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Wirtschaftshochschule
Eine Wirtschaftshochschule, Handelshochschule oder Wirtschaftsuniversität ist eine Hochschule mit Spezialisierung auf eine Ausbildung in Fächern der Wirtschaftswissenschaften. Im Englischen und immer häufiger auch im Deutschen wird der Begriff Business School (BS) als Synonym verwendet. Als "Business School" werden verschiedene Bildungseinrichtungen bezeichnet, die auf betriebswirtschaftliche Studiengänge spezialisiert sind.
Der Begriff "Business School" hat je nach Kontext verschiedene Bedeutungen. Es existieren unterschiedliche (organisatorische) Modelle von BS. Der Begriff BS kann im Februar 2016 stehen für
- eine unabhängige, eigenständige staatliche oder private Universität (z.B. Copenhagen Business School, Berlin School of Economics and Law),
- eine selbstverwaltete Graduate School in kooperativer Organisation mit anderen Instituten und unter dem formalen Dach einer Universität (z.B. Harvard Business School, London School of Economics, London Business School, Mannheim Business School) oder
- eine Fakultät einer Universität (z.B. School of Business & Economics der Freie Universität Berlin oder HBS Hamburg Business School der Universität Hamburg).
Kernangebot vieler "Business Schools" ist der Master of Business Administration. Auch berufsbildende Schulen tragen gelegentlich die Bezeichnung "Business School".
Geschichte
1819 gründeten Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftlern (darunter Vital Roux und Jean-Baptiste Say) in Paris mit der „Ecole Spéciale de Commerce et d’Industrie“ (die heutige ESCP Europe) die erste Business School der Welt.[1] [2] Der Lehrplan der wirtschaftlichen Ausbildung beinhaltete theoretische und praktische Ansätze sowie pädagogische Planspiele. Ein Drittel der Studenten kamen von außerhalb Frankreichs.[3]:530 1973 führte die ESCP das Konzept der "Multi-Campus-Business School" ein. Seit 2009 trägt die Business School den Namen "ESCP Europe" und hat Standorte in Berlin, London, Madrid, Paris, Turin und Warschau.
Die Geschichte der deutschen Wirtschaftshochschule hängt mit der Entwicklung der Technischen Hochschulen (TH) zusammen. Die Bemühungen der fachlich ausgerichteten THs im 19. Jahrhundert um wissenschaftliche Anerkennung und formale Gleichstellung mit den Universitäten waren Teil des Diskurs zwischen einem neuhumanistischen, bildungsintellektuellen Verständnis der Universitäten und einem naturwissenschaftlich, technischen Verständnis der THs von Hochschulbildung. Exakte „Naturwissenschaften mit empirischer Methodik“ gewannen an Bedeutung. Diese Veränderung des Wissenschaftsverständnis erleichterte die Gründung und Weiterentwicklung der praktisch orientierten Handelshochschulen.[4]
In Deutschland entstanden die Handelshochschulen um die Jahrhundertwende Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Als Fortbildungsstätten für Kaufleute wurden sie vielfach zu Keimzellen der sich herausbildenden Wirtschaftswissenschaften und teilweise auch zu Vorläufern eines privaten Universitätswesens. Beispielsweise wurde die Handelshochschule Leipzig 1898 auf Initiative der Handelskammer Leipzig gegründet. Der Lehrplan umfasste theoretische und praktische Inhalte sowie Unterricht in Fremdsprachen. Interdisziplinäre Studieninhalte umfassten die Bereiche Nationalökonomie (die spätere Volkswirtschaftslehre), Recht, Geographie, Wirtschaftsgüter, Wissenschaft und Technologie, Werbemaßnahmen und Geisteswissenschaften. Um 1915 waren die meisten Handelshochschulen in öffentliche Universitäten integriert worden und hatten den starken akademischen Fokus der Universitäten in ihre Management-Lehre übernommen. Der vormals praktische Ansatz wurde weitestgehend aufgegeben.[3]:530
