Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Rudolf Vrba

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Rudolf Vrba als Professor in Vancouver

Rudolf Vrba, geboren als Walter Rosenberg am 11. September 1924 in Topoľčany, Tschechoslowakei — gestorben am 27. März 2006 in Vancouver, Kanada, war ein tschechoslowakischer Widerstandskämpfer gegen den NS-Staat und Überlebender der Shoah und wurde schließlich Professor für Pharmakologie an der University of British Columbia in Vancouver. Er wurde weltweit bekannt, weil es ihm mit dem Mithäftling, Alfréd Wetzler, gelang, im April 1944 aus dem Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau auszubrechen und in die besetzte Tschechoslowakei zu fliehen, um die durch die NS-Verfolgung extrem gefährdeten Juden in der Slowakei und Ungarn noch zu warnen und um die westlichen Alliierten über den dortigen quasi industriellen deutschen Massenmord präzise zu informieren.

Der nach ihren Aussagen entstandene und später bestätigte Vrba-Wetzler-Report, Teil der Auschwitz-Protokolle, ist ein erschütterndes Beweisdokument aus dem Jahr 1944 des NS-Genozids an den Juden aus fast ganz Europa.

Leben

Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Auschwitzhäftling

Im Alter von 15 Jahren wurde Rosenberg auf Grund der antijüdischen Gesetze (der slowakischen Version der Nürnberger Gesetze) vom Gymnasium in Bratislava ausgeschlossen. Im März 1942 wollte er aus Trnava über Ungarn und Jugoslawien nach England entkommen und sich den tschechischen Exilkämpfern dort anschließen, wurde aber verhaftet.

Aus dem Lager Nováky brach er nochmals kurz aus, wurde jedoch erneut verhaftet, am 14. Juni in das KZ Majdanek deportiert und von dort am 30. Juni 1942 nach Auschwitz überstellt. Dort blieb er fast zwei Jahre lang als Gefangener Nr. 44070 und arbeitete unter anderem im „Kanada“ genannten Effektenlager. Er konnte am 7. April 1944 gemeinsam mit Alfréd Wetzler aus Auschwitz-Birkenau entfliehen. Sie hatten sich drei Tage lang in einem Holzstoß verborgen, der sich zwischen der kleinen und der großen Postenkette befand. Die große Postenkette war nachts immer aufgelöst, nach drei Tagen verringerte die SS ihre Suchaktion und ihre Flucht gelang.

In Žilina in der Slowakei, wo sie Kontakt mit Vertretern des Judenrats aufnahmen, diktierte Rosenberg unter seinem Pseudonym Rudolf Vrba gemeinsam mit Wetzler bis Ende April 1944 einen detaillierten Bericht über die Todeslager in Auschwitz, der – ursprünglich in Slowakisch und Deutsch verfasst und später in mehrere Sprachen übersetzt – im Juni 1944 zu den westlichen Alliierten gelangte und unter dem Namen „Vrba-Wetzler-Bericht“[1] bekannt wurde. Auf 35 Seiten beschreibt dieser Bericht der beiden seit längerem inhaftieren Funktionshäftlinge die Geographie des Vernichtungslagers, die bereits seit zwei Jahren praktizierten und ausgeweiteten Methoden des Massenmordes mit den Gaskammern, der Spurenbeseitigung durch die Krematorien und die Ereignisse in Auschwitz seit April 1942. Es war der erste Bericht von Auschwitz-Insassen, dem auf Grund seiner Genauigkeit und Authentizität im Westen geglaubt wurde. (Siehe auch: zeitgenössische Kenntnis vom Holocaust.)

Obwohl – zu Vrbas großer Enttäuschung – fast keines der potentiellen jüdischen Deportationsopfer in Ungarn vor dem Schicksal, das ihm bevorstand, gewarnt wurde, hatte der Bericht immerhin den Effekt, dass der ungarische Reichsverweser, Admiral Horthy, am 7. Juli 1944, nachdem schon 300.000 ungarische Juden getötet worden waren, die Einstellung der Deportationen befahl. Der Bericht war nämlich auch in der Schweizer Presse publiziert worden, und daraufhin wurde Horthy von alliierter und neutraler Seite mit Appellen bombardiert. So wurden vermutlich 100.000 Leben gerettet.

Im September 1944 ging der versteckt lebende Vrba zu den Partisanen und nahm am Slowakischen Nationalaufstand teil, der kurz vorher begonnen hatte. Für seine Tapferkeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Nach dem Ende der deutschen Besatzung nahm er offiziell den Tarnnamen Rudolf Vrba an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Krieg studierte er Chemie und Biochemie in Prag, erhielt den Ingenieurtitel 1949, das Doktorat 1951 und schließlich einen postgradualen Titel der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (C.Sc.) 1956.

Er arbeitete bei der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften und an der Karlsuniversität in Prag.

Emigration

1958 nützte er einen Aufenthalt in Israel als Mitglied einer wissenschaftlichen Delegation, um die Tschechoslowakei zu verlassen, und arbeitete daraufhin beim Landwirtschaftsministerium in Israel. Er wurde Mitglied des Medical Research Council in London, später des Medical Research Council in Kanada und arbeitete schließlich an der Harvard Medical School in den USA.

1976 wurde er Associate Professor an der University of British Columbia in Vancouver und unterrichtete dort Pharmakologie. International ist er auch als Autor von fünfzig wissenschaftlichen Artikeln über die Chemie des Gehirns sowie für seine Forschungen auf den Gebieten von Diabetes und Krebs bekannt.

Rudolf Vrba schrieb (in Zusammenarbeit mit Alan Bestic) ein Buch über seine persönlichen Erinnerungen an Auschwitz („I cannot forgive“, London 1963; New York 1964), das in verschiedenen Auflagen auch auf Deutsch (München 1964 bzw. 1999), Französisch (Paris 1988), Niederländisch (Kempen 1996) und Tschechisch (Prag 1998) herauskam.

Die heroische Flucht Vrbas und Wetzlers und ihre nachfolgende Informationstätigkeit blieben 35 Jahre lang in Israel unthematisiert. Beim Eichmann-Prozess 1961 wurde der Vrba-Wetzler-Bericht zwar diskutiert, aber Vrba selbst nicht als Zeuge geladen. Erst 1998 gelang es Ruth Linn, Dekanin an der Universität Haifa, eine hebräische Übersetzung von Vrbas Buch herauszubringen.

Bereits vor 1985 wurde Vrba von Claude Lanzmann für die Dokumentation „Shoah“ interviewt.

Rudolf Vrba starb 2006 in Kanada an Krebs.

Würdigung

  • Zu: Ich kann nicht vergeben (2010): Der Erlebnisbericht des Überlebenden setzt auch denen ein Denkmal, die zu Tode geprügelt, an Fleckfieber gestorben, am Galgen gehängt, in den Gaskammern ermordet wurden. Ohne Heldenlyrik, ohne Sentimentalität, mitunter mit selbstironischen Tönen (…)[2]

Ehrungen

  • 1998 verlieh ihm die Universität Haifa ein Ehrendoktorat in Anerkennung seiner heroischen Flucht und seines Beitrags zur Holocaust-Erziehung.
  • Seit 1999 verleiht das von Mary Robinson und Václav Havel gegründete One World International Human Rights Film Festival in der tschechischen Republik alljährlich einen „Rudolf Vrba Award“ in der Kategorie „Right to know“ für Dokumentarfilme, die „auf ein unbekanntes oder totgeschwiegenes Menschenrechtsproblem aufmerksam machen“.
  • 2007 wurde ihm posthum der slowakische Orden des Weißen Doppelkreuzes verliehen und in Lubina, wo Vrba seinerzeit als Partisan kämpfte, wurden zwei Erinnerungstafeln zur Erinnerung an Vrba und seinen Freund Wetzler angebracht.

Bericht

Film

  • Mark Hayhurst, Regie: 1944: Bomben auf Auschwitz? Doku mit Spielszenen auf der Basis hist. Zitate und Interviews mit Zeitzeugen. Deutschland, 2019, Erstsendung am 21. Januar 2020 (Informationen des Senders, Jan 2020)

Literatur

  • Yehuda Bauer: Anmerkungen zum „Auschwitz-Bericht“ von Rudolf Vrba. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 45. Jg. 1997, Heft 2, S. 297–308; (im Heftarchiv: online, PDF, ca. 7 MB)
  • Yehuda Bauer: Rudolf Vrba und die Auschwitz-Protokolle. Eine Antwort auf John S. Conway. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 54. Jg. 2006, Heft 4, S. 701–710 (Online; PDF; 1,7 MB).
  • Kapitel The Auschwitz Protocols. In: Randolph L. Braham: The politics of genocide. The Holocaust in Hungary. Columbia University Press, New York 1981, S. 708–716
  • Martin Gilbert: Auschwitz and the Allies. Holt, Rinehart & Winston, New York 1981.
  • Lici Calderon: An Eyewitness at the Death Factory, The Magazine of the University of Akron, Summer 1990.
  • Der Vrba-Wetzler-Bericht. In: Israel Gutman (Hrsg.): Encyclopedia of the Holocaust Bd. 1. Macmillan, New York 1990, ISBN 0-02-896090-4.
  • Ruth Linn: Genocide and the politics of remembering: the nameless, the celebrated, and the would-be Holocaust heroes. In: Journal of Genocide Research 5, 2003, S. 565–586.
  • Ruth Linn: Escaping Auschwitz. A Culture of Forgetting. Cornell University Press, Ithaca/London 2004, ISBN 0-8014-4130-7.
  • Mark Hume: Auschwitz escapee who told the world dies in B.C. The Globe and Mail, Toronto, March 31, 2006
  • Henryk Świebocki (Hrsg.): London wurde informiert… Berichte von Auschwitz-Flüchtlingen. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 1997, ISBN 83-85047-64-6. Mit dem Vrba-Wetzler-Bericht, mit ergänzenden Fußnoten des Herausgebers.
  • Die mißachtete Warnung. Betrachtungen über den Auschwitz-Bericht von 1944. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 44. Jg. 1996, Heft 1, S. 1–24; im Heftarchiv: online (PDF; 7,7 MB)

Weblinks

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Rudolf Vrba aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.