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Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs

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Ermordung von Juden durch Kreuzfahrer

Bei den Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs wurden von zumeist deutschen kleinbäuerlichen Kreuzfahrern unter adliger oder klerikaler Führung Juden auf europäischem Boden angegriffen. Obwohl es in Europa Judenfeindlichkeit seit Jahrhunderten gab, war dies das erste organisierte Pogrom im christlichen Bereich.[1] Im Judentum wird dieses Ereignisses als Gezerot Tatnu gedacht. Diese deutschen Kreuzfahrer kamen über Ungarn nicht hinaus. Die antijüdischen Ausschreitungen wiederholten sich beim Zweiten Kreuzzug.

Eine Beteiligung deutscher Fürsten mit ritterlichem Gefolge hat sich - anders als bei den späteren Kreuzzügen - beim Ersten Kreuzzug zumindest nicht in den Quellen niedergeschlagen.

Hintergrund

Die Predigten zum Ersten Kreuzzug verursachten auch einen Ausbruch von Antijudaismus. Es war ein volkstümlicher Glaube, dass die christliche Eroberung Jerusalems und die Errichtung eines christlichen Reiches dort die Endzeit herbeiführe, während der die Juden zum Christentum konvertierten. In Teilen Deutschlands und Frankreichs galten die Juden ebenso als Feinde wie die Muslime: sie wurden für die Kreuzigung verantwortlich gemacht, und sie waren in der Nähe. Viele Leute fragten sich, warum sie Tausende von Kilometern reisen sollten, um gegen die Ungläubigen zu kämpfen, wenn doch Ungläubige in ihrer Umgebung wohnten. Genauso wahrscheinlich ist es, dass der Finanzbedarf oder die persönliche Verschuldung der Kreuzfahrer die Ausbrüche motivierte: die rheinischen jüdischen Gemeinden waren wohlhabend, vor allem, weil es ihnen erlaubt war, Geld zu verleihen.

Der erste Gewaltausbruch wurde gerüchteweise aus Rouen berichtet, dort seien Juden einem Massaker zum Opfer gefallen. Im Dezember 1095 schrieben die nordfranzösischen jüdischen Gemeinden einen Brief an die rheinischen Juden, in dem sie vor der Ankunft der Kreuzfahrer gewarnt wurden. Die Rheinländer beantworteten das Schreiben mit der Aussage, sie hätten keine Angst, gaben aber Peter dem Einsiedler bei seinem Volkskreuzzug einen Brief mit, in dem ihre europäischen Glaubensbrüder aufgefordert wurden, ihn und seine Anhänger zu unterstützen und zu alimentieren.

Volkmar und Gottschalk

Im Frühjahr 1096 setzten sich eine Vielzahl von kleinen Gruppen von Rittern und Bauern, durch die Predigten angeregt, aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Frankreichs in Bewegung. Der Zug des Priesters Volkmar, der im Rheinland Ende April mit dem Ziel los zog, sich Peter dem Einsiedler im Osten anzuschließen, verfolgte Juden in Magdeburg und später in Prag (30. Juni), und wurde von den Ungarn, als diese merkten, dass es sich um Aufrührer handelte, kurzerhand gewaltsam aufgelöst.

Ein anderer Priester namens Gottschalk, den Peter der Einsiedler bei seinem Aufbruch am 20. April ebenfalls zurückgelassen hatte, führte Kreuzfahrer aus dem Rheinland und aus Lothringen rheinaufwärts und durch Bayern nach Ungarn, wobei sie auf dem Weg (zum Beispiel in Regensburg) Juden angriffen. Gottschalks Gruppe wurde von den Ungarn vernichtet, nachdem ihre betrunkenen Mitglieder ungarisches Gebiet geplündert hatten.

Graf Emicho

Der größte dieser Kreuzzüge, der am stärksten in die Angriffe auf Juden eingebunden war, wurde von Graf Emicho angeführt. Eine Armee von rund 10.000 Männern, Frauen und Kindern aus dem Rheinland, Ostfrankreich, Lothringen, Flandern und sogar England war im Frühsommer 1096 gestartet, wälzte sich durch das Rheintal, den Main hinauf bis zur Donau. Emicho wurde unter anderem begleitet vom Vizegrafen Wilhelm von Melun, genannt der Zimmermann, und Drogo von Nesle aus Frankreich, Hartmann von Dillingen und dem Herren von Salm aus seiner rheinischen Nachbarschaft.

Kaiser Heinrich IV., der in Süditalien war, ordnete den Schutz der Juden an, als er von den sich anbahnenden Ausschreitungen erfuhr. Bischof Johann I. von Speyer gab den jüdischen Einwohnern der Stadt Schutz, als sie am 3. Mai von Emicho angegriffen wurden, es gab dennoch 12 Tote. Der Bischof von Worms versuchte das gleiche, als Emicho am 18. Mai vor der Stadt erschien, doch brachen die Kreuzfahrer am 20. Mai mit Unterstützung der Einwohner in seine Kathedrale ein und ermordeten die Juden, die sich in ihr befanden; hier lag die Zahl der Opfer schon bei 500.

Die Nachrichten über Emichos Kreuzzug verbreiteten sich schnell. Erzbischof Ruthard hinderte ihn am 25. Mai daran, Mainz zu betreten, doch am Tag darauf wurden ihnen die Tore von Gleichgesinnten geöffnet. Der Erzbischof versuchte, die Juden dadurch zu schützen, dass er sie in seinem leicht befestigten Palast versteckte, doch Emicho und seine Leute brachen am 27. Mai in den Palast ein, Ruthard floh aus der Stadt, die Kreuzfahrer richteten ein Blutbad an. Mainz war wohl der Ort der größten Gewalttaten Emichos. Hier wurden rund 600 Juden getötet.

Von Mainz aus wandte sich Emicho nach Norden, wo es in Köln bereits im April zu Ausschreitungen gekommen war. Die Juden hatten die Stadt verlassen und sich in der Umgebung versteckt, der Einfluss des Kölner Erzbischofs Hermann III. von Hochstaden verhinderte eine größere Zahl von Opfern. Emicho kam zu den Schluss, dass er im Rheinland seine Aufgabe erledigt habe, und setzte seinen Kreuzzug mainaufwärts und donauabwärts Richtung Ungarn fort.

In Mainz hatte sich eine Gruppe von seinem Haufen abgesetzt, die die Mosel hinauf zog, in Trier einige Opfer fand (auch hier war es dem Einschreiten des Erzbischofs, Egilbert, zu verdanken, dass es nicht mehr wurden) und schließlich nach Metz gelangt, wo sie noch einmal 22 Juden töteten. Sie zogen nach Köln weiter, wo sie feststellten, dass Emicho bereits abgezogen war, ließen ihren Hass dann noch an Juden am Niederrhein aus (24. Juni bis 27. Juni in Neuss, Wevelinghoven, Eller und Xanten), bevor sie sich endgültig zerstreuten.

Der Chronist Ekkehard von Aura berichtet, dass sich Emichos Haufen, in dem sich auch Frauen befanden, im Vertrauen auf den allen Kreuzzugsteilnehmern gewährten Ablass vom „Geist der Hurerei“ habe befallen lassen. Dies und die Erfahrungen, die die Ungarn mit Volkmar und Gottschalk gemacht hatten, veranlassten König Koloman, Emichos Kreuzfahrern die Durchreise durch sein Land zu verweigern. Bei den folgenden Kämpfen wurden sie in der Nähe des Grenzflusses Leitha fast vollständig aufgerieben. Emicho kehrte nach Hause zurück, Wilhelm der Zimmermann und andere schlossen sich in Italien schließlich Hugo von Vermandois und dem Hauptzug der Kreuzfahrer an.

Anmerkungen

  1. Im moslemischen Al-Andalus war es bereits dreißig Jahre vorher zu dem Pogrom von Granada gekommen (Darío Fernández-Morera: The Myth of the Andalusian Paradise (PDF; 193 kB), in: The Intercollegiate Review, 2006, S. 23–31 (25)).

Primärquellen

Literatur

  • Robert Chazan: European Jewry and the First Crusade. University of California Press, 1987.
  • Robert Chazan: In the Year 1096. The First Crusade and the Jews. Jewish Publication Society, 1996 (enthält auch Auszüge aus den hebräischen Chroniken).
  • Jeremy Cohen: Sanctifying The Name of God: Jewish Martyrs and Jewish Memories of the First Crusade. University of Pennsylvania Press, 2004.
  • Kenneth Setton (Hrsg.): A History of the Crusades. Madison, 1969-1989 (online zugänglich).
  • Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge. 3. Buch, 2. Kapitel.

Weblinks

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