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Ruth Klüger
Susanne Ruth Klüger (geboren 30. Oktober 1931 in Wien, Österreich; gestorben 6. Oktober 2020 in Irvine, Kalifornien, Vereinigte Staaten;[1] früher auch Ruth K. Angress) war eine österreichisch-US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin und eine Überlebende des Holocaust.
Leben
Jugend und NS-Verfolgung
Ruth Klüger wurde als Tochter eines jüdischen Frauen- und Kinderarztes in Wien geboren. Bereits in ihrer frühen Kindheit erlebte sie den Antisemitismus und die systematische Ausgrenzung der Juden aus dem öffentlichen Leben in ihrer Heimatstadt. Dass die nationalsozialistische Verfolgung auch vor ihrer eigenen Familie nicht Halt machte, erfuhr sie zunächst am Beispiel ihres Vaters, der nach Frankreich fliehen musste, ohne die Familie nachholen zu können, und ihres Halbbruders, der von der Mutter aus Prag nicht mehr nach Wien geholt werden konnte. Beide wurden später im Holocaust ermordet.
1942 wurde Ruth Klüger im Alter von elf Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter ins Konzentrationslager deportiert, zuerst nach Theresienstadt. Anschließend war sie im Theresienstädter Familienlager des KZ Auschwitz-Birkenau und danach in Christianstadt, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen, gefangen. 1945 gelang ihr die Flucht noch kurz vor dem Kriegsende. Nach dem Krieg lebte sie mit ihrer Mutter im bayerischen Straubing, wo sie ein Notabitur ablegte, in der Amerikanischen Zone. Diese Jugend beschreibt sie in ihrem 1992 erschienenen und viel beachteten Buch weiter leben.
Studium und Emigration
1946 – mit 15 Jahren – nahm Ruth Klüger ein Studium an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Regensburg auf. Ein Studienkollege war Martin Walser, der in ihrer Autobiographie in der Figur des Christoph porträtiert ist. Die Freundschaft, die sich aus dem Studium entwickelte, beendete Klüger 2002 durch einen Offenen Brief an Walser nach dem Erscheinen seines Buches Tod eines Kritikers.
Ruth Klüger emigrierte 1947 in die USA und studierte in New York Bibliothekswissenschaften und Germanistik an der University of California, Berkeley. Das Studium schloss sie 1952 mit dem Master of Arts ab. In den fünfziger Jahren war Ruth Klüger mit dem Historiker Werner Angress verheiratet und publizierte noch bis in die 1980er Jahre hinein unter dem Namen Ruth K. Angress. 1967 promovierte sie beim Barockforscher Blake Spahr.
Lehrtätigkeit und Schriftstellerei
Von 1980 bis 1986 war sie Professorin an der Princeton University und danach Professorin für Germanistik an der University of California in Irvine sowie seit 1988 Gastprofessorin an der Georg-August-Universität Göttingen. Dementsprechend lebte die Autorin beidseits des Atlantiks, abwechselnd in Irvine und in Göttingen.[2]
2008 veröffentlichte Ruth Klüger unter dem Titel unterwegs verloren ihre späteren Erinnerungen.[3]
Als Literaturwissenschaftlerin hat sich Klüger intensiv mit Heinrich von Kleist befasst und war langjährige Herausgeberin der Zeitschrift German Quarterly. 2005 war Ruth Klüger Dozentin im Rahmen der Tübinger Poetik-Dozentur. Sie war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und in der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, Wuppertal.
Ruth Klüger starb im Oktober 2020 im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit in Kalifornien.
Gedenkrede
Am 27. Januar 2016 hielt Ruth Klüger im Rahmen der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag die Gedenkrede, in der sie ihre Erlebnisse als Zwangsarbeiterin im Konzentrationslager schilderte. Am Ende der Rede lobte sie die Öffnung der deutschen Grenzen in der Flüchtlingskrise und bezeichnete Angela Merkels Satz Wir schaffen das als „heroisch“.[4][5]
Auszeichnungen
- 1993: Grimmelshausen-Preis; Rauriser Literaturpreis
- 1997: Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik
- 1997: Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft
- 1999: Thomas-Mann-Preis; Preis der Frankfurter Anthologie
- 2001: Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch
- 2003: Preis der Stadt Wien für Publizistik
- 2003: Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen
- 2006: Roswitha-Preis
- 2007: Lessing-Preis des Freistaates Sachsen
- 2008: Hermann-Cohen-Medaille
- 2008: Bundesverdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland
- 2008: Wiener Frauenpreis
- 2010: Ehrenmedaille der Stadt Göttingen
- 2011: Theodor-Kramer-Preis[6]
- 2011: Danubius-Donauland-Sachbuchpreis[7]
- 2014: Brüder-Grimm-Preis der Philipps-Universität Marburg
- 2015: Paul Watzlawick-Ehrenring[8][9]
- 2015: Ehrendoktorwürde der Universität Wien[9]
- 2016: Bayerischer Buchpreis – Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten[10]
Publikationen
Ruth Klüger schrieb auch unter dem Namen Ruth Angress.
- weiter leben. Eine Jugend. Wallstein, Göttingen 1992, ISBN 3-89244-036-0; dtv, München 1994, ISBN 3-423-11950-0.
- als Hörbuch: Autorenlesesung, 6 MCs, Der HÖR Verlag DHV, München 1996, ISBN 3-89584-285-0; NA: Buch und CD, Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0298-3.
- Englisch: Still Alive: A Holocaust Girlhood Remembered. The Feminist Press at CUNY 2001, ISBN 1-55861-271-8.
- Frauen lesen anders. Essays. dtv, München 1996, ISBN 3-423-12276-5.
- Katastrophen. Über deutsche Literatur. dtv, München 1997, ISBN 3-423-12364-8.
- Auf dem Weg zur dritten Strophe. Rezension des Deutschlandlieds von A. H. Hoffmann von Fallersleben. In der FAZ vom 28. März 1998.
- Dichter und Historiker: Fakten und Fiktionen (= Wiener Vorlesungen im Rathaus. Band 73). Picus, Wien 2000, ISBN 3-85452-373-4.
- Schnitzlers Damen, Weiber, Mädeln, Frauen (= Wiener Vorlesungen im Rathaus. Band 79). Picus, Wien 2001, ISBN 3-85452-379-3.
- Zwickmühle oder Symbiose: War Heinrich Heine ein Geisteswissenschaftler? (= Heidelberger Universitätsreden. Band 17). Müller, Heidelberg 2003, ISBN 3-8114-5120-0.
- Thomas Mann als Literaturkritiker. In: Michael Braun, Birgit Lermen (Hgg.): „Man erzählt Geschichten, formt die Wahrheit.“ Thomas Mann: Deutscher, Europäer, Weltbürger. Peter Lang, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-631-38046-1. S. 25–32.[11]
- Landscapes of Memory. A Holocaust Girlhood Remembered. Bloomsbury Publishing 2004, ISBN 0-7475-6840-5 englisch.
- Ein alter Mann ist stets ein König Lear – Alte Menschen in der Dichtung (= Wiener Vorlesungen im Rathaus, Band 104). Picus, Wien 2004, ISBN 3-85452-504-4 (Vortrag anlässlich der Eröffnung des 6. Wiener Internationalen Geriatriekongresses Aktives Altern – Active Ageing am 21. Mai 2003, Vorwort von Hubert Christian Ehalt).
- Wien schreit nach Antisemitismus. In: Martin Doerry (Hrsg.): Nirgendwo und überall zu Haus. Gespräche mit Überlebenden des Holocaust. DVA, München 2006, ISBN 3-421-04207-1.
- Gelesene Wirklichkeit. Fakten und Fiktionen in der Literatur. Wallstein, Göttingen 2006, ISBN 3-8353-0026-1.
- Gemalte Fensterscheiben. Über Lyrik. Wallstein, Göttingen 2007, ISBN 3-89244-490-0.
- Taschenbuch: dtv, München 2011, ISBN 978-3-423-13953-3
- unterwegs verloren. Erinnerungen. Zsolnay, Wien 2008, ISBN 978-3-552-05441-7.[3]
- Taschenbuch: dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-13913-7
- Was Frauen schreiben. Zsolnay, Wien 2010, ISBN 978-3-552-05509-4.
- Taschenbuch: dtv, München 2012, ISBN 978-3-423-14045-4
- Zerreißproben. Kommentierte Gedichte. Zsolnay, Wien 2013, ISBN 978-3-552-05641-1.
- Taschenbuch: dtv, München 2016, ISBN 978-3-423-14519-0
- Marie von Ebner-Eschenbach. Anwältin der Unterdrückten. Mandelbaum, Wien 2016, ISBN 978-3-85476-521-9.
- Gegenwind. Gedichte und Interpretationen. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 2018, ISBN 978-3-552-05882-8.
Filme
- Thomas Mitscherlich: Reisen ins Leben. Weiterleben nach einer Kindheit in Auschwitz. 1996.[12]
- Renata Schmidtkunz: Ich komm’ nicht von Auschwitz her, ich stamm’ aus Wien – Ruth Klüger im Portrait. Uraufführung am 1. März 2005 in Wien. Produktion von 3sat, ORF und Bayern alpha Österreich.[13]
- Renata Schmidtkunz: Das Weiterleben der Ruth Klüger. Dokumentation. 83 Minuten, 2011.[14][15]
Literatur
- Aglaia Bianchi: Shoah und Dialog bei Primo Levi und Ruth Klüger (= Studien zur deutschen und europäischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 69). Lang, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-631-64656-4 (Überarbeitete Fassung von Magisterarbeit Uni Mainz 2011, 139 Seiten).
- Hubert Christian Ehalt, Konstanze Fliedl, Daniela Strigl: Ruth Klüger und Wien (= Wiener Vorlesungen im Rathaus, Band 182). Picus, Wien 2016, ISBN 978-3-7117-3002-2.
- Sascha Feuchert: Erläuterungen und Dokumente: „weiter leben“ von Ruth Klüger. Reclam, Ditzingen 2004, ISBN 3-15-016045-6.
- Monika Jesenitschnig: Holocaust, Trauma und Resilienz. Eine entwicklungspsychologische Studie am Beispiel von Ruth Klügers Autobiografie. Psychosozial-Verlag, Gießen 2018, ISBN 978-3-8379-2807-5.
- Barbara Johr, Susanne Benöhr und Thomas Mitscherlich: Reisen ins Leben. Weiterleben nach einer Kindheit in Auschwitz. Donat, Bremen 1997, ISBN 3-931737-07-1.
- Renata Schmidtkunz: Im Gespräch: Ruth Klüger. Mandelbaum, Wien 2008, ISBN 978-3-85476-284-3.
Weblinks
- Literatur von und über Ruth Klüger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ruth Klüger in der Internet Movie Database (englisch)
- Rezensionen zu Werken von Ruth Klüger bei perlentaucher.de
- Ruth Klüger. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung. (inkl. Literaturangaben und Zitaten)
- Anders lesen. Ruth Klügers Eröffnungsrede zur „Buch Basel 2010“. NZZ vom 22. November 2010
- Interview mit Klüger zu: Wien schreit nach Antisemitismus. Bei Spiegel Online, 31. August 2006
- Das Glück, das uns mahnt: Sonne auf der Hoteltapete. Elke Heidenreich gratuliert zum Roswitha-Preis. Welt Online, 4. November 2006
- Poesie als Überlebensmittel. Zum 80. Geburtstag der unbestechlichen Erzählerin und Essayistin Ruth Klüger. Von Ulrich Weinzierl, Welt Online, 29. Oktober 2011
- Klüger, Ruth. In: Theresienstadt Lexikon.
- Deutscher Bundestag: Redemanuskript von Ruth Klüger: Zwangsarbeiterinnen. 27. Januar 2016.
- Archivaufnahmen von und mit Ruth Klüger im Onlinearchiv der Österreichischen Mediathek
- Ruth Klüger im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
- Tondokumente von und über Ruth Klüger im Katalog der Schweizerischen Nationalphonothek
- "Ich bin im Hause des Henkers geboren". Autobiografie von Ruth Klüger, haGalil 17.12.2019: http://www.hagalil.com/2019/12/klueger/
Einzelnachweise
- ↑ Die Schriftstellerin und KZ-Überlebende Ruth Klüger ist 88-jährig in den USA gestorben, nzz.ch, abgerufen am 7. Oktober 2020
- ↑ Wolfgang Paterno: Mord kann ich nicht entschuldigen. In: Profil, 34/2008, S. 108.
- ↑ 3,0 3,1 lyrikwelt (Memento vom 5. November 2010 im Internet Archive) Jochen Vogt: Abrechnung im Zorn. Kritische Besprechung zu unterwegs verloren. In: Neue Ruhr/Rhein Zeitung, 5. Januar 2008.
- ↑ Rede von Ruth Klüger: „Zwangsarbeiterinnen“. Auf der Website des deutschen Bundestages.
- ↑ Rede von Ruth Klüger: „Zwangsarbeiterinnen“. Videomitschnitt der Rede auf der Website des deutschen Bundestages.
- ↑ Laudatio von Eva Geber; Klügers Antwort: Theodor Kramers Judentum, beides am 20. Mai 2011; sowie Hans Höller: Das Verdrängte „der Vernunft zur Verfügung“ stellen, über Klüger, in: Zwischenwelt. Literatur, Widerstand, Exil. Zeitschrift der Theodor-Kramer-Gesellschaft, 28, Heft 3, Oktober 2011, ISSN 1606-4321 S. 6–13.
- ↑ Norm für menschengerechtes Dasein gesetzt. In: Börsenblatt vom 7. Oktober 2011, abgerufen am 8. Oktober 2011.
- ↑ Paul Watzlawick-Ehrenring. Abgerufen am 22. April 2015.
- ↑ 9,0 9,1 derStandard.at – Ruth Klüger erhält Watzlawick-Ehrenring und Ehrendoktorat. APA-Meldung vom 22. April 2015, abgerufen am 22. April 2015.
- ↑ Ehrenpreis für Ruth Klüger Börsenblatt des Deutschen Buchhandels vom 15. November 2016, abgerufen am 19. November 2016.
- ↑ zugl. Denkrede zur Verleihung des Thomas-Mann-Preises 1999. Auch in: Thomas-Mann-Jahrbuch, 13, 2000, S. 229–236.
- ↑ Text zu Reisen ins Leben – Weiterleben Nach einer Kindheit in Auschwitz auf filmzentrale.com
- ↑ Stadt Wien Filmuraufführung 1. März 2005.
- ↑ Premiere am 30. Oktober 2011 bei der Viennale, in Anwesenheit von Ruth Klüger. Siehe Filmarchiv auf der Website des Festivals, abgerufen am 24. Februar 2012.
- ↑ Bilder vom Weiterleben in: FAZ vom 10. Mai 2013, Seite 36.
Personendaten | |
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NAME | Klüger, Ruth |
ALTERNATIVNAMEN | Klüger, Susanne Ruth (vollständiger Name); Angress, Ruth K. |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin und eine Überlebende des Holocaust |
GEBURTSDATUM | 30. Oktober 1931 |
GEBURTSORT | Wien, Österreich |
STERBEDATUM | 6. Oktober 2020 |
STERBEORT | Irvine, Kalifornien, Vereinigte Staaten |
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- Literaturwissenschaftler
- Hochschullehrer (Princeton University)
- Hochschullehrer (Georg-August-Universität Göttingen)
- Hochschullehrer (University of California, Irvine)
- Herausgeber
- Autor
- Literatur (20. Jahrhundert)
- Literatur (21. Jahrhundert)
- Literatur (Englisch)
- Literatur (Vereinigte Staaten)
- Literatur (Deutsch)
- Lyrik
- Essay
- Sachliteratur
- Erzählung
- Autobiografie
- Häftling im Ghetto Theresienstadt
- Häftling im KZ Auschwitz
- Häftling im KZ Groß-Rosen
- Überlebender des Holocaust
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- Träger des Österreichischen Staatspreises für Literaturkritik
- Träger der Ehrenmedaille der Stadt Göttingen
- Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
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- Ehrendoktor der Universität Wien
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