig Adamovich, Bernd-Christian Funk, Kerstin Holzinger, Stefan L. Frank (Hrsg.): Festschrift für Gerhart Holzinger. Verlag Österreich, Wien 2017. ISBN 978-3-7046-7735-8.
Weblinks
- Literatur von und über Ludwig Adamovich junior im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag über Ludwig Adamovich junior im: Austria-Forum, dem österreichischen Wissensnetz - online (auf AEIOU)
- Jürgen Klatzer, Christian Öser, Michael Baldauf: 1945/2020: Im Dienst der zertrümmerten Republik. In: ORF.at. 28. April 2020, abgerufen am 28. April 2020.
Einzelnachweise
- ↑ 16 06 2024 um 14:20 von Benedikt Kommenda: Ludwig Adamovich: Das Gewissen der Republik ist verstummt. 16. Juni 2024, abgerufen am 16. Juni 2024.
- ↑ Jürgen Klatzer, Christian Öser, beide ORF.at: 1932–2024: Ludwig Adamovich ist tot. 16. Juni 2024, abgerufen am 16. Juni 2024.
- ↑ Salzburg24.at: Haider: Die erbittertsten Gegner (Memento vom 13. März 2009 im Internet Archive), 11. Oktober 2008
- ↑ Bundespräsident.at: Das Team der Präsidentschaftskanzlei. Abgerufen am 28. Mai 2019.
- ↑ derStandard.at: Adamovich soll 10.000 Euro Entschaedigung zahlen, 24. Dezember 2009.
- ↑ Süddeutsche.de: Ex-Richter wegen übler Nachrede verurteilt (Memento vom 27. Dezember 2009 im Internet Archive), 24. Dezember 2009.
- ↑ Profil.at: Fall Kampusch: „Nicht nachvollziehbare Plichtverweigerung“ (Memento vom 16. Oktober 2010 im Internet Archive), 15. Oktober 2010.
- ↑ derStandard.at: Urteil aufgehoben: Adamovich gewinnt gegen Kampuschs Mutter, 22. Dezember 2010.
- ↑ Adamovich wacht künftig über Parteientransparenz ORF.at, 2. Februar 2013, abgerufen am 2. Februar 2013.
- ↑ Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
- ↑ Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
- ↑ Ehrenzeichen des Landes Wien. In: Website der Stadt Wien. Presseservice Rathaus-Korrespondenz, 15. November 1989, abgerufen am 17. Juli 2017.
- ↑ Franz Gschnitzer-Förderungspreise und -Wissenschaftspreise. Preisträger ab 1996, Universität Innsbruck, 2016.
- ↑ OTS: Die Israelitische Kultusgemeinde Wien verleiht am 29. Oktober 2002 die Friedrich Torberg-Medaille, 28. Oktober 2002.
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Personendaten | |
---|---|
NAME | Adamovich, Ludwig junior |
ALTERNATIVNAMEN | Adamovich, Ludwig; Adamovich, Ludwig Karl |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Jurist und Präsident des Verfassungsgerichtshofes |
GEBURTSDATUM | 24. August 1932 |
GEBURTSORT | Innsbruck |
STERBEDATUM | 16. Juni 2024 |
STERBEORT | Wien |
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- Staatsrechtler (20. Jahrhundert)
- Staatsrechtler (21. Jahrhundert)
- Verwaltungsrechtler (20. Jahrhundert)
- Verwaltungsrechtler (21. Jahrhundert)
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- Präsident des Verfassungsgerichtshofs (Österreich)
- Sektionsleiter (Republik Österreich)
- Sektionschef (Republik Österreich)
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien mit dem Stern
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Steiermark
- Träger der Marietta und Friedrich Torberg-Medaille
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- Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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