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Benutzer:Michael Kühntopf/JugAlijaAugust1941
Informationen rund um das Bild Jugend-Alija-Leitung
Das Bild erhielt Yoav Gad von seinem Vater Herbert Ehud Growald zum 13. Geburtstag (1962), der Bar Mizwah, mit dem Vermächtnis, das geistige Erbe der Hachschara weiter zu geben.
Biografien der Personen auf Yoav's 'Bar-Mitzwa-Bild'
(Version 29. Mai 2021)
Inklusive Hinweisen auf ihre jeweilige Situation Mitte 1941.
- 1908 in Frankfurt/Main
Deportation nach Theresienstadt im Sommer 1943 (dort ermordet). Lotte Kaiser unterstützt Recha Freier als ihre Assistentin beim Aufbau der Jugend-Alija seit den Anfängen 1932. Arthur Posnanski beschreibt die Anfänge im Interview: „Sie haben allein so ein kleines Büro aufgemacht, was heisst das damals, zwei Zimmerchen mit einer Schreibmaschine. (…) Und sie hat den Leuten gesagt, das ist Dein Ausweis, alles gemogelte Sachen. Aber das war eine Sicherheit, haste ein Stück Papier in der Hand, gehen die Leute über die Grenze.” Aus Freiers und Kaisers Initiative geht im Januar 1933 die Jüdische Jugendhilfe e.V. hervor, in der sich viele der jüdisch-zionistischen Jugendgruppen und Verbände aus der Hachschara Bewegung organisieren. Im Juni 1933 wird dann zusammen mit der Jüdischen Waisenhilfe e.V. und dem Kinderheim Ahawah die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend-Alijah e.V. gegründet, einer der zentralen Koordinationspunkte der Bewegung, u.a. zur Beschaffung und gerechten Verteilung von Spendengeldern aus dem Ausland. Recha Freier wird dann auch Leiterin der Tarbut-Abteilung (Kultur und Bildung) der Reichsvertretung der Juden. Bis zu ihrer Flucht im Sommer 1940 bleibt sie eine zentrale Figur im jüdischen Rettungswiderstand, fast die ganze Zeit eng unterstützt von Lotte Kaiser. Von 1939 bis 1941 leitet Kaiser gemeinsam mit Ludwig Kuttner und Fanny Bergas die Hachschara Schniebinchen.
Nach Auflösung von Schniebinchen Mitte 1941 kehrt Lotte Kaiser nach Berlin zurück, um wieder in der Leitung von Jugend-Alijah, Hechaluz und Reichsvereinigung tätig zu werden. Eine ihrer Aufgaben ist die Aufrechterhaltung des Kontakts mit Nathan Schwalb in Genf, der dort als internationales Büro des Hechaluz fungiert. Sie bleibt aber auch in der praktischen Jugendarbeit in Berlin aktiv, u.a. als Gruppenleiterin mit Arthur Posnanski und Yitzchak Schwersenz.
Im Dezember 1942 wird Alfred Selbiger ermordet; Lotte Kaiser und Sonja Okun übernehmen ab da in Berlin die zentrale Leitungs- und Koordinierungsrolle für die verbleibenden Gruppen bis zu ihrer eigenen Deportation im Sommer 1943.
- 30. Juli 1912, Berlin – 4. Februar 1998, Israel.
