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Die Ratten

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Dieser Artikel behandelt das Drama von Gerhart Hauptmann. Zu anderen Bedeutungen siehe Ratten (Begriffsklärung).
Daten des Dramas
Titel: Die Ratten
Gattung: Tragikomödie
Originalsprache: Deutsch
Autor: Gerhart Hauptmann
Erscheinungsjahr: 1911
Uraufführung: 13. Januar 1911
Ort der Uraufführung: Lessingtheater in Berlin
Ort und Zeit der Handlung: Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts
Personen
  • Harro Hassenreuter, ehemaliger Theaterdirektor
  • Seine Frau
  • Walburga, seine Tochter
  • Pastor Spitta, Vater von Erich Spitta
  • Erich Spitta, ehemaliger Theologiestudent
  • Alice Rütterbusch, Schauspielerin
  • Nathanael Jettel, Hofschauspieler
  • Käferstein, Schüler Hassenreuters
  • Dr. Kegel, Schüler Hassenreuters
  • Herr John, Maurerpolier
  • Frau John, Putzkraft von Hassenreuter
  • Bruno Mechelke, ihr Bruder
  • Pauline Piperkarcka, Dienstmädchen
  • Frau Sidonie Knobbe
  • Selma, ihre Tochter
  • Quaquaro, Hausmeister
  • Frau Kielbacke
  • Schutzmann Schierke
  • zwei Säuglinge

Die Ratten ist eine Tragikomödie in fünf Akten von Gerhart Hauptmann. Die Uraufführung fand am 13. Januar 1911 im Lessingtheater Berlin statt. Das Stück spielt in Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts; Handlungsort ist eine ehemalige Kaserne (Alexanderstraße 10 / Ecke Voltairestraße, nahe dem Alexanderplatz). Sie wurde um 1880 von etwa 60 Familien bewohnt und im Volksmund „Wanzenburg“ genannt. Das Drama zählt zu den späten Stücken aus der Epoche des Naturalismus.

Der Literaturhistoriker Hans Mayer nannte Die Ratten den vielleicht „wichtigsten Beitrag Gerhart Hauptmanns zum modernen Welttheater“, wobei es sich um „eine Großstadtdichtung ganz eigentümlicher Art [handele], die das Geschehen im Berliner Mietshaus stark in die Nähe expressionistischer Großstadtdichtung rückt“.

Zusammenfassung

Verlagseinband des Erstdrucks 1911

Seitdem die Putzfrau Henriette John ihren kleinen Sohn Adelbert bereits im Alter von acht Tagen verloren hat, weil er, in ärmliche und unhygienische Verhältnisse geboren, an Brechdurchfall erkrankte und starb, wünscht sie sich nichts sehnlicher als ein zweites Baby. Als drei Jahre darauf das Dienstmädchen Pauline Piperkarcka ein uneheliches Kind erwartet und sich deswegen umbringen will, beruhigt Frau John die werdende Mutter, indem sie ihr das Baby für „einhundertdreiundzwanzig Mark“ abkauft und später vor aller Welt, auch vor ihrem auswärts als Maurerpolier arbeitenden Mann, als ihr eigenes ausgibt. Pauline jedoch bereut das „Geschäft“ bald, denn sie fürchtet, die Behörden könnten den Schwindel aufdecken. Sie meldet ihr Kind auf dem Standesamt an und nennt Frau John als Pflegemutter. Als Frau John, mit dieser Information konfrontiert, den Verlust „ihres“ Kindes befürchtet, versucht sie, Pauline zu betrügen, indem sie ihr das todgeweihte Baby der Morphinistin Knobbe unterschiebt. Frau Johns gewalttätiger Bruder Bruno soll Pauline einschüchtern und davon abhalten, über den „Handel“ zu reden, tötet diese jedoch, als sie sich gegen ihn zur Wehr setzen will. Frau John verstrickt sich in ein Netz von Lügen und muss schließlich ihrem Mann die Wahrheit gestehen. Dieser fühlt sich in seiner Ehre gekränkt und will seine Frau sofort verlassen, obwohl nicht zuletzt er es war, der sich immer ein zweites Kind gewünscht hatte und den seine Frau deshalb nicht enttäuschen wollte. Als die Polizei erscheint und das Kind beschlagnahmt, erkennt Frau John die Aussichtslosigkeit ihrer Lage und wirft sich vor einen Pferdebahnwagen: „Erst jetzt hat das Kind seine Mutter verloren“, es ist eine „von aller Welt verlassene Waise geworden“ und wird „zugrunde gehen“ wie so viele andere seines Milieus.

Parallel zu dieser „proletarischen“ Muttertragödie, die Motive des Brechtschen Lehrstücks Der Kaukasische Kreidekreis vorwegnimmt, verläuft ein entgegengesetzter, satirisch überspitzter „bürgerlicher“ Handlungsstrang. Dessen Komödienszenen sind zwar dramaturgisch zweitrangig, komplettieren jedoch das Zeitbild des wilhelminischen Berliner Milieus, das Hauptmann sozialkritisch durchleuchtet, indem er die existentiellen Ängste des Kleinbürgertums den ästhetisch verklärten Ansprüchen der Bourgeoisie gegenüberstellt.

Der selbstherrliche und scheinheilige Theaterdirektor Hassenreuter hat im von „Ungeziefer und Ratten“ heimgesuchten Dachgeschoss des von Frau John und ihrem Mann bewohnten Mietshauses seinen Theaterfundus untergebracht, wo er einigen Schauspielschülern das Pathos und die hohe Moral des Schillerschen Idealismus predigt, während er sich gleichzeitig mit Alice, einer seiner Elevinnen, vergnügt. Erich Spitta, der Geliebte von Hassenreuters Tochter Walburga und ein schüchterner ehemaliger Theologiestudent, der des hohlen Predigertons wegen die Fakultät gewechselt und im Theaterstudium mehr Natürlich- und Menschlichkeit gesucht hat, sieht sich nun vom „sonoren Bombast“ der deutschen Klassik gleichfalls enttäuscht. Mit den grotesken Proben zu Schillers Die Braut von Messina im Mietshausspeicher führt Hauptmann die herkömmliche klassizistische Vorstellung vom Theater und dessen Beziehung zur Gesellschaft ad absurdum und plädiert stattdessen – besonders im Streitgespräch (3. Akt) zwischen Schüler (Spitta) und Lehrer (Hassenreuter) – für den Realismus des neuen naturalistischen Dramas.

Inhaltsangabe

Erster Akt

Der erste Akt findet im Dachgeschoss des Mietshauses, in dem das gesamte Stück spielt, statt. Frau John und Pauline Piperkarcka sitzen zusammen an einem Tisch und führen eine Diskussion. Die junge Frau Piperkarcka wurde von ihrem Geliebten, von dem sie hochschwanger ist, verlassen. Sie ist völlig verzweifelt, da sie nicht weiß, wie sie alleine das uneheliche Baby aufziehen soll. Aufgrund der Umstände kann sie nicht auf die Hilfe ihrer Eltern oder der des Vaters hoffen. Frau Piperkarcka erwägt, sich mit dem Fötus umzubringen, wird aber von Frau John davon abgehalten. Frau John, deren einziges Kind bereits als Baby gestorben ist, schlägt Frau Piperkarcka vor, ihr Kind aufzuziehen und bietet ihr Geld. So hätten sie und ihr Mann wieder ein „eigenes“ Kind und Frau Piperkarcka hätte keine gesellschaftliche Ausgrenzung zu befürchten. Außerdem sei das Neugeborene in sicheren Händen.

Frau Johns Bruder Bruno Mechelke kommt herein und stellt in der Wohnung, in der wie im gesamten Mietshaus katastrophale hygienische Zustände herrschen, Mausefallen auf. Frau Piperkarcka ängstigt sich aufgrund seines ungepflegten Aussehens vor ihm, sodass Frau John ihn aus dem Raum schickt. Kurze Zeit später betritt dieser aber wieder das Zimmer und bemerkt, dass jemand Fremdes das Haus betreten hat. Da der Kindeshandel natürlich geheim bleiben soll, wird Frau Piperkarcka auf den Dachboden geschickt, Frau John und Bruno bleiben alleine im Raum und streiten miteinander. Als die Schritte lauter werden, verschwindet auch Bruno auf den Dachboden.

Walburga Hassenreuter, die sich im Dachgeschoss eigentlich mit ihrem heimlichen Geliebten Spitta treffen möchte, erscheint und trifft auf Frau John. Als man abermals Schritte hört, verschwinden auch die beiden auf dem Dachboden, da sie sich alle an dem Sonntag eigentlich nicht im Raum bzw. dem Theaterfundus befinden sollten. Direktor Harro Hassenreuter und der Schauspieler Nathanael Jettel betreten den Raum. Jettel möchte sich aus Hassenreuters Fundus Kostüme ausleihen. Die beiden geraten allerdings aufgrund Hassenreuters Arroganz gegenüber Jettel in einen Streit, sodass der Letztere wutentbrannt das Gebäude verlässt.

Hassenreuter bleibt im Raum und begrüßt seine Affäre, die Schauspielerin Alice Rüterbusch. Die beiden werden durch Erich Spitta unterbrochen, der an der Tür klingelt. Rüterbusch versteckt sich in der angrenzenden Bibliothek. Spitta, der sich eigentlich mit seiner Geliebten Walburga verabredet hatte, trifft nun auf den Direktor. Er fragt den Direktor, ob er Talent zum Schauspielern habe. Dieser verneint vehement und rät ihm, bei der Theologie, die er studiert, zu bleiben. Die beiden verlassen darauf das Gebäude. Währenddessen hat Frau Piperkarcka (vermutlich) ihr Kind auf dem Dachboden geboren. Walburga steigt vom Dachboden herab und geht ab. Direktor Hassenreuter betritt wieder den Raum und gesellt sich zu Frau Rüterbusch.

Zweiter Akt

Herr und Frau John befinden sich in ihrer ebenfalls im Mietshaus befindlichen Wohnung. In einem im Zimmer stehenden Kinderwagen befindet sich das Kind der Frau Piperkarcka, welches Frau John allerdings, auch ihrem Mann gegenüber, als ihres ausgibt. Herr John, der das Kind im Kinderwagen beim Standesamt gemeldet hat, berichtet, dass er die Angaben korrigieren müsse. Herr und Frau John streiten sich aufgrund dessen. Die Tochter der Nachbarin Frau Knobbe, Selma, betritt mit ihrem Brüderchen den Raum. Frau John schickt die beiden schnell wieder raus, da sie Angst hat, dass das kranke Kind der Frau Knobbe ihr „eigenes“ anstecke.

Herr und Frau Hassenreuter sowie deren Tochter Walburga betreten den Raum und schenken den Johns einen Apparat, der Muttermilch sterilisiert. Käferstein und Dr. Kegel, Schüler Hassenreuters, kommen hinzu und schenken dem Ehepaar eine Spardose. Alle stoßen auf das Neugeborene an. Spitta betritt den Raum, kurz darauf machen sich Dr. Kegel und Käferstein mit Herrn Hassenreuter auf zum Schauspielunterricht. Spitta eröffnet Walburga, dass er sich fortan dem Schauspiel widmen will und nicht mehr die Laufbahn eines Pfarrers verfolgt. Seinem Vater, Pastor Spitta, hat er versucht in einem langen Brief seine Beweggründe zu erläutern. Walburga erzählt Spitta, dass sie seit ihrem geplatzten Treffen von der Affäre ihres Vaters weiß. Pauline Piperkarcka betritt den Raum, während Walburga und Spitta abgehen.

Pauline möchte nach ihrem Kind sehen, wird aber von Frau John hart abgewiesen. Diese gibt vor, sie nicht zu kennen. Frau John durchläuft einen steten Wechsel der Gefühle: Einerseits kann sie Paulines Sehnsucht nach ihrem eigenen Kind verstehen, andererseits hat sie selbst Angst, dass es ihr wieder weggenommen wird. Sie ohrfeigt die Piperkarcka, entschuldigt sich dann aber wieder, scheint einem ständigen Wechsel an Persönlichkeiten zu unterliegen. Frau Piperkarcka eröffnet Frau John, dass sie das Kind ebenfalls, so wie auch Herr John, auf dem Standesamt angemeldet habe und ein Beamter am nächsten Tag um fünf Uhr vorbeikomme, um nach dem Rechten zu sehen. Frau Piperkarcka geht ab und hinterlässt eine vollkommen aufgelöste Frau John im Raum.

Dritter Akt

Der dritte Akt spielt wieder im Dachgeschoss des Mietshauses. Direktor Hassenreuter gibt seinen Schülern Dr. Kegel, Käferstein und nun neuerdings auch Erich Spitta Schauspielunterricht. Seine Tochter Walburga und der Hausmeister Quaquaro sind ebenfalls anwesend. Es wird Schillers „Die Braut von Messina“ geprobt. Direktor Hassenreuter, der einen konservativen Schauspielstil nach Schiller und Gustav Freytag pflegt, ist unzufrieden mit der Vortragsweise seiner Schüler. Der beisitzende Quaquaro wird beauftragt, Hassenreuters Theaterfundus genauer zu durchsuchen, da vor kurzem ein Diebstahl festgestellt wurde. Er findet auf dem Boden einen Reiterstiefel, in dem ein Milchfläschchen versteckt wurde.

Unterdessen ist zwischen Hassenreuter und Spitta ein Streit entbrannt, da die beiden vollkommen unterschiedliche Vorstellungen von Schauspielerei haben. Spitta, der die Meinung vertritt, dass jeder Mensch schauspielern kann wird so für Hassenreuter zum roten Tuch. Pastor Spitta, Erichs Vater, betritt den Raum und schildert Hassenreuter seine Bedenken bezüglich seines Sohnes, da dieser ja anstatt Pfarrer Schauspieler werden möchte. Er fordert von Hassenreuter, dieses Vorhaben nicht zu unterstützen. Pastor Spitta zeigt dem Direktor entsetzt ein Foto, das er in Erichs Zimmer gefunden hat. Da auf dem Foto Walburga zu sehen ist, fliegt deren Liebschaft auf. Pastor Spitta und Hassenreuter geraten darauf in einen Streit, worauf der erstere die Wohnung verlässt. Direktor Hassenreuter konfrontiert Walburga und Erich Spitta mit seiner neuen Erkenntnis, worauf seine Tochter mit dem Wissen um seine eigene Affäre kontert.

Piperkarcka und Frau Kielbacke betreten den Raum mit einem Säugling im Arm und teilen Hassenreuter mit, dass Piperkarckas Kind bei Frau John in Pflege gegeben wurde. Sie verlangen nach Frau John, da der Beamte vom Standesamt da war, um das Kind zu begutachten und dieses für verwahrlost hielt. Frau Piperkarcka, die sich deshalb bei Frau John beschweren will, berichtet von dem „Kindeshandel“, Hassenreuter hält das alles aber für eine Verwechslung. In Wirklichkeit hat Frau John aber bewusst Piperkarckas Kind durch das äußerst kranke Kind der Frau Knobbe ausgetauscht. Schutzmann Schierke sowie Frau Knobbe kommen hinzu und eine heftige Diskussion entbrennt. Währenddessen bemerkt die junge Walburga, dass das Kind bereits gestorben ist. Schierke, Frau Kielbacke, Frau Knobbe und Frau Piperkarcka gehen ab.

Vierter Akt

Herr John und Quaquaro befinden sich in der Wohnung der Johns. Herr John, der gerade erst von seiner Arbeit in Hamburg wiedergekommen ist, erzählt seinem Gast, dass Frau John mit dem Kind bei ihrer Schwester sei. Quaquaro klärt den unwissenden Herrn John darüber auf, dass Frau Knobbes Kind gestorben ist. Weiter berichtet Quaquaro, dass Bruno, Frau Johns Bruder, mit der Piperkarcka gesehen wurde, diese nun aber verschwunden sei und von der Polizei gesucht werde. Spitta kommt herein und berichtet, dass seit einem gestrigen Streit zwischen ihm und seinem Vater die Kluft zwischen den beiden noch größer geworden sei. Walburga tritt auf und ist mit Spitta alleine im Zimmer. Sie erzählt ihm, dass aufgrund ihrer Liebschaft innerhalb ihrer Familie ebenfalls ein heftiger Streit entbrannt sei. Spitta, der durch die Scheinheiligkeit der Kirche enttäuscht wurde, ist nun fest entschlossen, ebenso wie Walburga, durchzubrennen.

Eine stark verwirrte Frau John mit Kind tritt ein und murmelt vor sich hin. Spitta und Walburga verlassen darauf den Raum. Herr John betritt die Wohnung und Frau John erwacht aus ihrem tranceartigen Zustand. Dennoch findet zwischen den beiden keine klare Unterhaltung statt, da Frau John sehr ängstlich und durcheinander ist. Die beiden unterhalten sich über die frühen Jahre ihrer Beziehung und ein mögliches Auswandern in die USA. Insgesamt bleibt die Konversation aber sehr bruchstückhaft. Bruno kommt herein. Herr John, der Bruno nicht ausstehen kann, bedroht ihn mit einem Revolver. Frau John beschwichtigt die beiden und ihr Mann verlässt darauf den Raum.

Bruno, der von Frau John beauftragt wurde, die Piperkarcka einzuschüchtern, sodass sie nicht mehr nach ihrem Kind fragt, erzählt nur zögernd, wie der gestrige Abend ablief. Die Piperkarcka, die von Bruno mit einem Messer bedroht wurde, wehrte sich, sodass Bruno sie im Affekt tötete. Frau John gibt ihrem Bruder Geld, damit er aus Deutschland und vor der Polizei flüchten kann. Die Verabschiedung (die beiden werden sich viele Jahre nicht sehen) fällt sehr verhalten aus. Bruno schenkt seiner Schwester ein Hufeisen. Frau John bereut am Ende des Aktes die Ermordung der Piperkarcka.

Fünfter Akt

Der fünfte Akt spielt ebenfalls in der Wohnung der Johns. Das Mietshaus wurde von Polizisten abgesperrt, die niemanden mehr hinaus lassen. Walburga und Spitta betreten den Raum, während Frau John auf dem Sofa schläft. Frau Hassenreuter tritt ein. Sie ist streng gegenüber Walburga, aber dennoch sehr froh, die beiden unversehrt anzutreffen. Frau John, die bereits vorher im Schlaf geredet hat, wacht auf, ist aber weiterhin stark verwirrt und ruft nach Bruno. Als sie wieder zu sich kommt, hat sie Angst, dass die Beistehenden etwas von ihrer oder Brunos Tat mitbekommen hätten.

Direktor Hassenreuter betritt die Wohnung. Er ist gegenüber Walburga und Spitta milde gestimmt, da seine Frau ihn zu beschwichtigen wusste und er eine Benachrichtigung bekommen hat, dass er Theaterdirektor in Straßburg werde. Allerdings steht in den Zeitungen, dass es einen Kindsfund auf dem Dachboden des Direktors gegeben habe, was diesen natürlich in ein schlechtes Licht rückt. Herr John kommt und sagt, dass seiner Vermutung nach die Polizisten wegen Brunos das Haus umstellen. Er ist davon überzeugt, dass Bruno die Piperkarcka umgebracht hat und weiß, dass Frau John nicht bei ihrer Schwester war. Seine Frau verneint das wider besseres Wissen.

Die beiden geraten in einen heftigen Streit. Herr Hassenreuter versucht diesen zu moderieren. Der Streit artet jedoch aus, sodass Frau John schließlich ihrem Mann eröffnet, dass das Kind nicht von ihm stammt. Herr John ruft nach Selma Knobbe, da er mit ihr zusammen das Kind von Frau John trennen möchte. Selma erscheint daraufhin im Raum. Sie sagt, dass sie das Kind der Piperkarcka vom Dachboden zu Frau John getragen habe. Sie verplappert sich dabei und deutet an, dass es eine Verabredung zwischen ihr und Frau John bezüglich des Kindes gegeben habe. Frau John gesteht darauf ihrem Mann, dass sie gar kein eigenes Kind habe. Die beiden trennen sich darauf im Streit. Als Quaquaro und Schutzmann Schierke hereinkommen, reißt Frau John das Kind an sich und droht es und sich selbst umzubringen. Hassenreuter und Spitta entreißen ihr das Kind, worauf Frau John aus der Wohnung flieht. Selma, der Schutzmann und Herr John, der sich nun Sorgen um seine Frau macht, eilen ihr hinterher. Kurz darauf stürmt Selma Knobbe herein und berichtet, dass Frau John Selbstmord begangen habe.

Hintergrund

Am 13. Februar 1907 erschien in der Morgenausgabe des Berliner Lokal-Anzeigers ein Artikel über „zwei Fälle von Kindesunterschiebung“. Im zweiten Fall ging es um eine Elisabeth M., die seit 1903 verheiratet war, deren Ehe jedoch kinderlos geblieben sei. M. täuschte ihrem Mann monatelang eine Schwangerschaft vor, bis sie das Kind eines Dienstmädchens als ihr eigenes ausgab. Dieses Kind hatte allerdings bereits von einem Lehrer einen Vormund erhalten, der beim Ehepaar M. eintraf. Um das Kind behalten zu können, entführte M. ein gleichaltriges Kind, um dieses dem Lehrer unterzuschieben. Die Entführung sprach sich schnell herum und sorgte für eine große Menschenmasse vor dem Haus des Opfers. Der Fall konnte am selben Tag von der Polizei geklärt werden und M. wurde schlussendlich zu einer Woche Gefängnis verurteilt. In Hauptmanns Tagebuch findet sich am 13. Februar 1907 ein Eintrag, der Bezug auf diesen Fall nimmt.

Wichtige Inszenierungen

Verfilmungen

Hörspiele

Literatur

  • Werner Bellmann: „Rinnsteinsprache. Anmerkungen zu Hauptmanns ‚Die Ratten‘.“ In: Wirkendes Wort 37, 1987, S. 265–268
  • Werner Bellmann: Gerhart Hauptmann. „Die Ratten“. Erläuterungen und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1990, durchgesehene und ergänzte Ausgabe 2008, ISBN 3-15-008187-4
  • Friedhelm Marx: „Schiller ganz anders. Gerhart Hauptmanns Spiel mit der Weimarer Klassik in der Tragikomödie ‚Die Ratten‘“. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 115, 1996, S. 122–136
  • Michael Schaudig: Literatur im Medienwechsel. Gerhart Hauptmanns Tragikomödie „Die Ratten“ und ihre Adaptionen für Kino, Hörfunk und Fernsehen. München 1992
  • Gérard Schneilin: „Zur Entwicklung des Tragikomischen in der Berliner Dramaturgie: Gerhart Hauptmanns ‚Ratten‘ und Sternheims ‚Bürger Schippel‘“. In: Revue d'Allemagne 14, 1982, S. 297–312
  • Peter Sprengel: „Gerhart Hauptmann: ‚Die Ratten‘. Vom Gegensatz der Welten in einer Mietskaserne“. In: Dramen des Naturalismus. Interpretationen. Stuttgart 1988, ISBN 3-15-008412-1, S. 243–282
  • Brigitte Stuhlmacher: „Vom Teil zum Ganzen. Gerhart Hauptmanns ‚Ratten‘“. In: Zeitschrift für Germanistik 4, 1983, S. 5–24
  • Rudolf Ziesche: „Mutter John und ihre Kinder. Zur Vor- und Textgeschichte der ‚Ratten‘“. In: Peter Sprengel, Philip Mellen (Hrsg.): Hauptmann-Forschung. Neue Beiträge. Frankfurt am Main 1986, S. 225–248.
  • Rüdiger Bernhardt: Gerhart Hauptmann: Die Ratten. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 284). Hollfeld 2010, ISBN 978-3-8044-1862-2

Weblinks

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