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Jüdische Gemeinde Hamburg

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Die Bornplatzsynagoge Hamburg aufgenommen von der Beneckestraße

Die Jüdische Gemeinde Hamburg ist mit ca. 2.340 Mitgliedern (Stand 2020) eine der größeren jüdischen Gemeinden Deutschlands.[1] Sie bildet innerhalb des bundesweiten Zentralrats der Juden in Deutschland einen eigenständigen Landesverband. Vorsitzender der Gemeinde ist Philipp Stricharz.

Neben der Jüdischen Gemeinde Hamburg gibt es noch die Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg mit ca. 330 Mitgliedern.

Geschichte der jüdischen Gemeinde(n)

Sephardim von 1590 bis 1939 in Hamburg und Altona

Die Synagoge Neweh Schalom in Altona

Aus Portugal stammende Sephardim ließen sich ab 1590 in Hamburg nieder, zunächst ohne eine Gemeinde zu gründen. Zu Beginn praktizierten viele Sephardim, deren Familien unter Todesdrohung zum Katholizismus übergetreten waren, ihr Judentum nicht öffentlich. Im Jahre 1612 stellte der Hamburger Rat sephardische Juden in kommerziellen Dingen den anderen Hamburger Bürgern per „Kaufmannshantierung“ gleich.[2] Sephardim gründeten drei Synagogengemeinden namens Kether Thorah (כתר תורה), Neweh Schalom (נוה שלום) und Thalmud Thorah (תלמוד תורה), die sie im Jahre 1652 zur Heiligen Gemeinde der Sephardim Beith Israel (בית ישראל) vereinigten. Bekannt wurde ihr Mitglied Herbert Pardo, der bis 1933 mehrfach auch ihr Vorsitzender war. Die sephardische Gemeinde bestand selbständig bis zu ihrer Zwangseingliederung in den Jüdischen Religionsverband in Hamburg im Juli 1939.

Im seit 1937 zu Hamburg gehörenden Altona wohnten Sephardim seit der Zeit vor 1647. Sie gründeten erst 1770 die Heilige Gemeinde Neweh Schalom (נוה שלום), die die wenigen verbliebenen Mitglieder 1887 wegen zu geringer Mitgliederzahl auflösten.

Aschkenasim von 1610 bis 1945

C Hamburg bis 1812

Aschkenasim erlangten ca. 1610 erstmals Aufenthaltsmöglichkeit in Hamburg, sofern sie als Personal in sephardischen Haushalten oder Unternehmen Anstellung hatten. Die Sephardim nannten die aschkenasischen Juden Tudescos (portugiesisch für 'Deutsche'). Um 1661/1662 gründeten sie die Deutsch-Israelitische Gemeinde zu Hamburg (DIG). Die Stadt Hamburg gewährte Aufenthaltsgenehmigungen sehr restriktiv, daher war die DIG in Hamburg kleiner als ihre Filialgemeinden in Altona und Wandsbek (seit 1937 zu Hamburg). Aschkenasim ohne Aufenthaltsgenehmigung mussten i. d. R. außerhalb Hamburgs übernachten und wählten daher offiziell ihren Wohnsitz in den genannten, damals dänisch-holsteinischen Städten. Da sie aber ihren Lebensunterhalt überwiegend in Hamburg verdienten, brachten sie die Tage meist in Hamburg zu. Die DIG bildete von 1671 bis 1812 einen Teil der so genannten Dreigemeinde AHU (אה“ו) (Altona, Hamburg, Wandsbek).[3] Von 1812 bis 1938 bestand die DIG selbständig und ging dann im Jüdischen Religionsverband in Hamburg auf.

