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Marcel Mauss

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Marcel Mauss

Marcel Mauss (geb. 10. Mai 1872 in Épinal; gest. 10. Februar 1950 in Paris) war ein französischer Soziologe und Ethnologe.

Biographie

Marcel Mauss stammte aus einer jüdischen Familie, die eine kleine Seidenstickermanufaktur in den Vogesen betrieb. Vierzehn Jahre lang war sein Onkel, Émile Durkheim, sein Mentor.

Mauss lehrte an der École Pratique des Hautes Études im Fachbereich Religionswissenschaften die „Religionen unzivilisierter Völker“ (wobei er die Bezeichnung „unzivilisiert“ ablehnte). Zusammen mit Durkheim begründete er die Zeitschrift L'Année Sociologique und 1925, zusammen mit Paul Rivet (1876–1958) und Lucien Lévy-Bruhl, das Institut d'Ethnologie in Paris. Kurz darauf erhielt er einen Lehrstuhl für Soziologie am Collège de France; die Bewerbung dafür hatte er, zum Ärger seines Onkels, 1908 noch abgelehnt.

Politisch war Mauss eng mit der Arbeiter-Internationale verbunden, gründete die Zeitschriften Mouvement Socialiste und L'Humanité und veröffentlichte entsprechende reformsozialistische Artikel. Sein politisches Vorbild war Jean Jaurès. 1934 heiratete er seine Sekretärin. Während der deutschen Besatzungszeit drängte man ihn aus seiner Position. Er selbst blieb zwar unbehelligt, aber engste Kollegen (wie z. B. Maurice Halbwachs) wurden umgebracht.

Nach dem Krieg lebte er sozial isoliert, hinzu traten persönliche Probleme, und sein Geist versank in Umnachtung.

„Essai sur le don“ („Die Gabe“)

Anders als Durkheim war Mauss stark empirisch orientiert. Er versuchte, soziale Phänomene in ihrer Totalität zu sehen und zu verstehen. Der Austausch in archaischen Gesellschaften, den er in seinem Essai sur le don (zuerst 1923/24; dt. unter dem Titel „Die Gabe“) darstellt, ist nach seiner Auffassung eine umfassende gesellschaftliche Tätigkeit. Sie stellt ein „soziales Totalphänomen“ dar, das gleichzeitig ökonomische, juristische, moralische, ästhetische, religiöse, mythologische und sozio-morphologische Dimensionen umfasst und weit über das Menschenbild des rationalen Homo oeconomicus und seiner Wirtschaft hinausgeht.

Im Mittelpunkt seiner Erforschung der Gabe steht die Frage, warum man Gaben erwidern muss. Die Antwort liegt darin begründet, dass sich in der Gabe Person und Sachen mischen, man beim Geben einen Teil von sich gibt und im Nehmen der Gabe insofern eine Fremderfahrung des Anderen macht. Mauss untersucht diese Vermischung von Person und Sache nicht nur in fremden Kulturen, sondern auch in unterschiedlichen europäischen Rechtssystemen (bei den Römern oder Germanen), um schließlich von den fremden und alten Kulturen auf die gegenwärtigen Gesellschaften überzuleiten und dort die moralischen Folgerungen aus den Praktiken der Gabe auszuloten.

Der Essai sur le don war die erste grundlegende vergleichende ethnographische Arbeit über die Gabe. Als systematische und vergleichende Studie analysiert sie das System des Geschenkaustauschs und deutet seine Funktion im Bezugsrahmen der gesellschaftlichen Ordnung.[1] Mauss stellt das moralische, psycho-ökonomische Prinzip der Gabe in seinem Zwangscharakter und seiner Schuldverursachung heraus und bringt die Gabe mit dem zweideutigen englischen gift zusammen. Damit kann er die Prinzipien von Dienstleistung, Arbeit, Sozialstaat und Wohlfahrt analysieren.

Schüler und Freunde

Einer seiner Schüler war Jean Rouch. Freunde waren Robert Hertz, Henri Hubert, Maurice Leenhardt, Schüler waren u. a. die Gründer des Collège de Sociologie, Michel Leiris und Roger Caillois, aber auch Louis Dumont, André Leroi-Gourhan, Claude Lévi-Strauss und Henri Lévy-Bruhl. Sein Buch Die Gabe übte darüber hinaus Wirkungen auf das Denken von Jacques Derrida, Paul Ricoeur, Marcel Hénaff, Maurice Godelier, Marshall Sahlins, Pierre Bourdieu oder Jean Baudrillard aus und ist ein Standardwerk für Anthropologen, Soziologen, Kulturwissenschaftler und Ethnologen.

Werke

Französische Ausgaben

  • Œuvres. Présentation par Victor Karady, Paris: Minuit, 1968 / 1969:
    • I. La fonction sociale du sacré, Paris: Minuit, 1968.
    • II. Représentations collectives et diversité des civilisations, Paris: Minuit, 1968.
    • III. Cohésion sociale et division de la sociologie, Paris: Minuit, 1969.
  • Sociologie et anthropologie, recueil de textes, préface de Claude Lévi-Strauss, 1950.
  • Écrits politiques. Textes réunis et présentés par Marcel Fournier, Paris: Fayard, 1997.
  • Essai sur le don. Forme et raison de l'échange dans les sociétés archaïques, in: L'Année Sociologique 1923/24 (Buchausgabe: 1925). (Texte original)
    • Essai sur le don. Forme et raison de l'échange dans les sociétés archaïques. Introduction de Florence Weber, Quadrige / Presses universitaires de France, 2007.

Deutschsprachige Ausgaben

Literatur

  • Marcel Fournier: Marcel Mauss, Paris 1994.
  • Maurice Godelier: Das Rätsel der Gabe. Geld, Geschenke, heilige Objekte. Aus dem Franz. übers. von Martin Pfeiffer, München: Beck, 1999.
  • Marcel Hénaff: Der Preis der Wahrheit. Gabe, Geld und Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.
  • René König: Marcel Mauss 1872–1950, in: René König: Emile Durkheim zur Diskussion. Jenseits von Dogmatismus und Skepsis, München / Wien 1978, S. 257–292.
  • Hans Leo Krämer: Die Durkheimianer Marcel Mauss (1872–1950) und Maurice Halbwachs (1877–1945), in: Dirk Kaesler (Hrsg.): Klassiker der Soziologie, Band I, 2. Aufl., München: C. H. Beck, 2000, S. 252–277.
  • Claude Lévi-Strauss: Einleitung in das Werk von Marcel Mauss, in: Marcel Mauss: Soziologie und Anthropologie. Band I, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1999, S. 7–41.
  • Stephan Moebius / Christian Papilloud (Hrsg.): Gift – Marcel Mauss' Kulturtheorie der Gabe, Wiesbaden: VS, 2005.
  • Stephan Moebius: Marcel Mauss, Konstanz: UVK, 2006.
  • Heinz Mürmel: Das Magieverständnis von Marcel Mauss. Universität Leipzig, Sektion Geschichte, Diss., 1985.
  • Heinz Mürmel: Marcel Mauss (1872–1950), in: Axel Michaels (Hg.): Klassiker der Religionswissenschaft, München: C. H. Beck, 1997, S. 211–221. 391–392.

Einzelnachweise

  1. Marcel Mauss: Die Gabe. Die Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, S. 11 f.

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Marcel Mauss aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.