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Kochel am See
Wappen | Deutschlandkarte | |
---|---|---|
47.65472222222211.364722222222605 Koordinaten: 47° 39′ N, 11° 22′ O
| ||
Basisdaten | ||
Bundesland: | Bayern | |
Regierungsbezirk: | Oberbayern | |
Landkreis: | Bad Tölz-Wolfratshausen | |
Verwaltungs- gemeinschaft: |
Kochel am See | |
Höhe: | 605 m ü. NN | |
Einwohner: |
4.098 (31. Dez. 2011)[1] | |
Postleitzahlen: | 82431, 82432 | |
Vorwahlen: | 08851, 08858 | |
Kfz-Kennzeichen: | … | |
Gemeindeschlüssel: | 09 1 73 133 | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Kalmbachstraße 11 82431 Kochel am See | |
Webpräsenz: | ||
Bürgermeister: | Thomas W. Holz (CSU) | |
Lage der Gemeinde Kochel am See im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen | ||
Kochel am See (amtlich: Kochel a.See) ist eine Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Sie ist Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Kochel am See mit Schlehdorf und schließt rund 70 Prozent der Fläche des Kochelsees und den gesamten Walchensee ein.
Geographie
Kochel am See liegt ca. 60 km südlich von München im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.
Ortsteile[2]
Geschichte
Als erste bekannte Siedlung im Raum Kochel gilt die befestigte Schutzanlage auf der „Großen und Kleinen Birg“, diesen beiden mächtigen Felsblöcken bei Altjoch am Südufer des Kochelsees und am Fußpunkt der Kesselbergstraße. Sie stammt aus der Urnenfelderzeit und wird in die Zeit um 1200 v. Chr. datiert. In der römischen Kaiserzeit gehörte das Gebiet zur Provinz Rätien. Im Jahr 739 wurden das Kloster Benediktbeuern und das Kloster Kochel am See eingerichtet. Das Kocheler Frauenkloster wurde 908 (spätestens 955) durch die Ungarn zerstört (und bis auf die Kirche nie wieder aufgebaut).
Die Verbindung vom Kochelsee zum Walchensee über den so genannten Kesselberg ließ der Münchner Heinrich Barth von 1492 bis 1495 von dem damaligen Saumpfad zur ersten Kesselbergstraße ausbauen. Neben einem florierenden Handel brachte dies jedoch auch Schrecken und Leid, verursacht durch Übergriffe der Tiroler. 1893 bis 1897 erbaute man die Kesselbergstraße auf der heutigen Trasse neu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden dort Automobilrennen mit berühmten Fahrern wie Hans Stuck und Manfred von Brauchitsch statt.
Berühmtheit erlangte der oberbayerische Ort durch ein bedeutendes Geschichtsereignis, den Oberländer Bauernaufstand von 1705, dessen schwärzester Tag als Sendlinger Mordweihnacht bekannt wurde. Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde Bayern von den österreichischen Truppen von Kaiser Joseph I. besetzt. Diese pressten das Land mit Kontributionen und Zwangsrekrutierungen aus. 1705 erhoben sich „Bauern“ (in der Hauptsache aber Knechte, Tagelöhner und andere, die nicht viel zu verlieren hatten – unter der Führung einiger Beamter und Militärs) zunächst im Unterland und kurz darauf auch im Oberland gegen die Besatzer. Sie scheiterten jedoch aufgrund taktischer Fehlentscheidungen und ungenügender militärischer Ausbildung und Bewaffnung. Der Überlieferung nach fiel bei dem Massaker auf dem Friedhof der alten Sendlinger Pfarrkirche St. Margaret als letzter der „Schmied von Kochel“ (angeblich „Schmiedbalthes“ genannt, alias Balthasar Riesenberger) unter den Hieben der kaiserlichen Truppen, mit der Losung der Aufständischen „Lieber bayerisch sterben, als kaiserlich verderben!“ auf den Lippen und ihrer Fahne in der Hand. Im Gegensatz zu Plinganser, dem historisch belegten Anführer der Unterländer, entstanden die Mythen um den Schmied von Kochel allerdings wohl erst im 19. Jahrhundert durch die 1831 veröffentlichte Schrift Der Heldentod der bayerischen Landesverteidiger bei Sendlingen, 1 Stunde von München, in der Christnacht des Jahres 1705 von Hans Ferdinand Maßmann; die tatsächliche Existenz des legendären Helden ist nicht nachgewiesen. Die in Kochel ansässigen Schmiede der fraglichen Zeit hießen anders und nahmen auch nicht an dem Aufstand teil, überhaupt scheinen sich die Kochler an der gescheiterten Revolution nicht beteiligt zu haben und beklagten auch keine Opfer.
