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Kirchengeschichte
Die Kirchengeschichte ist eine Teildisziplin der Theologie und der Geschichtswissenschaft. Sie befasst sich sowohl mit der Dogmengeschichte bzw. der Geschichte der christlichen Theologie, als auch mit der soziologischen und (kirchen-)politischen Entwicklung der Kirchen. Das schließt auch rechts-, wirtschafts-, siedlungs- und sozialgeschichtliche Aspekte ein, soweit sie mit der Entwicklung der Kirchen in Verbindung stehen.
Die Arbeitsweisen der Kirchenhistoriker entsprechen der allgemeinen Geschichtswissenschaft und sind methodisch deckungsgleich, auch die Epochen werden gleich gesetzt. Die konfessionelle Zugehörigkeit des Forschers spielt heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Es gibt zahlreiche ökumenische kirchenhistorische Projekte. Dennoch ist die Kirchengeschichte institutionell an den Theologischen Fakultäten bzw. Instituten einer Universität angesiedelt. Kontroverstheologische Themenfelder innerhalb der Papstgeschichte, Konzilsgeschichte oder Geschichte der Reformation sind weithin in die Dogmatik ausgewandert, je nach Prägung der Fakultät bestehen auch komplementäre Forschungsbereiche in beiden Fachbereichen. Dennoch wird schon allein in der Fokussierung auf bestimmte Epochen und geographische Schwerpunkte eine konfessionelle Perspektive in der kirchenhistorischen Arbeit nicht zu vermeiden sein.
Überblick
Das Christentum entstand im 1. Jahrhundert aus dem Glauben einer Minderheit im palästinischen Judentum an die Gottessohnschaft Jesu von Nazaret. Urchristen wie Paulus von Tarsus und der Evangelist Johannes entfalteten diesen Glauben auch mit Begriffen aus der griechischen Philosophie. Seitdem verbreitete sich die neue Religion trotz Verfolgungen im gesamten Römischen Reich. Nach dem Ende der staatlichen Verfolgungen 313 wurde sie 380 zu dessen Staatsreligion, später zur heute größten Weltreligion. Mit der Bildung von Kirchen mit einer Beamtenhierarchie (Klerus) gingen dogmatische Streitfragen einher, die mitunter zu Kirchenspaltungen und Neubildung von Konfessionen führten.
Nach 300 Jahren waren etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung des römischen Reiches Christen geworden. Die theologischen Zentren dieser Ausbreitung lagen in Kleinasien, Syrien und Nordafrika. Nachdem es im Römischen Reich in der Zeit Konstantins erst akzeptiert und dann unter Theodosius I. sogar zur Staatsreligion wurde, breitete es sich innerhalb der griechisch-römischen Kultur so stark aus, dass es außerhalb des Römischen Reichs mit diesem identifiziert wurde. In der ausgehenden Spätantike umfasste seine Ausdehnung die des Römischen Reichs und einiger angrenzender Gebiete wie Armenien oder Äthiopien; auch im Sassanidenreich breitete es sich, in Gestalt der nestorianischen Glaubensrichtung, langsam aus.
Die weitgehende Christianisierung des Römischen Reichs führte jedoch nicht zu einer christlichen Einheitskultur. Neben der Reichskirche mit einem lateinischen Schwerpunkt in Rom und einem griechischen in Konstantinopel gab es, insbesondere im Vorderen Orient und Ägypten, verschiedene monophysitische Kirchen und die Assyrische Kirche des Ostens, die alle in der lokalen Sprache und Kultur fest verankert waren und blieben.
Vom 6. bis 10. Jahrhundert erlebte das Christentum seine bisher schwersten Rückschläge in seiner Geschichte. Das Römische Reich zerbrach unter dem germanischen Ansturm (siehe Völkerwanderung und Spätantike). Die ursprünglichen christlichen Kernlande, der Vordere Orient und Nordafrika, wurden vom Islam überrannt (siehe auch: Islamische Expansion), ebenso Sizilien und Hispanien. Einer Expansion der Westkirche, insbesondere im Frankenreich, folgte ein absoluter Tiefpunkt des römischen Papsttums im 9. und 10. Jahrhundert. Die östlichen Ableger der Assyrischen Kirche, die bis in das Kaiserreich China gelangt waren, gingen fast alle im Mongolensturm unter.
Diesem Niedergang folgte ein erstaunlicher Aufschwung. Im Westen gingen von Wandermönchen und Klöstern Erneuerungsbewegungen aus, die nach und nach das ganze westliche Europa christianisierten und unter der römischen Kirche einigten und Spanien und Sizilien zurückgewannen. Von Konstantinopel aus wurden der Balkan und das europäische Russland christianisiert und es entwickelten sich neue Patriarchate. Die Assyrische Kirche breitete sich wieder als Minderheitsreligion entlang der Seidenstraße bis zur chinesischen Küste aus.
Im Spätmittelalter folgten weitere Rückschläge: Konstantinopel wurde von den Türken überrannt, die bis vor Wien gelangten. In Asien verschwanden die christlichen Niederlassungen bis auf wenige Reste in Indien. Im Westen war das Papsttum im Wesentlichen durch ein großen Schisma wieder auf einem organisatorischen und moralischen Tiefpunkt und wurde gerade im Kernland Italien teilweise vom Humanismus verdrängt.
Im 16. Jahrhundert kam es zu den protestantischen Reformationen und parallel dazu zu einer tiefgehenden Reform der katholischen Kirche. Gleichzeitig breitete sich das Christentum durch die Mönchsorden, die den spanischen und portugiesischen Entdeckern folgten, in Lateinamerika und entlang den Küsten von Afrika und Asien weiter aus als je zuvor. Dieser katholischen Verbreitung folgte im 17. und 18. Jahrhundert eine ähnliche weltweite Verbreitung des Protestantismus durch die Holländer und Engländer und durch Auswanderer, die protestantischen Minderheitskonfessionen angehörten. Die russisch-orthodoxe Kirche expandierte nach Nordasien, insbesondere Sibirien und Japan.
Die Aufklärung brachte zum einen einen Wegfall des bisherigen christlichen Konsens in Europa, wo jetzt auch andere Weltanschauungen Platz fanden, zum anderen eine Revitalisierung des Christentums im Pietismus, Methodismus und den Erweckungsbewegungen in Amerika, die alle das Glaubensleben des Einzelnen intensivierten. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich der Protestantismus in ganz Nordamerika, war die dominierende Religion in Australien, expandierte in Lateinamerika und hatte Missionen in fast jedem afrikanischen und asiatischen Land. Gleichzeitig kam es in Europa zu neuen theologischen Entwicklungen. Die katholische Kirche erfuhr politische Rückschläge, insbesondere durch die Französische Revolution, festigte jedoch gerade dadurch ihre innere Organisation und Einheit. Emigranten verbreiteten sie verstärkt in Nordamerika, Missionare in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Im 20. Jahrhundert verlegte sich der Schwerpunkt des Christentums erneut. Kernlande der protestantischen Kirchen waren jetzt die Vereinigten Staaten. Um 1965 waren die Christen hälftig auf westliche und nichtwestliche Länder verteilt, und in den folgenden Jahrzehnten wurden die Christen der Dritten Welt zur Mehrheit. Besonderen Aufschwung hatten dort neue, lokale Kirchen der charismatischen Richtung - nicht die traditionellen Kirchen.
Alte Kirche
Urchristentum
Die Kirchengeschichte beginnt ungefähr mitte des ersten Jahrhunderts mit der Entstehung einer Kirche oder Gemeinde von Anhängern des Jesus von Nazaret. Als Urchristentum oder apostolisches Zeitalter bezeichnet man die ersten Jahrzehnte des Christentums vom ersten Pfingsten bis zur Abfassung der letzten später in das Neue Testament aufgenommenen Schriften (um 130). Einige Kirchen wurden in dieser Zeit noch von Aposteln und ihren direkten Schülern geleitet, zum Beispiel die Gemeinde in Jerusalem von Jakobus dem Gerechten, die Gemeinde in Ephesus vom Apostel Johannes und die Gemeinde in Alexandria von Johannes Markus. Zeugnisse wie etwa die Erscheinungen des Auferstandenen in Galiläa (Mk 14,28; Mk 16,7) führen dazu, dass Theologen wie Norbert Brox über sehr frühe christliche Gemeinden spekulieren, die es möglicherweise schon vor der Kreuzigung außerhalb Jerusalems gegeben habe, das "Urchristentum" also nicht als eine urchristliche Gemeinde in Jerusalem gedacht werden dürfe, von der allein aus die spätere Entwicklung eingesetzt habe.[1] Unter dieser Annahme wäre der Begriff des Urchristentums nicht erst vom ersten Pfingstfest an berechtigt, sondern wäre bereits seit den ersten Jüngerberufungen in Galiläa berechtigt.
Das Christentum breitete sich vor allem durch die griechischsprachigen „Hellenisten“ schnell nach Samaria und Antiochia aus, wo die Anhänger der neuen Religion zuerst Christen genannt wurden (Apg 11,26), dann nach Zypern, Kleinasien, Nordafrika, Griechenland und Rom. Die einzelnen Kirchen waren durch Briefe und reisende Missionare miteinander verbunden.
Im 1. Jahrhundert fand die graduelle Abspaltung des Christentums vom Judentum statt, mit einem scharfen Schnitt nach der Eroberung Jerusalems im Jahr 70, und parallel dazu kam es zu den Auseinandersetzungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen, bei denen es im Wesentlichen darum ging, wie weit nichtjüdische Christen ans jüdische Gesetz gebunden sind. Diese Auseinandersetzungen fanden eine erste Lösung im Apostelkonzil.
Ebenso entstanden in dieser Zeit die Briefe, Evangelien und übrigen Schriften des neuen Testaments und kamen nach und nach in den liturgischen Gebrauch parallel zu den von Anfang an verwendeten Schriften des Alten Testaments.
Apostolische Väter
Apostolische Väter heißen die frühen Kirchenväter, die noch direkten Kontakt zu Aposteln hatten oder von diesen stark beeinflusst wurden.
Die Quellen bezüglich dieser Zeit sind ziemlich begrenzt. Relativ wenige Texte und Biografien sind erhalten.
In dieser Zeit entwickelt die Kirche sich zur Bischofskirche, wobei die Bischöfe damals Vorsteher einer örtlichen Gemeinde waren. Die Schriften des Neuen Testaments zirkulierten in verschiedenen Sammlungen in den Gemeinden.
Das Christentum wurde nach und nach vom römischen Staat als eigenständige nichtjüdische Gruppe wahrgenommen. Es kam zu Christenverfolgungen unter Domitian (81–96) und Trajan (98–117).
Christenverfolgungen
Zu den ersten Christenverfolgungen und Märtyrern kam es bei innerjüdischen Auseinandersetzungen mit Tempelpriestern und Pharisäern (Stephanus, Jakobus der Ältere, Jakobus der Gerechte), dann auch im römischen Reich (Simon Petrus, Paulus von Tarsus) unter Nero.
In die Zeit der apostolischen Väter fiel die Christenverfolgung unter Trajan (98–117), der zum Beispiel Ignatius von Antiochia zum Opfer fiel.
Aus der Zeit von Trajan ist dessen Korrespondenz mit Plinius dem Jüngeren erhalten, aus der hervorgeht, dass der römische Staat zwar nicht von sich aus systematisch nach Christen fahndete, jedoch Leute, die als Christen angezeigt wurden, vor die Wahl stellte, dem Kaiser Opfer zu bringen, das heißt dem Christentum abzuschwören, oder hingerichtet zu werden. Anonyme Anzeigen wurden allerdings nicht berücksichtigt. Daraus resultierte für die Christen eine permanente Rechtsunsicherheit, die sie vom Wohlwollen nichtchristlicher Nachbarn abhängig machte. Das römische Reich wusste nicht so recht, wie es mit den Christen umgehen sollte; es entwickelte keine logische Verfahrensweise: nicht das Christsein, nur das Christbleiben wurde bestraft.
Während der folgenden Jahrzehnte kam es weitverbreitet zu lokalen Christenverfolgungen, teilweise durch die Behörden, teilweise direkt durch die Bevölkerung. Bei solchen lokalen Christenverfolgungen kamen Polykarp von Smyrna 155 in Kleinasien und Justin der Märtyrer in Rom als Märtyrer ums Leben. Unter Mark Aurel kam es in der Folge einiger Naturkatastrophen 177 in Lyon und Viennes zu massiven Verfolgungen.
Nach dem Tod von Mark Aurel 185 lebten die Christen in relativem Frieden bis zu den Christenverfolgungen unter Decius (249-253) und Valerian (253–260). Diese fanden, im Gegensatz zu früher, im ganzen Reich statt und zielten darauf, das Christentum auszurotten. Verbreitet war die Anwendung von Folter, um Christen zum Abfall zu bewegen. Insbesondere Bischöfe und Priester wurden getötet, Eigentum von Christen wurde konfisziert, christliche Schriften wurden zerstört.
Die massivsten Christenverfolgungen fanden anfangs des vierten Jahrhunderts unter Diokletian statt. Besonders im Osten des Reichs, in Kleinasien, Syrien und Palästina, verliefen sie sehr blutig.
Apologeten
Als Reaktion auf die Verfolgungen und auf sarkastische Schriften heidnischer Schriftsteller (Celsus) traten im 2. Jahrhundert Apologeten auf, die in ihren Schriften den christlichen Glauben verteidigten. Zu den bedeutendsten gehörten in der Mitte des 2. Jahrhunderts Justin der Märtyrer, Tatian und Athenagoras und anfangs des 3. Jahrhunderts Origenes und Tertullian.
Theologische Auseinandersetzungen im 2. Jahrhundert
Die bedeutendste Auseinandersetzung des jungen Christentums im zweiten Jahrhundert war die mit dem Gnostizismus, einer um die Zeitenwende entstandenen und im römischen Reich weit verbreiteten synkretistischen Geistesbewegung, die in sich eine reiche Palette philosophischer und kultischer Überlieferungen vereinte und auch christliche Überlieferungen in sich aufnahm, so dass auch eine christliche Variante der Gnosis entstand, von der einige Schriften überliefert sind, zum Beispiel das Thomasevangelium. Gegenüber der von der Gnosis vertretenen Geheimlehre, die nur Eingeweihten zugänglich ist, vertraten Kirchenväter die Apostolische Nachfolge, in der die gleiche Lehre gepredigt wurde, die auch die Apostel gepredigt hatten.
Um die Mitte des zweiten Jahrhunderts gründete Marcion seine eigene Kirche, die ebenfalls teilweise gnostische Ideen beinhaltete und eine radikale Distanzierung von der jüdischen Tradition vertrat. Marcion erkannte nur wenige der neutestamentlichen Schriften an, in erster Linie die Paulusbriefe.
Ebenfalls um die Mitte des zweiten Jahrhunderts trat in Phrygien Montanus auf, der Gründer des Montanismus, einer ekstatischen Endzeit-Bewegung mit charismatischen Zügen, strenger Kirchenzucht, Askese und Eheverbot.
In der Reaktion auf Marcions Reduktion der neutestamentlichen Schriften und die neu legendenhaften oder gnostisch beeinflussten Schriften, entstanden verschiedene Listen von Schriften, die in den miteinander in Kommunion stehenden christlichen Gemeinden offizielle liturgische Verwendung fanden. Aus diesen Listen entwickelt sich im Verlauf der nächsten zweihundert Jahre nach und nach der neutestamentliche Kanon.
Eine weitere Reaktion der apostolischen Tradition gegen die verschiedenartigen Interpretationen des Neuen Testaments war die Entstehung von „Symbolen“ (Taufbekenntnissen), in denen der christliche Glaube in Kurzform zusammengefasst wurde. Eines der frühesten erhaltenen Bekenntnisse ist das Altrömisches Glaubensbekenntnis.
Kirchenväter
Vom letzten Viertel des zweiten Jahrhunderts an traten die ersten bedeutenden Kirchenväter auf: Irenäus von Lyon, in Gallien, Tertullian in Afrika. In Alexandria entstand unter Pantaenus und Clemens von Alexandria die erste christliche theologische Schule, die durch Origenes für ihre allegorische Bibelauslegung berühmt wurde.
Cyprian verteidigte die allgemeine, inklusive Kirche gegen Novatian, der eine rigorose Exkommunikation von Sündern und Abgefallenen vertrat.
Eusebius von Cäsarea schildert in zehn Bänden die Geschichte der christlichen Kirche von ihrem Entstehen bis gegen 324.
Theologische Fragen im 3. Jahrhundert
Nach den Verfolgungen von Decius sah sich die Kirche mit der Frage konfrontiert, wie sie mit den Christen umgehen sollte, die unter dem Druck der Verfolgung abgefallen waren – und allgemeiner mit Christen, die nach der Taufe schwer gesündigt hatten. Diese Frage der Ekklesiologie sollte insbesondere den Westen während der nächsten 150 Jahre beschäftigen. Eine Fraktion unter Novatian gehörte zu den ersten Gruppen, die um der Reinheit der Kirche willen eine rigorose Exkommunikationspraxis forderten, eine Haltung, die auch von den Donatisten vertreten wurde. Im Gegensatz dazu vertraten im 3. Jahrhundert Cyprian und im späten 4. Jahrhundert Augustinus von Hippo eine Kirche, die sich, wie ihr Gründer Jesus Christus, den Sündern zuwenden solle.
Die zweite Frage, die im 3. Jahrhundert von verschiedener Seite diskutiert wurde, betraf die Christologie, insbesondere das Verhältnis Jesu Christi zu Gott dem Vater. Sabellius war der prominenteste Vertreter des modalistischen Monarchianismus, der die Sicht vertrat, dass sich der eine Gott nacheinander als Schöpfer, Jesus Christus und Heiliger Geist offenbarte. Im Gegensatz dazu vertraten etwa Paul von Samosata und nach ihm Lukian von Antiochia, der seinerseits der Lehrer von Arius und Eusebius von Nikomedia war, den dynamischen Monarchianismus, der Jesus Christus ganz als Menschen sah, der bei seiner Taufe von Gott adoptiert worden war. Beide Lehren wurden von Bischofssynoden verurteilt. Die christologischen Streitigkeiten gingen jedoch bis ins 6. Jahrhundert weiter.
In der Bibelauslegung entwickelten sich zwei unterschiedliche Schulen, die Antiochenische Schule, die sich unter Berücksichtigung von Feinheiten des Wortschatzes und der Grammatik auf die Erforschung des tatsächlichen Schriftsinns konzentrierte, und die Alexandrinische Schule, die in der Nachfolge von Origenes den Schwerpunkt in der allegorischen Bibelauslegung hatte. Der Gegensatz zwischen Antiochia und Alexandria sollte sich später auch in der Politik und in der Dogmatik weiter auswirken.
In der Liturgie sind etwa bei Hippolytus Formulierungen überliefert, die bis heute in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und lutherischen Liturgie in Gebrauch sind, zum Beispiel der Anfang der Eucharistie:
„Der Herr sei mit euch
und mit deinem Geist!
Erhebet eure Herzen!
Wir erheben sie zum Herren.
Lasset uns Dank sagen dem Herren, unserm Gott.
Das ist würdig und recht.“
Reichskirche im römischen Reich
Die schlimmste Christenverfolgung unter Diokletian (303-311) endete damit, dass Kaiser Galerius 311 das Toleranzedikt von Nikomedia herausgab, das die Christenverfolgungen im römischen Reich beendete. Zwei Jahre später erweiterten Kaiser Konstantin I. und Licinius, Kaiser des Ostens, dieses Edikt im Toleranzedikt von Mailand, das allen im römischen Reich freie Religionsausübung zusicherte.
Nach der konstantinischen Wende nahm die Zahl der Christen, die vor der diokletianischen Verfolgung etwa zehn Prozent der römischen Einwohner umfasst hatten (im Osten wohl mehr, im Westen eher weniger), stark zu – allerdings gab es in dieser Zeit auch Bekehrungen aus politischen Gründen, insbesondere in der Umgebung des Kaiserhofs, wo Christen von Konstantin und seinen Nachfolgern stark bevorzugt wurden – im vierten Jahrhundert allerdings meistens Christen der arianischen Richtungen. Der Versuch Kaiser Julians (regierte von 361 bis 363), die konstantinische Wende wieder rückgängig zu machen, erwies sich als Fehlschlag.
In den Medien (Time Magazine, Der Spiegel) wird irrtümlich immer wieder behauptet, dass Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erhoben habe. Richtig ist, dass das Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche sehr unterschiedlich war: Kaiser Theodosius I. erklärte durch verschiedene Gesetze in den Jahren 380 beziehungsweise 390/391 das Christentum faktisch zur Staatsreligion, wurde aber auch von Ambrosius von Mailand unter Drohung der Exkommunikation zu einer mehrmonatigen öffentlichen Buße für das Massaker von Thessaloniki gezwungen (siehe dazu die Religionspolitik Theodosius I.).
Sein Sohn Arcadius andererseits verbannte Johannes Chrysostomos, den Patriarchen von Konstantinopel, als dieser seiner Frau Eudokia Vorhaltungen machte. Der arianisch gesinnte Constantius II. bedrohte die Bischöfe auf dem Konzil von Mailand (355) mit dem Schwert, um einen Konzilsentscheid zu erreichen. Justinian I. vertrat die Einheit und eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kirche (die sich mit göttlichen Dingen befasste) und dem Reich (das über die Moral gebot). Er wird von der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt. Die von ihm komponierten Hymnen werden noch heute in der orthodoxen Liturgie verwendet.
Struktur der Kirche
Während es in den Jahren der Verfolgung im Wesentlichen lokale Kirchen mit mehr oder weniger gleichberechtigten lokalen Bischöfen gab, die miteinander in Kommunion standen (oder bei starken Unterschieden in der Lehre diese Kommunion abbrachen) entwickelt sich jetzt eine Hierarchie von Bischöfen. Schon früh hatten die Bischöfe von bedeutenderen Kirchen eine gewisse Autorität gegenüber ihren Kollegen, aber im 4. Jahrhundert hatten dann die Bischöfe von Provinzhauptstädten, im ersten Konzil von Nicäa als Metropoliten bezeichnet, eine klare Führungsrolle, wobei die Bischöfe von Alexandria, Antiochia, und Rom besonders erwähnt werden. De facto war jedoch im 4. Jahrhundert die Persönlichkeit eines Metropoliten oft entscheidender als der Rang der Stadt – Bischöfe wie Ossius von Córdoba, Eusebius von Nikomedia, Basilius von Caesarea. Hilarius von Poitiers, Ambrosius von Mailand oder Augustinus von Hippo spielten in der Kirche des 4. Jahrhunderts theologisch und kirchenpolitisch eine bedeutendere Rolle als die meisten ihrer Kollegen in Antiochia, Rom und Alexandria.
Während schon im 2. und 3. Jahrhundert in lokalen Synoden über Lehrfragen entschieden worden war, gab es im 4. Jahrhundert erstmals ökumenische Konzilien – das erste Konzil von Nicäa 325 und das erste Konzil von Konstantinopel 381 – denen nach damaliger Sicht die höchste Autorität in Fragen der Lehre und Kirchenorganisation zukam, wobei eine solche Autorität von der unterlegenen Seite längst nicht immer anerkannt wurde.
Mönchtum
Als Reaktion auf die zunehmende Verweltlichung des Christentums gab es im vierten Jahrhundert einen starken Zuwachs beim Mönchtum, das sich auf die asketischen Traditionen des Frühchristentums berief. Auch beim Mönchtum ist zu sehen wie das christliche Leben im Westen und Osten sich unterscheidet. Im Osten strebten die Mönche ein eremitisches Leben in der Wüste an. Im Westen hingegen wurde durch Benedikt von Nursia ein Zusammenleben mit anderen Mönchen entwickelt, das asketische Extreme vermied. Die Grundlage eines solchen Zusammenlebens war die Gehorsamkeit des Einzelnen gegenüber dem Abt. Die Mönche verzichteten auf Eigentum und achteten auf die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Gebet. Wissenschaft war in Benediktklöstern als Arbeit wichtig und so konnte das antike Gedankengut durch die Schulen und Schreibstuben in den Klöstern über mehrere Jahrhunderte hinweg überliefert werden. Ein Schwerpunkt war Ägypten, wo Antonius der Große und Pachomios zu Beginn des 4. Jahrhunderts die ersten Einsiedlergemeinschaften oder Klöster gründeten; andere bildeten sich in Kleinasien, stark gefördert durch Basilius von Caesarea. Im Westen verbreitete sich das Mönchtum noch im 4. Jahrhundert durch Johannes Cassianus und Martin von Tours in Gallien, ab dem 5. Jahrhundert durch Patrick von Irland in Irland und Schottland, im 6. Jahrhundert durch Benedikt von Nursia im Gebiet des römischen Reichs.
Theologische Fragen
Christologie und Trinität
Die Frage der Trinität (Dreigestalt) Gottes gewann in der Frühphase des Christentums an Bedeutung. Eine sich auf den Presbyter Arius beziehende Gruppe von Christen Arianer vertrat die Ansicht, dass Gottvater, Sohn und Heiliger Geist nicht wesensgleich (gr. ὁμοούσιος), sondern Sohn und Geist dem Vater nur wesensähnlich (gr. ὁμοιύσιος) sind. Aus Sicht der Arianer war lediglich der Vater Gott. Geist und Sohn sind zwar von Anbeginn existent, aber von Gott geschaffen und damit lediglich Abbilder Gottes.
Diese Frage nach der Gestalt Gottes berührte auch die Eigenschaft des Christentums als Monotheismus und war damit von zentraler Bedeutung für das frühe Christentum.
Nicht-chalcedonische Kirchen
Die Assyrische Kirche des Ostens hat sich beim nestorianischen Streit von den übrigen Kirchen getrennt, ohne jedoch tatsächlich den Nestorianismus zu vertreten.
Sowohl die Armenische Apostolische Kirche, als auch die Assyrische Kirche des Ostens und die Monophysitischen Kirchen haben die Entscheidungen des ökumenischen Konzils von Chalcedon nicht anerkannt und sich zu diesem Zeitpunkt von der Kirchengemeinschaft mit den anderen Kirchen getrennt. Die Gründe dafür waren teils theologisch und teils politisch begründet.
Die Patriarchate von Alexandria (einschließlich Äthiopien) und Jerusalem waren weitgehend monophysitisch und sagten sich von der Reichskirche los, wenn es auch überall parallel dazu Minderheiten gab, die bei der Reichskirche blieben.
Die Armenische Kirche bestand auch unter der Herrschaft der Sassaniden und Araber weiter und trug wesentlich zur armenischen Identität bei und hatte ihre eigene Literatur und Architektur, zahlreiche Klöster und Schulen und eine eigene Kunstrichtung. Sie verbreitete sich im Wesentlichen durch armenische Kolonien und Händler.
Die Nestorianer waren die vorherrschende christliche Kirche im persischen Reich und unter den Abbassiden. Es waren nestorianische Christen, die an den Höfen der Kalifen die alten griechischen Philosophen ins Arabische übersetzten, die dann Jahrhunderte später von den Arabern ins europäische Mittelalter kamen. Die Nestorianer waren missionarisch sehr aktiv: es gab viele nestorianische Gemeinden und Bischöfe entlang der Seidenstraße und 635 kamen sie bis nach China, wo sie Klöster gründeten und einen Metropoliten einsetzten. Bis zum Jahr Tausend waren diese Gemeinden jedoch dem Islam und Buddhismus gewichen. Einzig in Südindien und Ceylon blieben nestorianische Gemeinden bestehen.
Mittelalter
Byzantinische Reichskirche
Hesychasmus
Christianisierung Westeuropas
Die lateinischsprachigen Länder Westeuropas gehörten zum christianisierten römischen Reich. Auch nach dem Zusammenbruch des Westreichs blieb die Bevölkerung mehrheitlich beim katholisch-orthodoxen Glauben, auch dort, wo sie während der Völkerwanderung zeitweise von arianischen germanischen Stämmen beherrscht wurden.
Irland wurde seit dem 5. Jahrhundert von Patrick von Irland christianisiert. Dort bildete sich eine eigenständige Irische Kirche und ein ganz unabhängiges keltisches Christentum heraus, das nicht durch Bischöfe sondern durch Klöster geleitet wurde. In diesen Abteien gestaltete sich das Leben nach anderen Regeln und es entwickelte sich eine hohe Kultur der Buchkunst mit reich verzierten Bibeln und anderen Büchern. Da Irland abseits der Ströme der Völkerwanderung lag, blieb hier ein großer Teil des Wissens der Antike erhalten und wurde auch durch Klöster bewahrt.
Dabei hatten es die irischen Mönche, da es an einer zentralstaatlichen Einheit fehlte, immer wieder mit lokalen Herrschern zu tun, die kirchenfeindlich eingestellt waren und ebenso wie die Wikinger Klöster ausraubten. Dies hielt im Wesentlichen bis ins Hochmittelalter an. Erst im 12. Jahrhundert wurde die Irische Kirche auf Beschluss der Synode von Cashel nach römischem Vorbild umgestaltet, wobei Rom unter anderem wegen der anglo-normannischen Besetzung schnell wieder an Einfluss verlor.
Mönche der irischen Kirche zogen sich immer wieder in Eremitagen und auf einsame Inseln zurück oder verließen die Insel und waren missionarisch aktiv. Das Wandermönchtum hatte hier eine wichtige Bedeutung. Im 6. Jahrhundert wurde nicht nur die Missionierung Schottlands und Nordenglands begonnen (Columban von Iona) sondern irische Mönche reisten auch nach Gallien, Süddeutschland und der Schweiz (Columban von Luxeuil), wo sie Klöster gründeten. Im Frankenreich wurde 499 mit der Taufe Chlodwigs auch die bis dahin heidnische fränkische Oberschicht katholisch. In der Folge von Columbans Missionsreisen auf dem Festland, war die iroschottische Mission so erfolgreich, dass dort im 7. Jahrhundert rund 300 Klöster gegründet wurden. Zuvor war fast ausschließlich die Stadtbevölkerung christlich geworden, doch jetzt gelang auch eine wirksame Christianisierung in ländlichen Gebieten.
Im 7. Jahrhundert wurde England gleichzeitig von Iro-schottischen und römisch-katholischen Missionaren missioniert, was wegen des unterschiedlichen Kirchenverständnisses zu Konflikten führte. Auf der Synode von Whitby wurde 664 zugunsten des römischen Ritus entschieden. Auch von England aus reisten zahlreiche Missionare auf den Kontinent, die sich insbesondere den mit den Angelsachsen verwandten germanischen Völkern widmeten. Die herausragende Figur dabei war Bonifatius, der insbesondere in Franken und Hessen zahlreiche Klöster gründete, aber auch in Thüringen und Friesland predigte.
Bonifatius betrachtete das keltische Christentum als ungenügend und verlangte ihre Unterwerfung unter Rom. Keltische Geistliche, die nicht dem Papst unterstellt waren, bezeichnete er als falsche Propheten, Götzendiener und Ehebrecher (da sie als Geistliche verheiratet waren). Die auf dem gallischen Konzil von Autun als verbindlich verabschiedete Ordensregel Benedikts wurde von ihm verbreitet und sollte die iroschottische Regel Columbans verdrängen. Insbesondere in Bayern traf er dabei auf energischen Widerstand der iroschottisch geprägten Christen.
Die Sachsen wurden im 8. und 9. Jahrhundert durch Karl den Großen teilweise gewaltsam zum Christentum gebracht, das dennoch dort schnell Fuß fasste, wie das in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstandene Lied Heliand ebenso zeigt wie die Ottonen, die im 10. Jahrhundert eine starke Stütze des westeuropäischen Christentums wurden.
Der Nordosten Deutschlands kam erst im 10. Jahrhundert zum Christentum.
Christianisierung Osteuropas
Die Christianisierung Osteuropas geschah im Wesentlichen von Konstantinopel aus. Vom siebten bis neunten Jahrhundert wurden die Serben missioniert.
Im neunten Jahrhundert übersetzten die aus Saloniki stammenden Brüder Kyrill und Method von Saloniki Teile des Neuen Testaments und der Liturgie ins Slawische und schrieben sie in der von Kyrill entwickelten glagolitischen Schrift nieder. Sie missionierten im Auftrag von Photius I. in Böhmen und Mähren, wo sie in Streitigkeiten zwischen der Westkirche und der Ostkirche verwickelt wurden. Mähren bekannte sich zum Christentum, wurde aber nach dem Einfall der Ungarn wieder mehrheitlich heidnisch.
Die Übersetzungen von Kyrill und Method spielten eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung des Christentums in Bulgarien und nach 950 auch in Russland. 864 wurde Boris, der Khagan der Bulgaren getauft, was bald zu einer Massenbekehrung führte. Bulgarien war das erste Land, das offiziell eine slawische Liturgie einführte. Und dem Boris' Sohn Simeon wurde das Land vollständig christianisiert. 917 erklärte sich die Bulgarische Kirche als autokephal unabhängig und wurde ein eigenes Patriarchat. Die Kirche war in der Lehre orthodox, in der Verwaltung aber unabhängig – die erste von mehreren slawischen Kirchen, die nach diesem Muster selbständig wurden.
Photius I. sandte im neunten Jahrhundert auch die ersten Missionare nach Russland. In der Mitte des zehnten Jahrhunderts gab es in der Hauptstadt Kiew eine christliche Kirche und die Großfürstin Olga von Kiew ließ sich taufen. Erst unter ihrem Enkel Wladimir I. (960 - 1015) kam es zu einer Massenbekehrung von Kiew und der Umgebung. 991 wurde die Bevölkerung von Nowgorod getauft. Beim Tod Wladimirs 1015 gab es drei Bistümer in Russland. Im zwölften Jahrhundert breitete sich das Christentum entlang der oberen Wolga aus. Die Mission geschah in erster Linie durch Mönche und es wurden zahlreiche Klöster gegründet.
Die Böhmen wurden in erster Linie von Deutschland her missioniert. Im 10. Jahrhundert war Wenzel von Böhmen ein christlicher Herrscher, der von seinem heidnischen Bruder Boleslav I. ermordet wurde. Dessen Sohn, Boleslav II. förderte allerdings wieder aktiv das Christentum, gründete Klöster und baute Kirchen, und vervollständigte die nominelle Christianisierung von Böhmen.
Um einer möglichen Zwangsbekehrung der Länder Polens durch das Hl. Römische Reich Deutscher Nation zu entgehen, entschloss sich der Polanenfürst Mieszko I. im Jahr 966 durch seine Heirat mit Dubrawka, einer Tochter des Přemysliden Boleslav I., das Christentum von den Böhmen (Tschechen) anzunehmen.
Die Christianisierung Ungarns erfolgte im späten 10. und frühen 11. Jahrhundert und wurde hauptsächlich durch das Königshaus erreicht, insbesondere durch Stephan I.
Die Völker des Baltikums, die Prußen, Wenden, Letten und andere baltischen Stämme, sowie die Esten wurden erst im 10. bis 13. Jahrhundert im Zuge der deutschen Ostsiedlung zwangschristianisiert, wobei das Großfürstentum Litauen nicht erobert werden konnte und sich erst Ende des 14. Jahrhunderts zum Christentum bekehrte.
Kirchenreform von Cluny
Vom Kloster Cluny ging die Reformbewegung aus.
Papst, Kaiser und Könige
Papst Gregor VII., ein überzeugter Anhänger der Reformbewegung, setzte seinen Machtanspruch gegenüber König Heinrich IV. durch (siehe auch Investiturstreit).
Kreuzzüge
Zeitalter der Reformation
Im Mittelalter rebellierten zahlreiche Neuerer gegen eine moralisch verkommene Kirche. Sie wollten die fehlgelaufene Geschichte korrigieren (lateinisch corrigere), die Kirche der Frühzeit wiederherstellen (restituere), eine verkrustete Lehre erneuern (renovare) und die kirchlichen Ämter umgestalten (reformare).[2]
Lutherische Reformation
Siehe auch: Protestantismus, Magdeburger Centurien, Reformation
Reformiert-Calvinistische Reformation
Siehe: Reformierte Kirche
Anglikanische Reformation
Siehe: Anglikanische Kirche
Radikale Reformation
Die von dem deutschen Theologen Heinold Fast auch als linker Flügel der Reformation bezeichnete radikale Reformation bietet ein eher heterogenes Bild. Zwar verband die meisten von ihnen eine apokalyptische Welt- und Zeitsicht (diese teilten sie im Übrigen auch mit anderen Reformatoren), die Forderung nach einer radikalen Reform der Kirche und eine deutliche Kritik am sich herausbildenen territorialen Protestantismus. Die Konsequenzen, die sie jedoch daraus zogen, waren durchaus unterschiedlich. Thomas Müntzer, einer der Gegenspieler Martin Luthers, verband beispielsweise die Reform der Kirche mit der Forderung nach einer revolutionären Umwälzung der politischen und sozialen Verhältnisse. Hier lagen auch die theologischen Wurzeln des Deutschen Bauernkriegs. Dabei kam es auch in Thüringen zur Gründung des Ewigen Rates, der die politischen und sozialen Forderungen der Bauern durchsetzen sollte. Andere radikalreformatorischen Gruppen wandten sich dagegen allein der Gemeinde zu.
Eine bedeutende Rolle innerhalb der radikalen Reformation kam den Täufern zu. Die kurz nach dem Bauernkrieg im Umfeld der Schweizer Reformation entstandene Täuferbewegung verfolgte die Wiederherstellung der neutestamentlichen Gemeinde Jesu. Die von ihnen ausschließlich praktizierte Gläubigentaufe, die von ihren Gegnern irreführend als Wiedertaufe bezeichnet wurde, war nur ein Teil und – genau genommen – Folge ihrer Ekklesiologie. Kirche war für sie die Gemeinde der Gläubigen, in der die sozialen Schranken gefallen waren. Sie praktizierten das Allpriestertum und wählten ihre Ältesten und Diakone auf „demokratische“ Weise. Sie traten für die Trennung von Kirche und Staat ein, forderten Religionsfreiheit nicht nur für sich und verweigerten in weiten Teilen ihrer Bewegung den Kriegsdienst und den Eid. Zu ihnen gehören unter anderem die heute noch bestehenden Glaubensgemeinschaften der Hutterer und der Mennoniten.
Ganz anders positionierten sich die sogenannten Münsterschen Wiedertäufer, deren Wegbereiter – wenn auch ungewollt – Melchior Hofmann geworden war. Ihr enthusiastischer und gewaltbereiter Chiliasmus, der durch die erlittenen Verfolgungen entfacht worden war, gipfelte in der gewaltsamen Aufrichtung des Königreichs von Münster. Ihre Führer sahen sich als die entscheidenden Werkzeuge und Wegebahner eines hereinbrechenden Reiches Gottes.
Eine vierte Gruppe innerhalb des linken Flügels der Reformation bildeten die von ihren Gegnern als Schwärmer bezeichnete Bewegung. Sie waren mit der Täuferbewegung eng verwandt und gingen zum Teil aus ihr hervor. Sie vertraten einen stark verinnerlichten Glauben. Ihr Ziel war es nicht in erster Linie, eine sichtbare und verfasste Kirche zu bilden. Sie legten entsprechend auf die äußeren Zeichen beziehungsweise Sakramente wie Abendmahl und Taufe keinen großen Wert. Sie verstanden sich als eine Art unio mystica. Zu ihren bedeutenden Vertretern gehörte Sebastian Franck.
Sowohl die katholischen als auch die lutherischen und reformierten Obrigkeiten verfolgten die genannten Gruppen mit großer Härte – ohne Ansehen ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen und Lehren. Tausende von (friedlichen) Täufern wurden wegen ihrer Überzeugungen gefangen gesetzt, gefoltert und bei lebendigem Leib verbrannt oder ertränkt.
Neuzeit
Inqusition und Hexenverfolgung
Im ausgehenden Mittelalter und besonders in der frühen Neuzeit wurden immer wieder Frauen und auch Männer als Hexen bzw. Hexer angeklagt. In den Hexenprozessen hatten die Angeklagten in der Regel keine reale Chance, ihre Unschuld zu beweisen. Die Urteile beruhten meist auf Denunziation und Geständnissen, die unter Folter zustande kamen. Die Verurteilten wurden in der Regel auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sie wurden wurden zudem oft gezwungen, ihrerseits angebliche Mittäter zu denunzieren. Hexenverfolgungen wurden sowohl von kirchlichen Stellen als auch von staatlichen Amtsträgern betrieben. Auch wenn sie religiös begründet wurden, sind sie nicht einfach auf die Kirchen zurückzuführen. Oft wirkte auch die ortsansässige Bevölkerung mit.
In der älteren Forschungsdiskussion vermutete Opferzahlen von mehreren Millionen Menschen sind heute aufgrund der besseren Quellenlage deutlich reduziert worden; man rechnet mit einigen zehntausend hingerichteten Hexen und Hexern. Dabei gibt es eindeutige regionale Schwerpunkte. Vor allem im Alpenraum und in Mitteleuropa kam es zu Verfolgungswellen. In Süddeutschland zum Beispiel taten sich im späteren 16. Jahrhundert einige Bischöfe hervor. Dagegen gab es beispielsweise in Spanien – trotz der dort sehr mächtigen Inquisition – so gut wie keine Hinrichtungen. In protestantischen Gebieten waren die Hexenverfolgungen stärker verbreitet als in katholischen.[3]
Aufklärung
Die Aufklärung hat das Christentum im 17. und frühen 18. Jahrhundert politisch erheblich geschwächt. Der bedeutendste Wandel bestand in der teilweisen Distanzierung von Kirche und Staat. Seither ist es in vielen Staaten möglich, die Ansichten der jeweiligen Kirche offen abzulehnen oder aus der Kirche auszutreten. Die mit der Aufklärung zunehmende Religionskritik und ihre Resultate lassen sich jedoch nicht auf den Prozess der Säkularisierung beschränken. Komplementär zur Säkularisierung entstanden ab dem 17. Jahrhundert auch religiöse Bewegungen, welche die Dogmen der Amtskirchen kritisch hinterfragten und stattdessen eigene Glaubensformen ausbildeten (bspw. den Pietismus). Dabei rückte die individuelle Verbindung des Gläubigen zu Gott immer mehr in den Mittelpunkt.[4]
Osmanisches Reich
Die orientalischen Christen waren im osmanischen Reich in das Millet-System eingebunden und genossen gegen Zahlung einer Sondersteuer eine gewisse Autonomie, bei der die christlichen Kirchen als Ethnie am Hofe vertreten waren. Die orthodoxen Kirchen galten als ein gemeinsames Patriarchat, das von den Griechen dominiert wurde, was zum Unabhängigkeitsstreben der slawischen Völker unter osmanischer Herrschaft beitrug. Das Millet-System hat in wenig veränderter Form in einigen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches (die Türkei nicht dabei) überlebt.
Zeit des Nationalsozialismus
1939 wurde unter Zustimmung von drei Vierteln der deutschen Evangelischen Landeskirchen das Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsch kirchliche Leben“ gegründet. Siehe auch Deutsche Christen. Die Leitung hatte Walter Grundmann.
Eine der Hauptaufgaben dieses Institutes war die Zusammenstellung eines neuen „Volkstestamentes“ im Sinne des im „Mythos des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg geforderten „Fünften Evangeliums“, das den Mythos des „arischen Jesus“, verkünden sollte. Diese neuartige „Bibel“ hatte nicht den von drei Vierteln der damaligen Evangelischen Landeskirchen (zum Teil auch von Bekenntnis-Christen) erhofften und geförderten Erfolg. In der Bearbeitung dieses Volkstestamentes wurde auch auf Bibelkritik der damaligen Zeit Rücksicht genommen. (Herausnahme einer Lohn-Straf-Moral und anderes mehr.) Diese Aspekte und diese Phase der evangelischen Kirchengeschichte und Christentumsgeschichte sind geschichtlich noch wenig aufgearbeitet.
Auch viele Angehörige der Bekennenden Kirche befürworteten ein solches Vorgehen in der Hoffnung, dass wenigstens noch hierdurch der Kirchenaustrittsbewegung der Jahre von 1937 bis 1940 Einhalt geboten werden könne und die Menschen zum Verbleiben in den Kirchen bewegt werden könnten.
Ökumene und zwischenkirchliche Zusammenarbeit
Siehe: Konferenz Europäischer Kirchen, Ökumenischer Rat der Kirchen, Evangelische Allianz, Vereinigung evangelischer Freikirchen, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und andere.
Siehe auch
- Zeittafel Geschichte des Christentums
- Chronologie der christlichen Kirchen, Konfessionen und Sondergruppen
- Kirchenhistoriker
Weblinks
Literatur
- Siehe auch die Literatur unter Alte Kirche, Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Zur Kirchengeschichtsschreibung unter Kirchengeschichte (Literatur).
Einführung
- Bernd Moeller: Geschichte des Christentums in Grundzügen. 10. Auflage. UTB, Göttingen 2011, ISBN 3-8252-0905-9
Lexika
- Basisinformationen zu Einzelthemen und Personen sind zumeist auch den allgemeinen theologischen und sonstigen einschlägigen Lexika zu entnehmen, darunter: Theologische Realenzyklopädie, Lexikon für Theologie und Kirche, Religion in Geschichte und Gegenwart, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Le Dictionnaire de Spiritualité, Dictionnaire de Théologie Catholique, Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, Reallexikon für Antike und Christentum, Dictionary of the History of Ideas, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Encyclopedia of Philosophy, Stanford Encyclopedia of Philosophy, Internet Encyclopedia of Philosophy, Pauly-Wissowa.
Handbücher
- Jean-Marie Mayeur, Charles und Luce Pietri, André Vaucher, Marc Venard (Hrsg.): Die Geschichte des Christentums. Religion Politik Kultur. Deutsche Ausgabe herausgegeben von Norbert Brox, Odilo Engels, Georg Kretschmar, Kurt Meier, Heribert Smolinsky. Herder, Freiburg i. Br. 1991 ff (14 Bände, aktuelle Gesamtdarstellung: Besprechung)
- Ernst Dassmann: Kirchengeschichte. Kohlhammer, Stuttgart 1991–1999 (Kohlhammer Studienbücher Theologie. 10).
- Carl Andresen: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999.
- Raymund Kottje, Bernd Moeller (Hrsg.): Ökumenische Kirchengeschichte. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1970 (3 Bände).
- Herbert Smolinsky, Klaus Schatz: Kirchengeschichte der Neuzeit. Patmos, Düsseldorf 1993, (Leitfaden Theologie. 21, 2 Bände).
Einzelnachweise
- ↑ Norbert Brox: Kirchengeschichte des Altertums, 3. Aufl., Düsseldorf 2006, S. 10
- ↑ Burkhard Weitz: Was bedeutet Reformation?. In: chrismon spezial. Das evangelische Online-Magazin zum Reformationstag, Oktober 2012. Abgerufen am 31. März 2013.
- ↑ http://www.welt.de/kultur/article126395361/Neuneinhalb-Thesen-gegen-Martin-Luther.html
- ↑ Albrecht Beutel: Aufklärung Deutschland. Göttingen 2006, S. 213, S. 232; Kaspar von Greyerz: Religion und Kultur. Europa 1500-1800. Gütersloh 2003, S. 291, S. 297; Hartmut Lehmann: Religiöse Erweckung in gottferner Zeit: Studien zur Pietismusforschung. Göttingen 2010, S. 7; Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung. Berlin 2010, S. 147.
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