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Max Alsberg

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Max Alsberg (geb. 16. Oktober 1877 in Bonn; Suizid 11. September 1933 in Samedan) war ein berühmter Strafverteidiger der Weimarer Republik, aber auch Schriftsteller.

Leben

Berliner Gedenktafel für Max Alsberg

Alsberg entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie, seine jüngere Schwester war die Schriftstellerin und Modejournalistin Ola Alsen. Er trat aus der jüdischen Gemeinde aus, ohne sich christlich taufen zu lassen. Nach seinem juristischen Studium in München, Berlin, Leipzig und Bonn legte er 1899 das erste juristische Staatsexamen ab. Im November 1906, nachdem er inzwischen auch die große (zweite) juristische Staatsprüfung abgelegt hatte, eröffnete er eine Anwaltspraxis in Berlin. Zuvor hatte er das Angebot eines Lehrstuhls an der Universität Bonn ausgeschlagen.

Später erhielt Alsberg auch die Zulassung als Notar in Berlin. Alsberg trat vor allem als Strafverteidiger in Erscheinung. Er verteidigte 1920 den führenden rechtsgerichten Politiker Karl Helfferich, der von Finazminister Matthias Erzberger wegen Verleumdung geklagt worden war.[1] Helfferich wurde aber nur zu einer geringen Gelstrafe verurteilt, Erzbergers politische Karriere war beendet.[2] Alsberg hat zahlreiche Veröffentlichungen zu strafrechtlichen Fragen vorgelegt, daneben verfasste er Theaterstücke ("Voruntersuchung", 1927, verfilmt 1931; "Konflikt", Premiere am 9. März 1933 in Berlin). Sein berühmtester Beitrag zur Rechtswissenschaft ist das Handbuch „Der Beweisantrag im Strafprozess“. 1931 verteidigte er Carl von Ossietzky, den Herausgeber der Weltbühne, gegen den Vorwurf des Landesverrats.

1931 wurde Alsberg Honorarprofessor an der Berliner Universität. Er hielt unter anderem Vorlesungen über Psychologie und Soziologie im Strafvollzug. Im gleichen Jahr wurde ihm von der Universität die Befähigung, ordentlicher Professor zu sein, mit folgenden Worten zuerkannt: Alsberg gehört zu den nicht sehr zahlreichen strafrechtlichen Praktikern, welche eines Ordinariats würdig wären. Er steht unter den wissenschaftlich arbeitenden strafrechtlichen Praktikern weitaus an erster Stelle. [3]

Als sogenannter Volljude war Alsberg nach dem Reichstagsbrand der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Im April 1933 schrieben anonyme Deutsche Studenten einen denunziatorischen Brief an den preußischen Justizminister des Inhaltes:
Soll wirklich ein Judensprößling, ein Warenhauskonzernbruder, weiter über "Deutsches Recht" vor Studenten lesen?

Alsberg wurde gedrängt, auf seine Vorlesungen über Strafrecht im Sommersemester zu verzichten. Zwar hatte er seine Anwaltszulassung nach dem Erlaß des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am 7. April 1933 als sogenannter "Altanwalt" noch behalten können, weil er schon vor dem Ersten Weltkrieg zugelassen worden war. Doch bereits im Juli 1933 verlor er sein Notariat mit der Begründung, er habe nicht am 1. Weltkrieg teilgenommen, so dass ihm kein „Frontkämpferprivileg“ zugestanden wurde. Zusätzlich fand sich im Mai 1933 sein Name auf einer Liste „noch zu entlassender“ Anwälte der Rechtsanwaltskammer Berlin, mit dem Hinweis, dass er Ossietzky verteidigt habe. Dazu gab es Drohungen mit Gewalt gegen alle jüdischen Juristen durch SA und NSDAP. Viele jüdische Juristen waren von SA-Schlägern aus Gerichten vertrieben worden.

Alsberg hatte Berlin schon Ende März verlassen und emigrierte Mitte April in die Schweiz. Er erhielt Zuspruch von vielen Seiten. Leon Blum bot ihm eine außerordentliche Professur an der Universität Sorbonne an. Alsberg erhielt auch ein Angebot, in eine Rechtsanwaltskanzlei in London einzusteigen. Er wies diese Hilfsangebote zurück. Denn er fühlte sich als Deutscher und konnte sich sein Leben nur als deutscher Jurist vorstellen und er litt ungeheuer unter den Verfolgungsmaßnahmen in Berlin[4]

Die Nationalsozialisten in Universität und Kultusministerium betrieben zur gleichen Zeit seine Entlassung als Hochschullehrer. Am 4. September wurde seine Entlassung im Kultusministerium ausgefertigt, aber noch nicht verkündigt, weil die Beamten sich Gedanken über den guten Ruf der Behörden machten. Denn sie schätzten Alsberg als einen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannten Strafrechtler ein und befürchteten, dass die Verfolgung von Alsberg eine schlechte Presse bringen würde.

Im August hatte Alsberg als Folge der Zerstörung seiner Existenz einen psychischen Zusammenbruch erlitten. Seine mittlerweile ebenfalls emigrierte Frau brachte ihn in ein Sanatorium nach Samedan. Dort erschoss Alsberg sich am 11. September 1933 in großer Verzweiflung. Das Ministerium vernichtete danach die noch nicht verschickte Entlassungsurkunde.[5] Der Name Alsberg war danach tabu.

