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Zoonose
Zoonosen (von altgriechisch ζῶον zōon „Tier“ und νόσος nósos „Krankheit“) sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten. Die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1959 besagt einschränkend, dass Zoonosen Krankheiten und Infektionen sind, die auf natürliche Weise zwischen Mensch und anderen Wirbeltieren übertragen werden können.
Ursprünglich verstand man unter Zoonosen lediglich Tierkrankheiten. Während des vorletzten Jahrhunderts fand ein Wandel in der Bedeutung der Bezeichnung statt. Neben den eigentlichen Tiererkrankungen verstand man Mitte des 19. Jahrhunderts unter Zoonosen nun auch Erkrankungen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden konnten. Beim heutigen Gebrauch der Bezeichnung Zoonose wird keine Unterscheidung hinsichtlich des Übertragungsweges gemacht. Zoonosen können also vom Mensch auf ein Tier (Anthropozoonose) oder vom Tier auf den Menschen (Zooanthroponose) übertragen werden.
Es sind gegenwärtig etwa 200 Krankheiten bekannt, die sowohl bei einem Tier wie auch beim Menschen vorkommen und in beide Richtungen übertragen werden können. Die eigentlichen Erreger können dabei Prionen, Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen, Helminthen oder Arthropoden sein.
Begriff
Der Begriff Zoonose wurde zum ersten Mal 1876 von Ernst Wagner in seinem Handbuch der allgemeinen Pathologie verwendet.[1]
Einteilung der Zoonosen
Nach Infektionsrichtung
Man kann die verschiedenen Zoonosen aufgrund des Reservoirs in verschiedene Gruppen einteilen.
- Zooanthroponosen: Die Infektion wird ausschließlich vom Tier auf den Menschen übertragen. Ein Beispiel ist die Infektion mit Toxocara canis.
- Anthropozoonosen: Die Infektion wird beinahe ausschließlich vom Menschen auf Tiere übertragen. Ein Beispiel ist die Infektion mit Entamoeba histolytica.
- Amphixenosen: Die Infektion kommt sowohl beim Menschen als auch beim Tier vor und wird in beide Richtungen übertragen. Ein Beispiel ist die Infektion mit Taenia saginata.
Lebenszyklus
Eine Einteilung aufgrund des Lebenszyklus ist ebenfalls möglich.
- Direkte (ortho) Zoonose: Die Zoonose wird durch direkten Kontakt oder einen mechanischen Vektor von einem Wirbeltier auf ein anderes übertragen. Ein Beispiel ist die Krätze.
- Zyklozoonose: Bei der Zyklozoonose muss der Erreger zwischen verschiedenen Wirten wechseln. Sowohl Zwischen- als auch Endwirt sind Wirbeltiere. Diese Form der Zoonose wird ausschließlich bei parasitären Erregern beobachtet, die einen heteroxenen Zyklus haben.
- Metazoonose: Bei einer Metazoonose muss der Erreger zwischen verschiedenen Wirten wechseln. Der Zwischenwirt ist ein Wirbelloser.
- Saprozoonose: Saprozoonosen haben ein Reservoir außerhalb des Tierreichs. Als Beispiele für Reservoirs zählen Pflanzen, Erde und Wasser. Beispiele für Erreger die unter diese Klasse fallen sind Giardia intestinalis, Ancylostoma und Toxocara canis.
- Latente Zoonose: Übertragung der Zoonose durch zum Beispiel Fleisch. Der Erreger verursacht beim Zwischenwirt keine Symptome.
