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Amputation

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Amputationswerkzeug aus dem 18. Jahrhundert
Darstellung der Beinamputation Friedrichs III. 1493
Ein Hund einen Monat nach der Amputation eines Vorderbeines

Als Amputation (lat. amputatio) wird die Abtrennung eines Körperteils bezeichnet. Die Amputation erfolgt dabei aus verschiedenen Ursachen:

Amputation als chirurgischer Eingriff

Definitionen

Akute oder chronische arterielle Durchblutungsstörungen stellen neben Verletzungen und Infektionen die häufigsten Ursachen für eine Amputation dar. Die weit überwiegende Ursache der chronischen arteriellen Durchblutungsstörung ist eine generalisierte Arteriosklerose. Entsprechend dem Verteilungsmuster der Gefäßverschlüsse ist die untere Extremität am häufigsten amputationsgefährdet. Die folgenden Definitionen beziehen sich daher auf die untere Extremität, gelten sinngemäß jedoch auch für die obere Extremität.

Majoramputation bedeutet eine Amputation oberhalb der Knöchelregion. Im DRG-Abrechnungssystem der Krankenkassen beginnt die Majoramputation wegen des höheren Materialverbrauches bereits bei der transmetatarsalen Vorfußamputation.

Minoramputation bedeutet eine „kleine Amputation“ bis unterhalb der Knöchelregion (also bis einschließlich der Chopart-Amputation). Im DRG-System umfasst sie nur Zehenamputationen bzw. Strahlresektionen.

Die Grenzzonenamputation ist ein auf den deutschen Sprachraum begrenzter Sammelbegriff für die Kombination aus Minoramputation in der Grenze zum vitalen Gewebe, Nekrektomie oder Débridement.[1]

Je nach Indikation wird zwischen der planmäßigen Amputation und der Notfallamputation unterschieden.

Indikationen zur Amputation

Die meisten planmäßigen Amputationen von Gliedmaßen müssen infolge der arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) durchgeführt werden. Die Indikation wird in aller Regel im Stadium IV gestellt, wenn ausgedehnte Gewebsnekrosen oder eine infizierte Gangrän mit drohender Sepsis vorliegen und gefäßchirurgische Maßnahmen ausgeschöpft sind oder nicht in Betracht kommen. Ausnahmsweise wird die Indikation auch im Stadium III gestellt, wenn die hier vorliegenden Dauerschmerzen nicht beherrschbar sind und die Lebensqualität des Patienten so hochgradig einschränken, dass die Amputation das „kleinere Übel“ darstellt. Die Amputationshöhe richtet sich nach der Qualität der Durchblutung, die mittels Angiographie festgestellt wird, und nach der sinnvollsten Möglichkeit der prothetischen Versorgung. Am Bein kommt meist die Oberschenkelamputation etwa handbreit oberhalb des Knies (bei pAVK vom Beckentyp) oder die Unterschenkelamputation etwa handbreit unterhalb des Knies (bei AVK vom Oberschenkeltyp) zur Anwendung. Die Amputation von Armen wegen arterieller Verschlusskrankheit ist eine Rarität.

Pirogoff-Amputation

Die zweithäufigste Indikation ist die diabetische Gangrän. Im Gegensatz zur AVK wird hier in der Regel die so genannte „Grenzzonenamputation“ angestrebt, also die Amputation möglichst distal, im gerade noch gesunden Bereich. Daher sind dies oft Amputationen der Zehen, des Vorfußes (Amputation bzw. Exartikulation im Chopart- oder Lisfranc-Gelenk) oder des Rückfußes (Pirogoff-Stumpf). Dieses Vorgehen, früher als „Salamitaktik“ eher verpönt, hat sich aufgrund von Verbesserungen des Wundmanagements, der systemischen Antibiotikatherapie sowie der Diabetes-Einstellung seit den 1990er Jahren breit durchgesetzt. Dennoch müssen immer noch viele Unter- oder Oberschenkelamputationen als „Ultima Ratio“ durchgeführt werden.

Amputationen als Folge von Unfallverletzungen sind gegenüber den ersten beiden Indikationen selten. Angestrebt wird immer der Gliedmaßenerhalt, bei guten Verhältnissen können selbst größere traumatisch abgetrennte Gliedmaßenanteile immer häufiger replantiert werden. Bei Zerstörung des abgetrennten Abschnitts kann allerdings oft nur die Stumpfversorgung durchgeführt werden. Unbeherrschbare Wundinfektionen nach Verletzungen, ein ausgedehntes Compartmentsyndrom sowie offene Frakturen des Grades IV, bei denen die Nerven oder Blutgefäße unwiederbringlich zerstört sind, zwingen zur Amputation. Die Amputationshöhe wird hier – ohne einem Schema zu folgen – so weit distal wie möglich gewählt. Die moderne Prothetik lässt die Versorgung nahezu jeden Stumpfes zu.

Sehr selten zwingen maligne Tumoren zur Amputation einer Gliedmaße. Dies sind meist Knochen- oder Weichteiltumoren (Sarkome). In erster Linie wird hier die lokale Resektion des Tumors und Wiederherstellung der Knochenkontinuität durch spezielle Endoprothesen angestrebt.

Zur Zahl der Amputationen liegen für Deutschland keine Statistiken vor. Nach Schätzungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK wurden im Jahr 2002 mehr als 55.000 chirurgische Amputationen der unteren Extremitäten bei mehr als 41.000 Krankenhausfällen vorgenommen.[2] Nach anderen Angaben gibt es in Deutschland aktuell etwa 60.000 Amputationen pro Jahr. Im europäischen Vergleich ist das eine hohe Zahl. 70 Prozent der Amputationen betreffen in Deutschland Diabetiker. Sie hätten damit ein 10- bis 15-mal höheres Amputationsrisiko.[3][4]

Durchführung einer Amputation

Dreifachamputation nach einem Eisenbahnunfall

Das Ergebnis der Rehabilitation nach Amputation hängt wesentlich von der Möglichkeit der Prothesenversorgung ab. Daher muss eine planmäßige Amputation so durchgeführt werden, dass ein möglichst gut zu versorgender Stumpf entsteht. Entscheidend ist hier die Weichteildeckung des knöchernen Stumpfes. Daher wird der Hautschnitt so gelegt, dass er ausreichend, aber nicht zu weit unterhalb der vorgesehenen knöchernen Amputationshöhe liegt ("Froschmaulschnitt"), um als Muskelhautlappen mitsamt der darunterliegenden Muskulatur eine sichere Bedeckung des Knochenendes zu gewährleisten. Nach Durchtrennung des oder der Knochen (Osteotomie) müssen die Knochenkanten geglättet und eventuell abgeschrägt werden. Besonders bei der Unterschenkel-Amputation vorn am Schienbein ist dies notwendig, dort wird in der Regel ein Knochenkeil entfernt (triangle de Farabœuf).

Die Muskulatur wird dann so durchtrennt, dass sie als „Polster“ den knöchernen Stumpf umgibt. Zur sicheren Fixierung werden die Muskeln miteinander verbunden (Myoplastie) oder über Bohrlöcher direkt mit dem Knochenstumpf verbunden (Myodese). Die Hautnarbe soll abseits der Belastungszone des Stumpfes gelegt werden.

Die Hauptnerven werden weit nach proximal freigelegt und dort durchtrennt, sodass das Nervenende tief im Weichteilgewebe außerhalb der Belastungszone liegt. Hierdurch soll einer Verwachsung mit der Hautnarbe, einer Neurom-Bildung und Phantomschmerzen vorgebeugt werden.

