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Jud Süß (1940)

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Filmdaten
OriginaltitelJud Süß
Jud Süß Logo 001.svg
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1940
Länge98 Minuten
Stab
RegieVeit Harlan
DrehbuchVeit Harlan und Eberhard Wolfgang Möller nach Ludwig Metzger
ProduktionOtto Lehmann
MusikWolfgang Zeller
KameraBruno Mondi
SchnittFriedrich Karl von Puttkamer,
Wolfgang Schleif
Besetzung

Jud Süß ist ein antisemitischer, nationalsozialistischer Spielfilm von Veit Harlan aus dem Jahr 1940. Das von der nationalsozialistischen Regierung in Auftrag gegebene und als Propagandafilm konzipierte Werk ist an die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer (1698–1738) angelehnt, entspricht jedoch nicht den überlieferten Quellen, die darauf hindeuten, dass Süß Oppenheimer lediglich ein Sündenbock war, der für die Verfehlungen des Herzogs büßen musste.

Handlung

Protagonist des Films ist Joseph Süß Oppenheimer, ein jüdischer Finanzbeamter, der wohl im Februar 1698 in Heidelberg geboren und am 4. Februar 1738 in Stuttgart hingerichtet wurde. Süß Oppenheimer wurde 1733 Geheimer Finanzrat unter Herzog Karl Alexander von Württemberg.

Oppenheimer, der im Film deutlich mephistophelische Züge trägt, erlangt durch Zuwendungen die Gunst des Herzogs und überredet diesen zu immer weiterer Untreue gegenüber seinem Volk zu Gunsten seines eigenen luxuriösen Hofstaates. Zur Rückzahlung der angehäuften Schulden erhält Oppenheimer zunächst das Recht, Straßenzoll zu erheben. Diesen führt er ohne Zustimmung der Stände ein. Die Opposition gegen den Herzog konzentriert sich deshalb auf Joseph Süß Oppenheimer, dem Verfassungsbruch und persönliche Bereicherung im Amt vorgeworfen werden. Oppenheimer treibt den Herzog zum Widerstand gegen die Stände an. Er rät ihm zur gewaltsamen Niederschlagung der drohenden Revolution.

Oppenheimer versucht immer wieder, sich Dorotheas, der Tochter des Landschaftskonsulenten Sturm, zu bemächtigen und bittet Sturm mehrmals um ihre Hand. Gleichzeitig bietet Oppenheimer ihm eine Stelle als Minister an. Als dieser sein Angebot ausschlägt und Dorothea stattdessen mit dem ebenfalls zu den Gegnern des Herzogs gehörenden Aktuarius Faber verheiratet, lässt Oppenheimer Sturm verhaften. Als Reaktion darauf und weil sie erfahren haben, dass der Herzog gegen die Stände vorgehen will, entscheiden sich die Stände für einen Aufstand. Als Faber, getarnt als Kurier des Herzogs, im Auftrag der Stände Order in die Umgebung bringen soll, wird auch er verhaftet und auf Oppenheimers Befehl hin gefoltert. Als Dorothea von der Verhaftung erfährt, bittet sie Oppenheimer um die Freilassung Fabers. Oppenheimer zwingt sie ins Bett und vergewaltigt sie. Sie ertränkt sich daraufhin im Fluss, parallel dazu wird Faber freigelassen. Er birgt ihren Leichnam. Der Aufstand beginnt, und die Stuttgarter Bürger zerstören im Zorn Oppenheimers Palais. Dieser hält sich inzwischen beim Herzog in Ludwigsburg auf. Dorthin ziehen auch die Aufständischen. In Ludwigsburg wollen sie Forderungen an den Herzog stellen. Als sie dies tun, stirbt der Herzog plötzlich. Oppenheimer wird verhaftet. Er wird wegen „Erpressung, Wuchers, Ämterhandels, Unzucht, Kuppelei und Hochverrats“ angeklagt und schuldig gesprochen. Sturm, der Mitglied des Gerichtes ist, entscheidet unter Verweis auf „das alte Reichskriminalgesetz“, dass Oppenheimer wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Christin gehängt werden soll.

Am Schluss des Films wird der jämmerlich um sein Leben bettelnde Oppenheimer gehängt. Propagandaminister Joseph Goebbels hatte auf dieser Version des Endes bestanden, um Oppenheimer elend und nicht heroisch darzustellen. In der ursprünglichen Fassung ergibt sich der Verurteilte - näher an der historischen Realität - stoisch und würdevoll in sein Schicksal und stößt einen grimmigen alttestamentlichen Fluch gegen seine Richter und die Bürger der Stadt aus. Die offizielle Version ist nur nachsynchronisiert, so dass man die Worte Oppenheimers noch von seinen Lippen ablesen kann.

Nach Oppenheimers Tod verkündet Sturm den Judenbann über ganz Württemberg.

Interpretation und Kritik

Der Film präsentiert den Hauptdarsteller „als galanten Verführer […], wogegen es die antisemitischen Vorurteilsmomente wie Geldgier, gemeine Hinterlist oder brutale Geilheit schwer haben, sich durchzusetzen“.[1]

Die Betonung eines Sexualverbots zwischen Juden und Nichtjuden nimmt überdeutlich Bezug auf die Wirklichkeit im Dritten Reich (insbesondere die Nürnberger Rassegesetze), die historisch begründet und gerechtfertigt werden sollte. Dabei wird die Figur des Juden als moralloser und sexuell verkommener Vergewaltiger inszeniert, der am Ende seine „gerechte“ Strafe erhält. Michael Töteberg schreibt dazu: „Jud Süß ist politische Pornographie. […] Der Film mobilisiert offen sexuelle Ängste und Aggressionen und instrumentalisiert sie für die antisemitische Hetze.“[2]

Filmlexika verzeichnen den Film als „faschistischen Tendenzfilm“ und „historischen Propagandafilm“.[3] Die Handlung des Films entspricht keineswegs der historischen Realität, sondern macht aus dem Opfer Süß Oppenheimer einen Täter. An „geschichtsverfälschenden, verleumderischen und volksverhetzenden Hinzufügungen sind vor allem hervorzuheben: das Vorgehen des Film-‚Jud Süß‘ gegen den Schmied Bogner […], die persönlich motivierte Verhaftung des Landschaftskonsulenten Sturm, die Vergewaltigung seiner Tochter Dorothea und deren Freitod sowie die Folterung ihres Verlobten Faber.“[4]

Friedrich Knilli und Siegfried Zielinski bewerten den Film wie folgt: „Kultursoziologisch haben wir es mit einer ausgewogenen Unterhaltungsware unter den spezifischen Bedingungen des deutschen Faschismus zu tun, bei der die verschiedenen Zutaten so gemixt sind, daß Millionen von Menschen freiwillig dafür an den Kinokassen bezahlen und nicht etwa nur die wenigen den Film rezipieren, die zu Zwangsvorführungen geladen wurden.“[5] Hierfür waren nicht zuletzt die herausragenden schauspielerischen Leistungen von Marian, Krauß und George verantwortlich, die ihr Können in den Dienst der antisemitischen Propaganda stellten.

Peter Reichel bezeichnet Jud Süß als „melodramatischen Propaganda-Film“.[6] Barbara Gerber kennzeichnet den Film als „Werk regimehöriger Geschichtsfälscher, die, nicht ohne technische Raffinesse, ein lukratives Geschäft mit der Rassenhetze betrieben.“[7] Der Schriftsteller Ralph Giordano nennt den Film „die niederträchtigste, gemeinste und raffinierteste Form von ‚künstlerischem‘ Antisemitismus.“[8]

Entstehung

Das Drehbuch wurde zunächst frei nach einer gleichnamigen Novelle von Wilhelm Hauff gestaltet und später mehrfach umgearbeitet. Es besteht keine Verbindung zu dem gleichnamigen Roman von Lion Feuchtwanger.

Nach Schilderungen vieler Beteiligter hatte Joseph Goebbels, der das Werk in Auftrag gegeben hatte und seine Produktion persönlich beaufsichtigte, Probleme bei der Realisierung des Filmes: So soll es Schwierigkeiten bei der Suche eines Regisseurs und der Besetzung von Rollen gegeben haben. Die Hauptrolle des jüdischen Finanzbeamten Süß lehnten nacheinander ab: Emil Jannings, Willi Forst, Gustaf Gründgens, René Deltgen und Paul Dahlke.

Der endgültige Hauptdarsteller Ferdinand Marian weigerte sich zunächst ebenfalls, wurde aber vor Goebbels zitiert, der ihm angeblich befahl, diese Rolle zu übernehmen. Diese Darstellung stützt sich auf eine Tagebucheintragung von Goebbels, in der es heißt: „Mit Marian über den Jud-Süßstoff gesprochen. Er will nicht recht heran, den Juden zu spielen. Aber ich bringe ihn mit einigem Nachhelfen doch dazu.“[9] Zu den Probeaufnahmen notierte sich Goebbels: „Probeaufnahmen Marian zum 'Jud Süß'. Ausgezeichnet.“[10]

Während der Dreharbeiten soll Marian teilweise versucht haben, die Absicht des Films zu „sabotieren“, indem er Oppenheimer einnehmend dargestellt habe. Stehapplaus für Marian bei vielen Aufführungen und zahlreiche Liebesbriefe an den Schauspieler belegen, dass Marian durch den Film trotz seiner Darstellung eines Juden bei der deutschen Bevölkerung noch beliebter wurde.

Aus den Tagebuchnotizen geht hervor, dass Joseph Goebbels und Veit Harlan reibungslos zusammenarbeiteten: „Mit Harlan und Müller den Jud-Süßfilm besprochen. Harlan, der die Regie führen soll, hat da eine Menge neuer Ideen. Er überarbeitet das Drehbuch nochmal.“[11] „… Besonders der Jud-Süßfilm ist nun von Harlan großartig umgearbeitet worden …“[12] Am Ende ist Goebbels mit dem Ergebnis der Zusammenarbeit rundum zufrieden: „Harlan Film ‚Jud-Süß‘. Ein ganz großer, genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können. Ich freue mich darüber.“[13]

Uraufführung und zeitgenössische Rezeption

Jud Süß wurde bei den Filmfestspielen in Venedig am 5. September 1940 uraufgeführt. Dazu gibt es einen von Goebbels verfassten vierseitigen Bericht über das Echo auf den Film:

„Auch bei Jud Süß ging das Publikum nach anfänglicher Zurückhaltung − zurückzuführen auf das Bemühen, die Problemstellung voll zu erfassen − in überraschend starker Weise mit.“

Goebbels – Bericht von der deutsch-italienischen Filmwoche in Venedig (1940)[14]

Goebbels berichtete allerdings aus zweiter Hand, da er am Tag der Premiere nicht in Venedig war.[15] Die italienischen Kritiken waren überschwänglich, so schrieb der damals 28-jährige Michelangelo Antonioni:

„Wir zögern nicht zu erklären: Wenn dies Propaganda ist, so begrüßen wir Propaganda. Dies ist ein überzeugender, prägnanter, außerordentlich wirkungsvoller Film. […] Es gibt nicht einen einzigen Augenblick, in dem das Tempo des Films nachlässt, auch nicht eine Episode, die sich nicht harmonisch in alle anderen einfügt. Es ist ein Film, der durch völlige Einheit und Ausgeglichenheit charakterisiert ist. […] Die Episode, in der Süss das junge Mädchen vergewaltigt, ist erstaunlich geschickt gemacht.“[16]

Dass, wie in Saul Friedländers Buch über den Holocaust erwähnt, der Film in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden sei, kann nicht zutreffen, da dieser erst ab 1949 verliehen wurde. Der Vorläufer, der Coppa Mussolini, ging 1940 in der Kategorie ausländischer Film an Der Postmeister von Gustav Ucicky.[16]

In Deutschland fand die Premiere am 24. September im Berliner Ufa-Palast am Zoo statt. Wie bei Nazi-Filmgroßprojekten dieser Art üblich, waren Joseph Goebbels und andere hohe NS-Vertreter anwesend. Goebbels war hoch zufrieden:

„Ein ganz großes Publikum mit fast dem gesamten Reichskabinett. Der Film hat einen stürmischen Erfolg. Man hört nur Worte der Begeisterung. Der Saal rast. So hatte ich es mir gewünscht.“[16]

„Der Führer ist sehr eingenommen vom Erfolg von ‚Jud Süß‘. Alle loben den Film über den grünen Klee, was er auch verdient.“[16]

Allein im Ufa-Palast am Zoo wurde der Film während der ersten vier Wochen von 111.677 Besuchern gesehen.[17] Bis 1943 sahen 20,3 Millionen Menschen den Film.[16]

Zu Sondervorstellungen kam es für die außerhalb der Reichsgrenzen stationierten Soldaten sowie auf ausdrücklichen Wunsch Heinrich Himmlers für die SS-Einheiten und Wachmannschaften.[18] Beim ersten Auschwitz-Prozess gab der SS-Rottenführer Stefan Baretzki an, dass jüdische Häftlinge unter dem Eindruck des Films misshandelt wurden.[19] Ob der Film das Verhalten der am Judenmord Beteiligten maßgeblich beeinflusst hat, ist jedoch wissenschaftlich nicht beweisbar.[20]

In den geheimen Meldungen aus dem Reich berichtete der Sicherheitsdienst (SD) über die Wirkung auf die Zuschauer:

„Nach übereinstimmenden Berichten aus dem ganzen Reich findet der Film ‚Jud Süß‘ eine anhaltend außerordentlich zustimmende Aufnahme. Das Urteil über einen Film sei selten so einheitlich gewesen wie bei dem Film ‚Jud Süß‘, der zwar in der realistischen Darstellung abscheuerregender Episoden ungewöhnlich weitgehe, dabei aber künstlerisch vollauf überzeugend gestaltet und von einer Spannung sei, die einen nicht mehr loslässt.‘ Wie sich der Film als Ganzes stimmungsmäßig auswirke, komme in den spontanen Äußerungen zum Ausdruck: ‚Man möchte sich die Hände waschen.‘ […] Im Anschluss gerade an diese Szene [i. e. Einzug der Juden in die Stadt Stuttgart] ist es wiederholt während der Vorführung des Filmes zu offenen Demonstrationen gegen das Judentum gekommen. So kam es z. B. in Berlin zu Ausrufen wie ‚Vertreibt die Juden vom Kurfürstendamm! Raus mit den letzten Juden aus Deutschland!‘…“[21]

Der Schriftsteller Ralph Giordano, nach nationalsozialistischem Sprachgebrauch ein „jüdischer Mischling“, schildert als Zeitzeuge die von ihm miterlebte Reaktion des Publikums und seinen eigenen Gefühlszustand nach einer Filmvorführung:

„An dieser Stelle ging ein Stöhnen der Wut und der Abscheu durch die Kinoreihen, eine offenbar ununterdrückbare Gefühlsäußerung, die von der starken Wirkung des Films zeugte. […] Als nach dem Abspann das Licht anging, herrschte denn auch große Stille – als wären die Zuschauer gelähmt. Die Luft war schwer, die mörderische Wirkung des Films überwältigend präsent. So präsent, dass ich glaubte, mich nicht erheben zu können, ohne erkannt zu werden.“[22]

Die Propagandawirkung des Films wurde durch einen nach dem Film geschriebenen Roman von J. R. George (d.i. Hans Hömberg) verstärkt, der 1941 im Buchverlag der UFA mit großformatigen Filmfotos herausgegeben und bis 1944 in weitere Sprachen übersetzt wurde.

Umgang mit dem Film nach dem Krieg

Die Alliierten hatten den Film auf eine Verbotsliste gesetzt; dieses Verbot war 1955 mit den Überleitungsverträgen hinfällig geworden und nur noch in West-Berlin bis zum Jahr 1990 gültig.[23] In Deutschland wird die öffentliche Aufführung von Jud Süß vom Rechteinhaber, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, nur mit einem begleitenden Kommentar sowie unter Auflagen gestattet und der Vertrieb des Films untersagt (Vorbehaltsfilm). In Österreich und der Schweiz hingegen ist der Film frei verfügbar. 1954 wurde er in der arabischen Propaganda gegen Israel eingesetzt.[24]

Der Regisseur Veit Harlan stand nach dem Krieg mehrfach vor Gericht. Er wurde unter anderem wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.[25] Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten konnte Harlan jedoch nicht nachgewiesen werden, so dass er freigesprochen wurde. Kritiker des Regisseurs versuchten danach, eine öffentlichkeitswirksame Tätigkeit Harlans in der Bundesrepublik Deutschland durch Boykottaufrufe zu verhindern. Sie wurden auf zivilrechtlichem Weg bekämpft. Erst vor dem Bundesverfassungsgericht (Lüth-Urteil) wurde ihr Handeln als von der Meinungsfreiheit gedeckt anerkannt.

Der während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland tätige Drehbuchautor und Regisseur Géza von Cziffra schilderte in seiner 1975 erschienenen Autobiografie Kauf dir einen bunten Luftballon, dass ursprünglich zwar der Produktionschef der Terra Film, Peter Paul Brauer, für die Regie von Jud Süß vorgesehen gewesen war. Doch habe Harlan unter anderem durch Interventionen im Propagandaministerium und bei Goebbels erfolgreich dafür gekämpft, den Film zu inszenieren.

Ferdinand Marian, der Darsteller des Jud Süß, erhielt Berufsverbot und kam 1946 bei einem Autounfall ums Leben.

Heinrich George wurde wegen seiner Mitwirkung an Jud Süß und anderen Propagandafilmen inhaftiert und starb 1946 entkräftet im sowjetischen Speziallager Nr. 7, dem von den Sowjets genutzten ehemaligen KZ Sachsenhausen.

Der Schauspieler Werner Krauß erhielt zunächst ebenfalls Berufsverbot und musste sich in den Jahren 1947/48 in Stuttgart einem langwierigen Entnazifizierungsverfahren unterziehen, das mehrfach neu aufgerollt wurde. Der zunächst ergangene Freispruch („nicht betroffen“) wurde auf Drängen der amerikanischen Militärregierung aufgehoben. Krauß wurde schließlich als minderbelastet und in einem sog. Nachverfahren als Mitläufer eingestuft. Während des Verfahrens hat sich die Stuttgarter Spruchkammer erstmals auch ausführlicher mit den propagandistischen Wirkungen des Films auseinandergesetzt.[26] Krauß wurde 1954 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes offenkundig wieder vollständig rehabilitiert.[27]

Kameramann Bruno Mondi und Schnittmeister Wolfgang Schleif hingegen wurden bereits 1946 bzw. 1947 von der DEFA übernommen.

Einen differenzierten Blick auf die Geschichte des Films warf 2001 das in der ARD ausgestrahlte dokumentarische Fernsehspiel Jud Süß – ein Film als Verbrechen? Darin wurde das Gerichtsverfahren gegen Veit Harlan nach Kriegsende dargestellt, in dem der Regisseur sich und auch seine Mitwirkenden als Opfer von Zwängen präsentiert hatte. Laut der in diesem Film von Axel Milberg in der Rolle des Harlan abgegebenen Schilderungen zur Entstehungsgeschichte von Jud Süß habe beispielsweise Hauptdarsteller Ferdinand Marian völlig verzweifelt darauf reagiert, dass er nach Wunsch von Joseph Goebbels die Rolle des Süß Oppenheimer zu spielen hatte. Auch Werner Krauß habe keineswegs mitspielen wollen, sondern versucht, abgelehnt zu werden, indem er forderte, er müsse, wenn er denn mitwirken solle, sämtliche jüdischen Nebenrollen in Jud Süß erhalten. Dies sei dann aber zu Krauß' Überraschung und Entsetzen tatsächlich so verfügt worden. Der Wahrheitsgehalt dieser Darstellungen wurde abschließend weder be- noch widerlegt.

Im Juli 2008 geriet der Film erneut in die Berichterstattung deutscher Medien, nachdem ungarische Rechtsradikale teilweise gegen Bezahlung den Film in Budapest gezeigt hatten, ohne eine Zustimmung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung einzuholen. Diese verwaltet die Rechte an dem Vorbehaltsfilm. Die deutsche Stiftung prüft gegenwärtig, juristische Schritte einzuleiten, und hat das Bundesaußenministerium um Hilfe gebeten. Die ungarische Partei Bund freier Demokraten stellte währenddessen eine Anzeige wegen Volksverhetzung, woraufhin es zu polizeilichen Durchsuchungen kam. Kathrin Lauer von der Süddeutschen Zeitung sieht in den Aufführungen von Jud Süß ein Indiz für die Popularität des Antisemitismus in Ungarn.[28][29]

Auf der Berlinale 2010 hatte der Film Jud Süß – Film ohne Gewissen des Regisseurs Oskar Roehler Premiere.[30] Es geht darin um die Entstehung des Films Jud Süß und insbesondere um das Schicksal von Ferdinand Marian, der von Goebbels in die Rolle des Jud Süß gedrängt wurde. Die Rolle von Marian übernahm Tobias Moretti, Moritz Bleibtreu spielte Joseph Goebbels. Der Film kam im September 2010 in die Kinos.

Andere antijüdische Filme

Im nationalsozialistischen Deutschland wurde ab 1939 eine erneute Welle antisemitischer Spielfilme produziert. Drei dieser Filme stellten jüdische Bankiers als skrupellose, macht- und geldgierige Personen dar. Neben Jud Süß waren dies die musikalische Komödie Robert und Bertram (1939) und der historische Film Die Rothschilds (1940). Ebenfalls bekannt, doch weniger für das zeitgenössische Durchschnittspublikum produziert ist der Kompilationsfilm Der ewige Jude (1940).

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Hauff: Othello. Jud Süß. Die Sängerin. Textredaktion und Anmerkungen von Sibylle von Steinsdorff. Winkler, München 1981, ISBN 3-538-06201-3
  • Stefan Mannes: Antisemitismus im nationalsozialistischen Propagandafilm. „Jud Süß“ und „Der ewige Jude“ (= Filmwissenschaft 5), Teiresias, Köln 1999, ISBN 3-9805860-3-0.
  • Kurt Fricke: Spiel am Abgrund. Heinrich George. Eine politische Biographie. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2000, ISBN 3-89812-021-X (Zugleich: Halle, Univ., Diss., 1999).
  • Friedrich Knilli: Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian. Henschel, Berlin 2000, ISBN 3-89487-340-X.
  • Rolf Giesen, Manfred Hobsch: Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches. Dokumente und Materialien zum NS-Film. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2005, ISBN 3-89602-471-X.
  • Anne von der Heiden: Der Jude als Medium. „Jud Süß“. Diaphanes Verlag, Zürich u. a. 2005, ISBN 3-935300-72-7 (Zugleich: Bochum, Univ., Diss., 2003).
  • Alexandra Przyrembel, Jörg Schönert (Hrsg.): „Jud Süss“. Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2006, ISBN 3-593-37987-2.
  • Ernst Seidl (Red.): „Jud Süss“ – Propagandafilm im NS-Staat. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-933726-24-7 (Ausstellungskatalog, Stuttgart, 14. Dezember 2007 bis 3. August 2008).
  • Francesca Falk: Grenzverwischer. „Jud Süss“ und „Das Dritte Geschlecht“. Verschränkte Diskurse von Ausgrenzung (= Schriften des Centrums für Jüdische Studien 13). Studienverlag, Innsbruck u. a. 2008, ISBN 978-3-7065-4512-9 (Zugleich: Basel, Univ., Diss., 2004).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Friedrich Knilli / Siegfried Zielinski: Der Jude als Sittenverbrecher. Kleine Mediengeschichte des Joseph Süß Oppenheimers, in: Tribüne 23. Jg. (1984) Heft 89, S. 108-118, S. 116
  2. Michael Töteberg (Hrsg.): Film-Klassiker. 120 Filme (Auswahl aus dem Metzler Film Lexikon), Metzler Verlag, Stuttgart/Weimar 2006, S. 73.
  3. Barbara Gerber: Jud Süß. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990, ISBN 3-7672-1112-2, S. 547.
  4. Barbara Gerber: Jud Süß. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990, ISBN 3-7672-1112-2, S. 548.
  5. Friedrich Knilli / Siegfried Zielinski: Der Jude als Sittenverbrecher. Kleine Mediengeschichte des Joseph Süß Oppenheimers, in: Tribüne 23 (1984), Heft 89, S. 108-118. S.117.
  6. Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. München 2001, ISBN 3-406-45956-0.
  7. Barbara Gerber: Jud Süß. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990, ISBN 3-7672-1112-2, S. 286.
  8. Ralph Giordano: Erinnerungen eines Davongekommenen. Köln 2007, ISBN 978-3-462-03772-2, S. 159.
  9. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil I, Band 4, München 1987, ISBN 3-598-21919-9 (Eintrag vom 5. Januar 1940).
  10. Die Tagebücher von Joseph Goebbels… Teil I, Band 4 (Eintrag vom 18. Januar 1940).
  11. Die Tagebücher von Joseph Goebbels… (Eintrag vom 5. Dez. 1939).
  12. Die Tagebücher von Joseph Goebbels… (Eintrag vom 15. Dezember 1939).
  13. Die Tagebücher von Joseph Goebbels… (Eintrag vom 18. September 1940).
  14. Anschreiben und Bericht von Goebbels zur Reaktion in Venedig (PDF, Bundesarchiv)
  15. „Das Verführerprinzip“ - Lars-Olav Beier in Spiegel Online vom 18. Februar 2010 über die Berlinale Präsentation des Films „Jud Süß - Film ohne Gewissen“
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 16,4 Saul Friedländer: Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939–1945. Beck, München 2006, S. 126
  17. Ralph Giordano: Erinnerungen eines Davongekommenen. Köln 2007, ISBN 3-462-03772-2, S. 277. Dietrich Kuhlbrodt beziffert die Zahl der Zuschauer mit 19 Millionen: „Jud Süß“ und der Fall Harlan/Lüth. Zur Entnazifizierung des NS-Films. In: Peter Reichel (Hrsg.): Das Gedächtnis der Stadt. Hamburg 1997, ISBN 3-930802-51-1, S. 105.
  18. Vgl. Barbara Gerber: Jud Süß. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990, ISBN 3-7672-1112-2, S. 286 und S. 549, Anm. 46. Eine entsprechende Anweisung Himmlers vom 30. September 1940 (Erlass vom 15. November 1940) ist abgedruckt bei Erwin Leiser: „Deutschland, erwache!“ Propaganda im Film des Dritten Reiches. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 80.
  19. Erwin Leiser: Deutschland, erwache!. S. 79.
  20. Vgl. Dorothea Hollstein: Jud Süß und die Deutschen. Antisemitische Vorurteile im nationalsozialistischen Spielfilm. Frankfurt a.M. 1983, S. 222 f.
  21. Heinz Boberach: Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939-1944. Dtv, München 1968, S.124 f. (Meldung vom 28. November 1940).
  22. Ralph Giordano: Erinnerungen eines Davongekommenen. Die Autobiographie. Köln 2007, ISBN 978-3-462-03772-2, S. 159.
  23. Vgl. Dietrich Kuhlbrodt: „Jud Süß“ und der Fall Harlan/Lüth. Zur Entnazifizierung des NS-Films. In: Peter Reichel (Hrsg.): Das Gedächtnis der Stadt. Hamburg 1997, ISBN 3-930802-51-1, S. 101.
  24. Barbara Gerber: Jud Süß. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung. Hamburg 1990, ISBN 3-7672-1112-2, S. 288.
  25. Peter Reichel, Harald Schmidt: Von der Katastrophe zum Stolperstein. München 2005, ISBN 3-937904-27-1, S. 33.
  26. Einzelheiten sind der Entnazifizierungsakte im Staatsarchiv Ludwigsburg (EL 902/20 Bü 99791) zu entnehmen; Teile der Akte liegen auch ediert vor: „Wenn man einen Schauspieler braucht, muss man ihn auch vom Galgen schneiden“: die Spruchkammerakte Werner Krauß. Ediert, eingeleitet und kommentiert von Gunther Nickel und Johanna Schrön. In: Zuckmayer Jahrbuch 6. (2003) S. 220-370; Gunther Nickel, Johanna Schrön: Nachtrag. Zur Edition der Spruchkammerakte Werner Krauß. In: Zuckmayer-Jahrbuch 7. (2004) S. 441–457.
  27. http://www.film-zeit.de/Person/17167/Werner-Krauss/Biographie/
  28. vgl. Nazi-Sympathisanten zeigen „Jud Süß“. bei spiegel.de, 21. Juli 2008 (aufgerufen am 24. Juli 2008)
  29. vgl. Kathrin Lauer: Johlen zu „Jud Süß“. bei sueddeutsche.de, 22. Juli 2008 (aufgerufen am 24. Juli 2008)
  30. „Jud Süß“ auf der Berlinale: Das Verführerprinzip. auf: spiegel online. 18. Februar 2010.

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