Zoonosen und Erreger von Zoonosen
Virale Zoonosen
- Affenpocken
- Alkhurmavirus
- Aujeszkysche Krankheit
- Barmah-Forest-Virus
- Büffelpocken
- California-Encephalitis-Virus
- Chikungunyavirus
- Colorado-Tick-Fever-Virus
- Eastern-Equine-Encephalomyelitis-Virus
- Ebolavirus
- Encephalomyocarditis-Virus
- European Brown Hare Syndrom
- Gelbfiebervirus
- Hanta-Virose
- Herpesvirus simiae
- Hendravirus
- Hepatitis-E-Virus
- Humane Rotaviren
- Japanische-Encephalitis-Virus
- Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Virus
- Kuhpocken
- Kyasanur-Forest virus
- La-Crosse-Virus
- Lassavirus
- Louping-Ill-Virus
- Lymphozytäre Choriomeningitis
- Marburgvirus
- Maul-und-Klauenseuche-Virus
- Menanglevirus
- Murray-Valley-Encephalitis
- Newcastle-Disease-Virus
- Noroviren
- Norwalk-Like-Virus
- Orfvirus
- Pseudokuhpocken
- Rifttalfieber-Virus
- Ross-River-Virus
- SARS
- Schweinegrippe
- Sindbisvirus
- St.-Louis-Enzephalitis-Virus
- Tahynavirus
- Tanapox-Virus
- Tick-borne encephalitis-Virus
- Tollwut
- Venezuelan-Equine-Encephalitis-Virus
- Vesicular stomatitis virus
- Vogelgrippe
- Wesselsbronvirus
- West-Nil-Virus
- Western-Equine-Encephalomyelitis-Virus
Unter den Hantavirosen sind Viren mit pulmonaler Symptomatik wie das Sin-Nombre-Virus, das Black-Creek-Canal-Virus, das Muleshoe-Virus, das Bayouvirus, das Andesvirus, das Bermejovirus, das Choclovirus, das Araraquaravirus, das Juquitibavirus, das Macielvirus und das Castelo-dos-Sonhos-Virus sowie Hantaviren mit renaler Symptomatik wie das Hantaan-Virus, das Dobravavirus, das Puumalavirus und das Seoulvirus.
Prion-induzierte Zoonosen
- Transmissible spongiforme Enzephalopathie (TSE) einschließlich BSE der Rinder und Scrapie der Schafe
Bakterielle Zoonosen
- Campylobacter-Enteritis
- Bartonellosen
- Borreliose
- Brucellose
- Leptospirose
- Listeriose
- Milzbrand
- Ornithose
- Pest
- Psittakose (Ornithose)
- Rotlauf
- Salmonellose
- Tuberkulose
- Tularämie
- Q-Fieber (Balkan-Grippe)
Zoonotische Mykosen
Parasitäre Zoonosen
Einzeller
- Babesiose
- Chagas-Krankheit
- Kryptosporidiose
- Encephalitozoonose
- Giardiasis
- Leishmaniose
- Malaria
- Sarcocystiose
- Toxoplasmose
Würmer
- Anisakiasis
- Ancylostomiasis
- Askariasis
- Bethriozephalose
- Dirofilariose
- Dipylidiasis
- Echinokokkose
- Fasziolose
- Schistosomiasis
- Taeniasis
- Toxocariasis
- Trichinellose
- Zystizerkose
Arthropoden
Vorkommen
Die Inzidenz und Prävalenz der meisten Zoonosen ist schwer einzuschätzen. Einerseits bleiben viele Zoonosen undiagnostiziert, andererseits besteht für die meisten Zoonosen keine Anzeigepflicht.
Allgemein gültig ist jedoch, dass je frequenter (häufiger) und je direkter ein Kontakt mit Tieren besteht, desto größer auch die Gefahr sich mit einer Zoonose zu infizieren.
Essgewohnheiten können einen Einfluss auf die Verbreitung von Zoonosen haben. So ist die Prävalenz von Toxoplasmose in England niedriger als in Frankreich, weil Engländer weniger rohes oder angebratenes Fleisch essen. Zystizerkose, ein Befall des Menschen mit Larven des Schweinebandwurms, kommt in jüdischen oder islamischen Bevölkerungsgruppen nicht vor, da diese kein Schweinefleisch essen.
Gefahren
Die Salmonellose wird vor allem über Lebensmittel (Eier, Milchprodukte, Geflügelfleisch) übertragen. Sie ist die am häufigsten gemeldete Zoonose. Hohe Temperaturen erhöhen die Gefahr, dass sich Salmonellen in Lebensmitteln vermehren.
In Deutschland kam es 2005 zu mehreren Todesfällen durch Tollwut. Eine Patientin infizierte sich in Indien mit der Tollwut. Die Symptome der Krankheit wurden damals dem Drogenkonsum der Patientin zugeschrieben und so kam es nach dem Tod der Patientin zu Infektionen bei mehreren Organtransplantierten, die Organe von der Patientin erhielten.
Immuninkompetente Menschen (Menschen mit einem durch eine andere Erkrankung schon stark geschwächten oder gar vollständig funktionsunfähigen Immunsystem), wie zum Beispiel Aids-Patienten im fortgeschrittenen Stadium oder Menschen die sich einer Chemotherapie unterziehen, immunschwache Menschen, wie zum Beispiel alte Menschen oder Kinder, sind zusätzlich der Gefahr ausgesetzt, sich mit Erregern zu infizieren, die normalerweise bei Menschen nicht zu patenten Infektionen führen (die Phase einer Parasiteninfektion eines Organismus ab dem Zeitpunkt der abgeschlossenen Entwicklung der Eindringlinge zu erwachsenen, eierlegenden Parasiten und dem ersten Auftreten ihrer Fortpflanzungsprodukte in den Körperausscheidungen des Wirtes).
Eine spezielle Gefahr besteht für Schwangere. Manche Zoonosen können eine Schädigung des Fötus verursachen. Auch Neugeborene haben noch ein relativ schwaches Immunsystem und können durch sonst harmlose Infektionen stark gefährdet werden. Noch stärker gefährdet sind besonders Kinder, die nicht gestillt werden, da gerade durch die Muttermilch auch die mütterlichen Abwehrkräfte auf den Säugling mit übertragen werden.
Bestimmte Berufsgruppen, wie zum Beispiel Tierärzte oder Landwirte, haben ein erhöhtes Infektionsrisiko, da sie oft mit Vektoren zusammentreffen.
Eine besondere Gefahr geht von der steigenden Beliebtheit exotischer Tiere aus, besonders wenn diese Tiere unkontrolliert importiert oder gezüchtet worden sind. Diese Tiere können auch als Vektor von artuntypischen Krankheiten fungieren. Nicht alle Krankheiten bei diesen Tieren und somit auch die Zoonosen sind bislang immer vollständig erforscht. Unbekannte oder seltene Erreger können daher eine Diagnose erschweren und damit die rechtzeitige Einleitung einer zielgerichteten Therapie verhindern, soweit eine solche überhaupt vorhanden ist.
Prävention
Jeder Mensch, der mit Tieren oder ihren Produkten in Berührung kommt, kann einer Infektion ausgesetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Mensch Tiere bejagt oder als Nutz- oder Haustiere domestiziert. Infektionen von Tieren auf Menschen werden durch die gleichen Maßnahmen vermieden wie zwischenmenschliche Infektionen. Bei der Tierhaltung ist Hygiene (saubere Ställe und Gehege, Reinigen der Hände, Desinfektion (etwa Kochen und Bügeln) von Textilien) die wichtigste Maßnahme. Auch zu inniger Kontakt zwischen Tier und Mensch sollte vermieden werden.
Die Ausrottung gefährlicher Zoonosen, wie zum Beispiel der Tuberkulose, beziehungsweise die Bekämpfung von Erregern durch regelmäßige Behandlungen, wie zum Beispiel Impfungen oder Entwurmung, trägt dazu bei, das Infektionsrisiko zu verringern.
Festzuhalten ist, dass auch gesund erscheinende Tiere eine Quelle für Infektionen sein können, die selbst tödlich enden können. Als ein Beispiel wäre hier die Infektion mit Herpesviren vom Affen auf den Menschen zu nennen.
Seuchengefahr
Die Gefahr von seuchenartigem Auftreten ist auch bei einigen Zoonosen gegeben. Ein Beispiel für eine solche Seuche ist die Pest. Viele andere Zoonosen sind in ihrem Seuchenpotential eher begrenzt, da sie den Kontakt zwischen Wirt oder Vektor und Mensch voraussetzen.
Eine besondere Gefahr, die allerdings nicht mehr zu den Zoonosen zu zählen ist, ist ein Wirtswechsel. Findet ein Wirtswechsel statt, zum Beispiel vom Vogel oder der Katze auf den Menschen, können dadurch Pandemien ausgelöst werden. In jüngster Vergangenheit fand ein solcher Wechsel zwischen Katzen und Menschen in Asien statt. Ein für die Lungenkrankheit SARS verantwortliches Coronavirus, das SARS-assoziierte Coronavirus, mutierte und konnte von seinem natürlichen Wirt (einer Katzenart) plötzlich auf den Menschen übertragen werden und schlimmer noch, sich dort vermehren und durch den Menschen weiter übertragen werden.
Ein Fall zu Beginn der Influenza-Pandemie 2009 in Kanada zeigte, dass sich Influenzaviren des Subtyps H1N1 potentiell auf natürliche Weise von Mensch zu Tier übertragen können.[2][3] Die Canadian Food Inspection Agency stufte im Mai 2009 die Übertragung der Viren vom Mensch zum Schwein als höchstwahrscheinlich ein. In solchen Fällen einer Zoonose besteht die Gefahr, dass sich Viren im Erregerreservoir neu kombinieren und beispielsweise für Menschen gefährlichere Erreger bilden.[3]
Überwachung und Forschungsanstrengungen
Die AIDS-Seuche, SARS aber auch die dadurch hervorgerufenen Erinnerungen an die Spanische Grippe haben das Interesse an der Erforschung von Zoonosen verstärkt. So regte die Europäische Union ein europaweites Netzwerk namens Med-Vet-Net von 300 Forschern an, das sich der Prävention und Kontrolle von Zoonosen widmet. Ein Schwerpunkt des Netzwerkes sind die Campylobacteriosen, Infektionen des Verdauungstraktes z. B. von Campylobacter jejuni, von denen bisher 100 Bakterienstämme identifiziert sind. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben 2003 eine Liste A von acht Zoonosen definiert, die kontinuierlich überwacht werden. Dazu gehören Krankheiten die durch Bakterienstämme der Familien Campylobacter, Listeria, Salmonella, bestimmte Arten Escherichia coli, Mycobacterium bovis sowie die von Parasiten hervorgerufenen Trichinellose und Echinokokkose. In einer Liste B wurden Zoonosen definiert, bei der die Überwachung beginnt sowie ein Fall identifiziert ist. Dazu gehören Tollwut, West-Nil-Fieber und Vogelgrippe.[1]
Literatur
- H. Krauss, A. Weber, M. Appel, B. Enders, A. v. Graevenitz, H. D. Isenberg, H. G. Schiefer, W. Slenczka, H. Zahner: Zoonosen. Von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten. 3. Auflage. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2004, ISBN 3-7691-0406-4.
Weblinks
- Nationale Forschungsplattform für Zoonosen (vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Informations- und Servicenetzwerk für alle in Deutschland aktiven Arbeitsgruppen im Bereich der Zoonosenforschung)
- FBI-Zoo (Food-Borne Zoonotic Infections of Humans) Forschungsverbund, der sich mit lebensmittelbedingten Zoonosen beschäftigt
- Zoonosen - zunehmende Bedrohung des Menschen auf der Website von Hans Gerd Schiefer
- Nina Weber: Gefahr durch Zoonosen: Der Killer, der aus dem Stall kommt Spiegel online, 5. Juli 2012
- „Epidemiologische Situation der Zoonosen in Deutschland“ Berichte für die Jahre 2002 und 2003 vom Bundesinstitut für Risikobewertung
- Med-Vet-Net - Ein Forschungs- und Überwachungsnetzwerk der Europäischen Union für Zoonosen
- Publikationsliste der CDC zum Thema Zoonosen (en.)
- International Livestock Research Institute (ILRI): Mapping of poverty and likely zoonoses hotspots. Zoonoses Project 4. Report to Department for International Development, UK. [1] (PDF; 4,3 MB) (en.)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Mikhail Stein: Fragile Barriere zwischen den Arten, in research eu, Sonderausgabe Oktober 2008, Seite 34
- ↑ An Alberta Swine Herd Investigated for H1N1 Flu Virus. , The Canadian Food Inspection Agency, 2. Mai 2009. Abgerufen am 3. Mai 2009.
- ↑ 3,0 3,1 Tagesschau: Grippeübertragung von Mensch auf Schwein - Oberster Veterinär fordert Hygiene im Stall (nicht mehr online verfügbar)
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