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Untreue (Deutschland)
Die Untreue ist im Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland ein Vermögensdelikt, das in § 266 StGB geregelt ist. Straftatbestände mit ähnlichem Schutzgut sind das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB (allerdings nur des Arbeitnehmeranteils) und der Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten nach § 266b StGB. Der heutige Untreuetatbestand wurde am 26. Mai 1933 novelliert „im Kampfe gegen Schiebertum und Korruption“. Diese Neufassung hat die unzulänglichen Einzelfallregelungen des § 266 StGB ersetzt.
Tatbestand
Bei der Untreue handelt es sich um ein Vermögensdelikt, einen Tatbestand, der das Vermögen „als Ganzes“ schützen soll. Untreue schützt weder das Vertrauen in die Pflichttreue des Täters noch die Redlichkeit des Rechtsverkehrs. Schutzgut ist auch nicht die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers.
Der Tatbestand hat zwei Alternativen: Den Missbrauch der Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen und den Treuebruch. Beide Varianten setzen die Verletzung einer besonderen Vermögensbetreuungspflicht voraus.
Welcher Art die Vermögensbetreuungspflicht sein muss, lässt der Wortlaut des § 266 StGB nicht erkennen. Aus dem Wortlaut ergibt sich nur, dass die Pflicht sich aus „Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft“ ergeben muss. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der Praxis und der herrschenden Meinung in der Literatur haben sich drei Abgrenzungsmerkmale herausgebildet:[1]
- Die Vermögensbetreuungspflicht muss Hauptpflicht des Auftrages oder Rechtsgeschäftes sein, eine Nebenpflicht genügt nicht.
- Der Täter muss einen Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen haben. Das heißt, dass der Handelnde eine gewisse Selbstständigkeit und eine gewisse Bewegungsfreiheit besitzen muss. Er darf also nicht vollständig weisungsgebunden sein. Typisch ist diese Selbstständigkeit bei Berufsgruppen wie z. B. Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern, Vorständen, Geschäftsführern, die üblicherweise mit der Besorgung von Geschäften betraut werden. Unanwendbar ist der Tatbestand daher auf „rein mechanische“ Tätigkeiten, wie sie Boten und Kassierer ausüben.
- Die Vermögensbetreuungspflicht muss schließlich bedeutsam sein. Gemeint ist eine wirtschaftliche Bedeutsamkeit und eine gewisse Dauerhaftigkeit der Pflicht.
Missbrauchstatbestand
Der Missbrauchstatbestand setzt voraus, dass der Täter eine Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Geschädigten oder als Vertreter des Vermögensinhabers das Recht hat, den Vermögensinhaber zu verpflichten. Der Täter muss, beispielsweise als Vormund, Betreuer, Prokurist, Notar, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter oder als Vertreter einer OHG das Recht haben, mit dem Vermögen des Geschädigten umzugehen. Nicht ausreichend ist die Verfügung eines Nichtberechtigten gegenüber einem gutgläubigen Dritten. In dieser Alternative ist § 266 StGB somit ein Sonderdelikt.
Die Auslegung von § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist sehr umstritten, weil der Tatbestand grammatikalisch doppeldeutig gefasst ist. Unklar ist, ob der Satzteil „und dadurch dem, dessen Vermögeninteresse er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“ sich auch auf den Missbrauchstatbestand bezieht. Dieses Merkmal könnte dem Wortlaut der Vorschrift nach auch nur zum Treubruchtatbestand gehören. Nach herrschender Auffassung steht dieser Satzteil mit beiden Tatbestandsalternativen, Missbrauch wie Treubruch, im Zusammenhang. Deswegen setzt auch der Missbrauchstatbestand die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht, etwa aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag, voraus.
Die Missbrauchshandlung kann nur ein Rechtsgeschäft oder eine hoheitliche Handlung sein. Missbrauch ist die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch Vermögensverfügung oder Verpflichtung des Vermögensinhabers durch einen Vertreter. Ein Missbrauch setzt also voraus, dass der Verfügende oder der Vertreter im Außenverhältnis gegenüber Dritten mehr kann, als er im Innenverhältnis zum Vermögensinhaber darf. Deshalb entfällt der Missbrauch bei einer Vermögensverfügung durch tatbestandsausschließendes Einverständnis, wenn der Vermögensinhaber eine Verfügung über ein vermögenswertes Recht genehmigt. Bezöge man die Vermögensbetreuungspflicht nicht auf den Missbrauchstatbestand, verlöre der Begriff des „Missbrauchs“ seine Kontur, da nicht mehr klar wäre, worin der Missbrauch der Verfügungsbefugnis oder der Vertretungsmacht zu sehen wäre.
Treuebruchtatbestand
Die Tathandlung des Treuebruchtatbestands ist die Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Auch beim Treuebruchtatbestand kann Täter nur der sein, dem eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt. Anders als beim Missbrauchstatbestand schweigt das Gesetz aber dazu, wen eine solche Vermögensbetreuungspflicht trifft.
