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Nulla poena sine lege

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Nach kontinentaleuropäischem Rechtsverständnis bezeichnet die lateinische Kurzformel nullum crimen, nulla poena sine lege („kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz“) das Gesetzlichkeitsprinzip (bzw. den Gesetzlichkeitsgrundsatz) im Strafrecht. Hieraus ergeben sich die Garantiefunktionen des Strafgesetzes im Rechtsstaat. Verbrechen (crimen) ist somit allein das, was der Gesetzgeber zur Straftat erklärt hat. Nur ein formelles Gesetz kann daher die Strafbarkeit einer Handlung begründen.[1] Das Gesetzlichkeitsprinzip ist im Wesentlichen eine Errungenschaft der Epoche der Aufklärung.[2] Es wird im deutschsprachigen Raum insbesondere auf Paul Johann Anselm von Feuerbach[3] zurückgeführt.[4][2]

Die Langfassung der lateinischen Formel nullum crimen, nulla poena sine lege scripta, praevia, certa et stricta umschreibt die vier Einzelprinzipien des Gesetzlichkeitsprinzips:

  • Notwendigkeit zur schriftlichen Fixierung der Strafbarkeit (Verbot strafbegründenden Gewohnheitsrechts, nulla poena sine lege scripta)
  • Notwendigkeit der Fixierung vor Begehung der Tat (strafrechtliches Rückwirkungsverbot, nulla poena sine lege praevia)
  • Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit des Gesetzes (strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, nulla poena sine lege certa)
  • Verbot von Analogie zu Lasten des Täters über den Wortlaut des Gesetzes hinaus (Analogieverbot im Strafrecht, nulla poena sine lege stricta)

Das Gesetzlichkeitsprinzip gehört in einer Vielzahl nationaler Rechtsordnungen zu den verfassungsrechtlich und menschenrechtlich geschützten Justizgrundrechten. Streng angewendet wird das Gesetzlichkeitsprinzip in Rechtsordnungen des kontinentaleuropäischen Rechskreises, in denen das geltende Recht weitgehend kodifiziert ist. Gewisse Einschränkungen bestehen demgegenüber innerhalb von Rechtsordnungen, in welchen das Fallrecht eine eigenständige Rechtsquelle darstellt, insbesondere in Staaten des Common Law-Rechtskreises[5] sowie im Völkerstrafrecht.[6]

Das Gesetzlichkeitsprinzip als grundlegende Bestimmung des materiellen Strafrechts ist strikt zu unterscheiden vom strafprozessualen Legalitätsprinzip (Ermittlungspflicht der Strafverfolgungsbehörden), obwohl beide Begriffe im Englischen gleich übersetzt werden (principle of legality).

Kontinentaleuropäische Rechtstradition

Ideengeschichte

Erstmals ausdrücklich formuliert wurde das Postulat nulla poena, nullum crimen sine lege (keine Strafe ohne Gesetz, kein Verbrechen ohne Gesetz) von Paul Johann Anselm von Feuerbach in seinem Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts aus dem Jahr 1801.[3] Feuerbach griff hierbei auf vorangegangene staats- und rechtstheoretische Überlegungen anderer europäischer Philosophen und Juristen der Aufklärung zurück und führte diese in der lateinische Kurzformel begrifflich zusammen. Auch existierten bereits (jedenfalls in Ansätzen) dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip entsprechende Regelungen im positiven Recht, wie etwa in § 1 des Josephinischen Strafgesetzes von 1787 und in Artikel 8 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Der im Gesetzlichkeitsprinzip für den Bereich des Strafrechts verwirklichte Grundsatz der Gewaltenteilung wurde insbesondere von Montesquieu in seinem zentralen Werke Vom Geist der Gesetze von 1748 entwickelt. Zudem stellt Cesare Beccarias einflussreiches Werk Dei delitti e delle pene von 1764 ein bedeutsames strafrechtstheoretisches Fundament des Gesetzlichkeitsprinzips dar.

Der nulla poena sine lege – Grundsatz ist damit als Teilaspekt und Ausfluss des Projekts der Aufklärung und der gesamteuropäischen Strafrechtsformbewegung im 18. und frühen 19. Jahrhunderts zu verstehen. In ihm verwirklichten sich Bestrebungen um eine Rationalisierung des Strafrechts, um eine Differenzierung zwischen Recht und Moral und um die Trennung von legislativer und judikativer Gewalt im Rechtsstaat. Der nulla poena sine lege – Grundsatz steht damit im Kontext zu weiteren fundamentalen Prinzipien rechtsstaatlichen Straf- und Strafprozessrechts, wie etwa dem Schuldprinzip (nulla poena sine culpa), dem Anspruch auf Rechtliches Gehör, dem Zweifelssatz (in dubio pro reo), der Unschuldsvermutung, dem Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem) sowie weiteren Justizgrundrechten.

In der Rechtswissenschaft wird darüber hinaus teilweise versucht, die theoretischen Wurzeln bereits aus dem Römischen Recht der Antike herzuleiten. Weitgehend unumstritten ist insoweit, dass das Gesetzlichkeitsprinzip im heutigen Verständnis jedenfalls nicht generelles Charakteristikum des Römischen Rechts war. Einige Autoren wollen aber im Rechtsdenken einzelner bedeutender römischer Juristen wie Ulpian oder Cicero bereits Ansätze des Gesetzlichkeitsprinzips erkennen.

Einzelausprägungen des nulla poena sine lege – Grundsatzes

Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht ist durch die Rechtsprechung und die Rechtswissenschaft schrittweise weiter ausdifferenziert wurden und wird heute üblicherweise in vier Einzelprinzipien untergliedert. Zwar bestehen im Detail Unterschiede zwischen den verschiedenen Staaten mit kontinentaleuropäischer Rechtstradition in der konkreten Auslegung und Anwendung des Gesetzlichkeitsprinzips. Die grundlegenden maßgeblichen Prinzipien sind indes identisch und deren Einhaltung wird bei den Unterzeichnerstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sichergestellt.

Gesetzesvorbehalt (nulla poena sine lege scripta)

Nulla poena sine lege ist eine Form des Vorbehaltes des Gesetzes. Die Strafbarkeit eines Verhaltens – Tun oder Unterlassen – zu bestimmen, ist dadurch allein dem Gesetzgeber zugewiesen. Straftatbestände müssen schriftlich fixiert sein, eine Bestrafung aufgrund von Gewohnheitsrecht ist damit verboten. Dies bewirkt staatsrechtlich eine exklusive Kompetenzzuordnung.

In modernen Verfassungen, in denen der Gesetzgeber das Parlament ist, wirkt die Regel zugleich als Parlamentsvorbehalt und hat eine demokratische Funktion, indem sie der Volksvertretung die Macht in der Kriminalpolitik zuweist. In Verfassungen mit konsequent angewandter Gewaltenteilung entzieht die Norm zugleich den Gerichten die Möglichkeit, die Strafbarkeit einer Tat selbst zu bestimmen – deren ausschließliche Aufgabe ist die Anwendung von bereits bestehenden Normen.

Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa)

Das Bestimmtheitsgebot beschränkt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, indem sie ihm verbietet, Normen zu schaffen, die nicht hinreichend bestimmt sind und die es dem Rechtsanwender überließen, den Umfang der Strafbarkeit zu erweitern, etwa durch Klauseln wie: „oder ähnliche Handlungen“ oder „sonstige Handlungen“.

Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia)

Hauptartikel: Rückwirkung

Das Rückwirkungsverbot besagt, dass eine Bestrafung nur möglich ist, wenn die dem Täter vorgeworfene Handlung zur Zeit ihrer Ausführung bereits mit Strafe bedroht war.

Analogieverbot (nulla poena sine lege stricta)

Der Wortlaut einer Strafnorm bildet die äußerste Grenze der zulässigen Norminterpretation. Das Schließen von Strafbarkeitslücken durch eine Interpretation über die Wortlautgrenze hinaus (Analogie) zu Lasten des Beschuldigten ist den Gerichten verboten. Ein Analogieschluß zugunsten des Beschuldigten ist hingegen zulässig.

Rechtslage in einzelnen Staaten

Deutschland

Anselm von Feuerbach, deutscher Rechtswissenschaftler (1775–1833)

In Deutschland gilt Paul Johann Anselm von Feuerbach als derjenige, der das Postulat in seinem Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts (Gießen 1801)[3] einführte.[7][2] In der Weimarer Verfassung war der Grundsatz Nulla poena sine lege im Artikel 116 festgeschrieben. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde er durch das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs“ vom 28. Juni 1935[8] aufgehoben und stattdessen in § 2 StGB folgendes kodifiziert: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft“.[9] Heute ist er in Deutschland sowohl in § 1 StGB als auch in der Verfassung aufgenommen (Art. 103 Abs. 2 GG). Gegen Verletzungen dieses grundrechtsgleichen Rechts steht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG die Verfassungsbeschwerde offen. Dadurch soll die Strafrechtsanwendung von vornherein einen rechtsstaatlichen Rahmen bekommen und ein Gefühlsstrafrecht verhindern.

