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Jüdische Gemeinde Brilon

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Die Jüdische Gemeinde war ein Element der konfessionellen Struktur der Stadt Brilon, im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen).

Geschichte

Menora

Erstmals urkundlich erwähnt wurde ein jüdischer Briloner Einwohner 1297, als ein Johannes dictus Judäus medicus (ein Arzt genannt Jude Johannes).

Eine jüdische Gemeinde existierte seit dem 17. Jahrhundert, die Mitglieder waren aus Süd- und Westdeutschland zugezogen. Aufgrund landesherrlicher Privilegien konnten sie als sogenannte Schutzjuden in Brilon leben. Trotz Widerstandes der Einwohner bildeten sich kleine Siedlungen, die aus vergeleiteten Juden, solche die Geleite (Aufenthaltsgenehmigungen), vom Landesherren bekommen hatten, bestanden. Der Landkreis Brilon gehörte zum Herzogtum Westfalen; seit der Verabschiedung der kurkölnischen Judenordnung am 28. Juni 1700 konnte nur ein Geleit für eine Stadt bekommen, wer mindestens 1000 Reichstaler besaß. Für ein Geleit auf dem Land wurde ein Nachweis von 600 Taler verlangt. Das Ausstellen des Geleitbriefes durch die kurfürstliche Behörde kostete 20 Taler.

Jüdisches Leben im 18. Jahrhundert

Tora

Die Juden im Herzogtum Westfalen bildeten im 18. Jahrhundert eine Körperschaft unter der Oberaufsicht der Regierung. An ihrer Spitze stand ein besoldeter Vorsteher, der mit drei Helfern die jüdischen Gemeindeangelegenheiten verwaltete. Konkrete Angaben über das Leben der jüdischen Familien in dieser Zeit fehlen, vereinzelt sind antijüdische Vorfälle überliefert. Die Stadt Brilon strengte 1712 einen Prozess an, weil eine Christenmagd ein Judenkind mit ihrer christlichen Milch gestillt habe. Der katholische Pfarrer Bernhard Wiemann versuchte um 1720, ohne Erfolg, einen Juden zu bekehren. Doch hat er Widerstand gefunden bei den eigenen Mitgliedern seiner Gemeinde. Im Jahr 1783 kam es zweimal zu Ausschreitungen gegen Juden. Der Birnbaum eines Juden wurde zu Brennholz für das Gymnasium zerhackt und die Schüler des Gymnasiums zerschlugen gegen eine Belohnung von den Briloner Kaufleuten, die Buden von Arnsberger Juden auf dem Briloner Markt und verprügelten die Arnsberger anschließend.

Jüdisches Leben im 19. Jahrhundert

Mahnmal zur Judenverfolgung am Standort der Synagoge. Es wurden 103 Mitbürger ermordet.

Es gibt mehrere Dokumente über das Leben jüdischer Familien in Brilon und auch über die alltägliche Feindschaft, die ihnen entgegenschlug. Die Juden führten in Bezug auf Kultur und Religion ein weitgehend abgeschottetes Leben in der Synagogengemeinschaft. Die Gemeinde wurde von einem gewählten Vorstand vertreten, die Frauen hatten kein Wahlrecht. Der Vorstand kümmerte sich um die jüdischen Privatschulen und pflegte die religiösen Sitten und Gebräuche. Angestellte Kultusbeamte der Gemeinde waren der Synagogendiender, ein Vorsinger und der Lehrer. Der Briloner Jude Joseph Abraham Friedländer wurde 1832 im Alter von 80 Jahren als Oberrabbiner der Landjudenschaft des Herzogtums Westfalen eingesetzt.

Während der Zeit Napoleons und auch 1815 bei der Gründung der Provinz Westfalen gab es für die Juden des ehemaligen Herzogtums Westfalen keine Verbesserung. Sie waren weiterhin Schutzverwandte. Auch die revidierte Städteordnung von 1837 brachte keine Verbesserung. Im Gegenteil wurde immer wieder versucht, die Rechtsstellung der Juden noch weiter zu verschlechtern. So wurde zum Beispiel den Juden im Regierungsbezirk Arnsberg der Verkauf von Branntwein verboten, obwohl dies an anderen Orten noch erlaubt war. Um die wirtschaftliche Konkurrenz zu reduzieren, bemühten sich die Briloner immer wieder, die Anzahl der jüdischen Familien am Ort zu begrenzen. Der Magistrat wies 1840 auf die städtischen Statuten hien, nach denen im Gefolge der Judenordnung von 1700 der Kurfürst höchstens zehn Judengeleite zugewiesen habe. Der Antrag des Magistrats an das preußische Innenministerium, eine Zuzugsbegrenzung zu erlauben, wurde allerdings abgelehnt. Eine große Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt Brilon spielte der Briloner Schützenverein. Die Statuten der Vereins schlossen die Aufnahme von Juden aus, so das die jüdischen Mitbürger auch bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben benachteiligt wurden. Das Gesetz vom 23. Juni 1847 wurde als Verbesserung angesehen. Die jüdischen Gemeinden erhielten eine niedrigere Rechtsstellung als die christlichen, sie wurden aber immerhin von der Regierung als öffentlich rechtliche Körperschaften anerkannt. Als weiterer Fortschritt wurden die Freizügigkeit im Inland und das passive Wahlrecht für die kommunalen Magistrate empfunden. Überwiegend waren die Juden im Konfektionshandel, im Lebensmittelbereich und als Fleischer aktiv. Handwerksberufe wurden von ihnen nicht ausgeübt. Seit Jahrhunderten wurden die Juden als nichtchristliche Konkurrenz von den Christen von Handwerk und Landwirtschaft ausgeschlossen. Ein zeitgenössischer Bericht sagt: Die Juden pflegten jeden Handelszweig, soweit er gewinnbringend war. ... Im geschäftlichen Leben der Stadt spielten sie immerhin eine Rolle, und zwar durch ihr Geld. ... Ein Handwerk übte kein Jude aus, sie waren insgesamt Handels- und Geschäftsleute. ... Auch Ackerwirtschaft war nicht ihre Sache. Für die meisten Christen blieb die jüdische Kultur unverständlich. Über zwei antisemitische Vorfälle wurde vom Sauerländer Anzeiger berichtet. 1877 fand eine Störung des jüdischen Gottesdienstes statt, und 1884 wurden auf dem jüdischen Friedhof fünf Leichensteine zum Teil gänzlich zerstört oder umgeworfen. Um ihren bisher erworbenen bürgerlichen Status zu erhalten und um sich gegen den Antisemitismus zu wehren, gründeten die Briloner Juden einen Verein, der dem Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens angehörte. Das Wochenblatt für den Kreis Brilon wurde seit 1842 von der jüdischen Familie Friedländer herausgegeben und 1851 durch den Sauerländischen Anzeiger abgeöst. Der war in der Zeit die einzige Zeitung am Ort, auch er wurde von Friedländer herausgegeben. Die Auflage betrug 1851 180 Exemplare. Das Erscheinen wurde 1904 eingestellt, der Konkurrenzdruck durch den Centrums-nahen Briloner Anzeiger, der 1893 gegründet wurde, war zu groß geworden.

Jüdisches Leben im 20. Jahrhundert

Synagoge von 1910 bis 1929
Die in der Pogromnacht verbrannte Synagoge

Ende 1927 wurde durch die Parteimitglieder Wagner und Nierfeld eine Ortsgruppe der NSDAP in Brilon gegründet, die 1928 zehn Mitglieder hatte. Bei der Reichstagswahl 1930 kam die NSDAP in Brilon auf 7,3 %, 1932 auf 12,4 %, 1933 auf 24,3 % und 1938 auf 99,5 %. Die NSDAP prägte inzwischen das politische Klima und übernahm die Meinungsführerschaft. Verstärkt traten Männer in SA-Uniformen in Erscheinung und besetzten auch in Uniform die Zuschauerplätze bei den Stadtverordnetensitzungen. Etliche NS-Organisationen gründeten Ortsgruppen in Brilon, nach einem Propagandamarsch durch die Stadt wurde im Mai 1933 eine SS-Ortsgruppe gegründet.

Unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler wurde verstärkt antijüdische Hetze verbreitet. Am 28. Februar 1933 wurde die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat erlasseń und so die Grundrechte der Weimarer Verfassung aufgehoben. Im März 1933 erging ein Aufruf der Parteileitung an alle NSDAP-Untergliederungen, sofort Aktionskomitees zur praktischen, planmäßigen Durchführung des Boykotts jüdischer Geschäfte, jüdischer Waren, jüdischer Rechtsanwälte und jüdischer Ärzte zu gründen. Der Bevölkerung sollte klar gemacht werden: Kein Deutscher kauft mehr bei Juden. Auf dem Briloner Marktplatz wurden Boykottschilder aufgestellt und verblieben dort. Dr. Hans Rothschild, ein Briloner Jude, fotografierte eines dieser Schilder und wurde daraufhin verhaftet. Am 28. März 1933 wurden durch Angehörige der NSDAP die jüdischen Geschäfte für einen Tag geschlossen. Der Propagandawart für den Kreis Brilon erließ im August 1933 eine letzte Mahnung, nicht mehr in jüdischen Geschäften einzukaufen. Pensionsbesitzer werden darauf hingewiesen, keine jüdischen Kurgäste mehr zu beherbergen. Wir weisen die Besitzer darauf hin, das es ihre eigene Schuld ist, wenn nationalsozialistische Männer die Häuser und Veranden meiden, wo sich jüdische Frauen und Männer breit machen. Außerdem wurden Besitzer von Gaststätten, Bädern usw. mit Boykott bedroht, falls sie Juden den Zutritt gestatteten. Im September 1933 wurde in der Sauerländer Zeitung berichtet, es gebe nun ein Schild des deutschen Geschäftes, das nur an Inhaber ausgegeben wird, die Mitglied in einer nationalsozialistischen Vereinigung seien. Alle Parteimitglieder sollen nur noch in solchen Geschäften kaufen. Den jüdischen Fell-, und Häute- und Viehhändlern wurde 1937 in Brilon das Gewerbe untersagt. Im April 1938 erfolgte die Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens. Die Lebensmöglichkeiten wurden damit noch weiter eingeschränkt und die spätere Enteignung wurde vorbereitet. In der Reichspogromnacht ging die Briloner Synagoge in Flammen auf. Nach der Pogromnacht wurden 15 jüdische Männer in Brilon verhaftet, 11 davon wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, die anderen vier wurden nach einiger Zeit aus der Haft entlassen. Um ihre Flucht in das Ausland zu finanzieren, verkauften etliche Juden ihre Häuser und Geschäfte. Die Preise durften den Einheitswert nicht überschreiten, sonst wurde der Verkauf nicht genehmigt. Der Regierungspräsident wies den Landrat in Brilon an, bei der Preisbildung und Preisüberwachung des Verkaufs von jüdischem Grundbesitz im engsten Einvernehmen mit den örtlichen Parteidienststellen zu handeln. Für den Fall eines erheblichen Unterschiedes zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert eines Betriebes für einen neuen arischen Besitzer war eine Ausgleichsabgabe an das Deutsche Reich vorgesehen. Dort war vorgeschrieben, dass Entjudungsgewinne im allgemeinen mit 70 % des Mehrwertes (Unterschied zwischen Kaufpreis und Verkehrswert) angesetzt werden. Nur in den seltensten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die jüdischen Verkäufer einen angemessenen Kaufpreis erhielten. Auch beim Verkauf des Grundstücks, auf dem die Synagoge gestanden hatte, an die Stadt Brilon wurde in einem Schreiben vermerkt: Der Kaufpreis wurde damals nicht gezahlt. Insgesamt wurden in Brilon nach der Einführung der Genehmigungspflicht 36 Grundstücksverkäufe getätigt. Ende 1938 wurden die jüdischen Kinder vom allgemeinen Schulbesuch ausgeschlossen. Im April 1939 wurde das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden erlassen. Aufgrund dieses Gesetzes mussten die Mieter ihre Wohnungen verlassen und wurden in Judenhäusern untergebracht; diese standen an der Königstraße und an der Mariengasse. Durch diese Ghettoisierung wurden die jüdischen Mitbürger noch besser kontrollierbar und von der restlichen Bevölkerung abgesondert. Diese Häuser wurden 1942 wieder geräumt, um Kriegerwitwen darin unterzubringen. Alle Juden wurden in einem Wohnhaus an der Friedrichstraße untergebracht. Nach dem Einspruch der arischen Hausbesitzerin wurde dann in ein anderes Haus an der Königstraße umquartiert. Elf jüdische Männer wurden in verschiedenen Briloner Betrieben zur Zwangsarbeit verpflichtet, die Arbeitszeit betrug bis zu zwölf Stunden; voller Lohn – vereinbart waren 120 RM pro Monat – wurde nicht immer gezahlt. Zwei Zwangsarbeiter verunglückten 1943 tödlich. Auch auswärtige Zwangsarbeiter waren in Brilon. Von 1944 bis März 1945 wurde im Bereich Pulvermühle ein Lager unterhalten, von dem aus die Zwangsarbeiter zum Holzeinschlag für Vergasertankholz für Militärfahrzeuge getrieben wurden. Anweisungen zur Deportation von Briloner Juden ergingen im März 1942. Die jüdische Kulturvereinigung Brilon wurde zur Mithilfe bei den Vorbereitungen zum Abtransport gezwungen. Es wurde auch genau geregelt, wie das Vermögen der Juden sicherzustellen war, ebenso was mit dem hinterlassenen Wohnraum zu geschehen hatte. Elf Briloner Juden wurden im April 1942 deportiert. Sie kamen alle nach Zomosc, Überlebende dieses Transportes sind nicht bekannt. Die nächste Deportation erfolgte im Juli 1942 und dann noch eine im März 1943, bei der 15 Personen in das Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurden. Die letzte Deportation aus Brilon war im Mai 1943, die fünf verbliebenen Briloner Juden wurden nach Theresienstadt geschickt.

Am 16. Juni 1933 lebten 75 jüdische Mitbürger in Brilon, am 8. Mai 1945 waren es 0. Insgesamt verloren während der Zeit des Naziterrors 103 jüdische Mitbürger das Leben.

Literatur

  • Sigrid Blömeke, Hans-Günther Bracht, Gisela Kemper, unter Mitarbeit von Wolfgang Arnolds: Juden in Brilon zur Zeit des Nationalsozialismus. Herausgeber: Demokratische Initiative Verein zur Förderung sozialer, kultureller und Politischer Bildung e. V. Brilon, ISBN 3-9801960-0-3.

Weblinks

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