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Haftbefehl

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Dieser Artikel behandelt die Anordnung des Staates, einen Menschen in Haft zu nehmen. Für den gleichnamigen Rapper, siehe Haftbefehl (Rapper).
Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Staaten zu schildern.

Ein Haftbefehl ist die – meist schriftliche – Anordnung eines staatlichen Organs (meist eines Gerichts), einen Menschen in Haft zu nehmen.

Rechtslage in Deutschland

In die Freiheit des Menschen darf nach dem deutschen Grundgesetz (Art. 2) nur unter bestimmten Voraussetzungen eingegriffen werden. Art. 104 Grundgesetz legt fest, dass Freiheitsentziehungen über einen Tag hinaus nur durch den Richter angeordnet werden dürfen. Haftbefehle dienen der Durchsetzung des ordnungsgemäßen Ablaufs etwa im Strafprozessverfahren, aber auch im Zivilprozessrecht und im Verwaltungsrecht und den besonderen Verwaltungsverfahren nach der Abgabenordnung, der Finanzgerichtsordnung oder dem Sozialgerichtsgesetz.

Strafprozessrecht

Im Strafverfahren gibt es mehrere Arten von Haftbefehlen, wobei ein Haftbefehl für eine Verhaftung auch entbehrlich sein kann. Beispiele hierfür finden sich in § 127 StPO.

Untersuchungshaftbefehl

Der in der Praxis wichtigste Haftbefehl ist der Untersuchungshaftbefehl, dessen Voraussetzungen in den §§ 112 ff. StPO geregelt sind.

Danach kann auch schon vor Abschluss des Hauptverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen die Verhaftung des Beschuldigten angeordnet werden. Der Beschuldigte muss einer Straftat dringend verdächtig sein, außerdem muss ein Haftgrund vorliegen.

Haftgründe sind Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder – subsidiär, d. h. wenn keiner der zuerst genannten Haftgründe besteht, Wiederholungsgefahr (vgl. § 112a Abs. 2 StPO).

Schließlich darf ein Haftbefehl auch nicht unverhältnismäßig sein, das heißt er muss im Verhältnis zu der zu erwartenden Rechtsfolge stehen. Bei bestimmten, schwerwiegenden Straftaten (Mord, Totschlag) erlaubt das Gesetz (§ 112 Abs. 3 StPO) auch ohne Vorliegen eines der vorgenannten Haftgründe die Anordnung von Untersuchungshaft (sogenannte absolute Haftgründe).

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch entschieden, dass diese Vorschrift so auszulegen ist, dass einer der vorgenannten Haftgründe – in der Regel Fluchtgefahr – zu prüfen ist, wobei eine Vermutung für deren Vorliegen spricht. Kann die Vermutung entkräftet werden, darf auch bei diesen Delikten keine Untersuchungshaft angeordnet werden.

Die Untersuchungshaft darf grundsätzlich nicht länger als sechs Monate bis zur Hauptverhandlung andauern. Länger darf sie nur unter ganz bestimmten (engen) Voraussetzungen fortdauern (§ 121 StPO). Hierüber hat auf jeden Fall das jeweils zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden.

Der schriftliche Haftbefehl, der im Ermittlungsverfahren einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraussetzt, nach Anklageerhebung vom Gericht auch ohne Antrag erlassen werden kann, hat den Namen des Beschuldigten, die Straftat, derer er dringend verdächtigt wird, den Haftgrund und bei jugendlichen und heranwachsenden Straftätern Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft zu enthalten. Ein bereits erlassener Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung bekannt zu geben. Danach ist er unverzüglich dem Richter vorzuführen, der darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin vorliegen. Wird der Beschuldigte ergriffen, noch bevor ein Haftbefehl erlassen ist, muss er dem zuständigen Richter vorgeführt werden, der die Voraussetzungen für den Erlass sodann prüft. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Verdacht dringend ist und mindestens einer der oben aufgeführten Haftgründe vorliegt, erlässt er Haftbefehl und verkündet ihn anschließend dem Beschuldigten.

Der Haftbefehl muss nicht unbedingt vollzogen werden, er kann auch außer Vollzug gesetzt werden (§ 116, § 116a StPO). Dabei können dem Beschuldigten bestimmte Auflagen gemacht werden, zum Beispiel sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, eine bestimmte Sicherheitsleistung (Kaution) zu hinterlegen, oder den Kontakt zu bestimmten Personen zu meiden.

Unterbringungsbefehl

Ist jemand schuldunfähig oder besteht verminderte Schuldfähigkeit und kann deshalb gegen ihn ein Strafverfahren voraussichtlich nicht durchgeführt werden, so kann der Richter gegen ihn die einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO (sog. Unterbringungsbefehl) in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn es die öffentliche Sicherheit erfordert. Das bedeutet, dass zu erwarten ist, dass er erhebliche weitere Straftaten begeht. Es gelten prinzipiell dieselben Vorschriften wie bei der Untersuchungshaft mit der Ausnahme, dass es keine Beschränkung der Dauer auf sechs Monate gibt.

Haftbefehl in der Hauptverhandlung

Bei (unentschuldigtem) Fernbleiben eines Angeklagten in der Hauptverhandlung kann der Richter einen Haftbefehl erlassen (§ 230 StPO), wenn er sich nicht dazu entscheidet, den Angeklagten zum nächsten Termin vorführen zu lassen. Der Haftbefehl dient nur der Sicherung, der Weiterführung und Beendigung des Strafverfahrens, weshalb er auch gegen einen schuldunfähigen Angeklagten erlassen werden kann.

Sicherungshaftbefehl

Ist ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden und bestehen Gründe zur Annahme, dass die Bewährung widerrufen wird, kann gegen ihn ein sogenannter Sicherungshaftbefehl erlassen werden (§ 453c StPO), wenn er zum Beispiel flüchtig ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die gegen ihn verhängte Strafe auch vollstreckt werden kann.

Vollstreckungshaftbefehl

Rechtsgrundlage: § 457 StPO

Stellt sich jemand trotz Ladung zur Vollstreckung einer gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe nicht, oder entzieht er sich der Vollstreckung (zum Beispiel wenn der Verurteilte ohne festen Wohnsitz, flüchtig, beispielsweise aus einer Haftanstalt, ist, und sich verborgen hält) so kann gegen ihn ein Vollstreckungshaftbefehl ergehen. Dies ist der einzige Haftbefehl, den nicht der Richter, sondern die Staatsanwaltschaft, hier der Rechtspfleger erlässt. Grund ist, dass in diesem Fall schon ein Gericht über die Verhängung von Freiheitsstrafe entschieden hat und es hier nur um den Vollzug der gerichtlichen Entscheidung geht. Gleichfalls ist der Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls zulässig, wenn ein Verurteilter eine gegen ihn verhängte Geldstrafe nicht durch Zahlung oder gemeinnützige Arbeit (auch: freie Arbeit) begleicht, und der dann folgenden Ladung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe nicht Folge leistet.

Internationaler Haftbefehl

Ein internationaler Haftbefehl ist eigentlich kein eigener „Haftbefehl“, sondern ein Untersuchungs-/Vollstreckungs-Haftbefehl, der in einer bestimmten Form (zum Beispiel ohne Abkürzungen) ausgestellt ist und einen Antrag auf Auslieferung für den Fall der Festnahme im Ausland beinhaltet (Grundlage: Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen). Um diesen Unterschied zwischen internationalem Haftbefehl und nationalem Haftbefehl zu betonen, benutzt Interpol offiziell nicht den Terminus internationaler Haftbefehl, sondern die Bezeichnung Red Notice.[1]

Ein europäischer Haftbefehl ist ein Unterfall und eigentlich ebenfalls kein „Haftbefehl“, sondern ein Fahndungsmittel. Er erleichtert und ermöglicht die Auslieferung von Straftätern innerhalb der Europäischen Union. Wenn die Justiz eines anderen EU-Staats einen Tatverdächtigen mit diesem Haftbefehl ergreifen will, müssen die deutschen Polizei- und Justizbehörden bei dessen Suche und Festnahme helfen.

Zivilprozessrecht

Hinweis: Die nachstehend beschriebenen Regelungen der ZPO wurden durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung mit Wirkung ab 1. Januar 2013 geändert. Das alte Recht gilt weiter für Vollstreckungsaufträge, die bis 31. Dezember 2012 eingingen. Für neuere Vollstreckungsaufträge wurde eine Reihe von Vorschriften, insbesondere die §§ 899 bis 915h ZPO, aufgehoben und es gilt das neue Recht, insbesondere die §§ 802c-802f ZPO zur Vermögensauskunft des Schuldners (bisher eidesstattliche Versicherung), die §§ 802g-802j ZPO zur Erzwingungshaft und die §§ 882b–882h ZPO zum Schuldnerverzeichnis. Der Abschnitt wird in Kürze noch ausführlicher überarbeitet.

Hier gibt es den Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (ehem. Offenbarungseid) gegenüber einem Gerichtsvollzieher (§ 901 ZPO). Tatsächlich handelt es sich in Deutschland bei den weitaus meisten Haftbefehlen um solche zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Beides kann der Gläubiger für den Fall beantragen (auch im Voraus), dass die Vollstreckung aus einem Titel (zum Beispiel einem Urteil, einem Vollstreckungsbescheid oder einem Vergleich) erfolglos verläuft bzw. verlaufen ist und der Schuldner einer Ladung zu einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keine Folge geleistet, nur ungenügende Angaben gemacht oder die Abgabe verweigert hat. Voraussetzung zur Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist gemäß § 807 ZPO die erfolglose Zwangsvollstreckung und die Grundlosigkeit der Verweigerung (§ 901 ZPO, § 185b Abs. 3 GVGA).

Die Zwangsvollstreckung gilt als erfolglos, wenn entweder der Gerichtsvollzieher kein Bargeld oder pfändbare bzw. pfändungswürdige Gegenstände beim Schuldner gefunden hat oder zweimal keinen Einlass in die Wohnung des Schuldners bekommen hat (davon mindestens einmal nach vorheriger schriftlicher Ankündigung) oder der Schuldner der Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung pfändbarer Gegenstände widersprochen hat. Der zu vollstreckende Betrag wird dem Gerichtsvollzieher vom Gläubiger zuvor jeweils formlos mitgeteilt und kann den tatsächlichen Anspruch um ein Vielfaches übersteigen. Dies stellt jedoch – ebenso wie der Nachweis, dass die Zahlung geleistet wurde – keinen ausreichenden Grund dar, sich der Vollstreckung bzw. Abgabe einer EV zu verweigern.

Dem zu Unrecht Vollstreckten steht jedoch der Weg einer Vollstreckungsabwehrklage offen, die bei glaubwürdiger Argumentation zur vorläufigen Einstellung der Vollstreckung (der Betrag muss dann allerdings ggf. an die Gerichtskasse geleistet werden, ebenso ein Kostenvorschuss) und Aufhebung des bereits erlassenen Haftbefehls führt. Dennoch muss der Betroffene (auch wenn der Eintrag zu Unrecht erfolgte) noch monatelang mit Vertragsablehnungen rechnen, da das Schuldnerverzeichnis von zahlreichen Auskunftsdiensten übernommen und nur in gewissen zeitlichen Abständen aktualisiert wird.

Tatsächlich werden Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur sehr selten vollstreckt. Vielmehr steht es dem Gläubiger frei, ob er den Gerichtsvollzieher erneut damit beauftragt, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen, wobei der Gläubiger hierfür regelmäßig einen Kostenvorschuss zahlen muss. Wenn der Schuldner der Aufforderung erneut nicht Folge leistet, darf der Gerichtsvollzieher ihn verhaften und in eine Haftanstalt bringen, sofern der Schuldner nicht zuvor doch die eidesstattliche Versicherung abgibt. In der Praxis genügt regelmäßig die Drohung des Gerichtsvollziehers mit der Verhaftung, um den Schuldner zu veranlassen (zumeist direkt in seiner Wohnung) die eidesstattliche Versicherung vor dem Gerichtsvollzieher abzugeben. Der Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wird in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Nur weil jemand nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, darf er nicht in Haft genommen werden (Art. 11, 8. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966).[2]

Haftbefehle in Deutschland sind auf rotem Papier geschrieben.

Verwaltungsrecht

Nach § 62 Aufenthaltsgesetz kann der Richter zur Durchsetzung der Abschiebung einen sogenannten Abschiebehaftbefehl erlassen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Haftbefehl – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Seite des US-Justizministeriums, abgerufen am 6. Januar 2011 (englisch)
  2. BGBl. 1973, II S. 1534.
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