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Orchester

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Blasorchester in Eindhoven
Philharmonisches Orchester Rotterdam

Ein Orchester (griechisch ὀρχήστρα orchēstra ‚Tanzplatz‘, d. h. ein halbrunder Platz vor der Bühne eines griechischen Theaters, auf dem ein Chor tanzte) ist ein größer besetztes Instrumentalensemble, das dadurch gekennzeichnet ist, dass zumindest einzelne Stimmen mehrfach („chorisch“) besetzt sind. Im Bereich der klassischen Musik unterscheidet man das groß besetzte Sinfonieorchester vom kleineren Kammerorchester. Daneben gibt es Orchester, die nur aus Instrumenten einer bestimmten Gattung bestehen, z. B. Blasorchester, Streichorchester, Zupforchester oder das Gamelan Indonesiens. Jazz-Orchester und ähnliche Formationen der Tanz- und Unterhaltungsmusik werden meist als Big Band bezeichnet.

Sinfonieorchester

Sinfonieorchester: typische Aufstellung der Einzelstimmen, amerikanische Aufstellung

Das Sinfonieorchester (alternative Schreibweise: Symphonieorchester) ist der übliche Klangkörper zur Wiedergabe von Orchesterwerken ab etwa der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Streicher, deren Stimmen mehrfach besetzt sind (z. B. Berliner Philharmoniker: 23 erste Violinen, 20 zweite Violinen, 16 Bratschen, 13 Celli, 11 Kontrabässe), stehen den anderen, solistisch besetzten Instrumentengruppen gegenüber.

Die Instrumente sind auf dem Podium nach einer bestimmten Anordnung aufgestellt. Üblich ist heutzutage die sogenannte Amerikanische Aufstellung, einige Orchester spielen aber auch in der Deutschen Aufstellung, insbesondere auch im Rahmen der Historischen Aufführungspraxis. Die Deutsche Sitzordnung war bis Anfang des 20. Jahrhunderts die gängige.

Die Instrumentengruppen (geordnet nach der Anordnung in der Partitur):

Es können noch weitere Instrumente dazukommen, die jedoch selten in deutschen Berufsorchestern fest besetzt sind. Dazu gehören z. B.

„Sinfoniker“, „philharmonisches Orchester“ oder „Philharmoniker“ sind häufige Namensbestandteile von Sinfonieorchestern; sie bezeichnen keinen Unterschied in Besetzung oder Rolle eines Orchesters, können aber helfen, verschiedene Orchester einer Stadt zu unterscheiden (z. B. die Berliner Philharmoniker von den Berliner Symphonikern).

Kammerorchester

Das Münchener Kammerorchester bei einem Konzert in der Pinakothek der Moderne, München

Ein Kammerorchester ist deutlich kleiner als ein Sinfonieorchester. Seine Stammbesetzung besteht häufig nur aus einem kleinen Streicherchor, z. B. aus fünf ersten und vier zweiten Violinen, vier Bratschen, vier Celli und einem Kontrabass; Bläser werden bei Bedarf dazugeholt.

[1] Die ersten Kammerorchester moderner Prägung entstanden in den 1920er Jahren. Auslöser war hauptsächlich eine Gegenbewegung zu den ausufernden Klangmassen der spätromantischen Musik und den dafür notwendigen riesigen Orchestern; auch die Wiederentdeckung „Alter“ Musik und die prekäre wirtschaftliche Situation, die den Unterhalt sehr großer Klangkörper erschwerte, spielten eine Rolle.

Wegen des geringeren wirtschaftlichen Risikos war es möglich, mit einem Kammerorchester auch verstärkt zeitgenössische Musik zur Aufführung zu bringen. So gründete z. B. Paul Sacher 1926 das Basler Kammerorchester mit dieser Zielsetzung. Bis zu seiner Auflösung 1987 spielte das Orchester zahlreiche, oft von Sacher in Auftrag gegebene Werke von Komponisten wie Bela Bartók, Igor Strawinsky, Hans Werner Henze oder Witold Lutoslawski.

Die zunehmende Abkehr des Publikumsgeschmacks von der Romantik und die passende Besetzung machten das Kammerorchester zum idealen Ensemble für die Aufführung der weitgehend vergessenen Musik des Barock und der Klassik. In dieser Beziehung machte sich insbesondere Karl Münchinger mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Stuttgarter Kammerorchester und seinem schlanken, „unromantischen“ Interpretationsstil verdient.