Kochel war Teil der klösterlichen Herrschaft Benediktbeuern, die 1803 mit dem Kloster Benediktbeuern aufgehoben wurde. Im Zuge der Verwaltungsreformen in Bayern im Jahre 1818 wurde der Ort am Fuße des Herzogstandes (1.731 m) eine selbständige politische Gemeinde.
Anfang des 20. Jahrhunderts inspirierte die grandiose Landschaft des Zweiseenlandes (Kochelsee und Walchensee) zahlreiche bedeutende Künstler. Es entstanden Begriffe wie „Malerwinkel“ oder „Blaues Land“, die sich in vielen bekannten Werken widerspiegeln. Der Walchensee zog Lovis Corinth in seinen Bann und fand in etwa 60 seiner Bilder, die weltweit verstreut sind, Beachtung. Auch der erste Vorsitzende der bayerischen SPD, Georg von Vollmar, ließ sich schließlich in Walchensee nieder.
In der Gegend um den Kochelsee fand Franz Marc zusammen mit einigen bekannten Kollegen der Künstlergruppe „Blaue Reiter“ wie Wassily Kandinsky oder Gabriele Münter zahlreiche Motive für viele weltbekannte Werke. Ihm zu Ehren befindet sich das Franz Marc Museum, dessen Bedeutung weit über Bayern hinaus reicht, heute in Kochel am See.
Ebenfalls im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entstand das Walchenseekraftwerk nach Plänen des berühmten Oskar von Miller. Das damals sehr umstrittene Projekt sorgte für eine Verbindung der beiden Seen. Das Wasser des Walchensees stürzt durch sechs Rohre 200 Meter in die Tiefe und wird in den Kochelsee geleitet. Unter Anbetracht der damaligen schlechten technischen und wirtschaftlichen Lage verdient diese bauliche Leistung besondere Würdigung.
In der Nähe des Kraftwerkes wurde ab 1920 eine Groß-Funkstation mit einer einzigartigen Bergantenne erbaut. Die Anlagen wurden bis 1946 für die erste deutsche Ionosphärenstation genutzt.
1920 siedelte sich aus München die ein Jahr vorher gegründete Soziale Hochschule Leohaus im Seehof ein. Die Einrichtung bestand bis 1994.[3]
Landschaftlich hervorragend in die Gebirgssilhouette eingebettet entstand 1927 das Verstärkeramt an der Bahnhofstraße. Es ist ein bedeutendes, gut erhaltenes Beispiel der Münchner Postbauschule und geschütztes Baudenkmal. Ausführender Architekt war Franz Holzhammer, weiter beteiligte sich die Architektin Hanna Löv, deren Planung insbesondere die Kraftwagenhallen, die eine große Hofanlage mit dem Verstärkeramt bilden, betrifft. Von dem Architekten Emil Freymuth wurde 1930 im Bauhausstil ein weiteres, herausragendes Gebäude erbaut: das "Ferienheim für Arbeiter, Beamte und Angestellte von Staat und Gemeinden".
Die Zeit des Nationalsozialismus ging auch an Kochel nicht spurlos vorüber: Reichsjugendführer Baldur von Schirach wohnte im Schloss Aspenstein, in dessen Nähe das NS-Kraftfahrerheim angesiedelt war.
Ab Sommer 1944 wurden Teile der Peenemünder Raketenforschung hierher in die sogenannte WVA (Wasserbauversuchsanstalt GmbH Kochelsee) ausgelagert. Dies wurde nötig, da nur hier die für eine Überschallwindkanalanlage nötige Energie direkt aus dem Walchenseekraftwerk entnommen werden konnte.[4] In der Operation Paperclip wurde diese High-Tech Anlage nach Kriegsende demontiert und in White Oaks, Maryland, im Naval Ordnance Laboratory wieder aufgebaut. Zusammen mit der Anlage wurden die Forscher Rudolf Hermann (1904–1991), Hermann Heybey, Eber, Hermann Kurzweg und Ernst Winkler in die USA deportiert.
Heute befindet sich auf Schloss Aspenstein die Georg-von-Vollmar-Akademie, die nach dem ersten Vorsitzenden der bayerischen SPD, Georg von Vollmar, benannt wurde und politische Erwachsenenbildung im Dienste der sozialen Demokratie in der Nähe des südlichen Seeufers anbietet.
Die katholische Kirche in Kochel am See diente auch Wassily Kandinsky als Motiv
Kochel mit Kochelsee vom Rabenkopf aus
Politik
Gemeinderat
Nach der letzten Kommunalwahl 2014 zählt der Gemeinderat 16 Mitglieder. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis:
CSU | 6 Sitze | (37,48 %) | |
SPD | 3 Sitze | (15,14 %) | |
Unabhängige Wählergemeinschaft | 2 Sitze | (14,14 %) | |
Freie Wählergemeinschaft in der Zwei-Seen-Gemeinde | 2 Sitze | (13,07 %) | |
Junge Liste | 1 Sitz | (8,15 %) | |
Freie Bürger Ried | 1 Sitz | (6,52 %) | |
Bayernpartei | 1 Sitz | (5,50 %) |
Weiteres Mitglied und Vorsitzender des Gemeinderates ist der Bürgermeister.
Wappen
Als Symbol der Ortsgeschichte zeigt die rechte Seite des Gemeindewappens den von Rot und Gold dreimal gespaltenen Schild mit silbernem Ort, der um 1500 erstmals als Nebenwappen des Klosters nachweisbar ist. Die andere Seite zeigt in Silber die das Land beherrschenden Berge vor einem blauen Himmel.
Sehenswürdigkeiten
- Franz Marc Museum
- Schloss Aspenstein (Aspensteinschlössl)
- Goethedenkmal in Urfeld am Walchensee,
1933 geschaffen von dem Bildhauer Hans Schwegerle - Denkmal Schmied von Kochel
- Walchenseekraftwerk – Dieses Industriedenkmal produziert weiterhin Strom. Es beeindruckt durch die mächtigen Fallrohre, die das Wasser vom Walchensee herableiten.
- Walchensee-Museum der Friedhelm-Oriwol-Stiftung in Urfeld
- Katholische Pfarrkirche St. Michael
- Grab von Franz Marc und Maria Marc auf dem Friedhof bei der St. Michael-Kirche
Infrastruktur
Wirtschaft
- Dorst Technologies
- E.ON Wasserkraft
- Freizeit- und Erlebnisbad „Kristall-Therme trimini “
- Herzogstandbahn
Verkehr
In Kochel endet die Kochelseebahn aus München. Sie wird im Stundentakt durch Regionalbahnen von München über Tutzing nach Kochel bedient, die in der Hauptverkehrszeit halbstündlich fahren. Über München Hauptbahnhof besteht Anschluss an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn. Durch den Ort führt die Bundesstraße 11, über die Staatsstraße nach Murnau besteht Anschluss zur A 95.