Das Rückwirkungsverbot schlägt sich nieder im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). Der dort immanente Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutet auch Beständigkeit der Gesetze. Wer von einem Gesetz betroffen ist, kann auch auf die Geltung der Vorschrift vertrauen.

Österreich

In Österreich wird der Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ im § 1 des Strafgesetzbuchs geregelt. Durch Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahre 1958 ist Österreich völkerrechtlich, spätestens durch BGBl. Nr. 59/1964 auch verfassungsrechtlich an diesen Grundsatz (Art. 7 EMRK) gebunden.

Davor war das Prinzip nur einfachgesetzlich im Artikel IV des StG (der Vorgänger des StGB) festgeschrieben und konnte daher dadurch übergangen werden, dass eine neu geschaffene Strafnorm ihre Anwendung auch auf Taten in der Vergangenheit vorsah, da diese Rückwirkungsbestimmung den Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ als lex specialis verdrängen würde. So sah etwa die Strafgesetznovelle 1931, mit der ins StG ein neuer § 205c (Untreue) eingefügt wurde, in Artikel III ausdrücklich ihre rückwirkende Geltung vor: „Dieses Gesetz tritt am 15. Dezember 1931 in Kraft. Seine Bestimmungen sind auch auf Handlungen anzuwenden, die vor diesem Tage begangen worden sind, wenn nicht seither die Verjährungszeit abgelaufen ist.”[10]

Wilhelm Malaniuk begründete nach 1945 die Zulässigkeit der Nichtanwendung des Rückwirkungsverbotes bei Kriegsverbrechergesetz und Verbotsgesetz für Verbrechen des NS-Regimes: „Denn dabei handelt es sich um strafbare Handlungen, welche die Gesetze der Menschlichkeit so gröblich verletzen, dass solchen Rechtsbrechern kein Anspruch auf die Garantiefunktion des Tatbestandes zukommt. Die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes stellen weiters Verletzungen von Verträgen und des Völkerrechtes dar“.[11]

Frankreich

Baron de Montesquieu, französischer Philosoph und Staatstheoretiker (1689–1755)

In Frankreich wird das Gesetzlichkeitsprinzip insbesondere auf die Überlegungen Montesquieus zur Gewaltenteilung zurückgeführt und ist zentraler Bestandteil des französischen Strafrechts.[12] Gesetzgeberisch hat es erstmal in Artikel 5 und 8 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 Niederschlag gefunden. Es findet sich in den nachrevolutionären Verfassungen und in Artikel 4 des französischen Strafgesetzbuches von 1810.[13] Im heute gültigen französischen Strafgesetzbuch von 1992 findet es sich im ersten Kapitel (Art. 111-2, 111-3).[14]

Polen

Das Gesetzlichkeitsprinzip war den in polnischen Strafgesetzen von 1932 und 1969 enthalten.[15] Heute ist es in Artikel 42 Abs. 1 S. 1 der polnischen Verfassung von 1997 und in Artikel 1 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches kodifiziert.[16]

Spanien

In sämtlichen spanische Verfassungen des 19. Jahrhunderts sind Elemente des Gesetzlichkeitsprinzips zu finden.[17] In der heutigen spanischen Verfassung ist das Gesetzlichkeitsprinzip in Artikel 8 und Artikel 25 niedergelegt.[18] Das heute gültige spanischen Strafgesetzbuch (Código Penal) schreibt das Gesetzlichkeitsprinzip in Artikel 1,2 und 4 fest.[19]

Italien

Cesare Beccaria, italienischer Rechtsphilosoph und Strafrechtsreformer (1738–1794)

Zurückgehend auf die Überlegungen Beccarias hat das Gesetzlichkeitsprinzip in Italien im 19. Jahrhundert Eingang in die Gesetzgebung gefunden.[20] Ausdrücklich geregelt war das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafgesetzbuch des Königreichs beider Sizilien von 1819, in den Strafgesetzbüchern für die sardischen Staaten von 1839 bzw. 1859, sowie im toskanischen Strafgesetzbuch von 1853.[20] Nach der Einigung Italiens wurde das Gesetzlichkeitsprinzip in Artikel 1 des Codice Zardanelli von 1889 verankert.[20] Diese Bestimmung ist nahezu wortgleich in das heute geltende Italienische Strafgesetzbuch (Codice Rocco) von 1930 übernommen worden.[20] Seit 1948 hat das Gesetzlichkeitsprinzip im italienischen Strafrecht Verfassungsrang (Artikel 25 der Verfassung Italiens).

