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Scheibenwischer
Ein Scheibenwischer ist ein Gerät zum Säubern der Front- oder Heckscheibe eines Kraftfahrzeuges, Flugzeugs, Schiffes oder eines Schienenfahrzeugs. Scheibenwischer bestehen aus Wischerarm, Wischerblatt und Antrieb. Das Wischerblatt ist mit einem Gummi-Profil bestückt, das störende Feuchtigkeit oder Schmutz von der Scheibe schiebt und den Fahrzeuginsassen bessere Sicht nach außen ermöglicht.
Bei starker und/oder angetrockneter Verschmutzung wird die Scheibe zum Wischen mithilfe der Scheibenwaschanlage befeuchtet.
Aufbau
Konventionelle Scheibenwischer bestehen aus einem Wischerarm aus Metall, der an der Wischerachse angebracht ist. Ein Gelenk ermöglicht es, den Scheibenwischer von der Scheibe hochzuklappen. Für die ebenen Scheiben der Automobile früherer Generationen genügte als Wischerblatt eine starre Metallschiene, in die ein Gummiprofil eingeklemmt war. Für die heute längst üblichen gewölbten Fahrzeugscheiben haben die Hersteller das Wischerblatt in mehrere Segmente mit Gelenken gegliedert, die das Gummiprofil an die Scheibe drücken. Für die gleichmäßige Verteilung des Anpressdrucks sorgen zwei dünne, elastische Metalleinlagen im Gummiprofil. Zudem sind nicht segmentierte Flachwischerblätter (auch Aero-Wischer genannt) auf dem Markt.
Antrieb
Normalerweise werden Scheibenwischer von einem oder mehreren Elektromotoren angetrieben. Die häufigste Bauform ist dabei ein umlaufender Elektromotor mit nur einer Laufrichtung, der über ein Hebelgetriebe die Wischbewegung erzeugt.
Außerdem gibt es auch Scheibenwischer mit Reversiermotor. Die wechselnde Drehrichtung für die Hin- und Herbewegung erfordert eine spezielle Ansteuerungselektronik für den Elektromotor. Diese Technik wird beispielsweise seit 2003 beim VW Touran eingesetzt. An dessen Frontscheibe werden zwei gegenläufige Wischer von mechanisch unabhängigen, über LIN-Bus angesteuerten Motoren angetrieben. So ist kein Verbindungsgestänge nötig. Außerdem kann ein Wischer mit Reversiermotor beim Blockieren, beispielsweise durch Schnee, an jeder Stelle die Richtung wechseln. Nachteil sind höhere Kosten.
Einige Nutzfahrzeuge haben Wischeranlagen mit pneumatischem Antrieb. Zum Beispiel werden die Scheibenwischer der S-Bahnen Baureihe 420 mit Druckluft betrieben.[1] Sie können jeweils einzeln angesteuert werden und haben zum Teil keine feste Parkposition. Vielmehr kommt es auf das „Können“ des Bedieners an, wo der Scheibenwischer zu stehen kommt. Wenn er im Blickfeld liegen sollte, muss noch mal eine kleine Menge Druckluft nachgeführt werden, damit er ein Stück weiterrutscht.
Lastverteilung
Der Ortscheit-Mechanismus (engl. Whippletree) sorgt durch eine baumartige Struktur für eine gleichmäßigere Verteilung des Drucks auf die Windschutzscheibe.