Arthur Posnanski wächst auf als eines von drei Kindern eines Schneiders am Rande des Scheunenviertels in Berlin. (Die Schwester wandert 1938 nach Australien aus. Der jüngere Bruder Wilhelm geht auf Hachschara in die Niederlande, nach Einmarsch der Deutschen ist er im Untergrund tätig und erreicht durch die Widerstandsnetzwerke von dort über Frankreich, Spanien und Portugal noch während des Krieges das Palästina). Er besucht die jüdische Schule in der Großen Hamburger Straße bis zur Mittleren Reife 1928, dann absolviert er eine kaufmännische Lehre und arbeitet in dem Beruf bis 1938. Bereits 1926 tritt er in die zionistische JLJ (Jüdische Liberale Jugend) ein und engagiert sich in der sozialdemokratisch orientierten Jugendorganisation des ZdA (Zentralverband der Angestellten in Deutschland). Nach dem Machantritt der Nazis wendet er sich der jüdischen Sozialarbeit zu, macht das Fürsorgeexamen und war von 1933-1938 ehrenamtlich arbeitender Leiter der jüdischen Jugendhilfe in Berlin-Mitte (angebunden an die Jüdische Gemeinde, enge Zusammenarbeit mit dem Leiter in Berlin-Nord, Alfred Selbiger): „Ich habe Familien betreut mit 18 Kindern, von Sterilisationen gefährdete Jugendliche, Vertretung bei Gerichten als Beihilfe, als Beistand, und auch, zuletzt vor jüdischen Rabbinatsgerichten, wenn Jugendliche irgendwie etwas gemacht haben beim jüdischen Chef oder so, es kamen Konflikte vor, hat man versucht das erstmal zu lösen mit jüdischen Gerichten, beim Rabbiner, um die Sache nicht öffentlich auszutragen.“ (Zitat aus einem Interview mit ihm bei der Shoah Foundation). Im Februar 1939 wird er zunächst Nachfolger von Alfred Selbiger als Madrich der Hachschara Havelberg, 1940 Nachfolger von Herbert Growald als Madrich der Hachschara Ahrensdorf, zusammen mit Anne-Ora Borinski. Dort verlobt er sich mit Suse Gattel aus Breslau.
Als Ahrensdorf im Frühsommer 1941 aufgelöst wird, bringt er die Jugendlichen nach Gut Neuendorf. Nach Streit mit dem dortigen Leiter Martin Gerson kommt Posnanski Mitte 1941 nach Berlin zurück und wird auf Vermittlung von Alfred Selbiger Leiter des jüdischen Jugendheims für ca. 60 „gefährdete Jugendliche“ in der Levetzowstraße.
Nach einer Warnung durch Hedwig Eppstein, Ehefrau des Geschäftsführers der Reichsvereinigung der Juden, kann er die Deportation des Jugendheims vermeiden (der erste Transport aus Berlin ins Ghetto Litzmannstadt fand am 18.10.1941 statt), denn er wird stattdessen (wohl Ende September) zur Zwangsarbeit in einer Lackfabrik in Berlin-Weissensee geschickt. Nach eigenen Angaben im Interview war er dort für 1 ½ Jahre (also wohl Oktober 1941 – Februar 1943). In stark reduzierter Form bleiben jüdische Jugendgruppen des Hechaluz bestehen, Posnanski leitet eine von ihnen zusammen mit Lotte Kaiser. Im Rahmen der sog. „Fabrikaktion“ wird er im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert, wo er im Lager Monowitz im April 1943 die anderen aus Neuendorf deportieren Jugendleiter*innen und Jugendlichen wiedertrifft. Er arbeitet in der Krankenstation, kann so vielen Menschen helfen und stellt sogar Kontakt zu seiner Verlobten Suse Gattel in Breslau her. Sie arbeitet auf der jüdischen Krankenstation (auf dem Breslauer Friedhof) und es gelingt ab und an, Nachrichten auszutauschen und Päckchen ins Lager zu schicken bzw. zu schmuggeln (Angaben aus Karla Wollf: Ich blieb zurück, Berlin 2012, S. 95/96). Suse Gattel wird Anfang 1945 nach Bergen-Belsen verschleppt und dort ermordet. Posnanski überlebt den Todesmarsch und ist von Februar – April 1945 Häftling im KZ Buchenwald, wo er die Befreiung erlebt. Er wird einer der Leiter*innen des im Mai 1945 auf einem beschlagnahmten Bauernhof in Eggendorf bei Weimar gegründeten Kibbuz Buchenwald. Der Kibbuz wird noch im Sommer desselben Jahres auf den Gehringshof bei Fulda in der Amerikanischen Zone verlegt, wo Posnanski für 2 ½ Jahr bis zu seiner Alija lebt und arbeitet.
- 30. Oktober 1916, Breslau
Deportation von Neuendorf nach Auschwitz am 19. April 1943 (dort ermordet). Aufgewachsen als eins von fünf Kindern des Breslauer Lehrers Willy Cohn und seiner Frau Gertrud, engagiert sich Cohn früh in der zionistischen Jugendarbeit Schlesiens im Rahmen des Brit Haolim. Sein Vater notiert im April 1933 im Tagebuch, dass er „mit einem Sonnenbrand von der Gartenarbeit aus (der Hachschara) Silsterwitz zurückgekehrt sei.“ (Zitiert nach: Knut Bergbauer: Pioniere in der Provinz. In: Hachschara und Jugend-Alija, Gifhorn 2020, S. 113). Später ist er zusammen mit seiner Frau Gertrud Weill Leiter der 1937 etablierten Hachschara Jessen-Mühle im östlichen Teil der preußischen Provinz Brandenburg. Überlebende beschreiben später den Führungsstil von Cohn und Weill als besonders unterstützend und warm in der zunehmend schwieriger werdenden Situation: „Jessen Mühle 1940, der große Schlafsaal der Jungen, über dem Generator. Die Tür im Fußboden des oberen Stockwerkes öffnet sich, und die beiden Madrichim Trude Weil und Hawo kommen herunter aus dem Mädchenstockwerk, um uns gute Nacht zu wünschen. Es war nicht einfach nur ein Gute-Nacht-Wunsch, sondern es wurden jedem Chawer ein paar aufbauende Worte gesagt, kleinen Beichten zugehört – über Anpassungsschwierigkeiten, das gemeinschaftliche Leben, Dinge zwischen einem Jungen und einem Mädchen oder einfach so kurze tröstende Gespräche.“ (Walter Keschner/Ze’ev Keschet in Wer hätte das geglaubt, S. 41).
So wie die Hachscharot Ahrensdorf und Havelberg wird auch Jessen ab Mai 1941 aufgelöst, Cohn bringt die verbliebenen Jugendlichen nach Gut Neuendorf, das nun zum Zwangsarbeitslager wird. Die Hachschara Jessen wird am 31. August 1941 ganz geschlossen – zum Treffen in der Kantstr. 158 Anfang August kommt Cohn wohl bereits aus Neuendorf. Dort sind Cohn und Anneliese-Ora Borinski die Gruppenleiter*innen der chaluzischen Jugendlichen, während Herbert Growald neben Martin Gerson für die Gesamtleitung verantwortlich ist.
Zusammen mit den letzten ca. 170 Personen in Neuendorf wird er im April 1943 von dort nach Auschwitz deportiert, wo er später ermordet wird.
- 26. Januar 1899, Minsk
Deportation nach Theresienstadt 1943, ermordet in Auschwitz 30. Oktober 1944. Okun arbeitet als Schauspielerin und ist für viele Jahre Lebensgefährtin des Theater- und Filmregisseurs Erich Engels. Beim Einsetzen der nationalsozialistischen Verfolgung trennt sie sich von ihm, um ihn zu schützen, und nähert sich jüdisch-zionistischen Kreisen an. Seit ungefähr 1935 unterstützt sie die Gruppe um Recha Freier, Lotte Kaiser und Gisela Warburg in ihrer Arbeit für die Jugendalijah. Von August 1936 bis Anfang 1938 ist sie für eine Tuberkulose Behandlung in der Schweiz, kehrt aber zur weiteren Mitarbeit in den jüdischen Unterstützungsstrukturen und des Rettungswiderstands der Jugendalijah nach Berlin zurück. Sie arbeitet als seine Assistentin eng mit Paul Eppstein zusammen, dem Geschäftsführer der Reichsvertretung (später Reichsvereinigung) der deutschen Juden und Leiters der Abteilung Auswanderungsvorbereitung der Reichsvertretung. In dieser Funktion reist sie regelmäßig zu den verschiedenen Hachscharot in ganz Deutschland und trägt seit Ende 1938 viel zur Vernetzung zwischen Familien und ihren Kindern auf Hachschara sowie wie zwischen den verschiedenen Hachschara-Orten bei.
Im Frühjahr 1941 werden alle jüdische Strukturen mit Ausnahme des Zwangsverbands der Reichsvereinigung geschlossen. Auch ihr Büro wird im Rahmen dieser Maßnahmen von der Meineke- in die Kantstraße in Berlin verlegt und sie erhält mehr Aufgaben in der direkten Zusammenarbeit mit Paul Eppstein. So begleitet sie ihn z.B. regelmäßig zu dessen wöchentlichen Einbestellungen zu Adolf Eichmann im Reichssicherheitshauptamt und mag um die Vorbereitungen zu Deportationen, die in Berlin im Oktober 1941 beginnen, gewusst haben.
Nach der Ermordung von Alfred Selbiger im Dezember 1942 übernimmt sie in Berlin mit Lotte Kaiser die Leitungs- und Koordinierungsrolle der verbleibenden Gruppen bis zu ihrer eigenen Deportation nach Theresienstadt im Januar 1943.
- 3. Mai 1914, Berlin – 3. Dezember 1942, Sachsenhausen
Alfred Selbiger studiert zunächst Medizin, wechselt dann jedoch zum Studium am Rabbiner-Seminar. Seit 1933 leitet er mit Arthur Posnanski ehrenamtlich die Jugendpflege der Jüdischen Gemeinde, 1936 tritt er dem Makkabi Hazair bei. Anfang 1938 übernimmt er mit seiner späteren Frau Erika Katz (*18.6.1914 Rogasen, Deportation nach Auschwitz am 9.12.1942, dort ermordet) bis zum Februar 1939 die Leitung des Hachschara-Kibbuz Havelberg (Nachfolger: Arthur Posnanski). Parallel dazu arbeitet er nach den November Pogromen als Vertreter des Makkabi Hazair bereits im Ausschuss für jüdische Sondertransporte des Palästina-Amts mit, in dem durch die Organisation von Auswanderungspapieren auf die Freilassung von KZ-Inhaftierten hingearbeitet wird. Im August 1939 ist er Delegierter beim Zionistenkongress in der Schweiz und kehrt bei Ausbruch des Krieges nach Berlin zurück. Im Dezember 1939 wird er nach der Alijah von Kurt Goldmann Leiter des Hechaluz und 1940 nach der Alijah von Hardi Swarsensky Bundesleiter des Makkabi Hazair, so dass der hauptverantwortlich für die Hachschara Arbeit der Verbände ist. In dieser Doppelfunktion arbeitet er an zentraler Stelle im Palästina-Amt in Berlin. Mit Kurt Silberpfennig (als Vertreter des religiös-zionistischen Verbands Bachad) und Paul Eppstein (als Leiter der Abteilung Auswanderungsvorbereitung der Reichsvertretung) wird er zu einem der drei letztverantwortlichen Entscheider für die Zuteilung von Einwanderungszertifikaten nach Palästina und anderer Auswanderungsmöglichkeiten. Bewundert und verehrt von den meisten in der Bewegung ist Alfred Selbiger eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der späten Hachschara Bewegung. „Was war sein Zimmer in der Meinekestraße doch für eine Quelle von Ruhe, von Geborgensein – wenn man ihm so gegenüber saß. Da kamen die Herren der Behörden und er trat ihnen sehr überlegen entgegen. Und wenn sie fort waren, da wurde aus diesem so imponierenden Alfred auf einmal ein kleiner Junge, der mit den Glas- und Holztierchen, die auf seinem Schreibtisch standen, Zirkus spielte. – Er spielte auch noch mit ihnen, als die Meinekestraße schon aufgelöst war und er in einem dürftigen Zimmerchen der Kantstraße in der Reichsvereinigung saß. Aber er sah sehr blaß und übermüdet dabei aus.“ (Anneliese-Ora Borinski: Erinnerungen, S. 11)
Alle jüdischen Vereine werden im Frühjahr 1941 aufgelöst, auch das ursprünglich der Jewish Agency unterstehende Palästina-Amt in der Meinekestraße (5. Mai 1941). Alfred Selbiger wird in die Reichsvereinigung der Juden als „Leiter der Personalabteilung des jüdischen Jugendarbeitseinsatzes“ eingegliedert, erhält wie Sonja Okun ein neues Büro in der Kantstraße 158, von wo aus er (z.B. durch Zugang zu einem Telefon) die koordinierende Arbeit des Hechaluz weiterführt. Mit neuen Verordnungen im Frühjahr 1941 wird klar, dass für alle Jüdinnen und Juden eine verschärfte Zwangsarbeit eingeführt wird. Um einen Zusammenhalt der noch existierenden Gruppen zu gewährleisten, entscheidet daher die Leitungsgruppe, die verbleibenden Hachscharot zusammenzulegen und mit den lokalen Arbeitsämtern (Zwangs-)Arbeitsplätze vor Ort zu organisieren.
Als im Oktober 1942 die Deportationen aus Berlin beginnen, macht Selbiger Dienst in den Sammellagern, wo die Menschen von der Gemeinde notdürftig verpflegt und ausgestattet werden. Ende November 1942 entziehen sich 20 Mitarbeiter*innen der Gemeinde der Deportation. Daraufhin werden 20 Geiseln genommen, unter ihnen Alfred Selbiger. Am 3. Dezember 1942 wird er im KZ Sachsenhausen erschossen.
- 9. April 1908, Frankfurt/Main – ermordet in Auschwitz nach dem 15. April 1943.
Kuttner ist Lehrer für Hebräisch, Religion und jüdische Geschichte an der privaten Waldschule Kaliski in Berlin von 1934 bis zur ihrer Schließung Anfang 1939. Für einige Monate arbeitet er an der neugegründeten Jugend-Alija Schule in Berlin, die unter der Leitung von Yitzchak Schwersenz in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde entsteht. Ab September 1939 leiten Ludwig Kuttner, Fanny Bergas und Lotte Kaiser die Hachschara Schniebinchen in Ost-Brandenburg.
Auch Schniebinchen wird im Sommer 1941 aufgelöst und am 31. Juli ganz geschlossen. Die noch verbleibenden Chawerim werden in das viele hundert Kilometer westlich gelegene ehemalige Hachschara Lager (jetzt Zwangsarbeitslager) Grüner Weg in Paderborn verlegt, wo sich auch Kuttners Frau Hilde und seine beiden Söhne Michael und Uri befinden. Es ist nicht klar, ob Kuttner zuerst seine Gruppe nach Paderborn gebracht hat, um dann zum Treffen nach Berlin zu kommen – oder ob er seine Gruppe vorausgeschickt hat und einige Tage bis zu dem Treffen in Berlin geblieben ist.
Von Paderborn aus wird er mit seiner Familie und der ganzen Gruppe im April 1943 nach Auschwitz deportiert.
- 22. Oktober 1906, Thorn (Westpreussen) – 1942, ermordet in Auschwitz
Von 1922 bis 1926 absolviert Silberpfennig zunächst eine kaufmännische Lehre bei den Hirsch Kupfer- & Messingwerken in Messingwerk bei Eberswalde. Ab 1927 holt er in Berlin das Abitur nach und übersiedelt 1931 für ein Studium der Pädagogik nach Frankfurt/Main. In diesem Kontext nähert sich Silberpfennig zionistischen Positionen an, bleibt aber den orthodox-religiösen Traditionen verbunden. Ab 1933 unterrichtet er jüdische Religion, Musik und Hebräisch an der jüdischen Volksschule des Philanthropin in Frankfurt/Main. Er steigt innerhalb des orthodox-zionistischen Jugendverbands Bachad auf und wird im April 1939 als Vertreter des Verbands in das Palästina-Amt nach Berlin entsandt. Dort ist er mit Alfred Selbiger und Paul Eppstein auch einer der letztverantwortlichen Entscheider für die Zuteilung der Palästina-Zertifikate. In seiner Funktion als Verbandsfunktionär des Bachad ist er im August 1939 einer der deutschen Delegierten beim 21. Zionistenkongress in Genf, kehrt aber ebenso wie Alfred Selbiger bei Ausbruch des Krieges nach Berlin zurück. Ab Ende 1940 ist Silberpfennig pädagogischer Leiter des orthodox-zionistischen Hachschara-Lagers Steckelsdorf bei Rathenow, wohin ihm Anfang 1941 auch seine Frau und sein Sohn folgen.
In der Phase der Verschärfung der Verordnungen über die Zwangsarbeit von Juden ab März 1941 arbeitet auch Silberpfennig mit den anderen Leiter*innen daran, die Zusammenlegungen der verschiedenen Gruppen so zu organisieren, dass gegenseitige Unterstützung und ein gewisser Zusammenhalt weiter möglich sind. Die Hachschara Steckelsdorf wird im Sommer 1941 zum Zwangsarbeitslager für orthodox-zionistische Gruppen.
Im Juli 1942 wird er mit seiner Familie und den Steckelsdorfer Jugendlichen nach Auschwitz deportiert.
- 30. Mai 1915, Berlin – 1. Juni 2005, Berlin
Nach einer ersten Hachschara Periode in den Niederlanden wird Jitzchak Schwersenz von seinem Bundesleiter Josef Burg vom Bachad gebeten, nach Deutschland zurückzukehren. Im Frühjahr 1935 übernimmt Schwersenz die Leitung des neu eröffneten Kinderheims der Jugend-Alija in Köln. Parallel dazu studiert er für ein Jahr an der von David Carlebach geleiteten Religionslehrer Akademie. Nach Auflösung des Kinderheims geht er von Anfang bis Ende 1937 als Lehrer und Erzieher an das jüdische Internat Herrlingen bei Ulm. Dann kehrt er nach Berlin zurück, wechselt vom orthodoxen Bachad zum liberalen und links-zionistischen Makkabi Hazair und beginnt 1938 ein Studium am jüdischen Volksschul-Lehrerseminar in Berlin. Dort lernt er wahrscheinlich auch Herbert Growald und Anneliese-Ora Borinski kennen. Parallel zu seiner Ausbildung, die er Anfang 1939 abschließt, arbeitet er bereits in der von Recha Freier geleiteten Tarbut-Abteilung (Bildung & Kultur) der Reichsvereinigung der Juden mit. Nach einigen Monaten in der Leitungsgruppe der Hachschara Ahrensdorf wird er im Mai 1939 zum Direktor der neugegründeten Jugend-Alijah Schule in Berlin gemacht. Dort können diejenigen Kinder und Jugendlichen lernen, für die es noch keine Plätze in den ländlichen Hachscharot gibt (z.B. war Hilde Zimche dort, bevor sie auf Vermittlung von Schwersenz einen Platz in Ahrensdorf bekam, s. Comic I).
Im August 1941 leitet Schwersenz weiterhin die Jugend-Alijah Schule in Berlin, der auch eine Reihe von Waisenheimen und Internaten zugeordnet ist. Gleichzeitig wird im August die ‚Gartenbauschaule / Hachschara Wannsee‘ unter der Leitung von Georg Alexander im Garten einer SS-Villa eröffnet.
Als die Jugend-Alijah Schule im Herbst 1941 geschlossen wird, entgeht er auf Intervention von Alfred Selbiger einer Einteilung zum ‚Ordner‘ für Deportationen. Stattdessen wird er zum Zwangsarbeitseinsatz in der Grußküche der Jüdischen Gemeinde bestellt. Er führt (u.a. zusammen mit Lotte Kaiser und Arthur Posnanski) jüdische Jugendarbeit in kleinen Gruppen fort. Mit einer Gruppe Jugendlicher aus der Jugend-Alijah Schule arbeitet er z.B. unter widrigen Bedingungen in der Hachschara Wannsee. Seitdem sich ab September 1941 die Deportationen abzeichnen, ist er der Auffassung, dass auch ein Abtauchen in die Illegalität erwogen werden soll – ein Ratschlag, der auch von Nathan Schwalb aus der Hechaluz Zentrale in Genf gegeben wird. Die Jugend-Alija-Leitung lehnt dies ab. Er macht die Vorbereitung auf die Illegalität jedoch zu einem Teil seiner Jugendarbeit: er beginnt mit der Organisation möglicher Schlafplätze in Verstecken und arbeitet mit den Kindern und Jugendlichen in seiner Gruppe immer wieder durch, wie sie sich im Fall der Durchführung von Deportationen verhalten sollen, um ihnen zu entgehen. Als er selbst im August 1942 auf den Deportationslisten erscheint, geht er – dann im Einvernehmen mit Alfred Selbiger und den anderen Jugendleiter*innen – in Berlin in den Untergrund. Nach und nach schließen sich ihm immer mehr Jugendliche an. Zusammen mit Edith Wolff leitet er im Untergrund die Jugendgruppe Chug Chaluzi mit bis zu 40 versteckten Mitgliedern. Im Februar 1944 gelingt ihm die Flucht über die Grenze in die Schweiz, wo er von Nathan Schwalb in Empfang genommen wird. Er arbeitet dort als Erzieher und Jugendleiter für jüdische Waisenkinder, bis er 1953 selber Aliya macht.
- 25. Februar 1914, Berlin – 19. April 2007, Rishon LeZion
Anfang der 1930er Jahre wird er Mitglied im Makkabi Hazair und entscheidet sich 1937 zu einer Ausbildung im jüdischen Lehrerseminar in Berlin. Bald nach Abschluss der Ausbildung wird er im Sommer 1939 Leiter der Hachschara Ahrensdorf. Im Sommer 1940 kehrt er nach Berlin in die Zentrale zurück, um im Palästina-Amt mit Alfred Selbiger und in der Leitung der Tarbut-Abteilung (Bildung & Kultur) der Reichsvereinigung arbeiten. Gemeinsam mit Alfred Selbiger organisiert er hauptverantwortlich die sog. ’Sonderhachschara’: geheime Alija Gruppen, die trotz des britischen Einwanderungsstops für Palästina noch 1939 und 1940 starten. Die siebte und letzte Gruppe, S.H.7, z.B. machte sich noch im September 1940 von Wien aus über die Donau und das Schwarze Meer auf den Weg.
Im Frühjahr 1941 werden sowohl alle jüdischen Einrichtungen geschlossen (nur der Zwangsverband der Reichsvereinigung bleibt bestehen), als auch die Zwangsarbeitsregeln für Jüdinnen und Juden erheblich verschärft. Daher entschließen sich die Leiter*innen der Jugend-Alija, dass von Mai-Juli 1941 die verbleibenden Hachschara Gruppen des Makkabi Hazair aus Ahrensdorf, Havelberg und Jessen nach Gut Neuendorf verlegt werden. Herbert Growald übernimmt dort neben dem oft abwesenden Martin Gerson die Gesamtleitung. Der Charakter von Gut Neuendorf wandelt sich ab März 1941 zu dem eines bewachten Zwangsarbeitslagers. Wegen der Art und Weise der Zusammenlegungen können aber bestehende Gruppen zusammenbleiben. Ebenso wie in den anderen verbliebenen früheren Hachschara Stätten Paderborn und Steckelsdorf kann auch in Neuendorf ein gewisses Maß an interner jüdischer/zionistischer Autonomie erhalten werden.
Im April 1943 werden alle ca. 170 Jüdinnen und Juden aus Neuendorf nach Auschwitz deportiert. Herbert Growald überlebt Auschwitz und den Todesmarsch, er wird im April 1945 in Bergen-Belsen befreit. Bald danach wird er Mitglied des Kibbuz Buchenwald auf dem Gehringshof bei Fulda. Unter der Leitung von ihm und Arthur Posnanski ist der Gehringshof ein wichtiger Knotenpunkt des Alija Beth Netzwerks für die illegale Einwanderung nach Palästina bis zur Staatsgründung 1948. Zusammen mit seiner Frau Ilse (geb. Löwenstein) macht er selbst im November 1947 Alija.
© Institut für Neue Soziale Plastik e.V.
Zusammengestellt von Benno Plassmann, 29. Mai 2021
Basierend auf einer Reihe von Quellen.