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Schabak (Glaubensgemeinschaft)
Die Schabak (الشبك, DMG aš-Šabak) sind eine von mehreren heterodoxen Glaubensgemeinschaften im Norden des Irak. Die Schabak betrachten sich üblicherweise als Kurden.[1] Da sie einen eigenen kurdischen Dialekt sprechen und einem besonderen schiitischen Glauben anhängen, gelten sie als eine ethnische Gruppe[2] und eine eigene Tarīqa.[3] Wann die Schabak als Gruppe hervortraten ist unklar, möglicherweise im 16. Jahrhundert.[4]
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagt, dass die Schabak seit 1952 im Irak als eine eigenständige Ethnie anerkannt sind und die kurdischen Behörden den Schabaks eine kurdische Identität aufzwingen.[5] Das Wort Schabak leitet sich vom arabischen Wort für verflechten oder verweben (Schabaka) ab und drückt damit die Heterogenität der Schabak in Bezug auf Sprache und Glaubenspraxis aus.
Die Schabak siedeln in mehreren Dutzend Dörfern im Gebiet östlich von Mossul bis zum Großen Zab. Auch in der Stadt Mossul leben Schabak. Die genaue Anzahl der Schabak ist unbekannt. In einer irakischen Volkszählung von 1960 wurden 15.000 Schabak registriert. Heutige Schätzungen gehen von einer Anzahl von bis zu 100.000 Schabak aus oder gar von etwa 250.000 (um das Jahr 2000, vor Beginn des Bürgerkriegs im Irak).[6]
Identität
Die meisten Angehörigen der Gemeinschaft sprechen eine Variante des Gorani, benutzen aber als Liturgiesprache Türkisch. Sie sind in der Regel mehrsprachig, was dazu führte, dass die Schabak als Kurden, Araber oder Turkomanen angesehen wurden. In den 1970er und 1980er Jahren sahen sich die Schabak seitens der Baathregierung einem großen Assimilationsdruck ausgesetzt. Während der Anfal-Operation 1988 wurde der größte Teil der Schabakdörfer geräumt und Tausende Schabak in Lagern in Erbil gesammelt. Vielen wurde die Rückkehr gestattet, als sie sich offiziell als Araber bekannten.
Im 19. Jahrhundert, als der Irak noch osmanisch war, wurden die Schabak unter Sultan Abdülhamid II. zum Sunnitentum zwangsbekehrt. Doch später fielen die Schabak wieder vom Sunnitentum ab. In neuerer Zeit fangen einige Schabak an, sich als Schiiten zu identifizieren. Nach dem Irakkrieg 2003 wurden die Schabak das Ziel von sunnitischen Extremisten, die 2006 ein islamisches Emirat in Mossul ausriefen. Bei einem Anschlag auf die Schabak am 10. August 2009 wurden 36 Menschen getötet.[7] Infolge des Vormarsches der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Sommer/Herbst 2014 ist die Kultur der Schabak im Nordirak in Gefahr, von IS ausgelöscht zu werden.[6] Ein Großteil der Schabak fordert den Anschluss ihrer Siedlungsgebiete an die Autonome Region Kurdistan.[8] Das Vorgehen der IS gegen die Schabak wird als genozidär eingestuft.[9] Im Frühjahr 2015 wurde auf Anordnung des kurdischen Präsidenten Masud Barzani ein Schabak-Battalion innerhalb der Peschmerga gegründet, um den Minderheiten zu gestatten, sich selbst aktiv an der Verteidigung ihrer Heimat zu beteiligen.
Glauben
Die Schabak sind eine Religionsgemeinschaft, deren Glauben Elemente unterschiedlicher Religionen beinhaltet. Es besteht eine große Ähnlichkeit zu den Aleviten. Wie diese halten die Schabak das religiöse Ritual des Cem ab und beziehen alevitische Heilige wie Pir Sultan Abdal und Schah Ismail in ihre Gebete ein. Das heilige Buch der Schabak namens Kitāb al-Manāqib besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil besteht aus einem Dialog zwischen Scheich Safi al-Din und seinem Sohn Sadr al-Din über Moral und Glauben. Der zweite Teil besteht aus einem Regelwerk mit dem Namen Buyruk, das viele Gemeinsamkeiten mit dem Buyruk der Aleviten aufweist. Dies und andere Ähnlichkeiten zu den Aleviten in Anatolien, führten zu der These, dass die Schabak womöglich alevitische Auswanderer aus Anatolien seien, die im Laufe des Konfliktes zwischen den Osmanen und den Safawiden im 16. Jahrhundert nach Mossul kamen.