Ein Vorbild für das deutsche Fortbildungssystem und die Handelshochschulbewegung der Zeit war die 1895 gegründete London School of Economics (LSE). Die LSE gehörte dem Modell der civic universities an. In diesem Modell waren mehrere Colleges unter dem Dach einer Universität vereint. Nur die Universität hatte das Recht, einen akademischen Grad an einen Absolventen der Colleges zu verleihen.[5]:66
Als frühe Form der Managerschule sollten die Handelshochschulen „für das Management der Großbetriebe und solche Wirtschaftsführer, für die eine theoretische Wirtschaftliche Bildung nötig ist“ [6] zuständig sein. Sie verliehen ihren Absolventen ein kaufmännisches Diplom und schulten Praktiker, die als „gebildete, nicht gelehrte Kaufleute“ [7] im modernen Wirtschaftsleben benötigt wurden. 1923 wurde der Studiengang „Volkswirtschaftslehre“ inklusive des akademischen Abschlussgrads „Diplom-Volkswirt“ eingeführt. Im Jahre 1924 wurde vom Ministerium erlassen, dass „Absolventen der Handelshochschulen der akademische Grad eines Diplom-Kaufmanns (Dipl.-Kfm.) verliehen werden durfte“. Für mehr historische Hintergründe siehe dazu auch die Artikel Volkswirt und Diplom-Kaufmann.[8]:152
Handelshochschulen mit unterschiedlichen Konzeptionen und unter verschiedenen Trägerschaften entstanden [9] in Leipzig, Aachen und St. Gallen (1898)[8]:134, Köln und Frankfurt (1901), Berlin (1906), Mannheim (1908), München (1910), Königsberg (1915) und Nürnberg (1919). Die Handelshochschulen Frankfurt und Köln gingen bald in den dort neugegründeten Universitäten auf, die Münchner Handelshochschule wurde 1922 der Technischen Hochschule eingegliedert.
Entwicklung der Bezeichnungen
Die alte Bezeichnung Handelshochschule ist heute vor allem noch in Nord- und Osteuropa gebräuchlich (siehe auch: Liste nordischer Handelshochschulen). Auch in Deutschland tragen noch einzelne Wirtschaftshochschulen diese Bezeichnung, zum Beispiel die Handelshochschule Leipzig (seit 2012 HHL Leipzig Graduate School of Management). Früher bedeutsam war die von 1906 bis 1946 unabhängige Handelshochschule Berlin (heute Teil der Humboldt-Universität zu Berlin).
Bekannte Wirtschaftsuniversitäten sind unter anderem Wirtschaftsuniversität Wien, VŠE (Prag), Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi (Mailand), Wirtschaftsuniversität Bratislava.
Die 1988 gegründete Community of European Management Schools (CEMS) ist eine bedeutende Kooperation von weltweit führenden Wirtschaftshochschulen und Universitäten mit multinationalen Unternehmen und NGOs.
Zulassungsvoraussetzungen für Studienbewerber
Business Schools haben unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen. Folgende Kriterien sind weit verbreitet:
- Graduate Management Admission Test (GMAT), ein weltweit standardisierter Test, um die Eignung für postgraduale betriebswirtschaftliche Studiengänge auf Master-Niveau zu messen
- Test of English as a Foreign Language (TOEFL), ein standardisierter Test, in dem die Kenntnis der englischen Sprache von Nicht-Muttersprachlern überprüft wird
- ein erster akademischer Abschluss (bei MBA-Programmen); in den USA wird statt eines ersten Studienabschlusses zunehmend auch ein noch nicht abgeschlossenes Studium mitsamt Notennachweis über die Dauer des für die USA typischen ersten Studiums (vierjähriges Bachelor-Studium) akzeptiert.
- erste Arbeitserfahrung (bei MBA-Programmen)
- Empfehlungsschreiben
- ein oder mehrere Aufsätze zu vorgegebenen Themen
Akkreditierung von Business Schools
Für die Akkreditierung von Business Schools sind folgende Einrichtungen von internationaler Bedeutung:
- European Quality Improvement System – EQUIS
- Association to Advance Collegiate Schools of Business – AACSB
- Association of MBAs – AMBA
Bei Business Schools, die alle drei wichtigen Akkreditierungen besitzen, spricht man von Triple Crown.[10] In Deutschland gibt es darüber hinaus FIBAA sowie ZEvA.
Vergleich von Business Schools (Rankings)
Ein praktisch wichtiges, obwohl sehr umstrittenes Instrument[11][12] für den qualitativen Vergleich von Business Schools sind Rankings. Die international bekanntesten Rankings, jedes mit eigenen Stärken und Schwächen, sind [13]:
- Bloomberg Businessweek – Business School Rankings & Profiles
- The Economist – Full-time MBA ranking
- Eduniversal Business School Ranking
- Financial Times – Business Education – Rankings
- US News – Top Business Schools
- Wall Street Journal – College Rankings
In Deutschland führen viele Institutionen und Wirtschaftspublikationen eigene Rankings durch, die durch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) untereinander sowie mit international bekannten Rankings verglichen werden. Zu den einzelnen CHE Rankings finden sich auf der Homepage des CHE jeweils eine Besprechung des methodischen Vorgehens, d.h. wer wurde wie wozu befragt, wie wurde daraus eine Reihung gebildet und eine Zusammenfassung des Ergebnisses (Centrum für Hochschulentwicklung – Hochschulrankings im Überblick). Veröffentlicht wird das CHE Hochschulranking von der Wochenzeitung DIE ZEIT.
Literatur
- Moritz Julius Bonn: Die Aufgaben der Handelshochschule München in: Die Aufgaben der Handelshochschule München. Reden und Begrüßungen anlässlich der feierlichen Eröffnung. München 1911, S. 15–24
- Frank Zschaler: Vom Heiligen-Geist-Spital zur Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. 110 Jahre Staatswissenschaftlich-Statistisches Seminar an der vormals königlichen Friederich-Wilhelm-Universität. 90 Jahre Handelshochschule Berlin, Berlin 1997
- Herbert Zander: Gründung der Handelshochschulen im deutschen Kaiserreich (1898–1919), Diss. Köln, Köln 2004
- Rakesh Khurana: From Higher Aims to Hired Hands. The Social Transformation of American Business Schools and the Unfulfilled Promise of Management as a Profession. Princeton University Press, 2007, ISBN 0-691-12020-X (Zur Geschichte der Business Schools).
Einzelnachweise
- ↑ ESCP Europe, The World's First Business School. Geschichte der ESCP Europe. In: www.escpeurope.eu. , abgerufen am 17. Februar 2016.
- ↑ A. Renouard, Histoire de l'École supérieure de commerce de Paris, Raymond Castell éditions, 1999
- ↑ 3,0 3,1 Andreas Kaplan: European management and European business schools: Insights from the history of business schools. In: European Management Journal. 32, 2014, S. 529, doi:10.1016/j.emj.2014.03.006.
- ↑ Zander (2004), S. 31 f.
- ↑ Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. Bd. III: Vom 19. Jahrhundert zum Zweiten Weltkrieg (1800–1945) Beck, München 2004, ISBN 3-406-36954-5
- ↑ Zschaler (1997), S. 19
- ↑ Bonn (1911), S. 23
- ↑ 8,0 8,1 Dr. W. Prion: Die Lehre vom Wirtschaftsbetrieb. Buch 1: Der Wirtschaftsbetrieb im Rahmen der Gesamtwirtschaft. Julius Springer Berlin, 1935
- ↑ Zander (2004), S. 175ff
- ↑ Artikel zu Triple Crown in der Financial Times Deutschland (Memento vom 29. Mai 2008 im Internet Archive)
- ↑ Was ein Ranking aussagt, Karriere, 17. Oktober 2008
- ↑ Sind Hochschulrankings für den Wettbewerb unverzichtbar?, Der Spiegel, 3. September 2009
- ↑ Ranking business schools – The numbers game – Business schools hate rankings. Understandably, The Economist, 10. Oktober 2002
Weblinks
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