Im Januar 1934 wurde Alsberg Kunstsammlung von dem später selbst als "Juden" verfolgten Auktionator Paul Graupe versteigert.[6]

1936 wurde Alsberg auf einer Tagung der nationalsozialistischen Rechtstheoretiker mit dem Thema Das Judentum in der Rechtswissenschaft unter der Leitung von Carl Schmitt geschmäht. Professor Karl Klee sprach Alsberg seine wissenschaftliche Reputation ab und Karl Siegert sprach von "Alsbergs jüdischen Zersetzungsversuchen" in der Rechtswissenschaft. Darunter verstand er unter anderem den Versuch, Straftäter zu resozialisieren und die Entstehung von verbrecherischen Neigungen bei Straftätern auch mit psychologischen und soziologischen Kriterien zu beleuchten. [7]

Max Alsberg geriet nach dem Ende des Nationalsozialismus wie viele jüdische Juristen in Vergessenheit. Erst ab den 1990er Jahren erinnerten Rechtshistoriker an die vertriebenen Juristen und gedachten auch Max Alsbergs. 2001 wurde eine Gedenktafel für Max Alsberg an seinem ehemaligen Wohnhaus, Richard-Strauss-Straße 22 in Berlin-Grunewald angebracht.

Werke (Auswahl)

  • Justizirrtum und Wiederaufnahme, Dr. P. Langenscheidt, Berlin 1913.
  • Kriegswucherstrafrecht, Moeser, Berlin 1916. (Später als Preistreibereistrafrecht wieder aufgelegt. 1922 zum 7. Mal aufgelegt.)
  • Die Tortur : Geschichte der Folter im Kriminalverfahren aller Zeiten u. Völker . Von Franz Helbing. Völlig neubearb. u. erg. von Max Bauer mit Schlussw. v. Max Alsberg.
  • Voruntersuchung, 1927 (Drama, gemeinsam mit Otto Ernst Hesse; Verlag Bong, Berlin 1930. (In mehreren Ländern aufgeführt und auch verfilmt.)
  • Grosse Prozesse der Weltgeschichte. Henri-Robert. Mit e. Vorw. von Max Alsberg, Stilke, Berlin 1928.
  • Der Beweisantrag im Strafprozess / begr. von Max Alsberg, Fortgef. von Karl-Heinz Nüse und Karl-Heinz Meyer, 5. Aufl. 1983, ISBN 3-452-19317-9. (Erstveröffentlichung 1930.)
  • Philosophie der Verteidigung. J. Bensheimer, Mannheim 1930.
  • Das Grabmal der Pressefreiheit, 1932.
  • Konflikt, Schausp. in 7 Bildern 3 (Drama), Bong Verlag, Berlin 1933.
  • Der Prozess des Sokrates im Lichte moderner Jurisprudenz und Psychologie., Benzheimer, 3. Aufl. Mannheim 1933.
  • Strafprozessfälle. C. Heymann, Berlin 1933.

Literatur

  • Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Erster Band (A–K), Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, S. 18/19.
Neuauflage als Mikrofiche-Edition: De Gruyter Saur, 1995, ISBN 3-598-30664-4 / ISBN 978-3-598-30664-8.
  • Alfred Apfel: Alsberg, in: Die Weltbühne 1931, (Bd. 2), S. 758
  • Günter SpendelAlsberg, Max. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, S. 205 (Onlinefassung).
  • Curt Riess: Der Mann der schwarzen Robe. Das Leben des Strafverteidigers Max Alsberg. Hamburg 1965.
  • Gerhard Jungfer: Max Alsberg (1877–1933). Verteidigung als ethische Mission. In: Kritische Justiz (Hrsg.): Streitbare Juristen. Baden-Baden 1988, S. 141ff.
  • Tilmann Krach: Max Alsberg (1877–1933). Der Kritizismus des Verteidigers als schöpferisches Prinzip der Wahrheitsfindung. In: Helmut Heinrichs et. al. (Hrsg.): Deutsche Juristen jüdischer Herkunft. München 1993.
  • Simone Ladwig-Winters: Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933. Berlin 1998.
  • Anna-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147245-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Reinhard Weber (Hrsg.), Max Hirschberg: Jude und Demokrat. Erinnerungen eines Münchener Rechtsanwalts 1883–1939. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1998, ISBN 3-486-56367-X, S. 192.
  2. Heinrich August Winkler: Weimar, 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. Beck, München 1998, ISBN 3-40643-884-9, S. 117f.
  3. Dokument der Juristischen Fakultät vom 13. März 1931 zitiert in Anna-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147245-4, Seite 81.
  4. .Curt Riess: Der Mann der schwarzen Robe. Das Leben des Strafverteidigers Max Alsberg. Hamburg 1965. S. 325ff.
  5. Anna-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147245-4. Seite 211f.
  6. Kunstbesitz Prof. Max Alsberg, Berlin Gemälde und Kunstgewerbe aus einer bekannten süddeutschen Privatsammlung; verschiedener Berliner Privatbesitz; Versteigerung 29./30. Jan. 1934 Berlin: Paul Graupe, Berlin W 9, Bellevuestrasse 3, 1934. Graupe durfte mit einer Sondergenehmigung von Goebbels sein Geschäft von 1933 bis 1937 behalten, da er mit seinen auf internationales Interesse stoßenden Auktionen dem Reich begehrte Devisen verschaffte. Er musste kurze Zeit später selbst emigrieren und gelangte über Paris nach New York. Seine Galerie wurde von Hans W. Lange "arisiert". Siehe Tilmann Krach: Max Alsberg (1877–1933). Der Kritizismus des Verteidigers als schöpferisches Prinzip der Wahrheitsfindung. In: Helmut Heinrichs et. al. (Hrsg.): Deutsche Juristen jüdischer Herkunft. München 1993, S. 663
  7. Anna-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147245-4. Seite 315 und Tilmann Krach: Max Alsberg (1877–1933). Der Kritizismus des Verteidigers als schöpferisches Prinzip der Wahrheitsfindung. In: Helmut Heinrichs et. al. (Hrsg.): Deutsche Juristen jüdischer Herkunft. München 1993, S. 663
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