Die Schabak pilgern zu verschiedenen Stätten in ihrer Nähe. Wichtige Pilgerstätten sind ʿAlī Raṣḥ (kurdisch für Schwarzer Ali) und ʿAbbās. Die erste Stätte setzen die Schabak mit dem Grab des Imams Zain al-ʿĀbidīn und das zweite mit dem jüngeren Sohn Ali ibn Abi Talib namens ʿAbbās, der in der Schlacht von Kerbela umkam, gleich. Beide sind wichtige Heilige und Märtyrer der Schiiten und Aleviten. Des Weiteren pilgern die Schabak auch an heilige Orte der Jesiden.[6] In neuerer Zeit werden auch die Gräber der Heiligen in Kerbela oder Nadschaf besucht. Die Schabak bewerfen das Grab des Gouverneurs von Kerbela Ubayd Allah bin Ziyad mit Steinen. Dieser gehörte zu der damals herrschenden Dynastie der Umayyaden und war ein Gegner der Anhänger von Ali ibn Abi Talib.
Die Organisation der Schabak zeigt große Ähnlichkeiten zu den anderen Religionen in der Region wie den Jesiden, Ahl-e Haqq, Bajwan und Sarli. Die geistlichen Führer werden Pir genannt. Der oberste Pir wird Baba (dt: Vater) genannt. Das Amt des Pirs wird von Vater auf Sohn vererbt und ist nur einigen Familien vorbehalten. Den Gottesdienst hält der Pir mit einem Rehber (dt: Führer oder Wegweiser) ab. Wie bei den Aleviten gibt es bei dem Gottesdienst zwölf Ämter oder Funktionen zu bekleiden. Die wichtigsten religiösen Feste der Schabak sind Neujahr, Aschura und der Tag des Vergebens.
Siehe auch
Literatur
- Martin van Bruinessen: Shabak. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Bd. 9, S. 152f
- Martin van Bruinessen: Kizilbash Community in Iraqi Kurdistan: The Shabak In: Les Annales de l’Autre Islam. Bd. 5 (1998), S. 185–196 (Onlineversion; PDF; 119 kB)
- Michiel Leezenberg: The Shabak and the Kakakis: Dynamics of Ethnicity in Iraqi Kurdistan. In: ILLC Research Report and Technical Notes Series, Universität Amsterdam, Dezember 1994, S. 1–19
Einzelnachweise
- ↑ Martin van Bruinessen: Shabak. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Bd. 9, S. 152
- ↑ Amal Vinogradov: Ethnicity, Cultural Discontinuity and Power Brokers in Northern Iraq: The Case of the Shabak. In: American Ethnologist. 1, Nr. 1, 1974-02 ISSN 1548-1425, S. 207–218, hier S. 208, doi:10.1525/ae.1974.1.1.02a00110 (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1525/ae.1974.1.1.02a00110/abstract).
- ↑ Amal Vinogradov, 1974, S. 210
- ↑ Michiel Leezenberg, 1994, S. 3
- ↑ Human Rights Watch (HRW): On Vulnerable Ground. 10. November 2009, abgerufen am 3. Oktober 2016 (english).
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Rainer Hermann: Verfolgt und vertrieben. Das Schicksal der Schabak steht für die Auslöschung der Minderheiten im Irak. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Oktober 2014, S. 10.
- ↑ Irak: Bombenanschlag bei Mossul galt Shabak-Minderheit, Meldung der Gesellschaft für bedrohte Völker
- ↑ Iraq’s Shabak community demands incorporation into Kurdistan, Artikel von der Seite Aswat al-Iraq
- ↑ Lars Berster, Björn Schiffbauer: „Völkermord im Nordirak?: Die Handlungen der Terrorgruppe “Islamischer Staat” und ihre völkerrechtlichen Implikationen.“ In: ZaöRV 2014, S. 847–873.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Schabak (Glaubensgemeinschaft) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |