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Beinhaus
Das Beinhaus, neulateinisch das Ossuarium (von os, Knochen), ist ein überdachter Raum, in dem sich Gebeine von Toten befinden. Der Begriff Karner, auch Gerner, bezeichnet eine Friedhofskapelle, die auch Beinhaus ist.
Herkunft und Baukunde
Im Judentum werden auch Knochenkästen aus Stein als Ossuarien bezeichnet. Nachdem der Leichnam verwest war, wurden die zurückbleibenden Knochen gereinigt und in Ossuarien gelegt. Diese wurden zur Zeit des oberirdischen Begräbnisverbots in der Zeit bis ca. 1200 überwiegend in unterirdischen Katakomben aufgestellt, spielen jedoch seit dem Beginn der Erdbestattungen in dieser Religion keine Rolle mehr.
Die Anlage von Ossuarien hat verschiedene Gründe. Teils handelt es sich um Sammelstellen für die Gebeine aus Friedhöfen, auf denen Platz für weitere Bestattungen geschaffen werden musste, wozu bereits belegte Grabfelder neu belegt wurden (Umbettung der Gebeine) (Beispiel: Sant’Ariano in der Lagune von Venedig). Ein Zuwachs in der europäischen Bevölkerung machte die Einführung der Beinhäuser im 11. und 12. Jahrhundert notwendig. Es war nicht eine Änderung im theologischen Denken des Christentums, sondern "allein durch praktische Erfordernisse war dieser einschneidende Schritt notwendig geworden."[1]
Vielfach findet man das Beinhaus in Verbindung mit einer Friedhofskapelle. Speziell in dieser Form wird das Beinhaus auch als Karner oder Gerner bezeichnet, dem im österreichischen Raum sowie auch in Bayern üblichen Ausdruck. Dort gibt es bedeutende Beinhäuser aus dem 12. Jahrhundert in Hartberg und Mistelbach sowie eines aus dem 13. Jahrhundert in Tulln oder die Magdalenenkapelle Hall in Tirol.
In Lothringen gibt es Beinhäuser beispielsweise in einer zum Friedhof offenen Krypta unter der Kirche von Vintrange und in Schorbach im Bitscher Land in einem Haus mit offenen, romanisch wirkenden Säulenarkaden vor dem Westportal der Kirche.
Häufig sind christliche Beinhäuser dem Erzengel Michael geweiht. Sie können zweistöckig erbaut oder auch später aufgestockt worden sein. Im oberen Raum befindet sich häufig eine Kapelle.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert kamen Beinhäuser immer mehr aus der Mode. Viele wurden abgebrochen oder zweckentfremdet, einige als Gedenkstätten für Kriegsgefallene, als Leichenhallen oder Lagerschuppen umgenutzt. In manchen in der Stadt liegenden Klöstern ist wegen des knappen Raumes die Funktion der Beinhäuser erhalten geblieben.
In vielen Gegenden Griechenlands findet man noch Beinhäuser auf den Friedhöfen. Dort werden die Gebeine nach einer regional unterschiedlichen Zeit (20 bis 40 Jahre) in einem kirchlichen Ritus exhumiert und in das Beinhaus verbracht, um Platz für neue Bestattungsstellen zu machen.
Beispiele
Österreich
Karner, Beinhaus
- Niederösterreich: Bad Deutsch-Altenburg, Burgschleinitz, Eggenburg, Friedersbach, Hainburg, Mistelbach, Mödling, Pottenstein (Doppelkarner), Pulkau, Tulln an der Donau, Wiener Neustadt, Zwettl
- Oberösterreich: Enns, Hallstatt (mit der größten Schädelsammlung Europas[2]), Mauthausen
- Kärnten: In Kärnten sind etwa 50 Karner erhalten.[3] Ossiach, Friesach, Maria Saal, Metnitz, Moosburg, Rechberg, Villach
- Salzburg: Hallein
- Steiermark: Hartberg, Sankt Lambrecht
- Vorarlberg: Ludesch
- Tirol: Elbigenalp im Lechtal in der Martins- bzw. Magdalenenkapelle,
Deutschland
Vorherrschend Beinhaus
- Baden-Württemberg: St. Georg in Gutach-Bleibach,
- Bayern (Beinhäuser und Karner): Allersburg, Altomünster, Arresting, Baldersheim (Aub), Breitenbrunn, Beratzhausen, Chammünster, Dingolfing, Marzoll, Perschen, Rottendorf, Roding: Josephikapelle mit Annakapelle, Sinzing, Großschönbrunn · Greding, Geltendorf-Walleshausen, Hemau, Landsberg am Lech, Pfaffenhofen bei Kastl, Rain, Staubing bei Weltenburg, Schorndorf, Reicholzried, Waischenfeld
- Hamburg: Unter dem Altar der St.-Josephs-Kirche
- Hessen: Beinhaus neben der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien in Marburg, Michaeliskapelle in Wetzlar, St. Michael neben der Pfarrkirche (Kapellenkarner) in Kiedrich, Michaelskirche in Fulda (Krypta ursprünglich als Beinhaus verwendet), Limburg an der Lahn, St. Michael (heute Wohnung), Untergeschoss der Michaelskapelle an der Stiftskirche in Limburg-Dietkirchen, Untergeschoss der Michaelskapelle in Butzbach, Beinhaus (Alsfeld)
- Rheinland-Pfalz: Michaelskapelle in Alken an der Mosel (noch gefüllt), Michaelskapelle neben der Liebfrauenkirche in Koblenz (umgebaut), Katharinenkirche in Oppenheim, Karden an der Mosel, bei der kath. Kirche St. Ulrich am Marktplatz von Deidesheim, unter der kath. Kirche St. Peter und Paul in Westhofen
- Als Variante sind am Mittelrhein kleinere romanische Kirchen zu beobachten, deren Altarraum erhöht wurde, um darunter einen Raum zu schaffen, der wahrscheinlich als Beinhaus Verwendung fand. Nachzuweisen ist diese Form in der alten Kirche St. Servatius in Koblenz-Güls, in St. Laurentius in Koblenz-Moselweiß (Raum im Barock entfernt) und in St. Johannis in Niederlahnstein (Raum rekonstruiert).
- Mecklenburg-Vorpommern: Beinhaus (Bad Doberan), Kloster Doberan (frühgotisches Beinhaus)
- Nordrhein-Westfalen: St. Ursula (Goldene Kammer)
Schweiz
Beinhaus
- Graubünden: Kirche St. Peter Mistail in Alvaschein, Falera, Poschiavo
- Schweizer Mittelland: Gränichen, St. Jakob an der Birs in Basel, Beinhaus bei der Wehrkirche St. Arbogast in Muttenz, Deitingen, Rümlingen
- Ostschweiz: Liebfrauenkapelle bei der Stadtpfarrkirche St. Johann in Rapperswil SG (zweistöckiger gotischer Bau mit Kapelle), St. Peter und Paul auf der Insel Ufenau, Ritterhaus Bubikon, Bubikon ZH
- Romandie: Montreux
- Tessin: Coglio, Gordevio
- Wallis: Leuk, Naters
- Zentralschweiz: Baar ZG, Emmetten, Ettiswil, Hasle LU, Schlachtkapelle Sempach, Steinen (Kanton Schwyz), Wolhusen, Zug (Stadt)
Südtirol
Karner, Beinhaus bzw. Ossario
- St. Johann im Ahrntal, Sand in Taufers
Frankreich
Ossuaire
- Elsass: Dambach-la-Ville Kapelle St. Sebastian mit Beinhaus, Margaretenkapelle Epfig (einfacher Bau des 11. Jh. Ein Karner an der Nordseite bildet die Verlängerung der Vorhalle. im Okulus datiert 1601)
- Île-de-France: Beinhaus der Pfarrkirche Saint-Séverin, Beinhaus des Père-Lachaise Friedhofes, Beinhaus der Katakomben
- Lothringen: Ossuaire de Douaumont bei Verdun, Marville, Vintrange, romanisches Beinhaus von Schorbach (Mitte 12. Jahrhundert)
- Normandie: Rouen, Pestbeinhaus
Italien
Ossario
- Insel Sant’Ariano in der Lagune von Venedig.
Griechenland
Portugal
- Igreja Matriz in Alcantarilha
- Igreja de São Francisco in Évora
- Igreja do Carmo in Faro
Tschechien
- Sedletz-Ossarium in Kutná Hora
- Beinhaus in Mělník
- Beinhaus in Sankt Maurenzen
Bulgarien
- Beinhaus in Balgarowo
- Beinhaus in Batak
- Beinhaus im Schipkadenkmal
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Reiner Sörries, Der mittelalterliche Friedhof, in: Norbert Fischer (Hg.), Raum für Tote. Die Geschichte der Friedhöfe von den Gräberstraßen der Römerzeit bis zur anonymen Bestattung, ISBN 978-3-87815-174-6, S. 38.
- ↑ Eintrag über Das Beinhaus von Hallstatt im: Austria-Forum, dem österreichischen Wissensnetz - online (im Heimatlexikon) abgerufen am 4. Januar 2011
- ↑ Ilse Spielvogel-Bodo: Der Ossiacher See zwischen gestern und heute. Geschichte, Kunst, Landeskunde. 2. Auflage, Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft, Klagenfurt 1998, ISBN 3-85391-149-8, S. 51.
Literatur
- Wolfgang Westerhoff: Karner in Österreich und Südtirol. Niederösterr. Pressehaus, St. Pölten-Wien 1989. ISBN 3-85326-891-9
- Reiner Sörries: Zur Architekturgeschichte der Karner in Kärnten. In: Friedhof und Denkmal. Jahrgang 38, 2/1993 Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. Kassel S.25-37
- Jörg Scheidt: Das Beinhaus von Oppenheim. In: Oppenheimer Hefte 40, Oppenheim 2011 S.17-41
Weblinks
Einzelne Karner:
- Hartberg, Österreich
- Kutná Hora, Tschechische Republik
- Naters, Schweiz
- Schorbach, Frankreich (französisch)
- Waischenfeld (Oberpf.), Deutschland
- Das Beinhaus von Leuk
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Beinhaus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |