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Willy Cohn

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Gedenkstein für Willy Cohn, seine Ehefrau Gertrud, geborene Rothmann, und die Töchter Susanne und Tamara am Familiengrab auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau

Willy Cohn (geboren 12. Dezember 1888 in Breslau; gestorben 29. November 1941 in Kaunas) war ein deutscher Historiker und Lehrer.

Leben

Bis 1933

Willy Cohn stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Breslauer Kaufmannsfamilie. Er studierte ab 1906 Geschichtswissenschaft in Breslau und Heidelberg und schloss das Studium 1909 mit einer 1910 in Breslau veröffentlichten Dissertation über die normannisch-sizilische Flotte ab. Cohn machte das Staatsexamen für das höhere Lehreramt, obwohl er eine akademische Laufbahn an der Universität Breslau anstrebte; den Plan konnte er wegen Vorbehalten gegenüber jüdischen Wissenschaftlern nicht umsetzen. Auch Bemühungen, eine Professur an der neuen pädagogischen Hochschule zu erhalten, blieben erfolglos. So wurde Cohn 1919 Lehrer am Johannesgymnasium Breslau. Er war ein guter Lehrer und bei seinen Schülern beliebt.[1] Einer seiner Schüler war der Historiker Walter Laqueur, der 1996 auf den Chronisten Cohn aufmerksam machte.[2] Cohn war im Ersten Weltkrieg Soldat und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

In der Zeit des Nationalsozialismus

Trotz zunehmender Repressalien versuchte Cohn, der sich weiterhin Deutschland verbunden fühlte, zum Beginn des Nationalsozialismus mit seiner zweiten Ehefrau Gertrud, geb. Rothmann, und zwei Töchtern in Breslau (zwei Kinder aus erster Ehe und ein Kind aus der zweiten Ehe emigrierten bis 1940) zu bleiben und dokumentierte in seinen Tagebüchern das Leben im Nationalsozialismus und damit den Untergang seiner Familie und der jüdischen Gemeinde von Breslau, der seinerzeit drittgrößten im Deutschen Reich. Als die Verfolgung der Juden in Deutschland schlimmer wurde, dachten die Cohns über eine Emigration nach. 1937 unternahmen seine Frau und er eine Reise nach Palästina. Es fand sich allerdings in Palästina keine Arbeitsmöglichkeit für Cohn, der für körperlich harte Arbeit nicht gesund genug war. Der Kibbuz, dem Cohn gerne beigetreten wäre, lehnte die Aufnahme der Cohns ab. Da Cohns Frau überdies von den Verhältnissen in Palästina überhaupt nicht angetan war, verwarf das Ehepaar die Emigrationspläne. Als sie 1938 nach der Reichspogromnacht flüchten wollten, war es zu spät; nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ließen die Nationalsozialisten weitere Emigrationen nicht mehr zu. Nun waren die Cohns gezwungen, die nationalsozialistische Schreckensherrschaft in Breslau zu überstehen.
Schließlich wurde die Familie am 21. November 1941 festgenommen und nach Kaunas in das besetzte Litauen deportiert. Nur wenige Tage später, am 29. November, wurden Willy Cohn, seine Ehefrau Gertrud (geb. 1901) und die beiden Töchter Susanne (geb. 1932) und Tamara (geb. 1938) im IX. Fort zusammen mit 2000 Juden aus Breslau und Wien erschossen.[3]

Willy-Cohn-Plakette am Rynek in Breslau

Cohns Tagebücher sind heute in den „Central Archives for the History of the Jewish People“ in Jerusalem archiviert und wurden als Zeitzeugnis jüdischer Geschichte im Dezember 2006 erstmals veröffentlicht.

Cohn gilt neben Victor Klemperer als einer der wichtigsten Chronisten der Verbrechen der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung,[4] vor allem aber auch des jüdischen Alltags in Deutschland nach 1933 unter den Bedingungen schrittweise zunehmender wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Unterdrückung. 2010 wurde zu seinem Gedenken am Großen Ring in Breslau eine Gedenkplakette enthüllt.

Wissenschaftliche Arbeitsgebiete

Willy Cohn beschäftigte sich als Historiker hauptsächlich mit dem Mittelalter und veröffentlichte wichtige Beiträge zur Geschichte des hohenstaufischen Kaiserreichs in Sizilien (12./13. Jahrhundert) sowie der Juden im Mittelalter. Darüber hinaus veröffentlichte er kurze Biographien verschiedener Gründergestalten der deutschen Sozialdemokratie sowie von Karl Marx und Friedrich Engels.

Werke (Auswahl)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Willy Cohn: „Kein Recht, nirgends.“ Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933–1941 (= Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte. Band 13, 1). Herausgegeben von Norbert Conrads. Band 1. Böhlau, Köln u. a. 2006, ISBN 3-412-32905-3, S. X f.
  2. Walter Laqueur: Three Witnesses: The Legacy of Victor Klemperer, Willy Cohn and Richard Koch. In: Holocaust and Genocide Studies. Band 10, Nr. 3, ISSN 8756-6583, S. 252–266, doi:10.1093/hgs/10.3.252.
  3. Vgl. hierzu: Wolfram Wette: Karl Jäger. Mörder der litauischen Juden (= Fischer 19064 Die Zeit des Nationalsozialismus). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-596-19064-5, S. 124 ff.
  4. Rezensionen von „Kein Recht, nirgends. Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933–1941.“ bei perlentaucher.de
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Willy Cohn aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.