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Arthur Ruppin
Arthur Ruppin (geboren 1. März 1876 in Rawitsch bei Posen; gestorben 1. Januar 1943 in Jerusalem) war jüdischer Soziologe, Zionist und einer der Wegbereiter der Gründung der Stadt Tel Aviv (Ahuzat Bajit). Häufig wird er der Vater der zionistischen Siedlungsbewegung genannt.
Leben
Ab 1886 lebte Ruppin mit seiner Familie in Magdeburg, wo er seine Jugendjahre verbrachte. Seine Eltern betrieben einen Kleinwarenhandel. Ruppin besuchte zunächst das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium, musste dies jedoch aus wirtschaftlichen Gründen vorzeitig verlassen. 1896 legte er sein Abitur am Domgymnasium als extraneus ab. Er studierte dann Volkswirtschaftslehre und Jura in Berlin und Halle. 1903 und 1904 war er als Referendar zunächst bei der Staatsanwaltschaft und später am Landgericht Magdeburg tätig. In dieser Zeit begründete er einen jüdischen Referendarstammtisch, der sich regelmäßig in Magdeburg im Café Dom traf. Zu diesem Kreis gehörten auch der später in Berlin als Rechtsanwalt tätige Michael Meyer und Ernst Merzbach. 1903 erhielt Ruppin den renommierten Haeckel-Preis für seine Arbeit Darwinismus und Sozialwissenschaft. Noch in Magdeburg schrieb er an dem Buch Die Juden der Gegenwart. Von 1904 bis 1907 übernahm er die Leitung des von ihm gegründeten „Bureaus für Statistik der Juden“ in Berlin und gab auch dessen Zeitschrift heraus.
1908 wanderte Ruppin in Palästina ein. Er übernahm die Leitung des neu geschaffenen Palästinaamtes, der offiziellen Vertretung der Zionistischen Weltorganisation, in Jafo (Eröffnung am 1. April 1908); ihm zur Seite als Stellvertreter stand Jacob Thon (Ja'acov Tahun, יעקב טהון). Auf Ruppins Unterstützung geht unter anderem die Gründung der Stadt Tel Aviv zurück. Er gehörte zu den Befürwortern eines praktischen Zionismus und strebte eine jüdische Besiedlung Palästinas an. 1920 gewann Ruppin den Frankfurter Architekten Richard Kauffmann für die Leitung des Planungsbüros der Zentralstelle für Besiedlungsangelegenheiten beim Palästinaamt, der den nördlichen Ausbau Tel Avivs und viele ländliche Siedlungen projektierte.[1] 1925 war er Mitbegründer des Friedensbundes Brit Shalom, der an Juden und Araber appellierte, ihre nationalen Bestrebungen aufzugeben und ein binationales Gemeinwesen vorschlug, änderte aber nach dem Massaker von Hebron (1929) seine Meinung, verließ Brit Shalom und forderte einen einzigen jüdischen Staat.
An der Hebräischen Universität Jerusalem übernahm er 1926 den Lehrstuhl für „Soziologie des Jahrhunderts“. In seinen soziologischen Arbeiten versuchte Ruppin, auf der Grundlage demografischer und empirisch-soziologischer Methoden antisemitische Vorurteile von einer jüdischen Dominanz bestimmter Berufszweige zu widerlegen. Er zeigte sich Gedanken der Eugenik gegenüber aufgeschlossen, forderte für die neue Besiedlung Palästinas eine „Auslese des Menschenmaterials“ und traf noch im August 1933, also nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland, mit Hans F. K. Günther in Jena zusammen.[2] Die Anzusiedelnden sollten von besonderer „körperlicher, beruflicher und moralischer Beschaffenheit“ sein. Er beteiligt sich auch intensiv an der Entwicklung neuer Formen des sozialen Zusammenlebens, so insbesondere der Kibbuzbewegung.
Ruppin gilt als Begründer der Soziologie der Juden. Sein Wirken ist jedoch umstritten. Seine Äußerungen zur Eugenik trugen ihm den Vorwurf des Rassismus ein. Sein zuvor erwähntes Zusammentreffen mit dem Rassenideologen Günther ist Gegenstand von Dani Gals Film White City, „in dem der Künstler Berührungspunkte im Denken von Zionisten und Nationalsozialisten nachvollziehbar macht“. Was bei dieser Begegnung gesprochen wurde, „hat Gal aus Tagebucheinträgen Ruppins konstruiert“.[3]
Ehrungen
Die Stadt Magdeburg hat die Arthur-Ruppin-Straße nach ihm benannt. Sie beschreibt die Südflanke der Grünen Zitadelle von Magdeburg, des letzten und größten Baukunstwerks des Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Die Arthur-Ruppin-Straße mündet in die Haupteinkaufs-Straße „Breiter Weg“ an der Stelle ein, an der vor dem Zweiten Weltkrieg das Haus der Familie Ruppin gestanden haben soll.
Die Stadt Haifa stiftete ihm zu Ehren einen Staatspreis (Ruppin-Preis). Preisträger waren u. a. 1949 die Schriftstellerin und Übersetzerin Leah Goldberg und 1952 der Philosoph, Zionist und Kafka-Freund Felix Weltsch.
Ihm zu Ehren trägt ein Kibbutz in Nord-Israel den Namen Kfar Ruppin.
Werke (Auswahl)
- 1903 Darwinismus und Sozialwissenschaft
- 1904 Die Juden der Gegenwart
- 1916 Syrien als Wirtschaftsgebiet. In: Der Tropenpflanzer; Beiheft 3/5. 1916. Berlin 1916, S. 179 - 555 (Digitale Sammlung Judaica der Universität Frankfurt).
- 1930/1931 Soziologie der Juden. Jüdischer Verlag, Berlin
- Bd. 1. Die soziale Struktur der Juden. Nach Vorlesungen an d. Hebräischen Universität Jerusalem, 1930
- Bd. 2. Der Kampf der Juden um ihre Zukunft. Nach Vorlesgn an d. Hebräischen Univ.-Jerusalem. 1931
- Dreißig Jahre Aufbau in Palästina. Schocken Verlag (Berlin). 1937. Abgerufen am 26. Dezember 2016.
- Verzeichnis der in den Digitalen Sammlungen der Universitätsbibliothek Frankfurt zugänglichen Schriften von Arthur Ruppin
- 1945 Erinnerungen. Hgg. von Schlomo Krolik, Tel Aviv.
- 1985 Briefe, Tagebücher, Erinnerungen – eine Veröffentlichung des Leo-Baeck-Instituts. Schlomo Krolik Hrsg., Nachwort von Alex Bein, Jüdischer Verlag Athenäum, Königstein im Taunus 1985, ISBN 3-7610-0368-4.
- Memoires, Diaries, Letters. Übersetzung ins Englische Karen Gershon. Einleitung Alexander Bein. London : Weidenfeld & Nicholson, 1971
Literatur
- Etan Bloom: The „Administrative Knight“ – Arthur Ruppin and the Rise of Zionist Statistics. In: The Tel Aviv University Year Book for German History. Jg. 35, 2007, S. 183–203.
- Etan Bloom: What „The Father“ had in Mind, Arthur Ruppin (1876–1943), Cultural Identity, Weltanschauung and Action. In: The Journal for History of European Ideas. Jg. 33, Heft 3, 2007, S. 330–349
- Baruch Kimmerling: Ruppin, Arthur. In: Wilhelm Bernsdorf/Horst Knospe (Hrsg.): Internationales Soziologenlexikon. Bd. 1, Enke, Stuttgart ²1980, S. 363 f.
- Thomas Kluger: Ruppin, Arthur. In: Guido Heinrich, Gunter Schandera (Hrsg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert. Biographisches Lexikon für die Landeshauptstadt Magdeburg und die Landkreise Bördekreis, Jerichower Land, Ohrekreis und Schönebeck. Scriptum, Magdeburg 2002, ISBN 3-933046-49-1.
- Ita Heinze-Greenberg: Europa in Palästina. Die Architekten des zionistischen Projekts 1902–1923. gta Verlag, Zürich 2012, ISBN 978-3-85676-230-8.
- Ruppin, Arthur. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 18: Phil–Samu. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. De Gruyter, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-598-22698-4, S. 426–432.
- Ina Susanne Lorenz: Ruppin, Arthur. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 281 f. (Onlinefassung).
- Amos Morris-Reich: Palästina-Amt. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 4: Ly–Po. Metzler, Stuttgart/Weimar 2013, ISBN 978-3-476-02504-3, S. 478–482.
Weblinks
- Literatur von und über Arthur Ruppin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- The Central Zionist Archives Jerusalem, Archivalien zu Arthur Ruppin: S55, Personal papers A107
Einzelnachweise
- ↑ Myra Warhaftig: Sie legten den Grundstein. Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina 1918–1948. Berlin und Tübingen: Wasmuth, 1996, S. 42. ISBN 3-8030-0171-4
- ↑ Shlomo Sand: Die Erfindung des jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand. Berlin: Propyläen, 2011, ISBN 978-3-549-07376-6, S. 388 Fn. 489
- ↑ Carmela Thiele: Revision der Moderne: ‚Weissenhof City – Von Geschichte und Gegenwart der Zukunft einer Stadt‘. In: Die Tageszeitung, 12. August 2019, S. 16. Der Film ist Teil einer laufenden Ausstellung über die Weißenhofsiedlung in der Staatsgalerie Stuttgart, über die Carmela Thiele berichtet.
Personendaten | |
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NAME | Ruppin, Arthur |
KURZBESCHREIBUNG | jüdischer Soziologe, Zionist und Wegbereiter der Gründung der Stadt Tel Aviv |
GEBURTSDATUM | 1. März 1876 |
GEBURTSORT | Rawitsch bei Posen |
STERBEDATUM | 1. Januar 1943 |
STERBEORT | Jerusalem |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Arthur Ruppin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |