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Vereinsrecht (Deutschland)
In der deutschen Rechtswissenschaft ist Vereinsrecht das Rechtsgebiet, das die Gründung und Organisation von Vereinen regelt. Es ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Verfassungsrechtlicher Hintergrund ist die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Grundgesetz.
Vereinsformen
Altrechtlicher Verein
Eine rechtliche Besonderheit gilt für alle Vereine, die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 bereits bestanden. Für diese gilt nach Art. 163 BGB-Einführungsgesetz (EGBGB) der § 21 BGB nicht. Das bedeutet, dass solche Vereine ihre Rechtsfähigkeit nicht durch Eintragung in das Vereinsregister erhalten und in der Regel auch nicht in das Vereinsregister eingetragen werden. Die Rechtsfähigkeit wurde vielmehr zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Landesrecht bestimmt. Alle weiteren BGB-Vorschriften zum Vereinsrecht gelten für solche Vereine gleichermaßen. Ein Altrechtlicher Verein ist z.B. die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger oder die Berliner Stadtmission.
Eingetragener Verein
Durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichtes nach § 21 BGB erhält ein nicht wirtschaftlicher Verein den Status einer juristischen Person und wird somit zu einer rechtsfähigen Körperschaft. In der Satzung bestimmt der Verein seine eigene Verfassung weitgehend selbst (Vereinsautonomie). Ein eingetragener Verein kann nach § 51 Abgabenordnung durch das Finanzamt als gemeinnützig und somit steuerbegünstigt anerkannt werden, wenn sein Vereinsziel ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige (§ 52), mildtätige (§ 53) oder kirchliche Zwecke (§ 54) verfolgt. Eingetragen werden in der Regel nur Vereine mit mindestens sieben Mitgliedern (§ 56 BGB).
Wirtschaftliche Vereine
Die Kapitalgesellschaften Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und verwandte Rechtsformen wie die KGaA sind ebenfalls Vereine; sie erlangen volle Rechtsfähigkeit durch das Aktiengesetz bzw. das GmbH-Gesetz.
Eingetragene Genossenschaften (eG) sind gemäß Genossenschaftsgesetz rechtsfähige Vereine.
Ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist eine besondere Rechtsform für Versicherer, nämlich ein Verein, der die Versicherung seiner Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben will. Diese besondere, nur für Versicherer zulässige Rechtsform des VVaG, ist im dritten Teil des VAG geregelt.
Ohne spezielle bundesgesetzliche Regelung kann ein wirtschaftlicher Verein nur durch staatliche Verleihung Rechtsfähigkeit erlangen (§ 22 BGB). Dies wird etwa bei bestimmten forstwirtschaftlichen Vereinen oder der GEMA praktiziert.
Nicht rechtsfähiger Verein
Ein Verein, der nicht auf eine der oben genannten Weisen Rechtsfähigkeit erlangt hat, ist keine juristische Person. Auf ihn finden gemäß § 54 BGB („Nicht rechtsfähige Vereine“) die allgemeinen Vorschriften für Gesellschaften im engeren Sinne (§§ 705 ff. BGB) Anwendung, die aber zumeist als außer Kraft gesetzt im Sinne einer Behandlung als eingetragener Verein anzusehen sind. Gleichwohl kann auch ein nicht rechtsfähiger Verein nach § 51 Abgabenordnung durch das Finanzamt als gemeinnützig und somit steuerbegünstigt anerkannt werden, wenn sein Vereinsziel ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige (§ 52), mildtätige (§ 53) oder kirchliche Zwecke (§ 54) verfolgt.