Anordnung
Gleichlaufende Wischer, gespiegelt, z. B.: Mercedes-Benz W 140, Fiat 850
Gegenläufige Wischer, z. B.: Mercedes-Benz W 115, VW Sharan, Opel GT
Gegenläufige Wischer, oben ruhend Seat Altea
Einhebelwischer, Einarmwischer z. B.: Renault Twingo I, Citroën CX
Einhebelwischer mit Hubsteuerung, z. B.: Mercedes-Benz W 124
Parallelogrammwischer, Pantographenwischer z. B.: Standard-Bus, MAN gl, Porsche 904 (Einzelwischer)
Dreifacher Wischer, Lkw, z. B.: MAN, Morgan Aero 8
Zwei unabhängige Wischer auf geteilten Scheiben (veraltet), z. B.: Magirus-Deutz Rundhauber
Zwei unabhängige Wischer auf geteilten Scheiben, hängend (veraltet), z. B. Hummer H1
Neben der konventionellen Anordnung von zwei gleich großen, meist stehenden Wischern (Achse unterhalb der Scheibe) gibt es Lösungen mit hängender Anordnung sowie mit drei Wischern für breite Scheiben oder auch einem einzelnen Einarmwischer, die große, flache Scheiben abdecken. Für derartige Frontscheiben werden auch zwei Wischer unterschiedlicher Größe eingesetzt. Technisch aufwendig sind Parallelogramm- bzw. Doppelarmscheibenwischer mit einem stets senkrecht stehenden Wischerblatt, das einerseits die Luftströmung kaum stört und zum anderen zum Beispiel die großen Frontscheiben von Bussen in nahezu gleichbleibender Höhe fast bis zum Rahmen reinigt.
Zur Verbesserung der Aerodynamik bzw. des Luftwiderstandsbeiwertes von Fahrzeugkarosserien werden seit Beginn der 1980er-Jahre die Scheibenwischerarme an vielen Fahrzeugen so unter einer tiefergezogenen Frontscheibe eingebaut, dass sie sich in der Ausgangsposition ganz oder zumindest teilweise unterhalb der Hinterkante der Motorhaube befinden und keine oder nur geringe Luftverwirbelungen verursachen. Solche versenkten Scheibenwischer hatten Opel Kapitän, Admiral und Diplomat bereits 1969. Seit Ende der 1990er-Jahre sind vor allem bei Kleinwagen wie dem Smart, dem Twingo oder dem Mini wieder nicht verdeckt angebrachte Scheibenwischerarme zu finden.
Eine weitere Bauart sind gegenläufige Wischer. Beim Seat Altea etwa liegen die Wischerblätter in Ruhestellung unter der Abdeckung der A-Säule.
Schleuderscheibe und linearer Scheibenwischer auf einem Schiff
Scheibenwischer des ICE 3
Eine besondere Methode, Scheiben von Regen zu befreien, ist die bei Schiffen eingesetzte Schleuderscheibe. Eine weitere Bauart bei Schiffen sind lineare Scheibenwischer. Dabei laufen die Scheibenwischer in einer Schiene oberhalb der Scheiben hin und her und wischen so die gesamte Fläche.
Bedienung
In den meisten modernen Pkw-Modellen wird der Motor des Scheibenwischers mit einem Hebel an der Lenksäule, einem sogenannten Lenkstockschalter, oder über einen Bedienungssatelliten geschaltet.
Damit der Scheibenwischer bei schwachem Regen- oder Schneefall nicht auf der Scheibe zu scheuern - "trocken zu laufen" beginnt - beginnt, lässt sich der Antrieb durch einen Intervallschalter unterbrechen. Es gibt auch Regensensoren, die erkennen sollen, wie stark die Scheibe durch Regen oder Schnee benetzt wird, und die den Einsatz der Scheibenwischer nach dem Messergebnis steuern.
Geschichte
Im November 1903 erhielt die Amerikanerin Mary Anderson das Patent auf die erste funktionierende Scheibenwischanlage der Welt.[2] Das Patent (US 743,801) wurde ihr am 10. November 1903 vom „US Patent Office“ ausgehändigt.[3][4] Andersons Vorrichtung bestand aus einem in Lenkradnähe angebrachten Hebel, mit dem der Fahrer bei Bedarf auf der Windschutzscheibe einen gefederten Schwingarm mit einem Gummiblatt in Bewegung setzen konnte, der anschließend wieder in die Ausgangsposition zurückkehrte.
1905 meldete Heinrich von Preußen, Bruder von Kaiser Wilhelm II., als erster Deutscher ein solches System zum Patent an. Am 24. März 1908 erhielt er das Patent dafür.[5] Er fuhr seinerzeit einen Opel. Der Scheibenwischer war ebenfalls handbetrieben.
