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Jürgen Trittin

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Jürgen Trittin (2014)

Datei:Trittin, Jürgen.webm

Unterschrift von Jürgen Trittin

Jürgen Trittin (* 25. Juli 1954 in Bremen-Vegesack) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen). Er ist Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

Von 1990 bis 1994 war Trittin niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und von 1998 bis 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Von 2005 bis 2009 war er einer der stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen; von 2009 bis 2013 waren er und Renate Künast deren Vorsitzende. Bei der Bundestagswahl 2013 war er mit Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidat.

Familie, Studium, Beruf

Jürgen Trittin wuchs zusammen mit zwei jüngeren Geschwistern in einer bürgerlichen Familie auf; sein Großvater war Bankdirektor in Delmenhorst.[1] Seine Mutter ist Helene Trittin, sein verstorbener Vater Klaus Trittin (1923–1998) war früher Mitglied der Waffen-SS[2][3] und später Geschäftsführer und Prokurist in der Bremer Tauwerk-Fabrik F. Tecklenborg und Co. in Bremen-Vegesack.

Während des Zweiten Weltkriegs diente sein Vater Klaus Trittin ab 1941 als Freiwilliger in Fronteinsätzen in der Waffen-SS,[4] zuletzt als Zweiundzwanzigjähriger im Rang eines SS-Obersturmführers. Er kämpfte bis zum letzten Kriegstag auf der Halbinsel Hela in der Danziger Bucht, von der laufend Transporte von Flüchtlingen und Verwundeten über die Ostsee nach Westen erfolgten. Bis 1950 war Klaus Trittin in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Seine Vergangenheit ließ ihn – nach Aussagen des Sohnes – nicht mehr los. Er redete, anders als viele seiner Zeitgenossen, offen darüber, auch gegenüber seinen Kindern. In einem Interview berichtete Jürgen Trittin von einem Besuch des KZ Bergen-Belsen, zu dem er als 15-Jähriger gemeinsam mit seinem Bruder vom Vater mitgenommen worden war. Dabei habe Klaus Trittin seine Söhne mit den Worten gemahnt: „Guckt euch das an, das haben wir verbrochen. So etwas dürft ihr nie wieder zulassen“.[5]

Jürgen Trittin wurde konfirmiert und war bei den Pfadfindern. Wegen des Schweigens der Kirche zum Massaker von My Lai trat er als Gymnasiast aus der Kirche aus.[4] Trittin absolvierte 1973 das Abitur am Gerhard-Rohlfs-Gymnasium in Bremen-Vegesack und begann im April 1974 mit der Ableistung von sechs der fünfzehn Monate seines Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr in Bremen, da seine Kriegsdienstverweigerung (KDV) zunächst nicht anerkannt wurde, weil sie politisch und nicht mit dem Gewissen begründet worden sei.[6] Nach einer erfolgreichen Klage beim Verwaltungsgericht konnte er ab Januar 1975 Zivildienst in einem Heim für schwer erziehbare Jungen bei Bremen ableisten.[7] Anschließend absolvierte er von 1975 bis 1981 ein Studium der Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen, das er als Diplom-Sozialwirt beendete. Er war danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen tätig.

Trittin hat eine Tochter, die er mit Mitte zwanzig adoptierte, und eine Enkeltochter.[8] Trittin erlitt 2010 einen Herzinfarkt, der keine bleibenden gesundheitlichen Schäden hinterließ und den er einer genetischen Prädisposition zuschrieb.[9] Seit Dezember 2013 ist er verheiratet.[10] Jürgen Trittin ist ein Fan des SV Werder Bremen.[11]

Politik

Kommunistischer Bund und Gründung der Grünen

Im Alter von fünfzehn nahm er an Demonstrationen in Bremen teil. Während seines Studiums (1977) war Trittin für die Sozialistische Bündnisliste (SBL), einem Zusammenschluss aus maoistischem Kommunistischem Bund (KB), Mitgliedern der trotzkistischen Gruppe Internationale Marxisten (GIM) und weiteren linksradikalen Studenten, Mitglied im Fachschaftsrat Sozialwissenschaften. Diese koalierte mit der Sponti-Gruppe Bewegung undogmatischer Frühling (BUF) und stellte den Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Universität Göttingen, der wiederum die Studentenzeitung Göttinger Nachrichten herausgab, die zuvor (1977) den Buback-Nachruf und damit die Sympathieerklärung für den Mord am damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback veröffentlichte. Die Süddeutsche Zeitung (SZ), die tz und die Abendzeitung stellten 2001 klar, Trittin sei nie Mitglied der Redaktion gewesen. Auch der damalige AStA-Vorsitzende Jürgen Ahrens bestritt eine Beteiligung Trittins, wie es die Bildzeitung behauptete. Trittin verteidigte in den 1970er Jahren den Nachruf, was er später als „schweren Fehler“ bezeichnete. 1978 kandidierte er zum ersten Mal auf der Liste demokratischer Kampf (LDK) des Kommunistischen Bundes für den AStA. Von 1979 bis 1980 war Trittin dann in einer Funktion im AStA, zuständig für das Außenreferat. Zeitgleich war er von 1979 bis 1980 Präsident des Studentenparlaments (StuPa). Dort lernte er auch den Sozialdemokraten Thomas Oppermann kennen. In dieser Funktion organisierte er Demonstrationen u. a. gegen Rekrutengelöbnisse der Bundeswehr und war als Hausbesetzer in Göttingen tätig. Trittin bewegte sich im breiten Umfeld der Göttinger K-Gruppen und war aktives Mitglied (bis 1980) des vom Verfassungsschutz beobachteten Kommunistischen Bundes.[12] Nach Aussagen ehemaliger Kommilitonen wurde er jedoch nie militant oder gewalttätig aktiv. Trittin bezeichnete später seinen links-maoistischen Aktivismus als „illegal“.

Trittin gehörte dann Anfang der 1980er Jahre – wie auch die Politiker Thomas Ebermann und Rainer Trampert – der Gruppe Z an, einer Abspaltung des Kommunistischen Bundes, welche sich aus linksökologischer Sicht bei den Grünen engagieren wollte. Seine spätere Frau, Gründungsmitglied der grünen Partei in Göttingen, holte ihn 1980 zu den Grünen.[4] Seit diesem Jahr ist Trittin offizielles Parteimitglied. 1981 wurde er wissenschaftlicher Assistent der Stadtratsfraktion der linken Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) in Göttingen. Von 1982 bis 1984 war Trittin Geschäftsführer der AGIL-Stadtratsfraktion. 1984 wurde er vom Kreisverband der Grünen in Göttingen als Kandidat für den Niedersächsischen Landtag auf die Landesliste in einer Kampfabstimmung gegen Sonja Schreiner gewählt.

Landtagsabgeordneter und Minister in Niedersachsen (1984–1994)

Nachdem Trittin von 1984 bis 1985 Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion Niedersachsen war, rückte er 1985 aufgrund des damals bei den Grünen praktizierten Rotationsprinzips in den Niedersächsischen Landtag nach und wurde noch im selben Jahr zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Das Amt hatte er bis 1986 und erneut von 1988 bis 1990 inne.

Von 1990 bis 1994 war er im Kabinett Schröder I Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Niedersachsen. Wegen des bei den Grünen herrschenden Prinzips der Trennung von Amt und Mandat schied Trittin aus dem Landtag aus. Nach dem Ende der rot-grünen Koalition kehrte er 1994 in den Landtag zurück und wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Bundessprecher von Bündnis 90/Die Grünen (1994–1998)

Im Dezember 1994 wurden Trittin und Krista Sager als Sprecher des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen gewählt. Trittin erhielt ohne Gegenkandidaten 499 von 584 gültigen Stimmen.[13] Sein Landtagsmandat legte er deshalb erneut nieder.

Ab 1996 bildete er zusammen mit Gunda Röstel das Führungsduo an der Parteispitze. Mit dem Einzug in den Bundestag nach der Bundestagswahl 1998 gab er dieses Amt auf.

Bundesumweltminister (1998–2005)

Nach der Bundestagswahl 1998 löste die erste rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder die bisherige schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl ab. Bündnis 90/Die Grünen besetzten drei Ressorts im Kabinett Schröder I. Joschka Fischer übernahm das Außen-, Andrea Fischer das Gesundheits- und Trittin das Umweltministerium. Am 27. Oktober 1998 wurde Trittin als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vereidigt; seine Amtsvorgängerin war Angela Merkel.

In der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung war Trittin das bevorzugte Angriffsziel der Opposition und der Wirtschaft.[14] Konfliktthemen waren besonders der von Trittin ausgehandelte Atomausstieg und die Ökosteuer. Dabei geriet er wiederholt in Auseinandersetzungen mit dem Bundeskanzler, in deren Folge mehrfach über einen Rücktritt Trittins spekuliert wurde.[15] So wies Gerhard Schröder Trittin nach Intervention der deutschen Autohersteller unter Hinweis auf seine Richtlinienkompetenz an, die Altautorichtlinie der EU im Ministerrat abzulehnen.[14] Diese sah vor, dass Hersteller Altfahrzeuge zurücknehmen müssten. Trittin setzte im Ministerrat einen Kompromiss durch, der auch vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde.[14] Die deutsche Umsetzung der Richtlinie erfolgte am 1. Juli 2002 durch die Altfahrzeugverordnung. Es gilt als wahrscheinlich, dass Gerhard Schröder seinen Umweltminister andernfalls aus dem Kabinett entlassen hätte.[14] Im Januar 2000 musste Trittin auf Druck der Energiewirtschaft und des Bundeskanzlers zudem den Stopp der Atommülltransporte zur Wiederaufarbeitung zurückziehen.[14]

Ein Leitgedanke der rot-grünen Politik war die sogenannte Energiewende. Am 1. April 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft, das als „Herzstück der rot-grünen Energie- und Klimapolitik“ galt.[16] Das Gesetz förderte die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien in Deutschland entscheidend. Am 14. Juni 2000 wurde der Atomkonsens durch einen Vertrag zwischen der Bundesrepublik mit den Betreibergesellschaften eingeleitet, der den Atomausstieg innerhalb von 32 Jahren vorsah. Der Vertrag wurde 2002 durch die Novellierung des Atomgesetzes rechtlich abgesichert. Am 14. November 2003 ging als erstes das AKW Stade vom Netz. Der Atomausstieg war ein zentrales und identitätsstiftendes Ziel seit der Gründung der Grünen Partei. Deshalb galt der Atomausstieg einerseits als wichtigster Erfolg der rot-grünen Politik, andererseits wurde dieser gerade von der Parteibasis als viel zu zögerlich kritisiert.[15] Trittin als verantwortlichem Bundesminister wurde die Schuld daran gegeben. 2001 wurde das AKW Philippsburg, für dessen Betrieb die Landesregierung von Baden-Württemberg zuständig war, auf Druck Trittins für mehrere Wochen abgeschaltet.[15]

Weitere wichtige Projekte waren das Klimaschutzprogramm vom 18. Oktober 2000 und eine Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz im Jahr 2001. Zu einem Machtkampf mit der Industrie kam es vor der Einführung des Dosenpfands.[16]

In der zweiten Legislaturperiode der rot-grünen Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2002 gab es deutlich weniger Konflikte. Offene Spannungen traten jedoch zwischen dem Umweltministerium und dem von Wolfgang Clement geführten Wirtschaftsministerium auf. Während Trittin erneuerbare Energien unterstützte, setzte der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Clement auf die heimische Steinkohle.[17]

Nachdem die Landwirtschaftsministerin Renate Künast zur Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen gewählt wurde, nahm Trittin ab dem 4. Oktober 2005 kurzzeitig zusätzlich die Geschäfte des Bundesministers für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wahr. Nach der Bundestagswahl 2005 und der Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin endete am 22. November 2005 die Amtszeit des Kabinetts Schröder II und damit auch Trittins Amtszeit.

In der Opposition (seit 2005)

Trittin auf dem Bundesparteitag der Grünen 2006
Jürgen Trittin, 2019 im Deutschen Bundestag

Nach der Bundestagswahl 2005 scheiterte er bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gegen Fritz Kuhn[18] und wurde stattdessen stellvertretender Vorsitzender sowie politischer Koordinator des Fraktionsarbeitskreises IV „Außenpolitik, auswärtige Kulturpolitik, Menschenrechte, Entwicklungspolitik, Verteidigung, Europa“. Als Direktkandidat im Wahlkreis Göttingen erreichte er bei der Bundestagswahl 2005 7,8 % der Erststimmen.

Im November 2008 wählte die Bundesdelegiertenversammlung der Grünen Renate Künast und Trittin zu ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009. Er führte, gemeinsam mit Brigitte Pothmer, erneut die niedersächsische Landesliste an und war zudem wieder Direktkandidat im Wahlkreis Göttingen, wo er 13,0 % der Erststimmen erhielt. Nach der Wahl wurde er am 6. Oktober 2009 zusammen mit Renate Künast Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Trittin ist Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union, im Unterausschuss Vereinte Nationen und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Er gehört außerdem von 2000 bis 2013 dem Parteirat der Grünen an.

Im September 2010 wurde er Opfer eines Tortenwurfs in Hannover, als er an einer Podiumsdiskussion in einem der Republik Freies Wendland nachempfundenen Hüttendorf teilnahm.[19]

Im Oktober 2012 bestimmten die Mitglieder seiner Partei ihn und Katrin Göring-Eckardt in einer Urwahl zu den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013.[20] Aufgrund des enttäuschenden Wahlergebnisses seiner Partei im Jahre 2013 gab er bekannt, nicht erneut als Fraktionsvorsitzender anzutreten.[21]

Trittin ist stets über die Landesliste Niedersachsen in den Deutschen Bundestag eingezogen.

Nebentätigkeiten, Einkünfte und Mitgliedschaften

Trittin erzielt keine dem Bundestagspräsidenten anzeigepflichtigen Einkünfte.[22] Honorare für Vorträge und Fernsehauftritte spendet er nach eigenen Angaben sozialen Projekten.[23]

Er ist Mitglied im Beirat der Akademie Waldschlößchen, Schirmherr von Borneo Orangutan Survival Deutschland und des deutsch-polnischen Projekts zur Waldökosystemforschung Inpine, Kuratoriumsmitglied des Weltfriedensdienstes, der Stiftung Initiative Mehrweg[22] und nach eigenen Angaben Mitglied bei fesa e. v. (Freiburg), der Gewerkschaft ver.di sowie der Europa-Union Parlamentariergruppe Deutscher Bundestag.[23]

1989 war er Mitbegründer der antifaschistischen Zeitschrift Der Rechte Rand.

Von März bis August 2012 war Trittin Umweltbotschafter des SV Werder Bremen. Diesen Posten gab er ab, als der Klub einen Sponsorenvertrag mit Wiesenhof abschloss und hierfür kritisiert wurde.[24]

Eine kuriose Nebentätigkeit waren sicher die Auftritte Trittins als DJ Dosenpfand am Anfang der 2000er Jahre. Nach eigener Aussage hat er die hierbei kassierten Honorare gespendet.[25]

Politische Positionen

Trittin wurde im Jahr 1998 zum linken Flügel der Partei gerechnet.[26] In den parteiinternen Flügelkämpfen der Grünen fiel ihm deshalb lange die Rolle eines linken Gegenpols zu dem „RealoJoschka Fischer zu.[27] Zugleich gilt er als pragmatischer und nüchterner Taktierer.[18] Anders als die sogenannten Fundamentalisten („Fundis“) steht er für die Idee einer Durchsetzung sozialer und ökologischer Politikziele durch die Beteiligung der Grünen an Regierungskoalitionen.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt des Umweltministers engagiert sich Trittin in seiner parlamentarischen Arbeit vor allem in der Außenpolitik und der Europapolitik. In der Energieaußenpolitik plädierte er für einen weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien und gegen die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Erdöl.

Vor der Bundestagswahl 1998 äußerte er, er wolle die NATO „nicht auf-, sondern ablösen“.[28] Als Mitglied der Regierung Schröder warb er 2000 für die Abschaffung der Wehrpflicht, was z. B. der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping ablehnte.[29]

Während des NSA-Skandals forderte Trittin im Juli 2013 eine Revision der Beziehungen zu den USA und forderte Asyl für den Whistleblower Edward Snowden.[30]

In der Eurokrisenpolitik stellt sich Trittin sowohl gegen Peer Steinbrücks als auch gegen Angela Merkels Positionen. So ist er offen für einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland.[31]

Trittin lehnte im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2013 die PKW-Maut ab und plädierte für eine Ausweitung der LKW-Maut auf Ausweichstrecken.[32]

Zur Flüchtlingsfrage (während des Kosovokriegs kamen zahlreiche Migranten nach Deutschland) äußerte Trittin 1999, CDU/CSU und Teile der SPD gäben auf sie „eine rassistische Antwort“. Deutschland sei ein „in allen Gesellschaftsschichten und Generationen rassistisch infiziertes Land“.[33]

Öffentliche Wahrnehmung

Jürgen Trittin (2012)

Trittin wurde während seiner Amtszeit als Bundesminister als „fleißig, machtbewusst, rhetorisch stark, ‚störrisch‘, links, fachlich kompetent, staatsmännisch, polarisierend, provokativ; kantig, kämpferisch, Mann mit eigener Meinung“ charakterisiert.[34] Als Parteisprecher galt er als geradlinig, zielstrebig und konfliktbereit, aber auch als arrogant, unnahbar und verbohrt.[13] Krista Sager beschrieb ihn als „innerlich wie gepanzert“.[13] Joschka Fischer formulierte positiver: „Er kann gut wegstecken“.[34]

Er wird aufgrund seiner Auftritte (u. a. bei einer Kundgebung der linken Initiative Gelöbnix 1998) und seiner oft scharfen Polemik, etwa der Bezeichnung eines öffentlichen Gelöbnisses der Bundeswehr als „ein perverses Ritual“ oder das Treffen der NATO-Außenminister in Berlin diene der „Militarisierung der europäischen Außenpolitik“,[35] von politischen Gegnern immer wieder heftig kritisiert. Beispielhaft dafür stehen Beschimpfungen in Richtung Trittin wie „Ökostalinist“ durch den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos[36] oder „Salonbolschewist“ durch den damaligen Generalsekretär der CSU Markus Söder.[37]

Trittin wurde 2001 von Michael Buback in die Nähe des sogenannten Mescalero-Briefs gerückt,[38] in dem 1977 von „klammheimlicher Freude“ über den Tod des RAF-Opfers Siegfried Buback die Rede war.[39] Trittin machte sich den Inhalt des Briefes explizit nicht zu eigen und verteidigte seine damaligen Anmerkungen als Fachschaftsvertreter an der Georg-August-Universität Göttingen als eine „trotzige Verteidigung der Meinungsfreiheit“.[40] Im selben Jahr gab sich der Literaturwissenschaftler und Deutschlehrer Klaus Hülbrock gegenüber der taz als der Göttinger Mescalero zu erkennen.[41]

Von konservativen und rechten politischen Gegnern, wie z. B. den AfD-Politikern Alexander Gauland und Albrecht Glaser[42] oder dem CSU-Ortsverband Landshut-Stadt Ost, wird Trittin häufig der Ausspruch „Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig“ während der Plenarsitzung des Bundestags am 23. April 1999 unterstellt. Diesen Satz hat Trittin nachweislich nicht gesagt.[43]

Im Sommer 2012 war er Teilnehmer der Bilderberg-Konferenz im amerikanischen Chantilly (Virginia), einem Treffen von Personen aus Wirtschaft, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen, was in seiner Partei gespaltene Reaktionen hervorrief.[44][45]

Im September 2013 machten die vom Vorstand von Bündnis90/Die Grünen mit einer Untersuchung „pädophiler Forderungen in den Milieus der Neuen Sozialen Bewegungen sowie der Grünen“ beauftragten Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter und Stephan Klecha bekannt, dass Trittin im Jahr 1981 die presserechtliche Verantwortung für das Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) in Göttingen innehatte, worin durch die Gruppe „Homosexuelle Aktion Göttingen“ neben einer umfassenden Gleichstellung Homosexueller auch gefordert wurde, die Paragraphen 174 (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) und 176 (sexueller Missbrauch von Kindern) des StGB so zu fassen, „daß nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder der Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses unter Strafe stehen“.[46][47][48] Trittin räumte den Vorgang gegenüber der taz ein und kündigte eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls an. Walter nahm Trittin gegen die von anderen Parteien geäußerte Kritik in Schutz; die „Hysterie“ um den Vorfall sei überzogen.[49][50][51][52]

Schriften

  • Kriegsbeteiligung oder Friedenspolitik. Drei Interventionen. Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, Pressereferat, Hannover [1991].
  • Das Grundrecht auf Asyl ist eine mahnende Lehre aus dem Tagebuch der Anne Frank. (= Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, Aktuelles zum Nachdenken. Folge 5). Niedersächsische Landeszentrale für Politische Bildung, Hannover 1992.
  • Gefahr aus der Mitte. Die deutsche Politik rutscht nach rechts. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1993, ISBN 3-923478-88-7.
  • From Rio to Johannesburg. Contributions to the globalization of sustainability. (= Heinrich-Böll-Stiftung, World summit papers of the Heinrich Boell Foundation. Nr. 5) Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2001.
  • Welt um Welt. Gerechtigkeit und Globalisierung. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-351-02542-4.
  • Stillstand – made in Germany: Ein anderes Land ist möglich!. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, ISBN 978-3-579-07078-0.

Literatur

  • Jürgen Trittin. In: Eckart Spoo (Hrsg.): Wie weiter? Plädoyers für eine sozialistische Bundesrepublik. 2. Auflage. Verlag Am Galgenberg, Hamburg 1988, ISBN 3-925387-39-0, S. 146 ff.
  • Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Kanzler und Minister 1998–2005. Biografisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-14605-8, S. 359–369.

Weblinks

 Commons: Jürgen Trittin – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Jürgen Trittin, Internationales Biographisches Archiv 50/2012 vom 11. Dezember 2012 (la), im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. rolandtichy.de
  3. stern.de
  4. 4,0 4,1 4,2 Jens König: Die Wandlung. Linksradikaler, Rüpel, Ökostalinist - das war gestern. Heute gibt der grüne Spitzenkandidat den Staatsmann. Der lange Marsch des Jürgen Trittin. In: Stern. 47/2012, S. 53–59.
  5. Trittins Vater war bei Waffen-SS. auf: stern.de, 14. November 2012.
  6. Gordon Repinski, Konstantin von Hammerstein: Das ist jetzt aber unfair. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2012 (online).
  7. Christoph Schult: Zivildienst. Hat sich Joschka Fischer gedrückt? Spiegel Online, 17. April 2001.
  8. Christoph Hickmann: Ich und ich. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 96, 25. April 2013, S. 3.
  9. Grünen-Fraktionschef Trittin: Schockiert vom Herzinfarkt. Spiegel Online, 21. März 2010; abgerufen am 17. Juni 2013.
  10. mopo.de
  11. Wegen Wiesenhof – Botschafter Trittin tritt zurück, Die Welt, abgerufen am 3. Juni 2019
  12. Jochen Bölsche: Die verlorene Ehre der Apo. In: Der Spiegel. Nr. 5, 2001 (online).
  13. 13,0 13,1 13,2 Saskia Richter: Führung ohne Macht? Die Sprecher und Vorsitzenden der Grünen. In: Daniela Forkmann, Michael Schlieben (Hrsg.): Die Parteivorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland 1949–2005. Wiesbaden 2005, S. 194 (ISBN 978-3-531-14516-7).
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 14,4 Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1998–2005. Wiesbaden 2008, S. 361.
  15. 15,0 15,1 15,2 Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1998–2005. Wiesbaden 2008, S. 362.
  16. 16,0 16,1 Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1998–2005. Wiesbaden 2008, S. 363.
  17. Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1998–2005. Wiesbaden 2008, S. 364.
  18. 18,0 18,1 Matthias Geis: Der Triumph des ewigen Zweiten. In: Die Zeit. 13. September 2007.
  19. Trittin verzichtet auf Anzeige. In: Spiegel Online. 23. September 2010.
  20. Grünen-Basis macht Trittin und Göring-Eckardt zum Spitzenduo. In: Spiegel Online. 10. November 2012.
  21. Grünes Wahldebakel: Trittin tritt als Fraktionschef ab. In: Spiegel Online. 24. September 2013.
  22. 22,0 22,1 Seite beim deutschen Bundestag (Memento vom 13. Dezember 2012 im Internet Archive)
  23. 23,0 23,1 Angabe auf www.trittin.de (Link nicht mehr abrufbar)
  24. SPOX (Hrsg.): Trittin tritt als Werder-Botschafter zurück. 29. August 2012, abgerufen am 13. Dezember 2012. taz.de: Es gibt eben Grenzen. 30. August 2012, abgerufen am 13. Dezember 2012.
  25. https://www.welt.de/vermischtes/article710427/Eine-Partynacht-mit-Juergen-Trittin-als-DJ-Dosenpfand.html
  26. Claus Christian Malzahn: Der Fehler des Strategen. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1998 (online).
  27. Matthias Geis: Nicht immer. Aber zu oft. In: Die Zeit, Nr. 13/2001.
  28. Feuer frei. In: Der Spiegel. Nr. 20, 1998, S. 38 (online).
  29. Trittin: Wehrpflicht schnell abschaffen. Spiegel Online, 23. April 2000.
  30. welt.de
  31. wsj.de
  32. focus.de 9. September 2013 focus.de
  33. Protokoll Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 36. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. April 1999 (PDF) S. 2916.
  34. 34,0 34,1 Hans-Werner Kuhn: Trittin, Jürgen. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1998–2005. Wiesbaden 2008, S. 367.
  35. Franz Walter: Grüner Spitzenkandidat Trittin. Der schüchterne Bürgerschreck. In: Spiegel online. 8. Mai 2009.
  36. „Öko-Stalinist“ gegen „Mitnahme-Mentalität“. Unwort des Jahres 2004. In: Spiegel online. 7. Dezember 2004.
  37. Laut Trittin in einer Rede vom 20. November 2008 (Link nicht mehr abrufbar) (PDF)
  38. Michael Buback: Meine Begegnung mit Jürgen Trittin. Über den „Mescalero“-Text, seine faschistoide Sprache und die folgenreiche Unterredung im Zug nach Berlin. In: Die Zeit. 06/2001.
  39. Mescalero-Nachruf: Gegenangriff
  40. Jürgen Trittin: Der Fremde im Zug. In: Der Tagesspiegel. 23. Januar 2001.
  41. Eine Begegnung mit Klaus Hülbrock. Auf dem Fernsehapparat blüht ein gelbes Blümchen. In: taz. 10. Februar 2001: „Vor zwei Jahren erklärte sich Mescalero zum ersten Mal in einem Brief an Bubacks Sohn Michael“.
  42. Trittin erwirkt einstweilige Verfügung gegen AfD-Politiker. Zeit Online, 5. November 2015
  43. Wenn Politiker verleumdet werden. In: FAZ, 18. Oktober 2015
  44. Trittin und sein Bilderberg-Problem. Spiegel Online.
  45. Matthias Kamann, Michael Stürmer: Trittin nach Bilderberg-Konferenz in Erklärungsnot. In: Welt Online. 5. Juni 2012, abgerufen am 6. Juni 2012.
  46. AGIL: Wahlprogramm, 1981, S. 33. (Photokopie auf Spiegel Online)
  47. Jürgen Trittin genehmigte Pädophilie-Passage in Kommunalwahlprogramm. In: Die Zeit. 16. September 2013, abgerufen am 16. September 2013.
  48. Johannes Leithäuser: Vorwürfe gegen Trittin: Unverantwortlich im Sinne des Presserecht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16. September 2013, abgerufen am 16. September 2013.
  49. spiegel.de
  50. tagesspiegel.de
  51. taz.de
  52. focus.de
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