Im Jahre 1710 erließ die Stadt Hamburg das Reglement der Judenschaft in Hamburg Sowohl Portugiesischer als Hochdeutscher Nation.[4] Dieses entstand durch Vermittlung Kaiser Josephs I., der somit das alte kaiserliche Judenregal nicht aufgeben wollte.[5]

In Altona bis 1938

Schon vor 1611 sind vier Aschkenasim in Altona nachgewiesen. Eine Gemeinde, die Hochdeutsche Israeliten-Gemeinde in Altona (HIG), wurde nach 1611 gegründet. In den Jahren 1621 bis 1812 betrieb die HIG eine Filiale in Hamburg für Aschkenasim, die in Hamburg keine Aufenthaltsgenehmigung erlangen konnten und deshalb formell ihren Wohnsitz im liberalen holstein-pinnebergischen Altona (ab 1640 zum dänisch regierten Holstein-Rendsburg) hatten. Die HIG war von 1671 bis 1812 das führende Mitglied der Dreigemeinde AHU (Altona, Hamburg, Wandsbek). Von 1812 bis 1938 bestand sie selbständig und ging dann im Jüdischen Religionsverband in Hamburg auf.

In Wandsbek bis 1938

In Wandsbek wurde die Israelitische Gemeinde zu Wandsbek (IGW) in der Zeit nach 1621 und vor 1650 gegründet. Von 1688 bis 1812 unterhielt die IGW eine Filiale in Hamburg für Aschkenasim, die in Hamburg keine Aufenthaltsgenehmigung bekamen und deshalb formell im liberalen dänisch-holsteinischen Wandsbek Wohnsitz genommen hatten. Auch die IGW war von 1671 bis 1812 Mitglied der Dreigemeinde AHU (Altona, Hamburg, Wandsbek). Von 1812 bis 1938 bestand sie selbständig und ging dann im Jüdischen Religionsverband in Hamburg auf.

Die "Dreigemeinde Altona-Hamburg-Wandsbek" von 1671 bis 1812

Die DIG, die HIG und die IGW gründeten 1671 durch Vertrag ein Gemeindebündnis, die so genannte Dreigemeinde Altona-Hamburg-Wandsbek (AHU אה“ו). Der Dachverband erbrachte Leistungen für alle drei Gemeinden und ihre jeweiligen Filialgemeinden. So bestand ein gemeinsames Religionsgericht (Beth Din בית דין), gemeinsame Friedhöfe, Spitäler und andere Einrichtungen. Durch die napoléonische Eroberung 1806 und die Annexion Hamburgs als Teil des ersten Französischen Kaiserreichs in den Jahren 1811 bis 1814 erlangten alle Hamburger, auch die jüdischen, die französische Staatsbürgerschaft und damit gleiche Bürgerrechte. Im Kaiserreich unterstanden alle jüdischen Gemeinden dem zentralen jüdischen Konsistorium Frankreichs. Daher musste die DIG das Gemeindebündnis mit den nicht-französischen Gemeinden HIG und IGW aufgeben, weshalb die drei Gemeinden die Dreigemeinde 1812 durch Vertrag auflösten.

Ab 1812 waren die Aufenthaltsbeschränkungen, die die in Hamburg beruflich tätigen Aschkenasim zu formellen Wohnsitzen in Altona oder Wandsbek zwangen, aufgehoben. Die Filialgemeinden der HIG und IGW in Hamburg übernahm die nunmehr wieder eigenständige DIG.

In Harburg bis 1938

In Harburg an der Elbe (seit 1937 zu Hamburg) lebten Aschkenasim ab 1610. Sie gründeten vor 1718 eine Gemeinde. Im Gegensatz zu den drei Städten Altona, Hamburg und Wandsbek, die füreinander sogar zu Fuß oder zumindest mit Fuhrwerk ohne weiteres erreichbar waren, konnte man von den dreien aus nach Harburg nur per Schiff gelangen. Entsprechend war die Harburger Gemeinde nicht an den gemeinsamen Institutionen der Dreigemeinde beteiligt. Durch die napoléonische Eroberung 1803 und die Annexion des Kurfürstentums Hannover (1807), zu dem Harburg gehörte, zunächst durch Jérôme Bonapartes Königreich Westphalen und dann als Teil von Napoléon Bonapartes erstem Französischem Kaiserreich in den Jahren 1810 bis 1814 erlangten alle Harburger, auch die jüdischen, gleiches Bürgerrecht. Mit der Niederlage der Bonapartes wurde der vorherige Zustand wieder hergestellt. Neue Gesetze stellten 1842 Juden im Königreich Hannover (wie es seit 1814 hieß) andern Bürgern gleich und verpflichteten Juden zugleich, jüdische Gemeinden zu bilden, wo das nicht schon geschehen war. Diese Gemeinden hatten dann die staatlichen Auflagen für jüdischen Religionsunterricht in privaten oder öffentlichen Schulen zu erfüllen und alle anderen religiösen Aufgaben (Unterhalt von Friedhöfen und Synagogen, Abhalten von Gottesdiensten, Durchführen von Hochzeiten und Bar Mizwahs) zu gewährleisten. Für das ganze Königreich wurden vier Landrabbinen bestellt, die jeweils einen eigenen Bezirk zu versorgen hatten. Harburg gehörte zum Landrabbinat Hannover.

Die Landrabbinen erfüllten zugleich religiöse und staatliche Aufgaben. Hannover war damit eines der wenigen Länder im Deutschen Bund, wo das Judentum gleich den christlichen Konfessionen eine staatlich anerkannte und überwachte Organisation hatte. Die Landrabbinen standen zu den jüdischen Gemeinden und ihren Mitgliedern und Mitarbeitern in einem ähnlichen halbstaatlichen autoritären Verhältnis wie damals noch lutherische Pastoren zu ihren Gemeinden in Hannover. Die Organisation der Landrabbinate blieb auch nach der preußischen Annexion 1866 erhalten, obwohl die preußischen Behörden in den altpreußischen Gebieten alles daran setzten, zentrale jüdische Verbände zu verhindern, und ihnen jede staatliche Anerkennung verweigerten. Durch die Trennung von Staat und Religion gemäß der Reichsverfassung von 1919 wurden die halbstaatlichen Aufgaben der Landrabbinen (Schulaufsicht) abgeschafft und ihre Funktion auf das rein Religiöse beschränkt. Seit der Vereinigung der Städte Harburg und Wilhelmsburg im Jahre 1927 führte die jüdische Gemeinde den Namen Jüdische Synagogengemeinde Harburg-Wilhelmsburg (JSHW). Sie ging 1938 im Jüdischen Religionsverband in Hamburg auf.

In Hamburg 1815 bis 1938

Nach dem Ende des ersten Französischen Kaiserreichs wurde die Freie und Hansestadt Hamburg als Staat restituiert und das Juden-Reglement von 1710 wieder eingeführt. Dies wurde möglich, weil Johann Smidt – eigenmächtig und ohne Abstimmung – bei der Endredaktion der Beschlüsse des Wiener Kongresses zu den Rechten der Juden, den Text Es werden den Bekennern des jüdischen Glaubens die denselben in den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten, geringfügig, aber folgenschwer änderte in: Es werden den Bekennern des jüdischen Glaubens die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.[6] Da der französische und nicht der hamburgische Staat die Juden Hamburgs emanzipiert hatte, widerrief Hamburg 1815 die Emanzipation und erklärte das Juden-Reglement für weiterhin gültig. Die Emanzipation in Hamburg erfolgte dann am 21. Februar 1849 in Vollzug eines Beschlusses der Frankfurter Nationalversammlung. In den Städten Altona und Wandsbek erfolgte die Emanzipation der Juden wie in ganz Holstein durch Gesetz am 14. Juli 1863.

1860 wurde in der Hamburger Verfassung die Glaubensfreiheit eingetragen.[7] Ab dem Jahr 1865 gab es keine Zwangsmitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde mehr. 1867 wurde die neue Deutsch-Israelitische Gemeinde als Religionsgemeinschaft freiwilliger Mitgliedschaft gegründet. Die DIG war nun eine Dachorganisation für zwei selbstständige Kultusverbände, der dritte 1894 gegründete Verband Neue Dammtor-Synagoge wurde nach dem Ersten Weltkrieg auch statutarisch als gleichrangig anerkannt. Die DIG war in Kultusfragen nicht auf eine Tradition festgelegt, sondern bot allen Aschkenasim die Möglichkeit der Mitgliedschaft in der einen Gemeinde, die verschiedene Kultustraditionen durch intern autonome Kultusverbände pflegte (sog. Hamburger System). Andere deutsche jüdische Gemeinden waren oft nach Kultustraditionen getrennt organisiert, so dass mehrere jüdische Gemeinden unterschiedlicher Ausrichtung an einem Ort nebeneinander bestanden.

Die DIG finanzierte aus den Steuern der Gemeindeangehörigen Leistungen, wie Unterricht, Krankenversorgung, Armenunterstützung und Friedhöfe, die alle Gemeindeangehörigen bei Bedarf in Anspruch nehmen konnten. Darüber hinaus bestanden unter dem Dach der DIG die Kultusverbände, denen sich die männlichen Gemeindeangehörigen als zahlungspflichtige Mitglieder zusätzlich anschließen konnten, aber nicht mussten. Diese Kultusverbände unterhielten Synagogen, religiöse Feiern und Unterweisung und beschäftigten dafür geschulte Rabbinen und Lehrer jeweils nach Art der drei großen Kultustraditionen, nämlich Orthodoxie, Reformjudentum (in Hamburg begründet) und die im 19. Jahrhundert gebildete, eine Mittelposition zwischen beiden einnehmende, teils erneuerte Hauptströmung (heute als konservative Strömung bezeichnet).[8]

Ein Kultusverband war der orthodoxe Deutsch-Israelitische Synagogenverband, der landesweit 1.200 zahlende Mitglieder hatte, der andere der liberale Israelitische Tempelverband (11. Dezember 1817 gegr.), der dem Reformjudentum nahestand und landesweit 700 zahlende Mitglieder hatte. Der dritte Verband pflegte die Tradition der Hauptströmung und hieß Neue Dammtor-Synagoge und zählte die meisten Mitglieder. Die Zahlen enthalten nicht die nichtzahlenden Nutzer, wie Familienangehörige und Arme.

In Groß-Hamburg 1938 bis 1945

Nach den Eingemeindungen im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes am 1. April 1937 schlossen auch die jüdischen aschkenasischen Gemeinden (DIG, HIG, IGW und JSHW) einen Vertrag zu ihrer Vereinigung zum 1. Januar 1938. Der gewählte Name Deutsch-Israelitische Gemeinde zu Groß-Hamburg wurde jedoch vom NS-Ministerium für Kultus nicht genehmigt, da 'Deutsch' für jüdische Organisationen verboten sei, 'Israelitisch' irreführend sei, da in der NS-Rassenideologie 'Jüdisch' der eindeutige Begriff sei, und 'Gemeinde' – so die fadenscheinige Argumentation – für politische Kommunen vorbehalten sei. Die Gemeinde wählte daraufhin den Namen Jüdischer Religionsverband in Hamburg.[9]

Im März 1938 wurde dem Jüdischen Religionsverband in Hamburg – wie allen jüdischen Gemeinden in Deutschland – der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit staatlich organisiertem Gemeindesteuereinzug aberkannt. Ab Dezember 1938 war der Jüdische Religionsverband in Hamburg gegenüber der Staatspolizeileitstelle Hamburg weisungsgebunden. Claus Göttsche vom Judenreferat der Gestapo setzte im Auftrag seiner Dienststelle eigenmächtig einen neuen Vorsitzenden, Max Plaut, ein. Die Gemeindevertreter waren fortan bei Vakanzen (z. B. durch Rücktritt, Auswanderung oder später Deportation) nicht mehr durch Wahl, sondern durch Selbstergänzung qua Optierung – unter Vorbehalt der Zustimmung der Gestapo – zu bestimmen.

Ab Juli 1939 waren die jüdischen Gemeinden keine reinen Religionsverbände mehr, da nun alle Personen zwangsweise als Mitglieder eingeschrieben wurden, die nach den Nürnberger Gesetzen als Juden galten (alle Personen mit drei oder vier Großeltern jüdischer Religionszugehörigkeit), einerlei ob sie halachisch als Juden anzusehen waren (Mitgliedschaft durch Geburt von einer Jüdin oder durch Konversion), ob sie konfessionslos oder Angehörige anderer Religionen (z. B. sog. nichtarische Protestanten und Katholiken) waren. Zugleich wurde die sehr kleine (1935: 150 Mitglieder) sephardische Heilige Gemeinde der Sephardim Beith Israel (seit 1652 unter diesem Namen) zwangsweise in den Jüdischen Religionsverband in Hamburg eingegliedert, da zur Vereinfachung der antisemitischen Diskriminierungen an jedem Ort nur noch eine 'jüdische Gemeinde' bestehen durfte.

Ende 1942 wurde der Jüdische Religionsverband in Hamburg als selbständige juristische Person aufgelöst und in die Reichsvereinigung, Bezirksstelle Nordwestdeutschland der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland überführt. Am 10. Juni 1943 löste das Reichssicherheitshauptamt per Erlass die Reichsvereinigung auf. Die verbliebenen Mitarbeiter der Bezirksstelle wurden am 23. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert.[10] Der Vorsitzende des Religionsverbandes und frühere Staatsrat der Finanzbehörde Leo Lippmann lehnte die ihm gebotenen Möglichkeiten zur Auswanderung ab. Als am 10. Juni 1943 die Gestapo die Büroräume besetzte, in denen der jüdische Religionsverband tätig war, und ihm seine geplante Deportation nach Theresienstadt mitteilte, nahm er sich zusammen mit seiner Frau Anna Josephine, von ihm vorbereitet, das Leben.

Platz der jüdischen Deportierten: Mahnmal und Erinnerungstafel

Als einzige jüdische Einrichtung fungierte weiterhin das Israelitische Krankenhaus Hamburg, in dem überwiegend in Privilegierter Mischehe lebende Personen tätig waren und die wenigen verbliebenen verfolgten Juden und als Juden diskriminierten Nichtjuden im Krankheitsfalle versorgten.

10.000 jüdische Hamburger kamen in der Shoa ums Leben. Am 25. Oktober 1941 deportierte man 1.034 Juden nach Lodz, wo alle umkamen. Am 8. und 18. November 1941 wurden 968 und 407 Juden nach Minsk deportiert, wo nur 20 überlebten. Am 6. Dezember 1941 wurden 753 Juden nach Riga deportiert. Im Juli 1942 wurden wieder Hamburger Juden deportiert. Zwischen Oktober 1941 und Februar 1945 wurden in 17 Transporten 5.848 Hamburger Juden deportiert, wobei 5.296 ermordet wurden. 319 begingen Selbstmord. 140 wurden im Zug der Euthanasie ermordet. 50 bis 80 Hamburger Juden versteckten sich in Hamburg und überlebten.[11]

Entwicklung der Mitgliederzahlen 1811 bis 1942

Diese Zahlen beziehen sich auf die Angehörigen der jüdischen Gemeinde in Hamburg in seinen jeweiligen Staatsgrenzen. Die Juden in Altona, Harburg und Wandsbek sind daher bis einschließlich 1938 nicht enthalten.