1926 stellte die Firma Bosch erstmals eine Apparatur vor, bei der ein Elektromotor einen Wischarm mit Gummilippe über die Autoscheibe pendeln ließ, um das Regenwasser wegzuschieben. Bis dahin verfügten Autos, wenn überhaupt, über ein von Hand betätigtes „Abstreiflineal“[6], oder über Wischer mit mechanischem oder "Vakuum"-Antrieb mit dem großen Nachteil, dass bei Langsamfahrt oder gar beim Warten an einer Ampel der Wischer sich langsam bis gar nicht mehr bewegte und somit der Fahrer von Hand kurbeln musste.
In den folgenden Jahrzehnten setzte sich der Elektromotor als Wischerantrieb weitestgehend durch, auch wenn aus Kostengründen bis in die 1960er-Jahre bei einigen Modellen die Nocken- oder Tachowelle mit einer Schaltkupplung und einem Untersetzungsgetriebe genutzt wurde.
1964 erfand Robert Kearns, Professor für Ingenieurswissenschaften an der Wayne State University, den Intervallscheibenwischer. Kearns folgte mit seiner Erfindung dem menschlichen Augenlid, das sich selbsttätig in einem Intervall von wenigen Sekunden kurz schließt und wieder öffnet. Nachdem er 1967 das erste von über 30 Patenten erhielt, schlug er das Modell dem Autohersteller Ford Motor Company vor.[7] Dieser baute ab 1969 jedoch eigene Intervallscheibenwischanlagen, ohne Kearns am Gewinn zu beteiligen. Andere Autohersteller folgten innerhalb weniger Jahre.[7] Kearns strengte eine Klage wegen Patentverletzung gegen Ford und 26 andere Autohersteller an. 1990 lehnte er einen Vergleich mit Ford ab und klagte weiter. Im Juli 1990 schloss ein Bundesgericht den Fall ab und verpflichtete Ford zu einer Zahlung von 10,2 Millionen US-$ wegen unbeabsichtigter Patentverletzung. Im Dezember desselben Jahres folgte eine Verurteilung von Chrysler zu einer Zahlung von 20 Millionen US-$.[7]
1999 führte die Robert Bosch GmbH erstmals den gelenklosen Flachbalken-Wischer (Aerotwin) auf dem Markt ein, der heute auf beinahe allen Neufahrzeugen vorgesehen ist.
Sonstiges
Der deutsche Künstler Herbert Zangs (1924–2003) verwendete unter anderem Scheibenwischer, um Farbe aufzutragen.
Quellen
- ↑ Druckluftscheibenwischer bei Baureihe 420 in Aktion (13min 25s)
- ↑ Inventor of the Week Archive. Windshield Wiper. Massachusetts Institute of Technology, September 2011, abgerufen am 13. Juni 2013 (englisch).
- ↑ Mary Anderson. Encyclopedia of Alabama, 9. März 2010, abgerufen am 13. Juni 2013 (englisch).
- ↑ Window-Cleaning Device (englisch) United States Patent and Trademark Office. Abgerufen am 19. Oktober 2013.
- ↑ Prinz Heinrich von Preußen – der Tüftler aus dem Alumni-Magazin der Technischen Universität Berlin 3. Jahrgang · Nr. 5 · Dezember 2001 (Memento vom 18. April 2007 im Internet Archive) (PDF; 157 kB)
- ↑ Jürgen Pander: Scheibenwischer-Quiz: Was schubbert denn da? Spiegel.de, abgerufen am 13. Juni 2013.
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Schudel, Matt: Accomplished, Frustrated Inventor Dies (englisch). , 26. Februar 2005. Abgerufen am 13. Juni 2013.
Weblinks
- Patentschrift Mary Anderson (PDF-Datei; 115 kB)
- Patentschrift Heinrich von Preußen (PDF-Datei; 167 kB)
- Patentschrift Firma Bosch (PDF-Datei; 69 kB)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Scheibenwischer aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |