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Prometheus (Hymne)
Datei:De-Prometheus Gedicht-wikisource.ogg Prometheus ist der Titel einer Hymne Johann Wolfgang von Goethes. Das Werk gehört zu seinen bekanntesten Gedichten und ging aus dem gleichnamigen Dramenfragment hervor.
Entstehung
Prometheus wurde zwischen 1772 und 1774 verfasst. Wie auch die anderen Hymnen Mahomets Gesang, Ganymed, An Schwager Kronos entstand dieses Werk in der Epoche Goethes als Stürmer und Dränger. Friedrich Heinrich Jacobi druckte die Hymne erstmals in seiner Schrift „Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn“ unautorisiert und anonym ab. Goethe nahm sie erst 1789 in seine neu edierten Schriften auf und ließ sie zusammen mit der Ganymed-Ode erscheinen. Die Form der Hymne ist die lyrische Ausdrucksform, die dem Sturm und Drang am ehesten gerecht wird, denn in ihr treten mythische Figuren auf, die als Repräsentanten der Künstler des Sturm und Drang betrachtet werden können und die somit das Dilemma von Kunst und Leben verkörpern. Ein Hauptanliegen des Sturm und Drang ist das Überwinden von überkommenen Autoritäten, und damit kann „Prometheus“ als programmatisch für diese Epoche gesehen werden.
Inhalt
Bei einer Hymne handelt es sich normalerweise um einen Lobgesang; dieses Prinzip wird aber hier ins Gegenteil verkehrt, denn Prometheus preist die Götter keineswegs, sondern erhebt eine Klage gegen sie, die von Vorwürfen, aber auch Spott geprägt ist.
Prometheus redet Zeus verachtungsvoll, ja rebellisch an. Zugleich verbindet er Zeus mit einem Kind, das seine Wut auf die Welt auslässt, wie ein Knabe, der „Disteln köpft“.
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
In der zweiten Strophe wirft er nicht nur Zeus, sondern allen Göttern, vor, sich „kümmerlich“ (Vers 15) von den Opfern der Gutgläubigen zu ernähren, und bekennt ebenso beleidigend: „Ich kenne nichts Ärmer’s/ Unter der Sonn’ als euch Götter“ (Verse 13–14). Auch er habe sich, verirrt und gutgläubig, in der Hoffnung auf ein offenes Ohr und Hilfe, an die Götter gewandt – jedoch nicht die Götter hätten ihm geholfen, sondern sein eigenes „heilig glühend Herz“ (Vers 34). Damit stellt sich Prometheus nicht nur mindestens ebenbürtig neben die Götter (er ist gleichsam selbst ein Gott und verhalf Zeus zu seiner Macht), sondern Goethe nimmt auch Bezug auf den Genie-Begriff der „Sturm-und-Drang“-Epoche, die unter einem Genie einen Menschen verstand, der völlig im Einklang mit sich selbst, der Überwelt und der Natur steht und fast göttliche Fähigkeiten besitzt. (Vgl. z. B. Kants Definition in der Kritik der Urteilskraft.)
In den darauffolgenden Strophen 4 und 5 lässt Goethe den Prometheus viele rhetorische Fragen stellen, mit denen er die Vorwürfe nur noch steigert. Prometheus wirft nun den Göttern vor, weder geheilt noch gelindert zu haben, und verweigert ihnen seine Ehrfurcht. Nicht die Götter, sondern die Zeit und das Schicksal hätten ihn „zum Manne geschmiedet“ (Vers 43). Kraft seines Entschlusses, die Götter nicht zu achten, gewinnt er in der letzten Strophe gar die Macht, Menschen nach seinem Bilde zu formen. Diese Selbstüberhöhung (Hybris) wird mit den letzten Worten: „wie ich“ besiegelt und über das ganze Gedicht hinweg mit unterschiedlich langen Versen und Strophen unterstützt, die sich zu ‚überstürzen‘ scheinen.
Prometheus entthront die Götter. Er sieht in ihnen mitleidlose, schmarotzerische und neidische Gestalten, die auf erbärmliche Weise von Rauchopfern der Menschen abhängig sind.
Dieser Inhalt ist typisch für die Epoche des Sturm und Drang, in der der Begriff des Genies eine etwas andere Bedeutung hatte als heute: Der geniale, schöpferische Mensch sprengt – nach damaliger Auffassung – alle Fesseln und Beschränkungen und erstarkt an Schicksalsschlägen, was auch heißt, dass er ihnen nicht ausweicht.
Der Titan Prometheus steht damit für einen einsamen Schöpfer, dessen Rebellion gegen die ‚göttliche Ordnung‘ ihm die eigene Schöpfungstat erst möglich macht. Damit bezieht sich diese Goethesche Ode autoreferentiell auf ihre eigene Entstehung. Doch die Ode sagt heteroreferentiell auch etwas über die neue Poetik der Sturm-und-Drang-Zeit aus: Losgelöst von konventionellen Religionsvorstellungen sowie auch von der inzwischen ritualisierten Empfindsamkeit (deren Gefühlsbetontheit Goethe hier jedoch übernimmt), ermöglicht die »prometheische« Schöpfungstat dem genialen Menschen einen vollen Ersatz der Religion. Allerdings muss die Prometheus-Ode nicht grundsätzlich als eine Absage an die Religion gelesen werden, sondern kann auch als Projektionsfläche für die Pantheismusdebatte der damaligen Zeit gelesen werden.
Form
Das Gedicht ist (bis auf den drittletzten und letzten Vers, welche dadurch herausgehoben werden) reimlos in freien Rhythmen geschrieben, die sich bei Goethe insbesondere in seiner Lyrik der Sturm-und-Drang-Zeit finden. Die Form unterstreicht die Aussage des Gedichts. Die vielen Unregelmäßigkeiten in der Form spiegeln die für den Sturm und Drang typische Gefühlsbetontheit und Kühnheit des Helden wider. In der 1. Strophe, das Gedicht besteht insgesamt aus sieben, wird mehrmals der Imperativ benutzt sowie eine Heraushebung der Possessivpronomen ‚dein‘ und ‚mein‘. Strophen 4, 5 und 6 werden als Frage geschrieben. Jeder Vers beginnt mit einem Großbuchstaben.
Vergleich mit anderen Texten Goethes
Grenzen der Menschheit (ca. 1776–1781; genaue Datierung unbekannt): In diesem Gedicht überwiegen eher die Adjektive (im Gegensatz zu „Prometheus“, wo eher Verben zum Tragen kommen). Daraus ergibt sich eine eher ruhigere Stimmung. Goethe klagt die Götter nicht mehr an wie in „Prometheus“, sondern sagt, dass man sich mit den Göttern nicht messen kann. Der Mensch soll demütig sein und Respekt vor den Göttern haben.
Dieses Gedicht steht somit zeitlich und inhaltlich gesehen an der Grenze zwischen dem Sturm und Drang und der (Weimarer) Klassik.
Das Göttliche (1783): Dieses Gedicht richtet sich direkt an den (edlen) Menschen und sagt, dass die Menschen sich ein Beispiel an den Göttern nehmen sollen. Außerdem spielt die Natur eine Rolle, die den Menschen nicht wertet („Über Bös’ und Gute, Und dem Verbrecher Glänzen, wie dem Besten, der Mond und die Sterne“). Des Weiteren soll sich der Mensch von anderen Wesen, die wir kennen, unterscheiden, indem wir richten und entscheiden können.
Dieses Gedicht ist ein Beispiel für die (Weimarer) Klassik („Edel sei der Mensch“ – Der edle Mensch – ein klassisches Ideal).
In seiner Tragödie Faust hingegen erinnert Goethe durch Mephistopheles daran, dass der Satz: „Eritis sicut Deus scientes bonum et malum“ (Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. (2047)) von der Schlange im Paradies ausgesprochen worden sei und dass er die Vertreibung Adams und Evas aus diesem eingeleitet habe. Spöttisch kommentiert Mephisto, der Teufel, anschließend: Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!
Was damit gemeint ist, wird in Goethes Gedicht Der Zauberlehrling (1787) deutlich: Der Lehrling ruft, in scheinbarer Ebenbürtigkeit mit dem Meister, Geister herbei, deren Wirken er später nicht mehr kontrollieren kann. Hier wie in Faust wird die Idee, der Mensch solle Gott (bzw. den Göttern oder der Gottheit) ähnlich werden, relativiert.
Literatur
- Edith Braemer: Goethes Prometheus und die Grundpositionen des Sturm und Drang. Berlin, Weimar (Aufbau-Verlag) 1968 (=Beiträge zur deutschen Klassik, 8).
- Barbara Neymeyr: Die Proklamation schöpferischer Autonomie. Poetologische Aspekte in Goethes „Prometheus“-Hymne vor dem Horizont der mythologischen Tradition. In: Poetologische Lyrik von Klopstock bis Grünbein. Gedichte und Interpretationen. Hrsg. von Olaf Hildebrand. Köln/Weimar/Wien 2003 (UTB 2383). S. 28–49. ISBN 3-8252-2383-3.
- Inge Wild: „Jünglingsgrillen“ oder „Zündkraut einer Explosion“? In: Interpretationen. Gedichte von Johann Wolfgang Goethe. Hg. von Bernd Witte. Stuttgart (Reclam) 1998, 45-61.
Weblinks
- Prometheus (Hymne). Online-Text, Project Gutenberg.
- freiburger-anthologie.ub.uni-freiburg.de; Prometheus (Gedicht), Frühe und weitere Fassungen
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