Anglo-amerikanische Rechtstradition

Während in Staaten mit kontinentaleuropäischer Rechtstradition die vom Gesetzgeber verabschiedeten formellen Gesetze die maßgeblichen Rechtsquellen darstellen, bilden im anglo-amerikanischen Rechtskreis Präzendenzfälle die primäre Rechtsquelle. Hieraus ergeben sich grundlegende Unterschiede bei der Ausgestaltung des nulla poena sine lege-Grundsatzes. Dieser ist zwar auch Bestandteil der anglo-amerikanischen Rechtsordnung, inhaltlich aber in vielen Bereichen grundlegend anders ausgeprägt. Das U.S.-amerikanische Strafrecht etwa kennt ein Verbot rückwirkender Bestrafung („ex post facto prohibition“) sowie eine dem Bestimmtheitsgrundsatz in Ansätzen ähnelnde sog. „vagueness prohibition“.[21] Die Ausformulierung von Straftatbeständen in formellen Gesetzen durch den Gesetzgeber ist hingegen nicht erforderlich.[21] Ein Analogieverbot besteht ebenso wenig, vielmehr stellt die Analogie eine übliche Methodik der Rechtsfindung im Strafrecht dar.

Völkerrecht

Der Grundsatz nulla poena sine lege ist in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge niedergelegt, etwa in Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention, in Artikel 9 der Amerikanische Menschenrechtskonvention und in Artikel 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Zu beachten ist dabei, dass Rechtsquelle des Völkerrechts nicht allein das (kodifizierte) Völkervertragsrecht ist, sondern das (nicht kodifizierte) Völkergewohnheitsrecht und die (ebenfalls nicht kodifizierten) allgemeinen Rechtsgrundsätze ebenfalls fester Bestandteil des Völkerrechts sind (vgl. Art. 38 I lit a, b, c des Statuts des Internationalen Gerichtshofes[22]). Zum gesicherten Bestand des Völkergewohnheitsrechts gehören insbesondere die Kernverbrechen des Völkerstrafrechts (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie – zumindest im Grundsatz – das Verbrechen der Aggression).

Einer Verurteilung wegen der Begehung eines Völkerrechtsverbrechens steht der nulla poena sine lege-Grundsatz daher auch dann nicht entgegen, wenn das jeweilige nationale Strafrecht entsprechende Taten nicht explizit unter Strafe stellt. In den einschlägigen menschenrechtlichen Abkommen wird dies durch die sog. Nürnberg-Klausel klargestellt (z. B. Art. 7 Absatz 2 EMRK: „Dieser Artikel schließt nicht aus, daß jemand wegen einer Handlung oder Unter­­lassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach den von den zivili­sierten Völkern anerkannten allgemeinen Rechts­grundsätzen strafbar war.“)

Die deutsche Rechtsprechung ist durch Anwendung der Radbruch'schen Formel im Ergebnis zu ähnlichen Ergebnissen gelangt: Laut Bundesverfassungsgericht findet das Rückwirkungsverbot keine Anwendung für Taten, die nur wegen eines "unerträglich ungerechten" Gesetzes legal sind.[23] Gesetze, die Völkerrechtsbruch legalisieren, gelten dabei als "unerträglich ungerechte" Gesetze.

Rechtshistorisch umstritten ist, inwiefern die Verurteilungen wegen der Führung eines Angriffskrieges im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher gegen das Verbot rückwirkender Bestrafung verstoßen hat.[24] Das heute geltende Völkerstrafrecht ist demgegenüber kaum noch Bedenken im Hinblick auf den nulla poena sine lege-Grundsatz (im kontinentaleuropäisch strengen Sinne) ausgesetzt, da es mit der Schaffung des Römischen Statuts des internationalen Strafgerichtshofs nunmehr weitgehend kodifiziert ist. Im Statut selbst ist der nullum crimen, nulla poena sine lege – Grundsatz in Artikel 22, 23 verankert.

Weitere Rechtsgebiete

Der Grundsatz ist inzwischen auf andere Rechtsgebiete ausgeweitet und weitgehend anerkannt, so etwa im Steuerrecht: nullum tributum sine lege.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Ludwig Schreiber: Gesetz und Richter. Studien zur geschichtlichen Entwicklung des Satzes «nullum crimen, nulla poena sine lege». Metzner, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7875-5224-3 (Zugleich Habilitationsschrift an der Universität Bonn 1971).
  • Markus Kenntner: Der deutsche Sonderweg zum Rückwirkungsverbot. Plädoyer für die Aufgabe eines überholten Verweigerungsdogmas. In: Neue Juristische Wochenschrift. Beck, München/Frankfurt am Main 1997, ISSN 0341-1915, S. 2298 ff.
  • Friedrich-Christian Schroeder: Der Bundesgerichtshof und der Grundsatz „nulla poena sine lege“. In: Neue Juristische Wochenschrift. Nr. 52, Beck, München/Frankfurt am Main 1999, ISSN 0341-1915, S. 89–93.
  • Ingo Bott/Paul Krell: Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ im Lichte verfassungsgerichtlicher Entscheidungen. In: Zeitschrift für das Juristische Studium. 2010, S. 694 ff. (PDF).
  • Hartmut Maurer: Rechtsstaatliches Prozessrecht. In: Peter Badura, Horst Dreier (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Band II: Klärung und Fortbildung des Verfassungsrechts, Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3-1614-7627-1, S. 471 ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Johannes Wessels/Werner Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, 42. Auflage, 2012, S. 12, Rb. 44; Rudolf Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Auflage 2012, S. 14, Rn. 1 ff.
  2. 2,0 2,1 2,2 Vgl. Rudolf Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Auflage 2012, S. 14, Rn. 4.
  3. 3,0 3,1 3,2 Paul Johann Anselm von Feuerbach: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801. § 24 = S. 20, In: Deutsches Textarchiv, abgerufen am 26. Februar 2015.
  4. Vgl. Bernd von Heintschel-Heinegg in: Beck'scher Online-Kommentar StGB, Hrsg: von Heintschel-Heinegg (BeckOK StGB), Stand: 10.11.2014, Edition: 25, § 1 Rn 1.
  5. Vgl. Markus Dubber, Tatjana Hörnle: Criminal Law: A Comparative Approach, 2014, ISBN 0199589607, S. 73ff.
  6. Gerhard Werle (Hrsg.): Völkerstrafrecht, 3. Auflage, 2012, ISBN 978-3-16-151837-9, Randnummer 110.
  7. Vgl. Bernd von Heintschel-Heinegg in: Beck'scher Online-Kommentar StGB, Hrsg: von Heintschel-Heinegg (BeckOK StGB), Stand: 10.11.2014, Edition: 25, § 1 Rn 1.
  8. RGBl. I, S. 839.
  9. Zitiert in: Volker Epping: Grundrechte, Berlin 2010, S. 419.
  10. BGBl. Nr. 365/1931.
  11. Vgl. u. a. Claudia Kuretsidis-Haider in: NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit – Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR (2012), S. 415; Claudia Kuretsidis-Haider „Das Volk sitzt zu Gericht“ (2006), S. 55 ff.; Malaniuk, Lehrbuch, S. 113 u. 385
  12. Juliette Lelieur, Peggy Pfützner, Sabine Volz: Gesetzlichkeitsprinzip – Frankreich. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 40 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  13. Juliette Lelieur, Peggy Pfützner, Sabine Volz: Gesetzlichkeitsprinzip – Frankreich. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 41 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  14. Juliette Lelieur, Peggy Pfützner, Sabine Volz: Gesetzlichkeitsprinzip – Frankreich. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 42 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  15. Ewa Weigend: Gesetzlichkeitsprinzip – Polen. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 92 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  16. Ewa Weigend: Gesetzlichkeitsprinzip – Polen. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 93 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  17. Teresa Manso Porto: Gesetzlichkeitsprinzip – Spanien. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 126 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  18. Teresa Manso Porto: Gesetzlichkeitsprinzip – Spanien. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 127 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  19. Teresa Manso Porto: Gesetzlichkeitsprinzip – Spanien. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 128 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  20. 20,0 20,1 20,2 20,3 Konstanze Jarvers: Gesetzlichkeitsprinzip – Italien. In: Ulrich Sieber, Karin Cornils (Hrsg.): Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung. Allgemeiner Teil. Band 2: Gesetzlichkeitsprinzip – Internationaler Geltungsbereich des Strafrechts – Begriff und Systematisierung der Straftat, Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12981-2, S. 55 (Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Reihe S: Strafrechtliche Forschungsberichte).
  21. 21,0 21,1 Vgl. Markus Dubber, Tatjana Hornle: Criminal Law: A Comparative Approach, 2014, ISBN 0199589607, S. 73.
  22. BGBl. 1973 II S. 430, 521
  23. Robert Alexy: Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu den Tötungen an der innerdeutschen Grenze vom 24. Oktober 1996. Hamburg 1997, ISBN 978-3-525-86293-3, S. 18 ff.
  24. Gerhard Werle (Hrsg.): Völkerstrafrecht, 3. Auflage, 2012, ISBN 978-3-16-151837-9, Randnummer 25 ff.
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