Die Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, kann durch Rechtsgeschäfte und hoheitliche Handlungen, aber auch in Form einer rein tatsächlichen Einwirkung auf das Vermögen erfolgen. Auch hier geht § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB wesentlich weiter als die Alt. 1.
Insgesamt ist die Treuebruchalternative wenig bestimmt gefasst, so dass Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit geäußert wurden. Der Bundesgerichtshof sieht ihn jedoch noch mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Indem der Kreis der Personen, die eine Vermögensbetreuungspflicht trifft, eng gezogen wird, wird § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verfassungskonform ausgelegt. Die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen muss dem Treueverhältnis sein Gepräge geben. Keinesfalls ausreichend ist die Nebenpflicht, Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils zu nehmen. Verweigert der Käufer z. B. die Zahlung, ist darin nicht die Verletzung der Pflicht zu sehen, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Gewöhnliche Vertragsbeziehungen sind daher zur Begründung einer besonderen Vermögensbetreuungspflicht ungeeignet.
Vermögensnachteil
Die Strafbarkeit setzt ferner voraus, dass als Folge des Missbrauchs bzw. des Treubruchs ein Vermögensnachteil für den Geschädigten eingetreten ist. Der Begriff des Vermögensnachteils ist mit dem des Vermögensschadens beim Betrug nach herrschender Meinung identisch. Da im Rahmen des Betrugstatbestands strittig ist, welche Positionen zum geschützten Vermögen gehören, begegnet man diesem Problem auch bei der Untreue.
Vorsatz
Das bloße billigende Inkaufnehmen der Umstände des objektiven Tatbestands genügt. Bei Risikogeschäften, denen eine Verlustgefahr immanent ist, stellen sich daher besondere Probleme, weil der Täter meist in Kenntnis der Risikolage gehandelt hat.
Untreue setzt insbesondere nicht voraus, dass sich der Straftäter selbst oder einen Dritten bereichert hat. § 266 StGB weist daher mangels Eigen- oder Fremdbegünstigungstendenz als Vermögensbeschädigungsdelikt auch Parallelen zur Sachbeschädigung (§ 303 StGB) auf.
Rechtsfolgen
Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis 5 Jahren Gefängnis (für besonders schwere Fälle bis 10 Jahre). Es handelt sich bei der Untreue demnach um ein Vergehen.
Abs. 2 der Vorschrift enthält einen Verweis auf Regelbeispiele für besonders schwere Fälle und Antragserfordernisse bei Geringfügigkeit und Haus- und Familienuntreue.
Versuch
Der Versuch ist nicht strafbar, da der Gesetzgeber insoweit von zu großen Beweisschwierigkeiten ausgegangen ist. Die Strafbarkeit des Versuchs würde zudem die Problematik der Weite des Tatbestands bedenklich erweitern.
Konkurrenzen
Die Untreue tritt in der Regel zusammen mit anderen Delikten auf, es kommt daher oft zu Konkurrenzen mit anderen Straftatbeständen. Häufig ist dies der Betrug, die Unterschlagung, auch Diebstahl, Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung. In der Regel liegt bei Korruptionstatbeständen (§§ 331 ff. StGB) § 266 StGB nahe. Mit diesen Delikten liegt zumeist Tateinheit vor. Ein Sonderfall der Untreue ist in § 34 Depotgesetz geregelt.
Verfassungsmäßigkeit
Aufgrund der weiten Formulierung war umstritten, inwiefern der Untreuetatbestand dem Bestimmtheitsgebot entspricht und damit verfassungskonform ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage jedoch inzwischen dahingehend geklärt, dass dieser Tatbestand „trotz seiner Weite und damit einhergehenden relativen Unschärfe“ (noch) mit Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren sei.[2]
Literatur
- Christian Becker, Und ewig lockt die Untreue. Randnotizen zum Stand der Dogmatik des § 266 StGB anlässlich von BGH vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10, HRRS 2011 Nr. 1153., HRRS 05/2012, 237 [1]
- Alexander Bräunig: Untreue in der Wirtschaft. Berlin 2011, ISBN 3428134710
- Lasse Dinter: Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue. Heidelberg 2012, ISBN 978-3-8114-4141-5
- Martin O. Wegenast: Missbrauch und Treubruch – Zum Verhältnis der Tatbestände in § 266 StGB. Berlin 1994, ISBN 3428081323
- Untreue (§ 266 StGB) durch das Auslösen von Sanktionen zu Lasten von Unternehmen von Stefan Burger (Diss)
Weblinks
- § 266 StGB (dejure)
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. zum Ganzen Tröndle/Fischer, StGB, § 266 Rn. 9 ff. m.w.N.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010, Az. 2 BvR 2559/08, Volltext.
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