Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzyklopädie zum Judentum.
Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ... Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten) |
How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida |
Jung-Jüdischer Wanderbund
Der Jung-Jüdische Wanderbund (JJWB) war eine Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeter deutsch-jüdischer Jugendverband. Der JJWB verknüpfte die Ideen und die Geselligkeit der deutschen Jugendbewegung, von denen Juden weitgehend ausgeschlossen waren, mit jüdischen Lebensweisen.
Geschichte
Über die Anfänge des JJWB gibt es unterschiedliche Aussagen. Nach Beate Lehmann gründete sich der Verband „1911 als selbständige und emanzipierte Jugend- und Wandergruppe unter dem Dach des Verbandes der Jüdischen Jugendvereine (VJJD)“.[1] Andere Quellen behaupten, der Verband sei erst 1920 gegründet worden[2], wobei wohl zu berücksichtigen ist, dass es unterschiedliche Vorgängerorganisationen mit je eigener Geschichte gab. „Im Jahre 1920 wurde in Frankenberg der "Jung-jüdische Wanderbund" (JJWB) gegründet. Er entstand aus dem "Verband der jüdischen Jugendvereine Deutschlands", dem sogenannten "Neutralen Verband" (gegr. 1907), behielt die Parole der Neutralität in allgemeinen und jüdisch-politischen Fragen bei und sah zunächst seinen Zweck fast ausschließlich in der Pflege des Wanderns.“[3] Das Jahr 1920 war auch das Jahr, in dem das erste Bundestreffen des JJWB stattgefunden hatte.
Nach Graefen war der „JJWB etwas jüdischer akzentuiert als andere Gruppierungen, da er sich auf kleinere Gemeinden stützte und die Mitglieder eher vom Lande stammten, die weniger assimiliert waren und der jüdischen Tradition stärker verhaftet waren“[4], und im April 1931 urteilte ein Gustav Goldzieher im Mitteilungsblatt der Kameraden:
„Die Mitglieder des J.J.W.B. (Jung-Jüdischer Wanderbund) stammen nicht wie bei uns Kameraden größtenteils aus gut bürgerlichem Hause, sondern zumeist aus dem jüdischen, genauer ostjüdischen Proletariat. Von hier aus ergibt sich eigentlich alles, was über den J.J.W.B. zu sagen ist, von selbst. Man sieht die Unterdrückung des Proletariats, die man am eigenen Leibe erlebt; daher ergibt sich seine sozialistische Einstellung. Aber man fühlt auch die besondere jüdische Unterdrückung, wie man von den anderen als Fremdstämmiger bezeichnet wird, wie die Juden von der Außenwelt als Volk gestempelt werden. Deshalb schließt man sich zusammen, um die Judennot, die geistige wie die körperliche, zu lindern, möglichst zu beseitigen. Und dies hofft man, durch den Zionismus erreichen zu können.
Aus all dem entstand die heutige Aufgabe des J.J.W.B., die Nachwuchsbewegung zu bilden für den Aufbau eines sozialistischen Palästina. Und man kann sagen, daß er diese Aufgabe voll und ganz erfüllt.[5]“
Doch so, wie aus der Sicht des Jahres 1931 der Verband als ein genuin zionistischer beschrieben wurde, so gradlinig verlief dessen Entwicklung nicht. Noch 1921, beim zweiten Bundestreffen also, wurde ein zionistisches Programm abgelehnt, und es kam daraufhin zu einer Abspaltung. Ein Teil der Mitglieder schloss sich dem Verband Blau-Weiß an, dem Bund für Jüdisches Jugendwandern in Deutschland, ein anderer organisierte sich in der Jung-Jüdischen Schar, die sich aber offenbar nicht völlig vom JJWB lossagte.[6] Ein Teil der ausgetretenen Mitglieder schloß sich schließlich in einer neuen Gruppierung zusammen und nannne sich Brith Haolim.
Innerhalb des JJWB war indes die Hinwendung zum Zionsimus nicht mehr aufzuhalten und gipfelte im Dezember 1922 schließlich im Bekenntnis zur Frankenberger Formel.[1]
„Auf dem Bundestag in Frankenberg (1922) wurde die sogenannte ‚Frankenberger Formel‘ angenommen, welche mit den Worten: ‚Wir bekennen uns zur jüdischen Volksgemeinschaft‘ begann. Als im Winter 1924 in Danzig der ‚Brith Hanoar‘ (eine Zusammenfassung aller Bünde, die dem Welt-‚Hechaluz‘ angehörten) gegründet wurde, traten aus Deutschland der JJWB und der ‚Brith Haolim‘ bei. Damit war die Grundlage für eine Wiedervereinigung der beiden Bünde geschaffen, die im Frühjahr 1925 auf einer gemeinsamen Führertagung beschlossen wurde. Es gab jetzt einen Bund in Deutschland, der sich als Nachwuchsbewegung der zionistischen Arbeiterschaft betrachtete. Er umfaßte 1925 etwa 1500 bis 2000 Mitglieder. Bis 1930 trug der Bund den Namen JJWB; von da an hieß er ‚Brith Haolim‘.[3]“
Die Darstellung von Jehuda Reinharz ist jedoch nicht frei von Widersprüchen, weniger in Bezug auf den beschriebenen Vereinigungsprozess, als vielmehr auf den Kontext, in dem er sich abgespielt haben soll. So gibt es Hinweise darauf, dass „der deutsche Landesverband des Hechaluz [..] am 16. Dezember 1922 in Berlin“ gegründet wurde[7], und nicht wie von ihm behauptet 1924 in Danzig, und zum anderen mutet der Name Brith Hanoar für den Zusammenschluss der Hechaluz-Verbände merkwürdig an, da dieser, worauf unten noch einzugehen sein wird, der Name einer religiös-zionistischen Gruppierung war, dem sich sozialistisch-zionistische Gruppen kaum untergeordnet haben dürften. Auch bei Suska Döpp taucht der Name Brith Hanoar nur im Zusammenhang mit der 1928 gegründeten Misrachi-Jugend auf.[8]
1923 hatte sich der JJWB auch mit dem Jüdischen Volksheim im Berliner Scheunenviertel zusammengeschlossen. Über diesen Zusammenschluss schrieb 1930 Franz Lichtenstein, der lange Zeit der Bundesleitung des JJWB angehört hatte, dass diese „überaus fruchtbar gewesen sei, denn das sozialistische und zionistische Programm des JJWB stimmte mit den Ideen des Volksheims überein und dessen Mitarbeiter empfanden den Zusammenschluss als Bereicherung, denn sie konnten die Volksheimidee nun zu einem wesentlich größeren Teil der jüdischen Jugend hinaustragen“.[9]
Der oben bereits zitierte Gustav Goldzieher beschreibt die Arbeit des JJWB im Jahre 1931 so:
„Der J.J.W.B. stellt aus seinen Reihen den weitaus größten Teil der aus Deutschland zur Hachscharah und Alijah Kommenden. Die Erzíehung des J.J.W.B. hat ein bestimmtes Ziel vor Augen, den ‚sozialistischen Zionismus‘; sie ist daher eine ‚Tendenzerziehung‘. Man kann den J.J.W.B. mit der SAJ oder KJ vergleichen, also mit einer Parteijugend, die bewußt ihre Mitglieder in der Richtung der Partei, zu einem Instrument der Partei erzieht. Der J.J.W.B. erzieht eben in der Richtung der Arbeiterpartei in Palästina oder der Poale Zion in Deutschland zur Hachscharah und Alijah: man arheitet jüdische Geschichte durch, man liest sozialistische Schriften. Man lernt hebräisch, und man diskutiert über tagespolitische Fragen des Zionismus. Man geht auch sonntags auf Fahrt; doch soll das nur eine Beigabe sein, auf die nicht so stark Wert gelegt wird.[5]“
Diese Betonung eines „sozialistischen Zionismus“ würde allerdings in krassem Widerspruch zu einer Wende stehen, die der Verband laut Lehmann vollzogen haben soll. Sie schreibt, der JJWB-Brith Haolim habe sich der Brith Hanoar schel ziere Misrachi (Bund der Misrachi-Jugend) angeschlossen[1], einer dem Bachad verwandten religiösen zionistischen Gruppierung. Im Gegensatz dazu behauptet Anne Graefen: „Im Feb. 1933 fusionierten Brit Haolim und Kadima zu ‚Habonim Noar Chaluzi‘ Jüdische Jugendgemeinschaft (Bauleute, Chaluzische Jugend).“[4] Dies deckt sich auch mit den Ausführungen von Suska Döpp, nach denen Habonim Noar Chaluzi „1933 aus der stufenweise erfolgten Fusion“ von Blau-Weiß, Brith Haolim und Kadima hervorgegangen sei.[10]
Es gibt kaum Hinweise auf bekannte Personen, die im JJWB-Brith Haolim aktiv waren. Neben dem schon erwähnten, aber nicht näher indentifizierbaren Franz Lichtenstein findet sich nur noch in der Kurzbiographie des Journalisten und Essayisten Kurt Loewenstein (1902–1973) ein Hinweis auf dessen Mitgliedschaft im JJWB.[11]
Literatur
- Beate Lehmann: Siegfried Lehmann und das Jüdische Volksheim im Berliner Scheunenviertel, in: Sabine Hering, Harald Lordick, Gerd Stecklina (Hg.): Jüdische Jugendbewegung und soziale Praxis, Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main, 2017, ISBN 978-3-943787-77-1, S. 103–122.
- Anne Graefen: Zionistische Jugendgruppen Jung-Jüdischer Wanderbund (JJWB), Brith Haolim, Kadimah und der orthodox-jüdische Jugendbund Esra, 2004.
- Jehuda Reinharz (Hg.): Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882-1933, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1981, ISBN 3-16-743272-1.
Weblinks
- Über die Webseite Rundschreiben: Jung-Judischer Wanderbund des Leo Baeck Instituts sind zwei Dateien einsehbar, die umfangreiche Rundschreiben des JJWB aus dem Jahr 1928 beinhalten.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Beate Lehmann: Siegfried Lehmann und das Jüdische Volksheim im Berliner Scheunenviertel, S. 118
- ↑ So auf einer Webseite der Humboldt-Universität zu Berlin: Jung-Jüdischer Wanderbund
- ↑ 3,0 3,1 Jehuda Reinharz (Hg.): Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882-1933, Anmerkung auf S. 358
- ↑ 4,0 4,1 Anne Graefen: Zionistische Jugendgruppen
- ↑ 5,0 5,1 Gustav Goldzieher: Vom J.J.W.B., in: Kameraden-Rundbrief, April 1931, S. 11-12
- ↑ Beate Lehmann: Siegfried Lehmann und das Jüdische Volksheim im Berliner Scheunenviertel, S. 118, und Suska Döpp: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906-1938, S. 242 (zitiert nach Google-Books)
- ↑ Hechaluz heißt auf deutsch soviel wie „Pionier“
- ↑ Suska Döpp: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906-1938, S. 115 (zitiert nach Google-Books)
- ↑ Franz Lichtenstein, zitiert nach Sabine Haustein, Anja Waller: Jüdische Settlements in Europa. Ansätze einer transnationalen sozial-, geschlechter- und ideenhistorischen Forschung, Medaon – www.medaon.de, Heft 4, 2009. Die Person Franz Lichtenstein ist nicht eindeutig identifizierbar. Es gibt sowohl einen 1943 in Auschwitz ermordeten Franz Lichtenstein, für den in Berlin ein Stolperstein verlegt wurde (Stolperstein für Franz Lichtenstein), als auch einen „etwa um 1900 geborene Autor Franz Lichtenstein [der] Mitarbeiter beim SIMPLIZISSIMUS [war]. Während der Naziära emigrierte er nach Israel. 1997 in Tel Aviv verstorben, erlebte er das Erscheinen seines Buches nicht mehr.“ (Franz Lichtenstein - Biografie & Lebenslauf). Dessen 1997 erschienener Gedichtsband trägt den Titel Die Zeit, die uns entglitt
- ↑ Suska Döpp: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906-1938, S. 104 (zitiert nach Google-Books)
- ↑ Encyclopedia.com: LOEWENSTEIN, KURT
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Jung-Jüdischer Wanderbund aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |