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Präsident des Bundesrates (Deutschland)
Der Präsident des Bundesrates (kurz auch Bundesratspräsident) steht dem Bundesrat vor. Zugleich ist der Präsident des Bundesrates Vertreter des Bundespräsidenten. Er bekleidet protokollarisch das vierthöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland.
Wahl
Nach Artikel 52 Absatz 1 Grundgesetz wählt der Bundesrat seinen Präsidenten für die Dauer eines Jahres. Gewählt werden kann nur, wer als Mitglied einer Landesregierung auch Mitglied des Bundesrates ist (§ 5 Absatz 1 Geschäftsordnung des Bundesrates). Nach der Königsteiner Vereinbarung vom 30. August 1950 wird im jährlichen Wechsel in der Reihenfolge fallender Einwohnerzahlen ein Ministerpräsident zum Präsidenten des Bundesrates gewählt (siehe unten).
Der Amtsantritt des Präsidenten des Bundesrates erfolgt seit 1957 stets am 1. November. Zuvor erfolgte die Wahl zum 7. September. 1957 übernahm jedoch der Erste Bürgermeister Hamburgs, Kurt Sieveking, nach Ablauf der einjährigen Amtszeit, vorübergehend nochmals das Amt des Präsidenten, nachdem der bereits zu seinem Nachfolger gewählte Regierende Bürgermeister Berlins, Otto Suhr, noch vor der Amtsübernahme verstorben war. Nach der Wahl Willy Brandts zum neuen Regierenden Bürgermeister am 3. Oktober 1957 trat Sieveking vereinbarungsgemäß als Präsident des Bundesrates zurück. Brandt wurde am 1. November 1957 zum Bundesratspräsidenten gewählt und trat an diesem Tag sein Amt an.[1]
Kompetenzen
Einberufung des Bundesrates und Leitung von Bundesratssitzungen
Der Präsident beruft den Bundesrat ein (Artikel 52 Absatz 2 Grundgesetz). Er leitet die Sitzungen des Bundesrates und bereitet sie vor (§§ 20, 15 Geschäftsordnung des Bundesrates). Der Präsident vertritt die Bundesrepublik Deutschland in allen Angelegenheiten des Bundesrates. Er ist oberste Dienstbehörde für die Beamten des Bundesrates (§ 6 Geschäftsordnung des Bundesrates).
Mit den beiden Vizepräsidenten des Bundesrates, die zusammen mit dem Präsidenten gewählt werden, bildet er das Präsidium des Bundesrates (§ 8 Geschäftsordnung des Bundesrates). Der Erste Vizepräsident ist der turnusgemäße Vorgänger des aktuellen Präsidenten, Zweiter Vizepräsident ist der voraussichtliche Nachfolger des aktuellen Präsidenten. Die Vizepräsidenten vertreten den Präsidenten im Falle seiner Verhinderung und bei vorzeitiger Beendigung seines Amtes. Insbesondere sind sie zur Vertretung berufen, solange der Präsident des Bundesrates nach Artikel 57 Grundgesetz die Befugnisse des Bundespräsidenten wahrnimmt.
Vertretung des Bundespräsidenten
Nach Artikel 57 des Grundgesetzes werden die Befugnisse des Bundespräsidenten im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes vom Präsidenten des Bundesrates wahrgenommen. Eine Verhinderung liegt etwa vor bei Krankheit, Freiheitsverlust, Auslandsaufenthalt oder Befangenheit. Eine vorzeitige Erledigung ist etwa gegeben bei Tod oder Rücktritt. Außerdem übernimmt der Bundesratspräsident die Vertretung des Bundespräsidenten, wenn dessen Amtszeit abgelaufen ist, ohne dass ein Nachfolger gewählt wurde.
Der Fall, dass das Amt des Bundespräsidenten vakant war, trat bislang zweimal auf:
- Nach dem Rücktritt Horst Köhlers zwischen dem 31. Mai und dem 30. Juni 2010, als Jens Böhrnsen bis zur Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten dessen Befugnisse wahrnahm.
- Erneut trat diese Situation am 17. Februar 2012 ein, als nach Wulffs Rücktritt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts kommissarisch übernahm.
Heinrich Lübke trat zwar auch vorzeitig zurück, kündigte dies jedoch frühzeitig an, so dass sein Nachfolger Gustav Heinemann vor Ablauf der Amtszeit gewählt werden konnte.
Im Rahmen der Vertretung kommen dem Bundesratspräsidenten alle Befugnisse des Bundespräsidenten zu, ohne dass es einer Vereidigung bedarf. Ist der Bundesratspräsident an der Ausübung seines Amtes gehindert, wird er auch in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bundespräsidenten von seinen Vizepräsidenten vertreten.[2]
Gegenwärtiger Präsident des Bundesrates
Derzeitiger Bundesratspräsident ist der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU). Tillich wurde am 16. Oktober 2015 zum neuen Präsidenten des Bundesrates gewählt und trat sein Amt planmäßig am 1. November 2015 an. Der vorherige Bundesratspräsident, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), wurde am 10. Oktober 2014 gewählt und übernahm das Amt des Bundesratspräsidenten am 1. November 2014.
Erster Vizepräsident des Bundesrates ist der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), zweite Vizepräsidentin die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Bekannte frühere Bundesratspräsidenten
Bundesratspräsidenten waren unter anderem die späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt und Gerhard Schröder, ebenso der spätere Bundespräsident Johannes Rau, die SPD-Vorsitzenden Björn Engholm, Oskar Lafontaine, Matthias Platzeck und Kurt Beck sowie die CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und Horst Seehofer.
Der einzige Politiker, der in seiner Laufbahn als Präsident sowohl dem Bundesrat wie auch dem Deutschen Bundestag vorstand, war Kai-Uwe von Hassel.
Die erste Frau im Amt des Bundesratspräsidenten war die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD), die das Amt vom 1. November 2010 bis zum 31. Oktober 2011 ausübte.
Insgesamt sieben Ministerpräsidenten amtierten bisher zweimal als Bundesratspräsidenten, nämlich der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard (CSU, 1950–1951 und 1961–1962), der hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn (SPD, 1953–1954 und 1964–1965), der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier (CDU, 1954–1955 und 1965–1966), der saarländische Ministerpräsident Franz-Josef Röder (CDU, 1959–1960 und 1969–1970), der Bremer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD, 1970–1971 und 1981–1982), der rheinland-pfälzische und später thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU, 1976–1977 und 1987–1988) sowie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD, 1982–1983 und 1994–1995).
Wahlturnus
Zum Bundesratspräsidenten wird der jeweilige Ministerpräsident des Bundeslandes gewählt, welches die Präsidentschaft im Bundesrat ausübt. Die Abfolge der Bundesländer beginnt beim bevölkerungsreichsten Bundesland (Nordrhein-Westfalen) und endet beim einwohnerschwächsten Bundesland (Bremen). Dieses Verfahren ist 1950 in der Königsteiner Vereinbarung festgelegt worden. Am 20./21. Dezember 1990 wurde auf der Ministerpräsidentenkonferenz in München der bis zum Jahr 2016/17 geltende Turnus vereinbart. Wegen der anhaltend starken Binnenwanderung in Deutschland weicht dieser leicht von der aktuellen Reihenfolge der Bevölkerungszahlen der Bundesländer ab.[3] So ist die Reihenfolge der Bevölkerungszahlen im Jahr 2013 Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Ebenso tauschten Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern die Plätze. Diese Reihenfolge wird erst mit dem am 12. Dezember 2013 auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin beschlossenen neuen Turnus ab dem Geschäftsjahr 2017/2018 berücksichtigt.[3]
Der Wahlturnus lautet:
Nordrhein-Westfalen | 07.09.1949–06.09.1950 | 1960–1961 | 1971–1972 | 1982–1983 | 1994–1995 | 2010–2011 |
Bayern | 07.09.1950–06.09.1951 | 1961–1962 | 1972–1973 | 1983–1984 | 1995–1996 | 2011–2012 |
Baden-Württemberg | 07.09.1952–06.09.1953 | 1962–1963 | 1973–1974 | 1984–1985 | 1996–1997 | 2012–2013 |
Niedersachsen | 07.09.1951–06.09.1952 | 1963–1964 | 1974–1975 | 1985–1986 | 1997–1998 | 2013–2014 |
Hessen | 07.09.1953–06.09.1954 | 1964–1965 | 1975–1976 | 1986–1987 | 1998–1999 | 2014–2015 |
Sachsen | 1999–2000 | 2015–2016 | ||||
Rheinland-Pfalz | 07.09.1954–06.09.1955 | 1965–1966 | 1976–1977 | 1987–1988 | 2000–2001 | 2016–2017 |
Berlin | 01.11.1957–31.10.1958[4] | 1967–1968 | 1978–1979 | 1989–1990 | 2001–2002 | 2017–2018 |
Sachsen-Anhalt | 2002–2003 | |||||
Thüringen | 2003–2004 | |||||
Brandenburg | 2004–2005 | |||||
Schleswig-Holstein | 07.09.1955–06.09.1956 | 1966–1967 | 1977–1978 | 1988–1989 | 2005–2006 | |
Mecklenburg-Vorpommern | 1991–1992 | 2006–2007 | ||||
Hamburg | 07.09.1956–31.10.1957[4] | 1968–1969 | 1979–1980 | 1990–1991 | 2007–2008 | |
Saarland | 01.11.1959–31.10.1960 | 1969–1970 | 1980–1981 | 1992–1993 | 2008–2009 | |
Bremen | 01.11.1958–31.10.1959 | 1970–1971 | 1981–1982 | 1993–1994 | 2009–2010 |
Verschiedenes
Gemäß der Anordnung über die deutschen Flaggen führt der Präsident des Bundesrates an Dienstkraftfahrzeugen die Bundesdienstflagge in der Größe 30 × 30 cm;[5] die Vizepräsidenten führen diese an Dienstkraftfahrzeugen in der Größe 25 × 25 cm.[6]
Seit 1990 richtet das Bundesland, dessen Ministerpräsident Bundesratspräsident ist, die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Seit 2006 werden zudem 2-Euro-Münzen mit Motiven des betreffenden Bundeslandes hergestellt.
Siehe auch
- Politisches System Deutschlands
- Liste der Präsidenten des deutschen Bundesrates
- Präsident des Bundesrates (Österreich)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ www.bundesrat.de (PDF; 804 kB).
- ↑ Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass, Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar. 11. Aufl., C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60941-1, Artikel 57 Rn 1 und 2.
- ↑ 3,0 3,1 Wahlrecht.de: Wahl des Bundesratspräsidenten – Turnus der Bundesländer.
- ↑ 4,0 4,1 Der Beginn der Amtszeit wurde 1957 vom 7. September auf den 1. November verschoben.
- ↑ (Muster I) der Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. November 1996 (FlaggAO) i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. November 1996 www.bmi.bund.de Anhang 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a Flaggenanordnung BMI, (PDF; 589 kB). Aufgerufen am 16. Oktober 2009.
- ↑ (Muster II) Anhang 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. November 1996 (FlaggAO) i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. November 1996 www.bmi.bund.de (PDF; 589 kB).
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