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Pandekten

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Index omnium legum et paragraphorum quae in Pandectis, Codice et Instit. continentur per litteras. Lugduni apud Gulielmum Rouillium („Index aller Gesetze und Paragraphen, welche in Pandekten, im Kodex und in Anordnungen bestehen/enthalten sind. Lyon bei Guillaume Rouillé“), 1571, Biblioteca Comunale Renato Fucini di Empoli (FI)

Die Pandekten (von griech./lat. pandectae, „Allumfassendes“), auch Digesten (von lat. digesta, „Geordnetes“), sind eine spätantike Zusammenstellung aus den Werken römischer Rechtsgelehrter; sie bilden den wichtigsten Teil unserer Überlieferung des römischen Rechts (siehe Corpus iuris civilis). Die Methode, mit der diese Texte in Deutschland im 19. Jahrhundert betrachtet wurden, ist die Pandektenwissenschaft.

Entstehung

Die Digesten wurden Ende 533 n. Chr. von Kaiser Justinian (527 bis 565) in Konstantinopel als geltendes Recht verkündet. Sie sind auf Latein abgefasst, damals auch im überwiegend griechischen Osten des Römischen Reiches noch immer die Sprache von Recht und Verwaltung. Einen Versuch, ihre Entstehung und die Arbeitsweise der Juristen Justinians zu erklären, bietet die Bluhm’sche Massentheorie.

Gliederung / Zitierweise

Die Digesten gliedern sich in 50 Bücher, diese wiederum in Titel. Jeder Titel befasst sich mit einem Thema. So handelt zum Beispiel der erste Titel des 41. Buches vom Eigentumserwerb (De adquirendo rerum dominio), der erste Titel des 17. Buches vom Auftrag ([De actione] Mandati vel contra).

Die Titel gliedern sich wiederum in Fragmente, auch leges genannt. Da diese leges zum Teil sehr lang sind, hat man im Mittelalter die leges noch einmal in Paragraphen unterteilt. Dabei wird der erste Abschnitt einer lex als principium (lat. für „Anfang“, abgekürzt pr.) bezeichnet, der zweite trägt die Nummer 1.

Eine Digestenstelle zitiert man heute (im Mittelalter zitierte man ganz anders) in der Regel mit vier Zahlen, bei der die erste das Buch, die zweite den Titel, die dritte die lex und die vierte den Paragraphen bezeichnet. „D. 17,1,26,3“ meint daher den 3. Abschnitt der lex 26 im 1. Titel des 17. Buches der Digesten. Der Ausdruck principium bezeichnet den ersten Abschnitt und „§ 1“ den zweiten.

Im Mittelalter teilte man die Digesten in vier Teile ein: Das Digestum vetus (Buch 1 bis Buch 24. tit. 2), das Infortiatum (Buch 24 tit. 3 bis Buch 35 tit. 2 § 82), die Tres partes (Buch 35 tit. 2 § 83 bis Buch 38) und das Digestum novum (Buch 39-50).

Inhalt

Digestorum, seu Pandectarum libri quinquaginta. Lugduni apud Gulielmu[m] Rouillium („Fünfzig Bücher der Digesten oder Pandekten. Lyon, bei Wilhelm Rouillé“), 1581, Biblioteca Comunale Renato Fucini di Empoli

Die Digesten enthalten, zusammen mit dem Codex Iustinianus und den Institutiones, das gesamte Privatrecht und jene Teile des Strafrechts, die ab 533 n. Chr. im Römischen Reich, d. h. vor den Eroberungen Justinians zunächst faktisch nur im Osten, gelten sollten.

Der Klassizismus Justinians führte dazu, dass dieses geltende Recht des 6. Jahrhunderts im Kern übereinstimmen sollte mit dem klassischen römischen Recht, wie es sich vor allem bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. herausgebildet hatte. Dieses Ziel versuchte man zu erreichen, indem in den Digesten die Schriften älterer römischer Juristen gesammelt und nach inhaltlichen Gesichtspunkten geordnet wurden. Dabei verwendete man Auszüge aus Schriften unterschiedlichen Charakters und von Juristen, die zu unterschiedlichen Zeiten gelebt hatten. So stammt die lex 1 des Titels 17,1 Mandati vel contra von dem Juristen Paulus, der zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. lebte; die lex 2 stammt vom Juristen Gaius, der in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. wirkte; die lex 6 stammt von Ulpian, einem Zeitgenossen des Paulus; die lex 30 etwa stammt von Julian, der 148 n. Chr. Konsul war.

Bei dieser Vorgehensweise musste dann freilich der Inhalt der Auszüge teilweise geändert werden. Wiederholungen und Widersprüche in den Schriften, deren Verfasser ebenso häufig voneinander abgeschrieben wie Meinungsstreitigkeiten erzeugt hatten, waren zu streichen. Und natürlich konnte das Recht des 1. Jahrhunderts v. Chr. allen klassizistischen Tendenzen zum Trotz nicht einfach im 6. Jahrhundert n. Chr. gelten; so galt es, entsprechende Anpassungen vorzunehmen: Berühmt ist etwa die Tilgung der mancipatio.

Interpolationen

Damit enthält ein Fragment Julians, wie wir es in den Digesten finden, nicht mehr unbedingt den Text, den Julian wirklich im 2. Jahrhundert n. Chr. geschrieben hat. Will man nicht wissen, was aufgrund der Digesten in der ausgehenden Spätantike als Recht gelten sollte, sondern fragt man, was Julian selbst geschrieben hat bzw. welches Recht im 2. Jahrhundert in Rom galt, so steht man deshalb vor dem Problem, welche bewussten Textänderungen die Juristen Justinians am Originaltext Julians vorgenommen haben. Solche bewussten Textänderungen nennt man Interpolationen. Noch komplizierter wird die Gewinnung des Textes Julians, wenn man überdies die Annahme fallen lässt, den Juristen Justinians habe nach 400 Jahren und nach vielfachen Abschreibungen und Kommentierungen des Textes tatsächlich noch das Original des Textes Julians vorgelegen.

Überlieferung

Die Digesten sind uns heute vor allem durch die Littera Florentina überliefert. Im Hochmittelalter wurden sie gemeinsam mit dem Codex Iustinianus in Italien wiederentdeckt und entfalteten eine erhebliche Wirkung.

Fortwirkung

Die Wiederentdeckung der Digesten im 12. Jahrhundert führte zu europaweiten Bestrebungen das gültige Recht zu verschriftlichen.[1]

Ab dem 17. Jahrhundert wurde die bis dahin weitgehend unbestrittene Gültigkeit der Pandekten durch eine Reihe von Gelehrten verstärkt diskutiert. Im 19. Jahrhundert wurden die Pandekten an sich als geschichtliche Rechtswissenschaft verstärkt geschichtlich erforscht. Ergebnis war eine Abkehr der Verbindung von Pandekten und Naturrecht und ein hoher Abstraktionsstand der Rechtswissenschaft. Das BGB und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) sind unter anderem ein Ergebnis der Pandektenwissenschaft dieser Zeit.

Siehe auch: Corpus iuris civilis, littera Florentina

Einzelnachweise

  1. Schmidt-Wiegand, Ruth 1995: Die Bedeutung und Wirkung des Sachsenspiegels Eikes von Repgow in Land und Stadt. In: Egbert Koolman, Ewald Gäßler, Friedrich Scheele (Hrsg.): Beiträge und Katalog zu den Ausstellungen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels – Niederdeutsche Sachsenspiegel und Nun vernehmet in Land und Stadt – Oldenburg, Sachsenspiegel, Stadtrecht. Veröffentlichungen des Stadtmuseums Oldenburg 21. Oldenburg 1995, 33–46.

Quellentexte im Internet

Literatur

  • Christian Friedrich von Glück: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. 2 Bde. Palm, Erlangen 1790.
  • Andreas Bauer: Libri Pandectarum. Das römische Recht im Bild des 17. Jahrhunderts. Bd. 1. V&R unipress, Göttingen 2005, ISBN 978-3-89971-229-2.
  • Wolfgang Kaiser: Digesten/Überlieferungsgeschichte. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Bd. 13, Sp. 845–852. Metzler, Stuttgart 1999 (Volltext).
  • Max Kaser / Rolf Knütel: Römisches Privatrecht, 20. Aufl., Beck, München 2014, Rn. 20 ff.
  • Wolfgang Waldstein / Michael Raiser: Römische Rechtsgeschichte, 10. Aufl., Beck, München 2005, § 43.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Pandekten aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.