Es halten mehrere Regionalbuslinien des Regionalverkehr Oberbayernbus in Kochel.[5]
Linie | Bezeichnung | Linienverlauf |
---|---|---|
9608 | Regionalverkehr Oberbayern | Garmisch-Partenkirchen – Klais – Mittenwald – Krün – Wallgau – Kochel |
9611 | Regionalverkehr Oberbayern | Kochel – Schlehdorf – Großweil – Ohlstadt – Murnau |
9612 | Regionalverkehr Oberbayern | Kochel – Benediktbeuern – Bad Heilbrunn – Bad Tölz |
9613 | Regionalverkehr Oberbayern | Penzberg – Bichl – Benediktbeuern – Kochel – Schlehdorf |
Persönlichkeiten
- Gisela († 810), Schwester Karls des Großen, lebte einige Jahre bis zu ihrem Tod im Kloster Kochel und wurde dort bestattet
- Der Schmied von Kochel, legendäre Gestalt der bairischen Sage und des Oberländer Bauernaufstands von 1705
- Josef Demleitner (1877–1954), Heimatforscher und „Vater der Volksgenealogie“[6]
- Franz Marc (1880–1916), Maler des Expressionismus, und seine Frau Maria Marc (1876–1955), Malerin, wohnten ab 1914 im Ortsteil Ried; ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof der katholischen Kirche
- Carl Suhrlandt (1828–1919), deutscher Maler und Sohn des mecklenburgischen Hofmalers Rudolph Suhrlandt; Carl lebte seit 1895 in München und erwarb später in Kochel am See für die letzten Lebensjahre ein Haus, in dem er am 11. Februar 1919 verstarb
- Rudolf von Delius (1878–1946) Schriftsteller, Philosoph und Herausgeber
- Heinrich Kaminski (1886–1946), Komponist, wohnte und starb im Ortsteil Ried
- August von Finck senior (1898–1980), Bankier und Investor
- Baldur von Schirach (1907–1974), Politiker der NSDAP in der Zeit des Nationalsozialismus; wohnte im „Dritten Reich“ im Aspensteinschlössl
- Eva Aschenbrenner (1924–2013), Autorin und Kräuterexpertin
- Michael Mellinger (1929–2004), Schauspieler
- Peter Badura (* 1934), Staatsrechtler
- Gabriele Clonisch (* 1947), ehemalige deutsche Schlagersängerin und Kinderstar, wuchs in Kochel auf
- Elisabeth Demleitner (* 1952), Rennrodlerin
- Friedrich Ani (* 1959), Schriftsteller
- Andrea Sawatzki (* 1963), Schauspielerin
Siehe auch
Literatur
- Kriegschronik von Kochel, Erster Weltkrieg, von Otto Frhr. v. u. z. Aufseß.
- Chronik von Kochel a. See, von Hans Demleitner, 1984.
- Chronik 739–1989, Peter Badura, 1989.
- Chronik von Kochel. Zwischen Tradition und Fortschritt, 2005 von Helmut Renner.
- Die Geschichte der WVA, von Richard Lehnert, 1980.
- Diplomarbeit Studiengang Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien, Sommersemester 1996, WVA. Der Kochler Windkanal im Zusammenhang mit der Raketenforschung im Dritten Reich, von Stefanie Harrer.
- Magisterarbeit am Institut für Geschichte Technologietransfer. Deutschland–USA nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Kochler Windkanalanlage, von Sebastian Klapdor, 2003.
- Viel Wind im Kanal braucht viel strömendes Wasser, Beilage in der Bayerischen Staatszeitung, Ausgabe August/September 2008, von Roland Lory.
Einzelnachweise
- ↑ Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung – Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, Quartale (hier viertes Quartal, Stichtag zum Quartalsende) (Hilfe dazu)
- ↑ Gemeinde Kochel am See in der Ortsdatenbank der Bayerischen Landesbibliothek Online. Bayerische Staatsbibliothek, abgerufen am 24. Dezember 2017.
- ↑ Franz Loidl: Katholischer Arbeiterverein in Wien III, 1872-1972, Wiener Katholische Akademie 1982, Seite 77
- ↑ http://openlibrary.org/works/OL4944537W/Die_Leistungsfa%CC%88higkeit_der_U%CC%88berschallwindkanalanlage_der_Wasserbau-Versuchsanstalt_Kochelsee_G.m.b.H
- ↑ Liniennetzplan des Oberbayernbus (PDF; 2,1 MB) auf rvo-bus.de
- ↑ Volkmar Weiss: Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Neustadt an der Orla: Arnshaugk, 2013, S. 263–268, 275–278 und 290, ISBN 978-3-944064-11-6.
Weblinks
- Website der Gemeinde Kochel am See
- Kochel am See: Wappengeschichte vom HdBG
- Website des Franz Marc Museums, Kochel am See
- Website der Georg-von-Vollmar-Akademie, Kochel am See
- Website des Walchensee-Museums in Urfeld mit Informationen zu den Öffnungszeiten und einer Anfahrtsbeschreibung.
- Kochel am See: Amtliche Statistik des LStDV
- Claudia Koestler in SZ vom 13. September 2018: Streit um Nutzung: Kochler Verstärkeramt ist Baudenkmal
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