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Hedonismus

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Hedonismus (von altgriechisch ἡδονή, hēdonḗ, „Freude, Vergnügen, Lust, Genuss, sinnliche Begierde“;[1] Wortbildung mit dem Suffix -ismus) bezeichnet zumeist eine philosophische bzw. ethische Strömung, deren Grundthese lautet, dass einzig Lust bzw. Freude und die Vermeidung von Schmerz bzw. Leid intrinsisch oder allgemein wertvoll sei(en). Im Gegensatz zu dem philosophischen Verständnis wird im alltagssprachlichen Gebrauch mit dem Begriff Hedonismus häufig eine nur an momentanen Genüssen orientierte egoistische Lebenseinstellung bezeichnet. In diesem Sinne wird der Begriff Hedonismus oft abwertend gebraucht und als Zeichen der Dekadenz interpretiert. Unter der Bezeichnung „psychologischer Hedonismus“ wird tatsächlich verstanden, dass der Mensch im Allgemeinen einzig nach Lust bzw. Freude strebt.

Philosophischer Hedonismus

Antike

Aristippos von Kyrene, der von 435 v. Chr. bis ca. 355 v. Chr. lebte und ein Zeitgenosse des Sokrates und Begründer der kyrenaischen Schule war, gilt als Begründer des Hedonismus. Aristippos unterscheidet drei Zustände der menschlichen Seele, die allesamt unter der Allegorie von Meeresbewegungen verstanden werden können: der Schmerz ist der Sturm der Seele, die Lust sanfte Wellenbewegung und dazwischen liegt die vollkommene Seelenruhe, die Ataraxie. Die Lust wird hier ausdrücklich als „Übergangslust“ verstanden, nämlich als ein Übergangszustand von einem widernatürlichen Zustand in einen natürlichen Zustand. Dabei gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen verschiedenen Lüsten. Das heißt, dass jede Lust unabhängig von ihrer Natur die gleiche Qualität hat. Insofern die Lust dem natürlichen Zustand des Menschen entspricht, ist der Weg zum Glück nach Aristippos, die Lust zu maximieren, dem Schmerz aber auszuweichen. Er behauptet gar, die körperliche Lust sei der eigentliche Sinn des Lebens. Allerdings geht es den Kyrenaikern weniger um einen Entwurf gelingenden Lebens (eudaimonia), sondern eher um ein Konzept des gelingenden, da ganz von Lust bestimmten Augenblicks und – nur über diesen vermittelt – um die quantitative und resultative Beurteilung eines gelungenen Lebens von seinem Ende her.[2]

Andere wichtige klassische Vertreter des philosophischen Hedonismus waren Theodoros und Hegesias.

Epikur schließt an die Begrifflichkeit des Aristipp an und beschreibt die Lust als Prinzip gelingenden Lebens. Der entscheidende Schritt, der Epikur von den vorhergehenden Hedonisten unterscheidet, ist, dass er auch die Ataraxie als Lust, nämlich als höchste Lust ansieht. Insofern Lust Schmerzfreiheit bedeutet, ist Ataraxie – der Zustand völliger Freiheit von Schmerzen/Beunruhigung – als die höchste Lust anzusehen. Er unterscheidet folglich zwischen der Übergangslust (dynamische Lust) und der Zustandslust (katastematische Lust). Das wache Dasein selbst, insofern es frei von Schmerz ist, kann demnach als höchst lustvoll erfahren werden. Gegenüber dieser höchsten Lust bedeuten andere Vergnügungen nur eine Variation, welche sowohl quantitativ wie auch qualitativ nichts an dieser Lust ändern und bestenfalls auch keine Schmerzen nach sich ziehen. Insofern unterscheidet Epikur auch zwischen „vernünftigen“ und „unvernünftigen“ Begierden. Die Erfüllung „unvernünftiger“ Begierden führt zwar kurzfristig zu einem Lustzuwachs im Sinne von dynamischer Lust, zieht aber auf lange Sicht Schmerzen nach sich. Zu dieser Kategorie gehören jegliche Schlemmereien und orgiastisches Verhalten in jeglicher Hinsicht. Zu einer Aufrechterhaltung der katastematischen Lust führt bei Epikur eine fast asketische, tugendhafte Lebensweise. Es ist für Epikur nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne dass man klug, schön und gerecht lebt. Gegenüber den „unvernünftigen“ Begierden stehen „vernünftige“ Begierden – Begierden, die unserer Natur entsprechen, dementsprechend keinen Schaden nach sich ziehen und leicht zu erreichen sind. Ein Mensch mit einem gemäßigten Verlangen, welches nur auf das Notwendigste gerichtet ist, wird dauerhaft die höchste Lust erfahren.

Die „unvernünftigen“ Begierden entstehen aus den Fehleinschätzungen des Verstandes über das Natürliche und Notwendige. Sie entspringen irrationalen Vorstellungen und Ängsten – wie z. B. der Angst vor dem Tode. Dementsprechend sieht Epikur die Hauptaufgabe der Philosophie darin, den Menschen über ebendiese irrationalen Vorstellungen und Ängste aufzuklären, um ihn eben von irrationalen Bedürfnissen zu befreien. Seine Naturphilosophie ist darauf ausgerichtet, das Natürliche und Notwendige des Menschseins ans Licht zu bringen und damit jeglichen irrationalen Ängsten zu begegnen, sie zu revidieren und dem Menschen somit eine dauerhafte höchste Lust zu ermöglichen.

Moderne

Im Gegensatz zur Antike, in der Betrachtungen der Moral immer einhergehen mit Betrachtungen des guten Lebens, vollzieht sich in der Moderne eine Trennung dieser Bereiche. Hedonismus fungiert nunmehr als reine Theorie des individuell Guten (d. h. ein lustvolles bzw. freudvolles Leben ist ein gutes bzw. gelungenes Leben) oder als Werttheorie (d. h. einzig Lust/Freude ist intrinsisch wertvoll). Der Hedonismus als Theorie des guten Lebens trifft zunächst nur eine Aussage darüber, was ein gutes Leben ist. Welche Bedeutung einer Theorie des guten Lebens im Rahmen angemessener Handlungsentscheidungen zukommen soll, wird damit (noch) nicht entschieden. Bestimmte Moralkonzeptionen, die häufig mit dem Hedonismus in Verbindung gebracht werden (d. s. ethischer Egoismus, Amoralismus und hedonistischer Utilitarismus), sollten daher vom Hedonismus differenziert werden. Zumindest der Hedonismus als Theorie des guten Lebens legt keine bestimmte Moraltheorie nahe und kann ebenso mit deontologischen Moralkonzeptionen verknüpft werden.

In der französischen Aufklärung erhielt der Hedonismus eine Aktualisierung durch das Buch L'art de jouir von Julien Offray de La Mettrie. Auch sein Schüler Donatien Alphonse François de Sade vertrat eine hedonistische Theorie des individuell Guten, die er mit dem Amoralismus verknüpfte.

Jedoch erst mit Jeremy Bentham und seiner Moralkonzeption des hedonistischen Utilitarismus gewann der Hedonismus wieder an Popularität. Bentham vertritt einen quantitativen Hedonismus, auf den er den Utilitarismus aufbaut. Quantitativer Hedonismus bedeutet, dass ein Leben umso besser verläuft, je mehr Lust/Freude (Engl.: pleasure – im Folgenden übersetzt als „Freude“) erlebt wird, wobei dieses „mehr“ an Freude aus der Dauer der erwarteten Freude und ihrer Intensität zu berechnen ist. Zur Handlungsentscheidung sollten jedoch weitere Umstände Beachtung finden: wie gesichert es ist, dass die Freude erreicht werden kann (certainty), die zeitliche Entfernung zur erwarteten Freude (propinquity/remoteness), die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Freude folgt und die Wahrscheinlichkeit (fecundity), dass Schmerzen oder Leid nach der Freude zu erwarten sind (purity). Diese Berechnung wird häufig als hedonistisches Kalkül bezeichnet. Der entscheidende Schritt zum Utilitarismus (und damit zu einem vollständigen Kriterium zur Handlungsentscheidung) ist schließlich, dieses hedonistische Kalkül interpersonell anzuwenden und den Gesamtnutzen aller von der Handlung Betroffenen zu maximieren. Zur Begründung des individualethischen Hedonismus (Freude ist das einzige individuell Gute), als auch des von Henry Sidgwick so genannten universellen Hedonismus (d. i. der hedonistische Utilitarismus), führt Bentham den so genannten psychologischen Hedonismus an:

„Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft zweier souveräner Gebieter – Leid und Freude – gestellt. Es ist an ihnen aufzuzeigen, was wir tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun werden. Sowohl der Maßstab für Richtig und Falsch als auch die Kette der Ursachen und Wirkungen sind an ihrem Thron festgemacht.“

Jeremy Bentham: in Höffe 1992, S. 55

Den psychologischen Hedonismus als Begründung für den ethischen anzuführen, wurde stark kritisiert (vor allem wurde dies jedoch John Stuart Mill vorgeworfen, der auch den psychologischen und ethischen Hedonismus vertreten hat), da hier Humes Gesetz nicht beachtet werde, also unzulässig vom Sein auf das Sollen geschlossen werde. Es lässt sich jedoch argumentieren, dass die Herleitung nicht als schlüssiges Argument zu verstehen ist, sondern lediglich das Sein als starker Anhaltspunkt für das Sollen betrachtet wird.

Zeitgenössische Vertreter hedonistischer Positionen sind beispielsweise Michel Onfray, Torbjörn Tännsjö, Fred Feldman und Bernulf Kanitscheider. Das internationale Netzwerk Hedonistische Internationale tritt häufig mit linkspolitischem Hintergrund in Aktion, um die Freude am aktionsorientierten Protest zu betonen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. G. Freytag Verlag/Hölder-Pichler-Tempsky, München/Wien 1965.
  2. Hartmut Westermann, Augenblick, Dauer und Ewigkeit der Lust. Zum Verhältnis von hêdonê und eudaimonia in der kyrenaischen und in der epikureischen Philosophie. In: Dominic Kaegi (Hg.): Philosophie der Lust. orell füssli, Zürich 2009, S. 27–49, hier S. 32.

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Hedonismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Hedonismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.