Gründung
Die Gründung eines rechtsfähigen, eingetragenen Vereins geschieht folgendermaßen:
- Abhaltung einer Gründungsversammlung
- Beschluss einer Satzung, die von mindestens sieben Mitgliedern unterschrieben sein muss
- Bestimmung eines Vorstandes
- Abfassung eines Gründungsprotokolles
- Schriftliche Anmeldung mit Unterschriftsbeglaubigung des anmeldenden Vorstandes ins Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht
Die Unterschriftsbeglaubigung erfolgt durch einen Notar, in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz auch kostengünstig durch die nach Landesrecht zuständigen anderen Stellen (insbesondere Ratsschreiber bzw. in Hessen Ortsgericht). Der Anmeldung beizufügen sind die Unterlagen gem. Ziff. 2 in Ur- und Abschrift, 4 und 5 und außerdem eine Abschrift der Urkunde über die Bestellung des Vorstandes (ggf. in Ziff. 4 bereits enthalten). Zweckmäßigerweise sollte noch eine vom Vorstand vollzogene (unbeglaubigte) Bescheinigung über die Zahl der Vereinsmitglieder eingereicht werden, weil das Registergericht dies gem. § 72 BGB verlangen kann (nicht muss) und oft auch verlangt.
Für die Gründung eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt die kleinstmögliche Personenmehrheit, also zwei Personen.
Organe
Die Organe eines Vereins sind mindestens die Mitgliederversammlung und bei eingetragenen Vereinen die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Weitere Organe können durch die Satzung bestimmt und mit Kompetenzen versehen werden, solche sind beispielsweise Beirat, Aufsichtsrat, Kuratorium oder auch Präsidium.
Mitgliederversammlung
Oberstes Organ des Vereins ist die Mitgliederversammlung (§ 32 BGB), in der Praxis teilweise auch als (Jahres-)Hauptversammlung bezeichnet. Sie entscheidet in allen Vereinsangelegenheiten, die nicht vom Vorstand oder einem anderen in der Satzung bestimmten Organ zu besorgen sind. Insbesondere bestellt die Mitgliederversammlung den Vereinsvorstand und beruft diesen ab (§ 27 BGB), soweit die Satzung diese Zuständigkeit nicht einem anderen Organ zuweist.
Die Einberufung der Mitgliederversammlung erfolgt durch den Vereinsvorstand. Dieser ist dazu verpflichtet in den von der Satzung bestimmten Fällen und wenn die Interessen des Vereins es gebieten (§ 36 BGB). Zudem gewährt das Gesetz, soweit die Satzung eines Vereins nichts anderes bestimmt, einer Minderheit von zehn Prozent der Mitglieder das Recht, den Vorstand zur Einberufung zu zwingen (§ 37 BGB). Eine jährliche Einberufung − wie bei der ordentlichen Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist demgegenüber nicht vorgeschrieben. Freilich ist es praktisch üblich, dass die Satzungen von Vereinen eine solche regelmäßige Mitgliederversammlung vorsehen.
Für den Ablauf der Mitgliederversammlung trifft das Gesetz nur wenige Vorgaben, von denen zudem auch durch die Satzung abgewichen werden darf (§ 40 BGB). Entscheidungen werden grundsätzlich mit relativer Mehrheit gefasst (§ 32 Abs.1 S.3 BGB). Ein satzungsändernder Beschluss erfordert eine Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen, während die Änderung des Vereinszweckes sogar die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich macht (§ 33 BGB). Die Mitglieder eines Vereins können einen Beschluss auch ohne Versammlung fassen, wenn alle ihre Zustimmung schriftlich erklären (§ 32 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus können Mitgliederversammlungen auch über das Internet abgehalten werden, z. B. per Chat oder Wiki, wenn das in der Satzung vorgesehen ist.
Vertreterversammlung
Bei mitgliederstarken Vereinen (z. B. beim ADAC) würde die hohe Anzahl potentieller Teilnehmer den organisierbaren Rahmen sprengen. Daher wird die Mitgliederversammlung für den Regelfall durch eine Vertreterversammlung ersetzt (wie bei der Genossenschaft in § 43a GenG gesetzlich geregelt). Beim ADAC wählen die regionalen Mitgliederversammlungen Delegierte, die dann als stimmberechtigte Mitglieder an der Hauptversammlung mitwirken. Dieses Recht der Delegierten muss sich aus der Satzung ergeben.