In der ersten Phase der Nachbehandlung gilt es, zunächst eine gute Wundheilung zu erreichen. Wundheilungsstörungen oder Infekte sind vor allem bei den beiden häufigsten Gründen für Amputationen, arterielle Verschlusskrankheit und Diabetes, nicht selten. Zur Formung des Stumpfes, der für eine gute Prothesenversorgung möglichst zylindrisch sein sollte, erfolgt vom OP-Tag an regelmäßig die Anlage einer speziellen Bandage. Nach Heilung der Wunde und Rückgang der anfänglichen Schwellung wird der Stumpf meist mit einem Liner versorgt, einer elastischen Hülle, die den Stumpf weiter formt und über den später der Prothesenschaft angelegt wird.

Neben der eigentlichen Amputation gibt es noch weitere Möglichkeiten des Wiederaufbaus oder Techniken, die die Funktionsfähigkeit des Stumpfes besonders bei Armamputationen erhöhen[5]:

  • Kineplastik nach Sauerbruch: Durch einen Muskelbauch oberhalb des Stumpfes wird ein Hautkanal gebildet, durch den ein Stift geführt werden kann, der mit der Prothese verbunden wird und so aktive Bewegungen z. B. der Prothesenhand ermöglicht. Dies wurde nach dem Ersten Weltkrieg oft angewandt, meist am Musculus biceps brachii bei Unterarmamputierten.
  • Krukenberg-Greifzange: Bei Amputationen am Unterarm lassen sich Speiche und Elle trennen, so dass eine Greiffunktion zwischen den beiden Knochen möglich ist. Dies ist ähnlich auch bei Mittelhandamputationen möglich.
  • Winkelosteotomie am Humerus nach Marquardt: Gelegentlich lässt sich bei Oberarmamputation oberhalb der Kondylen keine Rotationsstabilität der Prothese erreichen. Dann kann eine Osteotomie des Humerus-Schaftes mit Abwinklung des distalen Segments nach vorn eine rotationssichere Versorgung ermöglichen.
  • Verlängerung extrem kurzer Stümpfe mittels Kallusdistraktion bei ausreichendem Hautlappen, ebenfalls vor allem an den Armen.

Teilweise haben sich spezifische OP-Techniken herausgebildet:

  • Pirogoff-Amputation als Amputation des Fußes mit teilweisem Erhalt des Fersenbeins und der darunter befindlichen Fußsohle und Arthrodese zwischen Fersenbein und Schienbein nach Entfernung des Sprungbeins.
  • Gritti-Stokes-Amputation bezeichnet eine Oberschenkelamputation, die sehr kniegelenknah durchgeführt wird, knapp oberhalb der Kniekondylen (suprakondylär), wobei die Kniescheibe erhalten wird, unter den etwa 15° nach vorn-unten spitzen Stumpf gebracht und mittels transossärer Nähte fixiert wird. Die Kniescheibensehne wird mit den Kniebeugesehnen vernäht, es ist keine Muskeldurchtrennung notwendig. Durch einen etwas längeren vorderen Lappen ist die Naht meist hinten gelegen. Der Vorteil ist ein schnell endbelastungsfähiger sehr langer Stumpf mit gutem Hebelarm und weitgehend uneingeschränkter Kraft der Adduktoren und Hüftstrecker. Die Technik bietet sich neben Traumapatienten auch bei Durchblutungsstörungen an. Dank der erhaltenen oberen Kniegelenkarterien zur Versorgung des vorderen Lappens werden selten Wundheilungsstörungen beobachtet. Die Patienten gehen im Vergleich zu einer Standard-Oberschenkelamputation mit einer Prothese schneller mit besserer Balance und weniger zusätzlichen Gehhilfen[6]
  • Ertl-Modifikation bei Unterschenkelamputationen mit Schaffung einer festen Knochenbrücke zwischen Schienbein und Wadenbein am Stumpfende besonders bei traumatischen Amputationen. Erstmals 1949 von Janos Ertl beschrieben, soll sie einen stabileren und besser belastungsfähigen Unterschenkelstumpf schaffen. Studien konnten jedoch keinen Vorteil dieser Technik belegen[7]

Für spezielle Indikationen, besonders bei bösartigen Knochen- oder Weichteiltumoren, werden gelegentlich auch Teilamputationen durchgeführt, bei denen nur ein Abschnitt der Extremität entfernt wird und z. B. der Fuß dann wieder mit dem verbliebenen Stumpf verbunden wird, teils unter Drehung des Fußes um 90°, wie dies etwa bei der Umkehrplastik nach Borggreve erfolgt.

Darüber hinaus sind oft Stumpfrevisionen notwendig, etwa zur Narbenkorrektur, Gelenkmobilisierung, Entfernen überstehender Knochenanteile oder Achskorrekturen.

Notamputation

Amputatversorgung durch einen Ersthelfer (Skizze)

In verzweifelten Unfallsituationen kann es erforderlich werden, dass der Notarzt noch am Unfallort eine Amputation vornimmt. Dies betrifft in erster Linie Verschüttungsunfälle (Steinbruch, Bergbau, Erdbeben, Gasexplosionen), wenn eine Extremität eingeklemmt ist und der Verletzte, in Lebensgefahr schwebend, anders nicht gerettet werden kann. Bei Verkehrsunfällen ist dieses Vorgehen durch die weitreichenden Möglichkeiten der technischen Rettung nur in extrem seltenen Ausnahmefällen erforderlich.

Ist in verzweifelten, lebensbedrohlichen Unfallsituationen keine Hilfe verfügbar, kann einem eine Selbstamputation das Leben retten. Internationale Bekanntheit erlangte der US-amerikanische Bergsteiger Aron Ralston, der sich 2003 durch Selbstamputation seiner eingeklemmten Hand aus einem Canyon befreite.

Erste Hilfe und medizinische Versorgung bei unfallbedingten Amputationen

Bei dem Notfall einer traumatisch bedingten vollständigen (totalen) oder partiellen (subtotalen) Amputation werden Gefäße verletzt, was lebensbedrohliche Blutungen zur Folge haben kann. Ein Unterbinden dieser Blutungen ist primäres Ziel der Versorgung des Verletzten. Ist der Verletzte eingeklemmt, akut bedroht und in angemessener Zeit nicht befreibar, so erfolgt im äußersten Fall eine Notamputation durch den anwesenden Notarzt. Abhängig von der Situation des Verletzten werden zudem Maßnahmen zur Stabilisierung der Vitalfunktionen ergriffen (stabile Seitenlage bei Bewusstlosigkeit, die Beatmung bei Atemstillstand bzw. Wiederbelebungsmaßnahmen bei einem Herz-Kreislaufstillstand) durchgeführt. Daneben wird ein eventuell auftretender Schockzustand entsprechend behandelt und eine angemessene Schmerztherapie mit hochpotenten Schmerzmitteln durchgeführt.

Zur Sicherung des abgetrennten Körperteils, des Amputats, erfolgt durch den Ersthelfer eine provisorische Lagerung in keimfreien Materialien wie Verbänden. Um eine eventuelle unfallchirurgische Rekonstruktion der Verletzung zu begünstigen, ist neben der keimfreien und trockenen Lagerung auch ein möglichst kühler Transport notwendig. Das eingewickelte Amputat wird dazu in einen sauberen Plastikbeutel gesteckt, welcher nach Verschluss in einem zweiten mit kaltem Wasser bzw. Eis gefüllten Beutel fixiert wird. Dabei ist darauf zu achten, dass das Amputat nicht mit Eis in Berührung kommt, um Erfrierungen und damit verbundene Gewebeschäden zu vermeiden. Nach Übergabe des Amputats erfolgt dessen Säuberung im Krankenhaus. Das Amputat sollte von dem Ersthelfer selbst nicht gereinigt werden, da er durch unsachgemäße Behandlung weitergehende Verletzungen verursachen kann, die eine Rekonstruktion unmöglich machen.

Bei einer subtotalen Amputation einer Extremität sollte die bestehende Hautbrücke nicht abgetrennt werden, da sie eine minimale Blutversorgung gewährleisten kann.[8]

Amputation als Strafe

In vielen Kulturen und Epochen wurden Amputationen als verschärfte Form der Körperstrafe durchgeführt, so. z. B. im christlichen Europa des Mittelalters (Abhacken der Hände als Strafe für schweren Diebstahl).

Im islamischen Recht

Fotografie von 1898, die einen Mann aus Sudan zeigt, an dem eine kreuzweise Amputation durchgeführt wurde.

Im islamischen Recht gibt es einzelne Straftatbestände, die im Rahmen der Hadd-Strafen mit Amputation bestraft werden. So soll zum Beispiel männlichen und weiblichen Dieben nach dem Koran (Sure 5:38) "als Ausgleich für das, was sie begangen haben, und als Warnung vor Gott" die Hand abgeschnitten werden. Das kreuzweise Abschneiden von Hand und Fuß wird im Koran (Sure 5:33) als mögliche Strafe für die Bekämpfung Gottes und seines Gesandten sowie für Straßenraub genannt. Der Vollzug derartiger Strafen wurde allerdings in der islamischen Jurisprudenz an strenge Voraussetzungen geknüpft. So muss zum Beispiel ein Diebstahl (sariqa), der eine derartige Strafe nach sich ziehen soll, heimlich geschehen sein, das Diebesgut einen bestimmten Mindestwert (niṣāb) haben, der Dieb darf keinen Eigentum daran haben und er muss es aus einem Gewahrsam (ḥirz) weggenommen haben.[9] Die Amputation darf außerdem nur von staatlichen Autoritäten vollzogen werden.[10]

In der Realität kam es schon in der frühen Neuzeit in den meisten islamischen Ländern nur noch sehr selten zu solchen Strafamputationen.[11] Gelegentlich wurden kreuzweise Amputationen allerdings als Strafe für Spione eingesetzt, wie zum Beispiel Ende des 19. Jahrhunderts im sudanesischen Mahdi-Reich (siehe Abbildung). Zwischen dem späten 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert wurden die Hadd-Strafen in fast allen islamischen Ländern abgeschafft. Saudi-Arabien ist das einzige islamische Land, in der die Anwendung der Amputationsstrafe bis heute nie unterbrochen wurde. Allerdings sind hier gerichtliche Amputationen relativ selten. Zwischen 1981 und 1992 gab es insgesamt 45 Fälle.[12]

Im Zuge der Reislamisierung wurde nach 1972 in verschiedenen Staaten das islamische Strafrecht kodifiziert und in diesem Rahmen die Amputation als Strafe für Diebstahl wieder eingeführt. Beispiele hierfür sind Libyen, Pakistan, Iran,[13] Sudan und das nördliche Nigeria.[14] In Sudan kam es hierbei zu einer bedenklichen Ausweitung des mit Amputation belegten Straftatbestands. So wurden im Sudanesischen Strafgesetz von 1983 in Artikel 320 die Heimlichkeit und die Wegnahme aus einem Gewahrsam als Voraussetzungen für Diebstahl fallengelassen.[15] Auch wurde hier die Durchsetzung der Amputationsstrafe mit großer Energie durchgesetzt. Allein in der Zeit vom September 1983 bis zum Fall des Numeiri-Regimes im April 1985 wurden 96 bis 120 Amputationen vorgenommen.[16] Zwar setzte danach die Regierung die Amputationen aus, doch wurden nach dem Putsch von 1989 erneut Amputationsstrafen vollzogen und Henker zur Ausbildung nach Saudi-Arabien entsandt.[17] Noch im Januar 2001 wurde an fünf Männern wegen Straßenraubs die Kreuzamputation vorgenommen.[18]

Bei der japanischen Mafia

Bei der japanischen Mafia kann ein Mitglied grobes Versagen durch Selbstamputation eines einzelnen Fingerglieds wiedergutmachen.

Geschichte der Amputationschirurgie

Amputation in einem Lehrbuch aus dem 18. Jahrhundert

Schon in der Altsteinzeit wurden chirurgische Eingriffe vorgenommen, welche Patienten überlebten. Diese Kunst war nicht nur auf Homo sapiens beschränkt: Ein etwa 50.000 Jahre alter Skelettfund eines männlichen Neandertalers in einer Höhle im Irak belegt eine saubere Abtrennung eines Unterarms.[19] Spätere erfolgreiche Amputationen z. B. aus dem französischen Buthiers-Boulancourt der Jungsteinzeit (um 4900 vor Chr.) belegen die erfolgreiche Abtrennung des linken Unterarms eines älteren Mannes. Weitere Nachweise neolithischer Amputationen gibt es aus Deutschland und der Tschechischen Republik.[20] Bereits vor 3000 Jahren wurden auch in Ägypten Amputationen vorgenommen. Forscher entdeckten jedoch auch schon auf Höhlenmalereien Darstellungen von Amputationen von Fingern. Diese Bilder stammen aus der Mittelsteinzeit (8000−6000 v. Chr.). Unbekannt ist, ob die Amputationen aus medizinischen oder rituellen Gründen stattfanden.

Der Wundarzt Hans von Gersdorff beschrieb in seinem 1517 erschienenen „Feldbuch der Wundarzney“ erstmals das Tourniquet-Abbindesystem und die Kauterisation zur Blutungskontrolle, der französische Chirurg Ambroise Paré führte Mitte des 16. Jahrhunderts wieder Arterienligaturen in der Amputationschirurgie ein, wie sie vorher schon von Hippokrates von Kos beschrieben wurden.[21]. Paré beschrieb auch als erster Phantomschmerzen.

Die erste erfolgreiche Mittelfuß-Amputation in Höhe der Tarsometatarsalgelenke erfolgte 1815 durch den französischen Chirurgen Jacques Lisfranc, nach dem diese Amputationshöhe und zugleich die Gelenklinie weiterhin bezeichnet wird. Die erste Exartikulation am oberen Sprunggelenk führte der schottische Chirurg James Syme 1842 durch, während der russische Chirurg Nikolai Iwanowitsch Pirogow bei der Pirogoff-Amputation das Fersenbein erhielt und mit dem Schienbein unter Resektion der Sprunggelenke fusionierte. Beide erhielten aber die endbelastungsfähige Fersenhaut. Auf den Versuch des italienischen Chirurgen Giuliano Vanghetti, Muskeln direkt an die Prothese anzuheften, geht die spätere Entwicklung besonders durch Ferdinand Sauerbruch zurück, der Muskelkanäle zur Steuerung kineplastischer Prothesen gebildet hat.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Myoplastie durch R. Dederich eingeführt und durch E. Burgess populär. Dabei werden die Muskellappen über dem Knochenstumpf miteinander vernäht, um eine belastungsfähige Stumpfspitze zu bekommen. Später empfahl M. Weiss zusätzlich die Myodese, bei der die Muskeln auch direkt im Knochen verankert werden.

Die transtibiale Amputation entwickelte sich in den 1960er Jahren dank Myoplastie und langem posterioren Muskellappen besonders in der Technik nach E. Burgess zu einem sicheren und erfolgreichen Verfahren, so dass sie die bis in die 1970er Jahre standardmäßige transfemorale Amputation bei Gefäßerkrankungen als neuen Standard ablöste, mit entsprechendem Gewinn für die Patienten durch Erhalt eines aktive Kniegelenkes.

Kongenitale Amputation

Von kongenitaler Amputation spricht man, wenn sich während einer Schwangerschaft durch Einreißen des Amnion Proteinbänder bilden, die fötale Körperglieder abschnüren, sodass bei der Geburt ganze Körperglieder fehlen, die jedoch ursprünglich angelegt waren. Es ist die Extremform des Amniotisches-Band-Syndroms.

Angeborenes Fehlen einer Extremität oder eines Teils wird auch als Dysmelie bezeichnet.

Literatur

  • Lucas, Scott C. (2007): Abu Bakr ibn al-Mundhir, Amputation, and the Art of Ijtihād. In: International Journal of Middle East Studies 39 (3), S. 351–368.

Weblinks

 Commons: Amputationen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • S2-Leitlinie: Die amputationsbedrohte Extremität, AWMF-Registernummer 004/027 (online: Volltext), Stand 08/2008.
Wikibooks Wikibooks: Erste Hilfe bei Amputation – Lern- und Lehrmaterialien

Belege

  1. Die amputationsbedrohte Extremität – Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, AWMF Online 2008
  2. G. Heller, C. Günster, E. Swart: Über die Häufigkeit von Amputationen unterer Extremitäten in Deutschland. in: DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005 Jul 15;130(28-29):1689-90 PMID 16003603
  3. Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V., 24. September 2008
  4. 4,5 Millionen Menschen haben PAVK, Ärzte Zeitung, 24. September 2008
  5. R. Baumgartner, P. Botta: Amputation und Prothesenversorgung der oberen Extremität. Enke-Verlag Stuttgart 1997. ISBN 3-432-27281-2
  6. Benjamin C. Taylor, Attila Poka, Bruce G. French, T. Ty Fowler, Sanjay Mehta: Gritti-Stokes amputations in the trauma patient – clinical comparisons as and subjective outcomes. Journal of Bone and Joint Surgery (Am) 4. April 2012, Band 94 (Am), Seiten 602–608
  7. C. J. Tucker, J. M. Wilken, P. D. Stinner, K. L. Kirk: A comparison of limb-socket kinematics of bone-bridging and non-bone-bridging wartime transtibial amputations. Journal of Joint and Bone Surgery 2012, Band 94-Am, Ausgabe 10, Seiten 924 - 930
  8. Kersten Enke (Hrsg.): LPN 3. 2., überarb. Auflage. Stumpf und Kossendey, Edewecht 2000, S. 132f., ISBN 3-932750-42-X.
  9. Vgl. G. Bergsträsser: Grundzüge des islamischen Rechts. Bearbeitet u herausgegeben von J. Schacht. Berlin/Leipzig 1935. S. 100f.
  10. Vgl. Rudolph Peters: Crime and Punishment in Islamic Law. Theory and Practice from the Sixteenth to the Twenty-first Century. Cambridge: Cambridge University Press 2005. S. 31.
  11. Vgl. Peters 92f.
  12. Vgl. Peters 150.
  13. Bruce Pannier: „Iran: Criminals Lose Hands And Feet As Shari'a Law Imposed“, Radio Free Europe, 7. Januar 2008.
  14. Sam Olukoya: Eyewitness: Nigeria's Sharia amputees, BBC News, 19. Dezember 2002, und David Bamford: Hand amputation in Nigeria, BBC News, 7. Juli 2001.
  15. Vgl. Peters 166.
  16. Vgl. Peters 167.
  17. Vgl. Peters 168.
  18. Vgl. Peters 169.
  19. Manfred Reitz: Steinzeitchirurgie. Pharm.Ind. 73, Nr. 10, 1755-1757 (2011)
  20. Evidence of Stone Age amputation forces rethink over history of surgery in The Times vom 25. Januar 2010 (englisch, abgerufen am 29. Juni 2011)
  21. Bella J. May: Amputations and prosthetics. A case study approach (2. Auflage), F. A. Davis Company, Philadelphia, USA 2002 (ISBN 978-0-8036-0839-9)

Siehe auch

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