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Apfelkraut

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Dieser Artikel behandelt den Brotaufstrich; zur Heilpflanze siehe Echte Kamille.
Apfelkraut

Apfelkraut (auch: Apfelsirup oder kurz Kraut) ist ein traditioneller süßer Brotaufstrich, der früher im Rheinland, der belgischen Provinz Lüttich und der niederländischen Provinz Limburg eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hatte.

Es handelt sich im Grundsatz um mit oder ohne Zuckerzusatz eingekochten Saft aus Äpfeln, bei dessen Herstellung auch Saft aus anderen Früchten, meist Birnen, und verschiedene würzende Zutaten zugegeben werden kann. Für die Krautherstellung wurden bestimmte Obstsorten bevorzugt verwendet, wie beispielsweise der Doppelte Härtling. „Apfelkraut“ als Verkehrsbezeichnung im deutschen Lebensmittelhandel bezieht sich auf ein Produkt aus Äpfeln, eine begrenzte Zugabe von Birnen oder Zuckerarten ist erlaubt.

Geschichte

Sirop de Liège
Herstellung von Apfelkraut in Jersey

Die Herstellung von Apfelkraut ist an den Anbau des Kulturapfels gebunden. Viele Aspekte der Alltagskultur früherer Zeiten erschließen sich nur schwer dem Rückblick, das gilt auch für die Herstellung von Apfelkraut. Soweit anhand historischer Literatur die Geschichte des Apfelkrauts bis in die Antike zurück datiert wird, ist eine Verwechslung mit der ebenfalls als „Apfelkraut“ bezeichneten Heilpflanze Echte Kamille oder anderen Apfelerzeugnissen nicht ausgeschlossen.

In früheren Zeiten war Apfelkraut eine der wenigen Möglichkeiten, Obst zu konservieren und ein im Winter verfügbares energiereiches Lebensmittel zu erhalten.[1]

Vor der Entwicklung einer industriellen Produktion wurde Apfelkraut in lokalen Krautpressen oder Krautküchen hergestellt. In manchen Obstbauregionen hatte jedes Dorf eine eigene Krautpresse, aber auch die Herstellung im bäuerlichen Haushalt war üblich. Oft war das Krautkochen ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem nach der Apfelernte das ganze Dorf zusammenkam. Die Bezeichnung „Krautpresse“ beruht auf einem Schritt der handwerklichen Fertigung, bei dem das mehrere Stunden lang gekochte Obst ausgepresst wird. Der so gewonnene Saft wird gesiebt und weiter eingekocht.[1][2]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland einen kurzlebigen Versuch, industriell einen süßen Brotaufstrich aus Apfeltrester herzustellen und als Apfelkraut oder bayrisches Apfelkraut zu vermarkten. Anlass für diese Unternehmungen war der Wunsch, für die Verwertung des Abfallprodukts Trester andere Möglichkeiten als die Viehfütterung und die bäuerliche Obstbrennerei zu finden. Die Industrie sah die Möglichkeit, einen preisgünstigeren Rohstoff als frisches Obst in der Produktion einzusetzen, und importierte Trester aus den USA. Dabei wurde zum Süßen Stärkesirup zugegeben. Ein Erfolg blieb aufgrund von Qualitätsmängeln und geringer Akzeptanz bei den Kunden aus.[3][4]

Mit der Industrialisierung der Obstverarbeitung erlangte die Produktion von Apfelkraut und verwandten Produkten in den Obstbauregionen, vor allem am Niederrhein, eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung als Arbeitgeber und als Abnehmer der bäuerlichen Obsternten.[3][5]

Heutige Bedeutung

Das EU-Gemeinschaftszeichen für Produkte mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.).

Heute ist Apfelkraut einerseits ein industriell gefertigtes Massenprodukt, das vorwiegend im Rheinland und in den angrenzenden belgischen und niederländischen Provinzen hergestellt und vermarktet wird.

Im Zuge der seit einigen Jahrzehnten wachsenden Wertschätzung für Kulturgüter wie alte Handwerke und alte Obst- und Gemüsesorten nahm die Bedeutung von Produkten wie Apfelkraut wieder zu. So gab Ende der 1970er Jahre in Belgien der letzte Lohnkocher sein Handwerk auf, aber noch im selben Jahrzehnt fanden sich einige Enthusiasten, die das alte Handwerk wieder aufnahmen und bis heute in kleinem Maßstab fortführen.[1][6]

Eine weitere bedeutende Rolle spielt die Slow Food-Bewegung, die sich gezielt für die regionale Küche, die Verwendung heimischer landwirtschaftlicher Produkte und deren lokale, handwerkliche Produktion einsetzt. Heute ist Apfelkraut nicht mehr nur ein süßer Brotaufstrich, der gelegentlich in der bürgerlichen Küche in Soßen wie zum Rheinischen Sauerbraten oder als Beilage zu Reibekuchen verwendet wird, sondern gelegentlich eine Zutat in der Spitzengastronomie.[1][7][8]

Die bedeutendste Region der mitteleuropäischen Apfelkraut-Produktion deckt sich über sprachliche und politische Grenzen hinweg weitgehend mit der Euregio Maas-Rhein. Wesentliche Produkte dieser Gegend sind das Rheinische Apfelkraut,[9] der Sirop de Liège oder Delice de Liège aus der Gegend um Lüttich (mit einem höheren Anteil Birnen und mit Datteln), und der Traditionele Ambachtelijke Limburgse Stroop aus der niederländischen Provinz Limburg. „Rheinisches Apfelkraut g.g.A.“ ist seit 2012 eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.).[1][6][8]

In der Schweiz wird in den Kantonen Freiburg und Waadt unter den Bezeichnungen Vin cuit (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen fermentierten Mostkonzentrat aus der Provence) oder Raisinée ein Kraut aus Obstsaft hergestellt, der 24 Stunden über einem Holzfeuer eingedickt wird. Je nach Region wird für die Herstellung Apfel-, Birnen- oder Traubensaft verwendet.[7]

In einigen Regionen der USA und Kanada hat Apfelkraut als apple butter eine große kulturhistorische Bedeutung. Die „Erfindung“ des Apfelkrauts wird meist den Siedlern in den Neuenglandstaaten, aber auch den Pennsylvania Dutch des 17. Jahrhunderts (unter der Bezeichnung Lattwaerick) und den Mennoniten zugeschrieben. Bis heute werden in diesen Regionen alljährlich zur Erntezeit große Volksfeste als apple butter festival organisiert.

Rohstoffe

Der Edelborsdorfer ist eine sehr alte Apfelsorte und wurde häufig zu Apfelkraut verarbeitet.

Gemäß Deutschem Lebensmittelbuch (Leitsätze für Obsterzeugnisse) wird Apfelkraut aus im Pressverfahren gewonnenem, eingedicktem Saft aus gesunden, frischen und gedämpften oder gekochten Früchten hergestellt, dem auch Zuckerarten zugesetzt werden können. 1.000 g Apfelkraut wird aus mindestens 2.700 g Obst (Äpfel und Birnen) hergestellt, davon mindestens 2.100 g Äpfel, sowie höchstens 400 g Zuckerarten. Apfelkraut ist braun bis dunkelbraun und bei 18 °C streichfähig. Es schmeckt fruchtig-süß und darf keine bittere oder angebrannte Note enthalten.[10]

Die Leitsätze für Obsterzeugnisse legen weiter fest, dass „Apfelkraut“ die Verkehrsbezeichnung für das beschriebene Produkt ist. Daraus folgt, dass Produkte, die aus einem höheren Anteil von Birnen oder Zuckerarten hergestellt wurden, in Deutschland nicht als „Apfelkraut“ angeboten und verkauft werden dürfen. Dasselbe gilt für Obstkraute mit der Zugabe anderer Früchte oder Säfte, bei einer Zugabe von Gewürzen irgendwelcher Art, und bei der Zugabe von Pektin. Bezeichnungen wie „Apfel-Birnenkraut“, „Apfel-Rübenkraut“ oder „Obstkraut“ sind jedoch für solche Produkte zulässig.[10] In den Niederlanden ist Apfel-Rübenkraut unter dem Namen „rinse Appelstroop“ (süßsaures Apfelkraut) verbreitet.[11]

Im Sprachgebrauch ist die Abgrenzung von Apfelkraut zu anderen Obstkrauten nicht so streng. Abweichungen, auch in traditionell hergestellten Erzeugnissen wie apple butter in den USA, sind dadurch bedingt, dass die Art der verwendeten Früchte und ihr Anteil in der historischen bäuerlichen und handwerklichen Produktion stark von der örtlichen Verfügbarkeit der Rohstoffe und den Ernteergebnissen geprägt war. Hinzu kamen geschmackliche Vorlieben der Erzeuger. Eine Variante aus Lüttich, der Sirop de Liège enthält 35 % Birnen, 20 % Äpfel, 10 % Datteln und 35 % Zucker.[6]

Der natürliche Pektingehalt der Äpfel unterstützt das Gelieren des Produktes. Birnen wurden früher als Zutat für das Apfelkraut verwendet, weil sie eine nur geringe Lagerfähigkeit besitzen und rasch verwertet werden müssen. Zudem hat Birnensaft einen höheren Zuckergehalt als Apfelsaft, dies verbesserte die Haltbarkeit des Produkts und machte es süßer. Andererseits muss Birnenkraut Äpfel enthalten, da der Pektingehalt von Birnen alleine zu niedrig ist um die gewünschte Gelierung zu erreichen.

Nährwerte im Vergleich

Die Angaben beziehen sich auf Portionen zu 25 g
Angabe Einheit Apfelkraut Honig Erdbeerkonfitüre Nuss-Nougat-Creme
Energieinhalt kJ/Portion 253 283 281 526
Eiweiß g/Portion 0,2 0,1 0,1 1,1
Fett g/Portion 0,2 0,0 0,0 7,4
Kohlenhydrate g/Portion 14,3 18,8 16,3 14,9
Broteinheiten BE/Portion 1,2 1,6 1,4 1,2
Ballaststoffe g/Portion 1,2 0,0 0,2 1,0
Vitamin E mg/Portion 0,2 0,0 0,0 1,1
Folsäure µg/Portion 1,3 0,0 0,3 3,8
Vitamin C mg/Portion 5,1 0,6 0,6 0,2
Kalzium mg/Portion 4,3 1,3 2,5 17,8
Magnesium mg/Portion 3,3 1,5 1,5 15,0
Eisen mg/Portion 0,3 0,3 0,1 0,4
Jod µg/Portion 1,3 0,1 0,0 0,5
gesättigte Fettsäuren g/Portion 0,0 0,0 0,0 4,4
einfach ungesättigte Fettsäuren g/Portion 0,0 0,0 0,0 2,3
mehrfach ungesättigte Fettsäuren g/Portion 0,1 0,0 0,0 0,3
Cholesterin mg/Portion 0,0 0,0 0,0 0,0
Saccharose g/Portion 9,3 0,6 15,8 14,4
Harnsäure mg/Portion 8,0 0,0 2,3 3,0

Es handelt sich um durchschnittliche Nährwertangaben, die Werte unterliegen den bei Naturprodukten üblichen Schwankungen.[12]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 ohne Verfasser: Acht Presidia en nog acht bijzondere producten uit Slow Food's Nederlandse Ark van de Smaak. Slow Food Nederland, o. O. o. J. (~2012) Online PDF; 1.860 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  2. ohne Verfasser: Limburg Stroop. (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) Slow Food Nederland, o. J. (Flugblatt, ~2010) Online PDF; 5.350 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  3. 3,0 3,1 Müller-Diemitz: Die hauptsächlichsten Verwertungsarten des Obstes im privaten und genossenschaftlichen Betriebe. In: Gartenflora. Zeitschrift für Garten und Blumenkunde. 51. Jhrg., Heft 7, 1902, S. 185–191.
  4. Franz Xaver Beck: Der bäuerliche Eigengewächsbrand, seine Eigenart und Stellung in der Branntweinbesteuerung des Auslandes und der Schweiz. Promotionsarbeit, Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich. Zugleich Verbandsdruckerei A.-G., Bern 1927, S. 49f Online PDF; 13.890 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  5. Matthias Heimbach: Zwischen patriotischer Begeisterung und existentieller Sorge. Xanten im Ersten Weltkrieg 1914-1918. Sonderband zur Geschichte der Stadt Xanten. Stadtkultur Xanten e.V., Xanten 2010, S. 23.
  6. 6,0 6,1 6,2 Michaela Fröhlich, Marion Sosinska: Transnationale Nahrungsforschung. Apfelkraut und Obstanbau in der Euregio Maas-Rhein. In: KulTour. Mitteilungen der Studierenden der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde der Universität Bonn und der Bonner Gesellschaft für Volkskunde und Kulturwissenschaften e. V.. 22. Jhrg., 2011, S. 117–119 Online PDF; 2.995 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  7. 7,0 7,1 Martin Jenni: Gastwirt und Kunstwerk in einem. In: Migros-Magazin. 42, 13. Oktober 2008, S. 86–89 Online PDF; 1.860 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  8. 8,0 8,1 Ernährung-NRW e. V. (Hrsg.): Regional – richtig lecker. Rezeptideen und Informationen. o. O. o. J. (2013) Online PDF; 2.710 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  9. Walter Hartmann, Eckhart Fritz: Farbatlas Alte Obstsorten. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3800176342, S. 14.
  10. 10,0 10,1 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.): Deutsches Lebensmittelbuch. Leitsätze für Obsterzeugnisse. Neufassung vom 8. Januar 2008 (Beilage zum BAnz. Nr. 89 vom 18. 6. 2008) Online PDF; 385 kB, abgerufen am 14. August 2013.
  11. Veel gestelde vragen. (HTML) Stroopfabriek Canisius Henssen BV, Schinnen, abgerufen am 9. März 2014 (niederländisch, häufig gestellte Fragen auf der Website des Herstellers Canisius mit Auskunft zur Bedeutung des Wortes rins).
  12. Sven-David Müller, Katrin Raschke: Das Kalorien-Nährwert-Lexikon. 2. überarbeitete Auflage. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2004, ISBN 3-89993-509-8.

Weblinks

Wiktionary: Apfelkraut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Apfelkraut – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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