Vorstand
Im gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsverkehr wird der Verein gesetzlich durch seinen Vorstand vertreten, dessen Einrichtung vom Gesetz zwingend vorgeschrieben ist (§ 26 BGB). Als spezieller gesetzlicher Vertreter kann satzungsrechtlich ein Geschäftsführer bestimmt werden (§ 30 BGB).
Weitere Organe
Die Satzung eines Vereins kann weitere Organe vorsehen. Häufig finden sich etwa ein „Ältestenrat“ oder ein „Beirat“, aber auch „Kassenprüfer“. Diesen kann über rein beratende Aufgaben auch eine eigene Entscheidungskompetenz zugewiesen werden.
Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft im Verein wird entweder durch Mitwirkung als Gründer oder durch Beitritt erworben. Der Beitritt ist ein Vertrag zwischen dem Verein und dem neuen Mitglied, setzt also dessen Antrag und die Annahme durch den Verein, in der Regel vertreten vom Vorstand, voraus. Sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, sind die Rechte aus der Mitgliedschaft nicht übertragbar und nicht vererblich. Ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung kann die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht einem anderen überlassen werden. Die Mitgliedschaft endet durch Tod (nur bei natürlichen Personen), Ausschluss oder Austritt. Die Austrittserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Satzung kann – was in der Praxis üblich ist – vorsehen, dass der Austritt nur zum Ende eines Quartals oder eines Kalenderjahres möglich ist.
Haftung
Ehrenamtlich tätige und geringfügig entlohnte Vereinsorgane und -mitglieder haften dem Verein gegenüber nach den §§ 31a, 31b BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Darüber hinaus kann eine weitergehende Haftungsbeschränkung auf Vorsatz durch die Vereinssatzung getroffen werden. [1]
Entziehung der Rechtsfähigkeit
Dem rechtsfähigen, also im Vereinsregister eingetragenen Verein wird die Rechtsfähigkeit auf Antrag oder von Amts wegen entzogen, wenn
- durch einen gesetzeswidrigen Vorstands- oder Mitgliederversammlungsbeschluss das Gemeinwohl gefährdet ist,
- der Verein satzungswidrig wirtschaftliche Zwecke verfolgt oder
- die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei sinkt.
Vereinsauflösung
Der Verein wird durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Sein Vermögen fällt dann an die in der Satzung bestimmten Personen. Enthält die Satzung hierüber keine Bestimmung, so fällt das Vermögen an den Fiskus des Bundeslands, in dem der Verein seinen Sitz hat.
Vereinsverbot
Im Vereinsgesetz ist die Möglichkeit des behördlichen Verbotes von Vereinen geregelt.
Literatur
- Bernhard Reichert: Handbuch Vereins- und Verbandsrecht. 13. Aufl., 2015 Köln, ISBN 978-3-472-08382-5.
- Kurt Stöber: Handbuch zum Vereinsrecht. 11. Aufl., Köln 2015, ISBN 978-3-504-40039-2.
- Detlef Burhoff: Vereinsrecht: Ein Leitfaden für Vereine und ihre Mitglieder. 9. Aufl., Berlin 2014, ISBN 978-3-482-42989-7.
- Eugen Sauter, Gerhard Schweyer, Wolfram Waldner: Der eingetragene Verein. 20. Aufl., München 2016, ISBN 978-3-406-67984-1.
- Michael Röcken: Vereinssatzungen: Strukturen und Muster erläutert für die Vereinspraxis. 2. Aufl., Berlin 2015, ISBN 978-3-503-16397-7.
- Thomas Baumann, Markus Sikora: Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts. 1. Aufl., München 2015, ISBN 978-3-406-64276-0.
- Peter Backhaus: Der nicht eingetragene Verein im Rechtsverkehr. S. Roderer, Regensburg 2001, ISBN 3-89783-249-6.
Einzelnachweise
- ↑ Beschluss des OLG Nürnberg vom 13. November 2015, 12 W 1845/15, NJW-Spezial 2016, 49
Weblinks
- Literatur zum Vereinsrecht (Deutschland) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts
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Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vereinsrecht (Deutschland) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |