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Mittelhochdeutsch
Mittelhochdeutsch | ||
---|---|---|
Gesprochen in |
mittel- und oberdeutscher Sprachraum | |
Sprecher | seit ca. 1350 keine mehr | |
Linguistische Klassifikation |
| |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1: |
— | |
ISO 639-2: |
gmh | |
ISO 639-3: |
gmh |
Mittelhochdeutsch (Mhd.) bezeichnet im weiteren Sinn eine ältere Sprachstufe der deutschen Sprache, nämlich sämtliche hochdeutschen Varietäten etwa zwischen 1050 und 1350 (das entspricht ungefähr dem Hochmittelalter). Das Lexem „mittel-“ beschreibt also keine geografischen Sprachregionen, sondern betitelt die von der Neuzeit aus chronologisch mittlere der hochdeutschen Sprachformen. Im engeren Sinn bezeichnet Mittelhochdeutsch die Sprache der höfischen Literatur zur Zeit der Staufer. Für diese Sprache wurde im 19. Jahrhundert im Nachhinein eine vereinheitlichende Orthografie geschaffen, das normalisierte „Mittelhochdeutsch“, in dem seither viele Neuausgaben der alten Texte geschrieben werden. Wenn von Merkmalen des Mittelhochdeutschen die Rede ist, dann ist normalerweise diese Sprachform gemeint.
Das Mittelhochdeutsche als ältere Sprachstufe des Deutschen
Das Mittelhochdeutsche als ältere Sprachstufe des Deutschen liegt ursprünglich nur in einer Vielzahl örtlicher Mundarten (Dialekte) vor.
Dem Mittelhochdeutschen ging das Althochdeutsche (Ahd.) (etwa 750 bis 1050, Frühmittelalter) voraus. Von diesem unterscheidet es sich insbesondere durch die Neben- und Endsilbenabschwächung. Vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen gab es keine schriftliche Kontinuität. Da im 10. und 11. Jahrhundert fast ausschließlich Latein geschrieben wurde, setzte die Verschriftlichung des Deutschen mit dem Mittelhochdeutschen erst wieder neu ein. Dadurch erklären sich die besonders in den früheren mittelhochdeutschen Schriften des 12. Jahrhunderts recht unterschiedlichen Schreibungen.
Für die Zeit von etwa 1350 bis 1650 (etwa das Spätmittelalter bis Frühe Neuzeit) spricht man von Frühneuhochdeutsch (Frnhd.). In den verschiedenen Sprachregionen muss jedoch diese Abgrenzung unterschiedlich getroffen werden, denn wo die neuhochdeutschen Sprachmerkmale nicht in den Dialekten verankert sind, wurde länger an älteren Sprachformen festgehalten. So hat sich beispielsweise in der Deutschschweiz das Frühneuhochdeutsche erst im späten 15. Jahrhundert durchgesetzt.[1]
Neben der neuhochdeutschen Sprache ging aus dem Mittelhochdeutschen auch die jiddische Sprache hervor.
Zeitliche Einordnung
Als mittelhochdeutsch werden alle Texte in einem hochdeutschen Idiom aus der Zeit von ungefähr 1050 bis 1350 bezeichnet. Der Beginn des Mittelhochdeutschen wird in der historischen Linguistik sehr einheitlich um das Jahr 1050 festgelegt, da ab diesem Zeitpunkt einige sprachliche Veränderungen gegenüber den althochdeutschen Varietäten erkennbar sind, besonders im Phonemsystem, aber auch in der Grammatik.
Das Ende der mittelhochdeutschen Epoche ist umstritten, da die Forscher des 19. Jahrhunderts mit diesem Begriff jegliche Texte bis zur Zeit Martin Luthers bezeichneten. Diese Einteilung geht hauptsächlich auf die Brüder Grimm zurück. Heute verwendet man den Begriff Mittelhochdeutsch nur noch für Texte, die bis um das Jahr 1350 entstanden sind, und spricht danach von Frühneuhochdeutsch.
Die folgende Gliederung der mittelhochdeutschen Epoche basiert hauptsächlich auf literaturhistorischen, also sprachexternen und auf den Inhalt bezogenen Kriterien. Es gibt jedoch auch eine Abweichung und Entwicklung in der Grammatik, der Wortbedeutung und im Schreibstil, die diese Einteilung rechtfertigen.
- Frühmittelhochdeutsch (1050–1170)
- klassisches Mittelhochdeutsch (1170–1250)
- Spätmittelhochdeutsch (1250–1350)
In den meisten Darstellungen wird vorwiegend das klassische Mittelhochdeutsch behandelt, welches die Sprache von Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg und von Walther von der Vogelweide war.
Räumliche Gliederung
Das Mittelhochdeutsche war in sich keine einheitliche Schriftsprache, sondern es gab unterschiedliche Schreibformen und Schreibtraditionen in den verschiedenen hochdeutschen Regionen. Die regionale Gliederung des Mittelhochdeutschen deckt sich oft mit den rezenten dialektalen Großräumen und Aussprache-Isoglossen, jedoch haben sich diese Dialektgrenzen seit dem Mittelalter auch verschoben. Beispielsweise ging die Ausdehnung des Niederdeutschen, dessen schriftliche Relikte nicht als Teil der mittelhochdeutschen Literatur gesehen werden, deutlich weiter in den Süden, als es heute der Fall ist.
Die Entstehungsregion der mittelhochdeutschen Texte ist meist an unterschiedlichen Lautformen und am Vokabular, aber auch durch unterschiedliche grammatikalische Formen erkennbar, und darauf basierend teilt die Germanistik das Mittelhochdeutsche in folgende Varietäten. Diese Gliederung basiert auf der Arbeit von Hermann Paul (1846–1921) und ist bis heute nicht vollständig befriedigend. Vor allem ist nicht endgültig untersucht worden, welcher Text exakt welcher Region zuzuordnen ist, da auch viele Texte von unterschiedlichen Autoren verfasst wurden. (Folgende Tabelle zitiert aus Wilhelm Schmidt, Geschichte der deutschen Sprache, 10. Auflage, 2007, S. 276):
Oberdeutsch
- Alemannisch
- Süd- oder Hochalemannisch (heute Schweiz und Südbaden)
- Niederalemannisch oder Oberrheinisch (Elsass, Süden von Baden-Württemberg, Vorarlberg)
- Nordalemannisch oder Schwäbisch (in Württemberg und im bayerischen Schwaben)
- Bairisch
- Nordbairisch (bis in den Nürnberger Raum, Oberpfalz, südliches Vogtland)
- Mittelbairisch (Nieder- und Oberbayern, Nieder- und Oberösterreich, Wien und Salzburg)
- Südbairisch (Tirol, Kärnten, Steiermark)
- Ostfränkisch (bayerisches Franken, Südthüringen, Südwestsachsen, Teil von Baden-Württemberg)
- Südrheinfränkisch (Baden, Teile von Nordwürttemberg)
Mitteldeutsch
- Westmitteldeutsch
- Mittelfränkisch (Rheinland von Düsseldorf bis Trier, nordwestlicher Teil von Hessen, Nordwesten von Lothringen inklusive Ripuarisch (um Köln) und Moselfränkisch (um Trier).
- Rheinfränkisch (südlicher Teil des Rheinlands, Teil von Lothringen, Hessen, Teil des bayerischen Franken, Teil Württembergs und Badens, Rheinpfalz und Nordrand des Elsass)
- Ostmitteldeutsch
- Thüringisch
- Obersächsisch mit Nordböhmisch*
- Schlesisch mit Lausitzisch*
- Hochpreußisch (südlicher Teil des Ermlands)*
Die mit (*) markierten letzten drei regionalen Varietäten des Mittelhochdeutschen bildeten sich erst in dieser Zeit in Gegenden, die davor slawischsprachig waren (siehe Kolonialdialekte).
Das Mittelhochdeutsche als Sprache der staufischen höfischen Literatur
Die Herrschaft der Staufer schuf die Voraussetzung dafür, dass sich etwa von 1150 bis 1250 in der höfischen Literatur eine überregionale Schreibsprache herausbildete[2]. Diese Sprache beruhte auf schwäbischen und ostfränkischen Dialekten, also auf den Dialekten des Herkunftsgebiets der Staufer. Mit dem Niedergang der Staufer verschwand auch diese relativ einheitliche überregionale Sprachform.
Diese Sprache ist normalerweise gemeint, wenn von Merkmalen des Mittelhochdeutschen die Rede ist. Allerdings ist es nicht so, dass sich das Neuhochdeutsche aus diesem Mittelhochdeutschen im engeren Sinn entwickelt hätte. Es ist also höchstens begrenzt eine ältere Sprachstufe des Neuhochdeutschen. So gab es schon zu jener Zeit Dialekte, welche typische Lautmerkmale des Neuhochdeutschen aufwiesen. Bereits aus dem 12. Jahrhundert sind kärntnerische Urkunden überliefert, in denen die neuhochdeutsche Diphthongierung auftritt. Umgekehrt werden noch heute Dialekte mit typischen Lautmerkmalen des Mittelhochdeutschen im engeren Sinn gesprochen. So haben viele alemannische Dialekte die mittelhochdeutschen Monophthonge und Diphthonge bewahrt.
Die Frage einer Hochsprache
Das Mittelhochdeutsche der staufischen höfischen Dichtung war keine Standardsprache im heutigen Sinn, denn es gab keine Standardisierung von Orthografie oder Wortschatz. Es hatte aber eine überregionale Geltung. Das lässt sich daran erkennen, dass es auch von Dichtern verwendet wurde, die aus anderen Dialektgebieten stammten, beispielsweise von Heinrich von Veldeke oder von Albrecht von Halberstadt, dass einzelne Dichter im Laufe ihres Lebens immer mehr Regionalismen aus ihren Werken tilgten und dass sich aufgrund sprachlicher Merkmale die Herkunft der Dichter oft nur sehr ungenau ausmachen lässt, während Dialektmerkmale eine sehr genaue Verortung der sprachlichen Herkunft ermöglichen würden.
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich des Mittelhochdeutschen der staufischen höfischen Literatur beschränkte sich auf die höfische Literatur, die während der Zeit der Staufer ihre große Blüte hatte und sich an den Adel richtete. Gebrauchssprachliche Textgattungen, in denen eine überregionale Verständlichkeit weniger wichtig war als eine möglichst breite Verständlichkeit durch alle sozialen Schichten, verwendeten regionale Sprachformen (Rechtstexte, Sachliteratur, Chroniken, religiöse Literatur etc.). Eine breite Überlieferung derartiger Textsorten setzt erst im 13. Jahrhundert ein, da zuvor solche Texte meist in Latein geschrieben wurden.
Die Werke der staufischen höfischen Dichtung gehören zu den bekanntesten mittelhochdeutschen, beispielsweise das Nibelungenlied, der deutsche Lucidarius, der „Parzival“ Wolframs von Eschenbach, der „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg, die Gedichte Walthers von der Vogelweide sowie als Gattung Minnesang.
Das normalisierte Mittelhochdeutsch
Für die Textausgaben der wichtigen mittelhochdeutschen Dichtungen, für Wörterbücher und Grammatiken wird heute das im Wesentlichen auf Karl Lachmann zurückgehende normalisierte Mittelhochdeutsch verwendet, das im Grundsatz die Formen der staufischen höfischen Literatur verwendet, aber natürlich die oft vielfältigen Schreibungen der damaligen sprachlichen Realität nicht wiedergibt.
Aussprache
Die Betonung eines Worts liegt stets auf der ersten Haupttonsilbe. Vokale mit einem Zirkumflex (ˆ) werden lang gesprochen, Vokale ohne Zirkumflex werden kurz gesprochen. Aufeinanderfolgende Vokale werden getrennt betont. Die Ligaturen æ und œ werden wie ä und ö gesprochen. Das s wird spitz gesprochen, wenn auf s ein Konsonant folgt, außer bei sch und sc; dort wird das s nicht spitz gesprochen. Ein z im Wortanlaut oder nach einem Konsonanten wird wie das neuhochdeutsche z als [ts] ausgesprochen. Ein z oder zz in der Mitte und am Ende des Worts wird ausgesprochen wie ß (zur besseren Unterscheidung oft geschrieben als ȥ oder ʒ). Das v wird am Wortanlaut als [f] gesprochen.
Vokalismus
Die folgende Übersicht zeigt das Vokalsystem des (Normal-)Mittelhochdeutschen:
- Kurzvokale: a, ë, e, i, o, u, ä, ö, ü
- Langvokale: â, ê, î, ô, û, æ, œ, iu (langes ü)
- Diphthonge: ei, ie, ou, öu, uo, üe
Es ist zu beachten, dass ei als [ɛɪ] (also nicht [aɪ] wie im Neuhochdeutschen, sondern wie ej oder äi, vgl. ay in englisch day) zu sprechen ist; ie ist nicht ein langes [i], sondern [iə].
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch betreffen den Vokalismus:
- Die mittelhochdeutschen Langvokale [iː yː uː] entsprechen den neuhochdeutschen Diphthongen [aɪ ɔʏ aʊ] (neuhochdeutsche Diphthongierung). Beispiele: mîn – mein, liut – Leute, hûs – Haus
- Die mittelhochdeutschen öffnenden Diphthonge [iə yə uə] entsprechen den neuhochdeutschen Langvokalen [iː yː uː] (neuhochdeutsche Monophthongierung). Beispiele: liep – lieb, müede – müde, bruoder – Bruder
- Die mittelhochdeutschen Diphthonge [ei øu ou] entsprechen den offeneren neuhochdeutschen Diphthongen [aɪ ɔʏ aʊ] (neuhochdeutscher Diphthongwandel). Beispiele: bein – Bein, böume – Bäume, boum – Baum
- Sämtliche mittelhochdeutschen Kurzvokale in offenen Silben entsprechen neuhochdeutschen gedehnten Langvokalen (Dehnung in offener Tonsilbe). Beispiele ligen – liegen, sagen – sagen, nëmen – nehmen.
Grammatik
Die Grammatik des Mittelhochdeutschen ist kaum von der des Neuhochdeutschen verschieden. Die wichtigsten Unterschiede sind:
- Alle mittelhochdeutschen o-Stämme treten im Neuhochdeutschen in andere Klassen über
- Das Mittelhochdeutsche kannte keine gemischte Deklination
- Das Mittelhochdeutsche kennt archaische du-Formen in vielen Zeiten
Substantive
- Deklination der starken Substantive
Kasus | 1. Klasse mask. | 1. Klasse neutr. | 2. Klasse feminin | 4. Klasse mask. | 4. Klasse neutr. | 4. Klasse fem. |
---|---|---|---|---|---|---|
Nominativ Singular Akkusativ Singular |
tac | wort | gëbe | gast | blat | kraft |
Genitiv Singular | tages | wortes | gëbe | gastes | blates | krefte* |
Dativ Singular | tage | worte | gëbe | gaste | blate | krefte* |
Nominativ Plural Akkusativ Plural |
tage | wort | gëbe | geste | bleter | krefte |
Genitiv Plural | tage | worte | gëben | geste | bleter | krefte |
Dativ Plural | tagen | worten | gëben | gesten | bletern | kreften |
- * eine Nebenform im Gen./Dat. Singular ist kraft
- Feminina der dritten Klasse flektieren wie diejenigen der 4. Klasse, jedoch ohne Umlaut und Nebenform:
zît, zîte, zîte, zît, zîte, zîte, zîten, zîte
- Deklination der schwachen Substantive
Kasus | Maskulin | Feminin | Neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ Singular Akkusativ Singular |
bote boten |
zunge zungen |
hërze |
Genitiv Singular Dativ Singular Plural |
boten | zungen | hërzen |
Verben
- Konjugation eines starken Verbs
Person | Präsens Ind. | Präsens Konj. | Präteritum Ind. | Präteritum Konj. |
---|---|---|---|---|
ich | biuge | biege | bouc | büge |
du | biugest | biegest | büge | bügest |
er/siu/ez | biuget | biege | bouc | büge |
wir | biegen | biegen | bugen | bügen |
ir | bieget | bieget | buget | büget |
sie | biegent | biegen | bugen | bügen |
- Infinitiv: biegen, Imperativ: biuc!
- Partizip Präsens: biegende, Partizip Präteritum: gebogen
- Konjugation der schwachen Verben
Person | Präsens Indikativ | Präsens Konjunktiv | Präteritum Indikativ/Konjunktiv |
---|---|---|---|
ich | lëbe | lëbe | lëb(e)te |
du | lëbest | lëbest | lëb(e)test |
er/siu/ez | lëbet | lëbe | lëb(e)te |
wir | lëben | lëben | lëb(e)ten |
ir | lëbet | lëbet | lëb(e)tet |
sie | lëbent | lëben | lëb(e)ten |
- Infinitiv: lëben, Imperativ: lëbe!
- Partizip Präsens: lëbende, Partizip Präteritum: gelëb(e)t
- Konjugation der Präteritopräsentia
Neuhochdeutsch | 1./3. Singular | 2. Singular | 1./3. Plural & Infinitiv | Präteritum |
---|---|---|---|---|
wissen | weiz | weist | wizzen | wisse/wësse/wiste/wëste |
taugen/nützen | touc | - | tugen* | tohte – töhte |
gönnen | gan | ganst | gunnen* | gunde/gonde – günde |
können/kennen | kan | kanst | kunnen* | kunde/konde – künde |
bedürfen | darf | darft | durfen* | dorfte – dörfte |
es wagen | tar | tarst | turren* | torste – törste |
sollen | sol/sal | solt | suln* | solde/solte – sölde/solde |
vermögen | mac | maht | mugen** | mahte/mohte – mähte/möhte |
dürfen | muoz | muost | müezen | muos(t)e – mües(t)e |
- * Umgelautete Nebenformen: tügen, günnen, künnen, dürfen, türren, süln
- ** Nebenformen zu mugen sind: mügen, magen, megen
- Die einzigen Partizipien sind: gewist/gewëst zu wizzen und gegunnen/gegunnet zu gunnen.
- Konjugation der besonderen Verben
sîn (sein) | tuon (tun) | wellen (wollen) | hân (haben) | |
---|---|---|---|---|
Präsens Ind. Singular | bin bist ist |
tuon tuost tuot |
wil(e) wil(e)/wilt wil(e) |
hân hâst hât |
Präsens Ind. Plural | birn/sîn/sint birt/bint/sît/sint sint |
tuon tuot tuont |
wel(le)n wel(le)t wel(le)nt, wellen |
hân hât hânt |
Präsens Konj. Singular | sî sîst sî |
tuo tuost tuo |
welle wellest welle |
habe habest habe |
Präsens Konj. Plural | sîn sît sîn |
tuon tuot tuon |
wellen wellet wellen |
haben habet haben |
- Die Formen von gân/gên „gehen“ und stân/stên „stehen“ entsprechen denen von tuon.
- lân „lassen“ geht wie hân.
- Im Präteritum stehen was – wâren von sîn,
wolte/wolde von wellen,
gie(nc) zu gân/gên,
hâte / hate / hæte / hête / hete / het / hiete zu hân,
lie(z) zu lân. - tuon hat im Präteritum besondere Formen:
Präteritum Indikativ: tët(e), tæte, tët(e), tâten, tâtet, tâten
Präteritum Konjunktiv: tæte, tætest usw.
Weitere Merkmale
- Keine Großschreibung von Substantiven (im Mittelhochdeutschen wurden nur Namen großgeschrieben)
- Auslautverhärtung wird grafisch gekennzeichnet (mittelhochdeutsch tac – tage entspricht neuhochdeutsch Tag – Tage.)
- Palatalisierung: Das Mittelhochdeutsche unterschied zwei verschiedene s-Laute: Einerseits das in der zweiten hochdeutschen Lautverschiebung entstandene [s], das auf germanisches t zurückging und mit z/zz geschrieben wurde, beispielsweise in ezzen, daz, grôz. Dieser Laut wurde gleich ausgesprochen wie neuhochdeutsches [s] und entspricht auch einem neuhochdeutschen [s]. Andererseits der auf germanisches s zurückgehende stimmlose alveolo-palatalen Frikativ [ɕ], beispielsweise in sunne, stein, kuss, kirse, slîchen. Dieser Laut entspricht teils einem neuhochdeutschen [s] oder [z], teils einem neuhochdeutschen [ʃ].
Textprobe
Beginn des Nibelungenlieds | Übersetzung |
---|---|
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit |
Uns wurde in alten Erzählungen viel Wundersames gesagt |
Siehe auch
Literatur
- Wörterbücher
Neuere Wörterbücher (teils noch in Bearbeitung):
- Kurt Gärtner, Klaus Grubmüller, Karl Stackmann (Hrsg.): Mittelhochdeutsches Wörterbuch.
- Doppellieferung 1/2 (Lfg. 1: a bis amurschaft, Lfg. 2: an- bis balsieren). Hirzel, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7776-1399-4
- Doppellieferung 3/4 (Lfg. 3: balster bis besilieren, Lfg. 4: besingen bis bluotekirl). Hirzel, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-7776-1519-6
- Doppellieferung 5/6 (Lfg. 5: bluoten bis dâ(r) abe, Lfg. 6: dâ(r) ane bis ëbentiure). Hirzel, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-7776-1688-9
- Doppellieferung 7/8 (Lfg. 7: ëbentiuren bis erbieten, Lfg. 8: erbiutunge bis êvrouwe). Hirzel, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7776-2241-5
- MWB online
- Beate Hennig: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 4. Auflage. Niemeyer, Tübingen 1998, ISBN 3-4841-0696-4
- Bettina Kirschstein, Ursula Schulze (Hrsg.): Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache auf der Grundlage des 'Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300'. Erich Schmidt-Verlag Berlin 1994ff., ISBN 3-503-02247-3
Einige ältere Wörterbücher des Mittelhochdeutschen sind online zugänglich:
- MWV (mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund)
- BMZ: G. F. Benecke, W. Müller, F. Zarncke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 4 Bände. Leipzig 1854–66. 3. Nachdruckauflage: Hildesheim, Olms 1986, ISBN 3-487-05372-1, BMZ online
- Lexer: Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bände. Leipzig 1872–1878. Nachdruck: Hirzel, Stuttgart 1992, ISBN 3-7776-0488-7 und ISBN 3-7776-0487-9, Lexer online, Lexer-Nachträge von 1878 online
- Findebuch: Kurt Gärtner u.a.: Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz. Mit einem rückläufigen Index. Hirzel, Stuttgart 1992, ISBN 3-7776-0490-9 und ISBN 3-7776-0489-5, Findebuch online
- Einführung
- Thomas Bein: Germanistische Mediävistik. 2., bearbeitete und erweiterte Auflage, Erich Schmidt-Verlag GmbH & Co., Berlin 2005, ISBN 3-503-07960-2
- Rolf Bergmann, Peter Pauly, Claudine Moulin: Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. Bearbeitet v. Claudine Moulin. 6. Auflage. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-20836-7
- Michael Graf: Mittelhochdeutsche Studiengrammatik. Eine Pilgerreise. Niemeyer, Tübingen 2003
- Thordis Hennings: Einführung in das Mittelhochdeutsche. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017818-4
- Hermann Reichert: Nibelungenlied-Lehrwerk. Sprachlicher Kommentar, mittelhochdeutsche Grammatik, Wörterbuch. Passend zum Text der St. Galler Fassung („B“). Wien: Praesens-Verlag 2007. ISBN 978-3-7069-0445-2. Einführung ins Mittelhochdeutsche auf Basis des Nibelungenlieds.
- Hilkert Weddige: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 6. Auflage. Beck, München 2004, ISBN 3-406-45744-4
- Wilhelm Schmidt: Geschichte der deutschen Sprache – Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, 10. Auflage, Hirzel, Stuttgart 2007, ISBN 3777614327
- Grammatik
- Heinz Mettke: Mittelhochdeutsche Grammatik. 8. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2000, ISBN 3-484-89002-9
- Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik. 25. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 3-484-64034-0
- Karl Weinhold: Kleine mittelhochdeutsche Grammatik. Fortgef. von Gustav Ehrismann und neu bearb. von Hugo Moser. 18. Auflage. Braumüller, Wien 1986, ISBN 3-7003-0663-6
- Metrik
- Herbert Bögl: Abriss der mittelhochdeutschen Metrik – Mit einem Übungsteil. 1. Auflage. Olms, Hildesheim 2006, ISBN 3-487-13142-0
Weblinks
Wörterbücher und sprachwissenschaftliche Projekte
- Mittelhochdeutsch in der International Dictionary Series
- Mittelhochdeutsch in der World Loanword Database
- Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank
- Fabian Bross: Mittelhochdeutsche Kurzgrammatik (PDF, 295 KiB)
- Tomas Tomasek u.a.: Mittelhochdeutsche Metrik Online, Münster.
- Gerhard Köbler: Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 2007.
- Hermann Reichert: Nibelungenlied-Lehrwerk. Sprachlicher Kommentar, mittelhochdeutsche Grammatik, Wörterbuch. Passend zum Text der St. Galler Fassung („B“) (PDF, 5,4 MiB)
- Joseph Wright: A Middle High German Primer with Grammar, Notes, and Glossary, Clarendon Press, Oxford 3. Aufl. 1917. e-Text und Seitenscans, Digitalisat bei archive.org
Sonstiges
- Ein studentisches Arbeitsprojekt zum Thema Minnesang, Buchmalerei, Neidhart (Leben, Werk, Forschungsproblematik, Literaturlisten, Kommentierte Links, Handschriftentypologie u.a.)
- www.mediaevum.de Das altgermanistische Internetportal: Mittelalterliche Literatur u.v.m. im Internet
- Mittelhochdeutsche Hörliteratur
- Albert K. Wimmer: Anthology of Medieval German Literature, synoptically arranged with contemporary translations, 3. A. 1998, Notre Dame, USA.
Einzelnachweise
- ↑ Artikel Frühneuhochdeutsch und älteres Neuhochdeutsch in der Schweiz im HLS
- ↑ König, Werner: dtv-Atlas zur deutschen Sprache, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1978, S. 77ff.
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