Seit den 1950er Jahren entstanden Spezialistenensembles, die sich intensiv mit den besonderen Besetzungs-, Notations- und spieltechnischen Anforderungen der Avantgarde-Komponisten auseinandersetzen, die von einem klassischen Kammerorchester nur schwer zu bewältigen sind.

Schließlich ließ die wieder aufkommende Beschäftigung mit Alter Musik ab etwa den 1970er Jahren zahlreiche Formationen entstehen, die in wechselnden Besetzungen – vom solistischen Trio bis zum Kammerorchester mit Bläsern – und häufig ohne Dirigent auftreten. Als Beispiele seien die Musica Antiqua Köln und das Collegium Aureum genannt.

Filmorchester

[1] Filmorchester entstanden während der Stummfilmzeit, um während der Kinovorführungen einerseits die Handlung zu untermalen, andererseits das Geräusch des Projektors zu übertönen. Aufgeführt wurden sowohl Originalkompositionen als auch Potpourris aus bekannten Stücken. In Deutschland waren 1929 über 6000 Musiker in solchen Kinoorchestern tätig. Mit der Einführung des Tonfilms 1930 wurden Kinoorchester überflüssig. Dagegen begannen die Studios in Hollywood, sich eigene Orchester aufzubauen. Da viele der engagierten Filmkomponisten von der europäischen spätromantischen Musik beeinflusst waren, hatten diese Orchester oft umfangreiche Sinfoniebesetzung. Ihre Bedeutung ging erst in den 1970er Jahren zurück, als die Pop-Musik zunehmend Eingang in die Soundtracks von Filmen fand. In Deutschland existiert mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, das aus den Orchestern der UFA und DEFA hervorging, derzeit nur ein professionelles Filmorchester.

Leitung

Heutzutage werden die Musiker normalerweise von einem Dirigenten geleitet, während in der Anfangszeit dem ersten Geiger (Konzertmeister) oder dem Generalbass spielenden Cembalisten diese Rolle zukam. Auch einige moderne Orchester kommen ohne einen Dirigenten aus, besonders kleinere Orchester, die sich auf die historische Aufführungspraxis von Alter Musik spezialisiert haben.

Als erster moderner Dirigent gilt der Komponist und Kapellmeister Carl Maria von Weber (1786-1826), der anfangs mit einer Notenrolle, später mit einem Taktstock das Orchester leitete.

Hierarchie

Dem gesamten Orchester steht in musikalischen Dingen der Stimmführer der 1. Violinen, der Konzertmeister, vor, welcher selbst dem Dirigenten untergeordnet ist.

Die übrigen Instrumentengruppen werden von Stimmführern geleitet, die in der Regel (wie auch der Konzertmeister) einen Stellvertreter haben, mit dem sie sich das erste Pult teilen. Bei den Bläsern ist derjenige, der die 1. Stimme spielt der Stimmführer der jeweiligen Instrumente. Werden Holz- und Blechbläser zusammengefasst, gelten die 1. Oboe und die 1. Trompete als Stimmführer. Beim Schlagwerk steht der Paukist der Instrumentengruppe vor.

Daneben gibt es bei den Streichern noch so genannte Vorspieler, die sich in der Hierarchie zwischen den Konzertmeistern bzw. Stimmführern und den Tuttispielern befinden.

Orchester sind die einzigen Organisationseinheiten in der Arbeitswelt, bei denen es üblich ist, dass die Gesamtheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Aufnahme und Anstellung neuer Mitglieder demokratisch abstimmt. Dazu werden Probespiele abgehalten, bei denen Bewerber ihre musikalische Leistungsfähigkeit beweisen müssen. Zum Teil finden diese Probespiele anonym statt, so dass die anwesenden Orchestermitglieder nicht sehen, wer hinter einem seidenen Vorhang spielt. Dadurch soll erreicht werden, dass ausschließlich musikalische Aspekte in die Entscheidung einfließen, nicht jedoch Dinge wie Geschlecht, Alter oder ethnische Herkunft. Entscheidungen über die Besetzung einer Orchesterstelle sind gelegentlich Anlass für Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern des Ensembles und dem Dirigenten. Bekanntestes Beispiel ist der Streit zwischen den Berliner Philharmonikern und ihrem Dirigenten Herbert von Karajan um die Klarinettistin Sabine Meyer im Jahre 1983.

Probenbetrieb

Entgegen der vorherrschenden Meinung finden Orchesterproben nicht immer in voller Besetzung statt (Tuttiprobe), sondern es können zunächst Einzelproben der verschiedenen Stimmen oder Instrumentengruppen (Registerproben) stattfinden. Dies dient dazu, dass bei spieltechnisch schwierigen oder neu einzustudierenden Werken die einzelnen Gruppen ihren Part beherrschen, bevor sie zu einem (schwerer durchhörbaren) Ganzen zusammengefügt werden.

Öffentlich finanzierte Orchester in Deutschland

Geschichte

Das älteste Orchester in Europa ist die königliche Hofkapelle in Kopenhagen (1448), Orchester der Königlich Dänischen Nationaloper. Das älteste ununterbrochen bestehende deutsche Orchester ist das Orchester des Staatstheaters Kassel, gegründet im Jahr 1502.

Bis Anfang der 1930-er Jahre war die Tätigkeit eines Orchestermusikers hinsichtlich der Ausbildung und der existenziellen Absicherung uneinheitlich geregelt. Das änderte sich 1938 mit dem jetzt eingeführten Tarifvertrag. Der Begriff des Kulturorchesters wurde mit diesem Tarifvertrag zu einem kulturpolitischen Terminus.[2] Der Begriff, die Struktur und die beabsichtigte künstlerische Ausrichtung dieses öffentlich finanzierten Klangkörpers wurde von dem damaligen Präsidenten der Reichsmusikkammer, Peter Raabe, geprägt. Eng verknüpft mit diesem Begriff war die stenge Trennung des Musiklebens in einen Bereich der "ernsten" und einen Bereich der sonstigen europäischen und außereuropäischen Musik.[3] Die angebliche Ernsthaftigkeit der klassischen (deutschen) Musik wurde als Begründung für deren Förderungswürdigkeit angegeben, denn Raabe nahm seine "Rolle als Vermittler und Verteidiger des deutschen Kulturguts sehr ernst."[4] Diese von Raabe durchgesetzte Auffassung vom besonderen Wert der "ernsten Musik" spiegelte sich auch im musikalischen Urheberrecht, welches ebenfalls von der Reichsmusikkammer zentral organisiert wurde. Deshalb entsprach es beispielsweise diesem Kulturbegriff, die Verpflichtung einer Jazzorchesters bei einer kommunalen Einrichtung zu verhindern, denn Raabe wollte mit dem Begriff des Kulturorchesters einen Gegenbegriff zur "Unkultur" des Jazz schaffen.[5] Wiewohl gelegentlich Big Bands im Rahmen von pädagogischen Einrichtungen gegründet wurden, gibt es in Deutschland bis heute eine kulturpolitische Bevorzugung von Streichern gegenüber den Jazzsaxophonisten, unabhängig von der jeweiligen künstlerischen Qualifikation. Auch die Beibehaltung des NS-Begriffs Kulturorchester bis zur heutigen Zeit muss als höchst unglücklich bezeichnet werden.[6]

Aktuelle Situation

Die professionelle öffentlich finanzierte Kulturorchesterlandschaft Deutschlands mit gegenwärtig 133 Kulturorchestern mit 9922 Planstellen[7] gliedert sich in vier Gruppen:

  • 84 Theaterorchester, die überwiegend die Sparten Oper, Operette, Musical der Stadt- und Staatstheater bedienen. Das Spektrum reicht von den großen, international renommierten Opernhäusern in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart oder München bis hin zu den kleinen Bühnen in Lüneburg, Annaberg, Coburg oder Hildesheim.
  • 30 Konzertorchester, die ausschließlich oder überwiegend im Konzertsaal arbeiten oder mit einer eigenständigen Konzerttradition auch im Opernhaus tätig sind. Die Spitzenposition nehmen hier international bedeutende Orchester wie die Berliner Philharmoniker, die Münchner Philharmoniker, die Sächsische Staatskapelle Dresden, die Staatskapelle Berlin oder das Gewandhausorchester Leipzig ein.
  • 12 Rundfunk- bzw Radiosinfonieorchester sowie vier Bigbands der ARD-Anstalten und der Rundfunkorchester und -Chöre GmbH (Berlin), die ebenfalls Konzertorchester sind und einen Schwerpunkt in Musikaufnahmen haben. Sie pflegen besonders die zeitgenössische Musik in Deutschland mit zahlreichen Auftragskompositionen und Uraufführungen. Ensembles wie die Symphonieorchester des Bayerischen, Norddeutschen oder Westdeutschen Rundfunks genießen hohes internationales Ansehen.[8]
  • Sieben Kammerorchester, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und die in der Regel ohne eigene Bläserbesetzung als reine Streichorchester ganzjährig arbeiten, wie z. B. das Stuttgarter Kammerorchester, das Württembergische Kammerorchester Heilbronn oder das Münchener Kammerorchester.

Kleine Sinfonieorchester gibt es schon in einer Besetzung ab ca. 30 Mitgliedern, wobei teilweise einige Bläser nur einfach besetzt sind. Mittlere bis große Orchester haben in der Regel zwischen 66 bis über 100 Mitglieder. Das größte deutsche Orchester ist das Gewandhausorchester Leipzig mit 185 Planstellen; es spielt allerdings auch in drei Formationen: als Konzertorchester im Leipziger Gewandhaus, als Opernorchester in der Oper Leipzig und als Kantatenorchester in der Leipziger Thomaskirche, der langjährigen Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach. Das mit derzeit 159 Planstellen zweitgrößte Orchester ist die Sächsische Staatskapelle Dresden. Die Anzahl der Planstellen ist nicht zwangsläufig identisch mit der Anzahl der dort beschäftigten Musiker, denn durch die Einrichtung von halben Stellen wurde das ursprüngliche Konzept erweitert. Viele Kulturorchester verpflichten zur Erweiterung ihrer Besetzung Mitglieder anderer Kulturorchester, die in ihren jeweiligen Nachbarstädten dann jeweils nebenberuflich tätig sind.

Die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) ist eine einflussreiche kulturpolitische Institution, die schwerpunktmäßig als bundesweite Interessenvertretung der Kulturorchestermusiker tätig ist. Weiterhin setzt sich die DOV dafür ein, die finanziellen Bedingungen für die Nebenbeschäftigung von Kulturorchestermusikern als Lehrbeauftragte an Musikhochschulen zu verbessern.[9]

Amateurorchester, Jugendsinfonieorchester

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Colin Lawson (ed.): The Cambridge Companion to the Orchestra. Cambridge University Press, ISBN 0-521-00132-3.
  2. Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938.
  3. Frieder W. Bergner: Das U und das E in der Musik
  4. Okrassa 2004, S. 156.
  5. Raabe begrüßte 1935 ausdrücklich das Verbot des "Niggerjazz" im Rundfunk des NS-Staats, denn der Jazz sei ein "hässliches und den Geschmack des Volkes verseuchendes Gift" (Okrassa 2004,S.333).
  6. s. Mertens 2010 bzw. Raabes Musikkonzept
  7. Quelle: Das Orchester 2010 Heft 2, Beilage
  8. Gerald Mertens, Kulturorchester, Rundfunkensembles und Opernchöre, hier: Punkt 2. Überblick
  9. Von diesem Engagement der DOV profitieren auch Lehrbeauftragte, die keinen kommunalen Angestellten-Status besitzen.

Literatur

  • Malte Korff (Hrsg.): Konzertbuch Orchestermusik 1650–1800. Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 1991, ISBN 3-7651-0281-4.
  • Nina Okrassa: Peter Raabe - Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer(1872-1945), Köln 2004, ISBN 3-412-09304-1.
  • Orchester, Spezialensembles und Musiktheater. In: Deutscher Musikrat (Hrsg.): Musik-Almanach. Daten und Fakten zum Musikleben in Deutschland, Bd. 7 (2007/08), 2006, S. 733–823, ISSN 0930-8954.
  • Gerald Mertens: Kulturorchester, Rundfunkensembles und Opernchöre, Deutsches Musikinformationszentrum 2010 (Volltext; PDF; 963 kB)

Weblinks

Wiktionary: Orchester – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Orchester – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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