  • 1811 gab es in Hamburg 6.429 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 4,87 % der 132.007 Bewohner Hamburgs aus. Mit Altona und Wandsbek war die jüdische Gemeinschaft im Hamburger Raum mit ca. 9.000 Personen mit Abstand die größte im Deutschen Bund.
  • 1871 gab es in Hamburg 13.796 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 4 % der 338.974 Bewohner Hamburgs aus. Ein dritter Kultusverband wurde 1894 gegründet, die "Neue Dammtor Synagoge".
  • 1910 gab es in Hamburg 18.932 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 1,87 % der Bewohner Hamburgs aus.
  • 1919 gab es in Hamburg ca. 18.500 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 1,76 % der Bewohner Hamburgs aus.
  • 1925 gab es in Hamburg 19.904 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 1,73 % der Bewohner Hamburgs aus.
  • 1933 gab es in Hamburg 16.855 jüdische Einwohner. Sie machten einen prozentualen Anteil von 1,41 % der Bewohner Hamburgs aus.[12]
  • 1938 gab es in Hamburg 7.547 jüdische Einwohner.
  • 1942 führte der Jüdische Religionsverband in Hamburg 1.852 Mitglieder, davon allein 1.022 in sog. Privilegierter Mischehe lebend.[10] Wie viele davon nach eigenem Bekenntnis Juden waren, ist unbekannt. Viele dieser Ehen waren vom religiösen Standpunkt her keine Mischehen, da bei der Heirat ein Partner zur Religion des anderen übergetreten war. Im Rahmen der NS-Rassenideologie war 1942 aber als Jude zu zählen, wer (z. B. laut sog. Ariernachweis) drei oder vier Großeltern jüdischer Religionszugehörigkeit hatte.

1945 bis 2008

Am 8. Juli 1945 versammelten sich zwölf Überlebende der alten jüdischen Gemeinde von Hamburg, um einen Arbeitsausschuss und eine Kultuskommission einzusetzen. Insgesamt 80 Juden wollten die Gemeinde neu gründen. Das American Jewish Distribution Committee und das englische Jewish Committee for Relief Abroad organisierten und unterstützten finanziell die neue Gemeinde, die am 18. September 1945 mit einer Versammlung von 72 Personen neu gegründet wurde.[13] Im gleichen Jahr beantragte die jüdische Gemeinde beim Senat von Hamburg die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, was ihr im Oktober 1948 zugestanden wurde. Die gleiche Rechtsform hatte die jüdische Gemeinde Hamburg bereits bis 1938 gehabt.[13] 1947 zählte die jüdische Gemeinde von Hamburg 1.268 Mitglieder.[14]

1952 gab es 1.044 Gemeindemitglieder, 1960 waren es wieder 1.369 Mitglieder.[14] In den folgenden 30 Jahren pendelte die Zahl der Gemeindemitglieder zwischen 1.350 und 1.400.

Heute befindet sich das Zentrum jüdischen Lebens der Stadt wieder rund um die Talmud-Thora-Schule am Grindel.

Die Talmud-Tora-Schule von 1911

Am 22. November 1993 wurde von der Stadt Hamburg und der jüdischen Gemeinde Hamburg zum ersten Mal ein "Fünf-Jahres-Vertrag" unterschrieben. Dadurch erhielt die Gemeinde ab dem Jahr 1994 pro Jahr einen Zuschuss von 500.000 Mark "für die Erfüllung ihrer kulturellen und sozialen Aufgaben". Bürgermeister Henning Voscherau sagte damals, der Vertrag sei "Ausdruck der besonderen Verantwortung für das jüdische Leben in Hamburg".[15]

Das Verhältnis zwischen dem Land Hamburg und den Jüdischen Gemeinden wurde in einem Staatskirchenvertrag in Form eines Kirchenvertrages geregelt, dem Vertrag zwischen dem Land Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 29. Juni 2007.[16] Der Vertrag vom 29. Juni 2007 beinhaltet u. a. einen festgesetzten Leistungsbetrag in Höhe von € 850.000,- an die jüdische Gemeinde. Vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages gab es lediglich einen Zuwendungsvertrag zwischen Hamburg und seiner Jüdischen Gemeinde. Der Zuwendungsvertrag beinhaltete zum einen nur Zahlungen in Höhe von 350.000 Euro pro Jahr, und zum anderen war dieser in der Zwischenzeit ausgelaufen. Aus diesem Grund leistete die Kommune lediglich Zuwendungen in Form von Abschlagszahlungen.[17] Dazu hieß es von Seiten des Zentralrats:"Die finanzielle Grundlage des Staatsvertrages sichert der Gemeinde einen Ausbau der dringend notwendigen Infrastruktur. Gleichzeitig regelt der Vertrag die partnerschaftliche Beziehung zwischen Gemeinde und der Hansestadt Hamburg und ist Ausdruck der vertrauensvollen Zusammenarbeit und Anerkennung zwischen beiden Partnern [..].[18]"

Am 5. September 2008 wurde der Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay nach 15-jähriger Tätigkeit fristlos entlassen.[19][20]

Gegenwart – Jüdische Infrastruktur in Hamburg

Hamburg erlebt eine Renaissance jüdischen Lebens, welche sich auch im erforderlichen Angebot und Ausbau kultureller Einrichtungen niederschlägt. Dabei stehen die Sakralgebäude wie die Synagogen in den Stadtteilen Eimsbüttel und St. Pauli, Bildungseinrichtungen wie das Jüdische Bildungszentrum Hamburg in Rotherbaum und das Jüdische Kulturhaus in St. Pauli im Mittelpunkt städtischen Lebens in der multiethnischen Elbmetropole.

Die jüdischen Gemeinden in Hamburg – ob orthodox, liberal oder reformiert – verzeichnen durch Einwanderung aus Osteuropa und Israel eine steigende Anzahl von Gemeindemitgliedern im vierstelligen Bereich. Insgesamt sollen wieder mehr als 5000 Juden in Hamburg leben, welche die Stadtmetropole u. a. um ein interessantes Angebot an Dienstleistung, Kunst und Gastronomie bereichern.

In Schleswig-Holstein

1968 bis 2002

Seit 1968 betreute die Jüdische Gemeinde Hamburg auch Juden in Schleswig-Holstein.[21] In den 1990er Jahren betreute die Jüdische Gemeinde Hamburg auch 1.200 Einwanderer aus den GuS (Gemeinschaft unabhängiger Staaten), die sich im benachbarten Bundesland Schleswig-Holstein niedergelassen hatten.

Dazu unterzeichneten am 29. Januar 1998 die Jüdische Gemeinde Hamburg und die Landesregierung von Schleswig-Holstein einen Staatskirchenvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren über die Förderung jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein. Am Anfang wurden 400.000 DM und gegen Ende des Vertrages wurden 700.000 DM gezahlt. Dieser Vertrag wurde um drei Jahre verlängert. Januar 2005 lösten sich die jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein von der Jüdischen Gemeinde Hamburg, denn in der Zwischenzeit hatten sich in Schleswig-Holstein zwei neue Verbände gebildet. So wurde der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein mit Sitz in Bad Segeberg gegründet (2002), der nach seiner Mitgliederstärke 88.000 DM erhielt, und die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein mit Sitz in Lübeck,[15] die nach ihrer Mitgliederstärke 270.000 DM erhielt.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gemeinden. 13. November 2017, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  2. Arno Herzig: Frühe Neuzeit. In: Das Jüdische Hamburg. (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 82.
  3. Der hebräische Buchstabe Waw (ו), der am Anfang der hebräischen Schreibung des Namens Wandsbek steht, gilt als Halbvokal und kann daher je nach Stellung im Wort als 'w' (bzw. 'v') oder 'u' ausgesprochen und transliteriert werden.
  4. Arno Herzig: "Frühe Neuzeit". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 81f
  5. Arno Herzig: "Frühe Neuzeit". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 83
  6. Heinrich Graetz, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart: 11 Bde., Leipzig: Leiner, 1900, Bd. 11: 'Geschichte der Juden vom Beginn der Mendelssohnschen Zeit (1750) bis in die neueste Zeit (1848)', p. 317. Fettsatz nicht im Original. Nachdruck der Ausgabe letzter Hand: Berlin: arani, 1998, ISBN 3-7605-8673-2.
  7. Ortwin Pelc: "Kaiserreich und Weimarer Republik (1871-1933)". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 153
  8. Ina Lorenz, "Die Hamburger Juden im Deutschen Kaiserreich", in: Vierhundert Jahre Juden in Hamburg: eine Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte vom 8. November 1991 bis 29. März 1992, Ulrich Bauche (Hrsg.), Dölling und Galitz, Hamburg 1991, (Die Geschichte der Juden in Hamburg; Bd. 1), S. 318seq., ISBN 3-926174-31-5
  9. Vgl. 'Schreiben des Reichs- und Preußischen Ministers für die kirchlichen Angelegenheiten an das Hamburgische Staatsamt vom 15. Januar 1937' Berlin, Staatsarchiv Hamburg, Bestand 113-5, Akte EIV B1, wiedergegeben nach: Vierhundert Jahre Juden in Hamburg: eine Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte vom 8. November 1991 bis 29. März 1992, Ulrich Bauche (Hrsg.), Dölling und Galitz, Hamburg 1991, (Die Geschichte der Juden in Hamburg; Bd. 1), S. 444, ISBN 3-926174-31-5
  10. 10,0 10,1 Vgl. 'Schreiben der Geheimen Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle Hamburg - an den Oberfinanzpräsidenten, Vermögensverwaltungsstelle vom 1. Juni 1943', Staatsarchiv Hamburg, Bestand Oberfinanzpräsident, Arb. Sign. 31/1 A, wiedergegeben nach: Vierhundert Jahre Juden in Hamburg: eine Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte vom 8. November 1991 bis 29. März 1992, Ulrich Bauche (Hrsg.), Dölling und Galitz, Hamburg 1991, (Die Geschichte der Juden in Hamburg; Bd. 1), S. 492, ISBN 3-926174-31-5
  11. Beate Meyer: "Deportationen". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 55
  12. Alle Zahlen 1811–1933 cf. Ina Lorenz, "Die jüdische Gemeinde Hamburg 1860-1943: Kaiserreich – Weimarer Republik – NS-Staat", in: Die Geschichte der Juden in Hamburg: wissenschaftliche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung »Vierhundert Jahre Juden in Hamburg«, Arno Herzig mit Saskia Rohde (Hrsg.), Hamburg: Dölling und Galitz, 1991, (Die Geschichte der Juden in Hamburg 1590–1990; Bd. 2), pp. 77–100, hier p. 80. ISBN 3-926174-25-0.
  13. 13,0 13,1 Gabriela Fenyes: "Jüdische Gemeinde nach 1989". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 135
  14. 14,0 14,1 Gabriela Fenyes: "Jüdische Gemeinde nach 1989". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 136, 137 und 138
  15. 15,0 15,1 Gabriela Fenyes: "Jüdische Gemeinde nach 1989". In: Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 142
  16. Archivlink (Memento vom 19. Dezember 2008 im Internet Archive)
  17. Archivlink (Memento vom 12. September 2007 im Internet Archive)
  18. [1]
  19. http://www.jghh.org/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=155&Itemid=15@1@2 (Link nicht mehr abrufbar)
  20. Landesrabbiner ohne Ausbildung? – Das orthodoxe Judentum kennt individuelle Bildungswege (Memento vom 21. Januar 2009 im Internet Archive) Jüdische Zeitung Oktober 2008
  21. Das Jüdische Hamburg (Hg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Göttingen 2006, S. 138
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