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Galgen
Ein Galgen (indogerm.*ghalg - Stange; germ. *galgan; angelsächs. *gealga; althochd. *galgo) ist eine Vorrichtung zur Tötung eines Menschen mittels eines um den Hals geschlungenen Seils, an dem der zu Tötende aufgehängt wurde, in der Regel durch einen Henker. Neben dieser Funktion als Strafvollstreckungswerkzeug steht die Bedeutung des Galgens als Rechtssymbol, das seit dem Spätmittelalter das Recht eines Herrschaftsträgers versinnbildlicht, die Hochgerichtsbarkeit auszuüben.
Der Galgen besteht aus zwei aufrecht stehenden Pfosten und einem Querholz darüber, bisweilen auch aus drei Pfosten mit Querhölzern oder aus einem Pfosten, in den ein Querholz rechtwinkelig eingelassen ist. Hier unterscheidet man zwischen
- Kniegalgen,
- Schnellgalgen,
- Soldatengalgen und
- Wippgalgen.
Die Galgen befanden sich früher meist außerhalb der bewohnten Orte auf hohen Punkten (Galgenberg). Personen, die mit der Errichtung oder Ausbesserung eines Galgens beauftragt waren, galten ob dieser Tätigkeit als anrüchig. Deshalb versammelten sich vielerorts alle beteiligten Zünfte jenes Distrikts, für den der Galgen errichtet werden sollte. Der Richter reichte dann den ersten Stein für den Unterbau und behaute das zum Galgen bestimmte Holz, worauf alle Gewerke zusammen die Arbeit vollendeten. Manchmal wurden auch einzelne Personen durch das Los bestimmt.
Galgen, die mit einer kreisförmigen Untermauerung versehen waren, auf der die Pfeiler mit den Querbalken standen, hießen Hochgericht. Sie galten zugleich als das Wahrzeichen der „hochnotpeinlichen Gerichtsbarkeit“ des betreffenden Gerichtsherrn. Die Exekution wurde so vollzogen, dass der Verurteilte mit dem Henker auf einer Leiter zu einem der Querhölzer emporsteigen musste, um an letzterem aufgeknüpft, dann aber durch Wegziehen der Leiter getötet zu werden.
Hinrichtungsart
Im Strafvollzug wird mit Galgen die Vorrichtung zur Hinrichtung durch Erhängen (Tod durch den Strang) bezeichnet.
Dem Hinrichtungsopfer wird eine Schlinge um den Hals gelegt und anschließend der Boden unter den Füßen entzogen, so dass sein Hals sein gesamtes Eigengewicht trägt. Es stirbt infolge des Drucks, den der Strang beim Fall des Körpers bewirkt. Bewusstlosigkeit und Tod des Opfers werden verursacht durch
- Abschnürung der Blutversorgung des Gehirns bzw.
- Verletzung der (Hals-)Wirbelsäule bzw.
- Genickbruch
- Versperren der Atemwege (Ersticken).
- Enthauptung (Dekapitation) aufgrund zu großer Falltiefe.
Zeitpunkt der Ohnmacht und des Todeseintritts hängen dabei vom verwendeten Knoten und der Falltiefe des Opfers ab.
Geschichte
Das Erhängen gehört zu den ältesten Hinrichtungsarten. In früherer Zeit erfolgte die Tötung meist an Bäumen, wegen ihrer Stabilität oft an Eichen. In vielen Gegenden sind heute noch entsprechende Henker- oder Gerichtseichen bzw. -bäume bekannt.
Galgen im eigentlichen Sinn – also für das Hängen errichtete Gerüste – finden sich in Mitteleuropa seit der Regierungszeit Karls des Großen. Alte Flurnamen entstammen teilweise dieser Zeit und erlauben Rückschlüsse auf frühere Standorte von Galgen. Der heute noch vorhandene Beerfelder Galgen im Odenwald (siehe Foto) gilt als der am besten erhaltene Deutschlands. Ein weiterer sehr gut erhaltener Galgen ist auf der ehemaligen Hinrichtungsstätte des Hochgerichts Steinheim (Hanau-Steinheim) zu sehen. Die erste urkundliche Erwähnung war 1579 und die letzte bekannte Hinrichtung fand im 18. Jahrhundert statt. In Burglengenfeld in der Oberpfalz ist noch der gesamte steinerne Rundbau des Galgens erhalten. Es fehlen lediglich die (vermutlich) aufgemauerten Steinsäulen und die Verbindungsbalken.
In Österreich existieren noch mehrere, teilweise sehr gut erhaltene, ehemalige Galgen. Als am besten erhalten kann jener in Kirchberg am Walde gelten.
Hinrichtungen am Galgen nahmen seit dem Mittelalter immer mehr den Charakter öffentlicher Schauspiele an, da sie meist vor vielen Zuschauern vollzogen wurden. Damals konnte bereits Diebstahl mit dieser Hinrichtungsart geahndet werden.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts bemühte man sich in Großbritannien, den Eintritt von Bewusstlosigkeit und Tod beim Erhängen zu beschleunigen. Dazu führte man den „langen Fall“ (engl. long drop) ein: Der jeweilige Todeskandidat wurde gefesselt und mit der Schlinge um den Hals auf eine Falltür gestellt. Wurde sie geöffnet, so stoppte der Strick abrupt den anschließenden Sturz in die Tiefe, was eine tödliche Verletzung der Halswirbelsäule („Genickbruch“) herbeiführen sollte. Die notwendige Fallhöhe wurde zuvor in Abhängigkeit vom Gewicht des Opfers errechnet. Noch heute werden in manchen Ländern Hinrichtungen in dieser Weise vollzogen, so auch in einigen ehemaligen britischen Kolonien.
In den USA wandte man ebenfalls den „langen Fall“ an. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dort jedoch vermehrt alternative Hinrichtungsarten angewendet (siehe Gaskammer und Elektrischer Stuhl). Seit 1976, dem Jahr der Wiedereinführung der Todesstrafe, wurden dort drei verurteilte Mörder gehängt.
In Großbritannien erfolgten Hinrichtungen am Galgen bis 1964. In diesem Jahr wurde dort die Todesstrafe ausgesetzt und später abgeschafft.
Im Deutschen Reich waren Todesurteile gegen Zivilisten lange Zeit ausschließlich durch Enthauptung vollstreckt worden, bis ein Reichsgesetz von 1933 wieder Hinrichtungen am Galgen als weitere Exekutionsart erlaubte (siehe Weblink). In der Folge wurden von 1942 bis 1945 zahlreiche Verurteilte erhängt, unter ihnen viele Widerstandskämpfer gegen die Hitler-Diktatur. Dabei wurde jedoch kein Galgen mit Falltür verwendet; die Opfer starben durch Strangulierung. Ein berüchtigtes Gefängnis, in dem Verurteilte auch am Galgen sterben mussten, war die Hinrichtungsstätte Plötzensee.
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges gab es auf deutscher Seite zahlreiche Endphaseverbrechen: Standgerichte verhängten für Delikte wie Fahnenflucht oder Wehrkraftzersetzung drakonische Strafen, darunter oft die Todesstrafe. Diese wurde oft mittels Erhängen vollstreckt; die Vollstrecker ließen die Ermordeten oft im öffentlichen Raum hängen und hängten ihnen Schilder um mit Sätzen wie "Ich bin desertiert".
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs endeten einige Kriegsverbrecher aus der Zeit des Nationalsozialismus am Galgen, darunter Verurteilte aus den Nürnberger Prozessen.
In Österreich-Ungarn war der Tod durch den Strang am Würgegalgen (Strangulation) reguläre Hinrichtungsart, bis in der Republik Deutschösterreich im Jahr 1919 die Todesstrafe im ordentlichen Gerichtsverfahren abgeschafft wurde. Der österreichische Galgen wies eine Besonderheit auf, er benötigte drei Henker, die ihn bedienten. Der Delinquent wurde an den Richtpfahl gebunden, der oberste Scharfrichter legte ihm eine Schnur um den Hals und die zwei anderen Henker zogen den Hinzurichtenden nach unten, während der oberste Scharfrichter die Schnur strammzog. Nach zeitgenössischen Berichten hatte kein zum Tode Verurteilter länger als eine Minute zu leiden. In der Zeit nach 1933 und der Machtübernahme durch die Austrofaschisten bis zum Anschluss an das Deutsche Reich 1938 wurden jedoch wieder Hinrichtungen am Galgen vollzogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kriegsverbrecher in diesem Land unter alliierter Gerichtsbarkeit bis zum Jahr 1955 gehängt.
Noch heute ist der Tod am Galgen eine weit verbreitete Hinrichtungsart, insbesondere in afrikanischen und asiatischen Staaten (u. a. Ägypten, Iran, Irak, Japan, Kuwait, Malaysia und Singapur).
Siehe auch: Erhängen, Galgenberg, Galgenvogel, Garotte, Henker, Henkersknoten, Todesstrafe, Estrapade
Weitere Wortbedeutungen
- Im Bau wird eine Hebevorrichtung für schwere Objekte oder Ladebrücke als Galgen bezeichnet.
- In der Tontechnik wird der ausziehbare Mikrofon-Arm als Galgen bezeichnet.
- Beim analogen Filmschnitt wurden die einzelnen Filmstreifen auf sog. Galgen aufgehängt.
- Es existiert ein einfaches Buchstabenspiel mit dem Namen Galgenmännchen.
Bekannte Menschen, die am Galgen starben
- John Felton - Mörder des Herzogs von Buckingham (1628)
- Jeronimus Cornelisz - Anführer eines Terrorregimes nach dem Schiffbruch der Batavia auf dem Houtman-Abrolhos-Archipel (1629)
- Mary Dyer - Quäkerin; gehängt in Massachusetts (1660)
- Kapitän William Kidd - berüchtigter Piratenkapitän (1701)
- Domenico Manuel Caetano - Abenteurer und Alchemist; als betrügerischer Goldmacher (1709)
- Charles Vane - Piratenkapitän, Massenmörder (1720)
- Jonathan Wild - englischer Krimineller; Anführer einer Bande (1725)
- Joseph Süß Oppenheimer - Justizopfer, Hoffaktor des Herzogs von Württemberg (1738)
- George Atzerodt, David Herold, Lewis Powell und Mary Surratt - Beteiligte an der Verschwörung zur Ermordung Abraham Lincolns (1865)
- George William Gordon - jamaikanischer Politiker; 1865 hingerichtet wegen seiner Beteiligung am Morant-Bay-Aufstand
- August Spies - Justizopfer; amerikanischer Journalist (1877)
- Alexander Iljitsch Uljanow - russischer Revolutionär, älterer Bruder Lenins (1887)
- George Chapman - bekannter britischer Giftmörder (1903)
- Cesare Battisti - österreichischer Staatsbürger und Abgeordneter; 1916 hingerichtet wegen des Kampfes auf der Seite Italiens im Ersten Weltkrieg
- Soja Kosmodemjanskaja - sowjetische Partisanin im Zweiten Weltkrieg (1941)
- Richard Sorge - Spion für die Sowjetunion in Japan (1944)
- Wilhelm Leuschner - Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus (1944)
- Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris, Alfred Delp, Hans von Dohnanyi, Ludwig Gehre, Fritz Goerdeler, Nikolaus Groß, Ernst von Harnack, Helmuth James Graf von Moltke, Hans Oster, Erwin Planck und Karl Sack – Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus (1945)
- Hanne Mertens – Schauspielerin, im KZ Neuengamme hingerichtet wegen Kritik am NS-Regime auf einer Feier (1945)
- William Joyce - Propaganda-Rundfunksprecher (Lord Haw-Haw) der Nationalsozialisten (1946)
- Andrei Andrejewitsch Wlassow - übergelaufener General der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg (1946)
- Amon Göth - österreichischer Nationalsozialist und Judenmörder; Kommandant des Konzentrationslagers Płaszów (1946)
- Karl Hermann Frank - nationalsozialistischer Politiker im Protektorat Böhmen und Mähren (1946)
- die in den Nürnberger Prozessen verurteilten Hauptkriegsverbrecher Hans Frank, Wilhelm Frick, Alfred Jodl, Ernst Kaltenbrunner, Wilhelm Keitel, Joachim von Ribbentrop, Alfred Rosenberg, Fritz Sauckel, Arthur Seyß-Inquart und Julius Streicher
- Rudolf Höß - Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz (1947)
- Karl Brandt - SS-Offizier und Begleitarzt von Adolf Hitler (1948)
- Adolf Eichmann - Organisator für Vertreibung und Deportation von Juden im Holocaust (1962)
- Ken Saro-Wiwa - nigerianischer Bürgerrechtler und Schriftsteller (1995)
- Saddam Hussein - ehemaliger Präsident und Diktator des Irak (2006)
Literatur
- Robert Leyh: Der Rosstaler Galgen. eine archäologische Untersuchung der ehemaligen Richtstätte. In: Louis Carlen (Hrsg.): Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 13, 1991, ZDB-ID 800035-9, S. 133–140.
- Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532 - 1987. Deutsch von Holger Fliessbach. Kindler, Berlin 2001, ISBN 3-463-40400-1 (Originaltitel: Rituals of retribution).
- Heiner Lück: Galgen. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Band 1: Aachen – Geistliche Bank . 2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 1917–1926.
- Jost Auler (Hrsg.): Richtstättenarchäologie. archaeotopos-Verlag, Dormagen 2008, ISBN 978-3-938473-07-8.
- Jost Auler (Hrsg.): Richtstättenarchäologie 2. archaeotopos-Verlag, Dormagen 2010, ISBN 978-3-938473-12-2.
Weblinks
- Informationen über Rechtsdenkmäler (v. a. Galgen) in Österreich
- Englische Seite mit verschiedenen Knoten, die für das Erhängen verwendet werden
- Deutsches Reichsgesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe - 29. März 1933 (Memento vom 4. Juni 2011 im Internet Archive)
- Beschreibung und Abbildung des österreichischen Richtpfahls für die Strangulierung
- Information über den Galgen von Beerfelden im Odenwald Beerfelden
- Bericht von der Hinrichtung der verurteilten Kriegsverbrecher in Nürnberg
- Artikel von Angelika Franz - Henkersplätze im Hinterhof bei Spiegel Online
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