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Leonhard Paul Birnbaum
Leonhard Paul Birnbaum (geb. 13. Mai 1880[1] in Berlin; gest. 14. Oktober 1933[2] ebenda) war ein deutscher Journalist, Redakteur und Schriftsteller jüdischer Abstammung. Er war den größten Teil seines Berufslebens journalistisch tätig.
Familie und Leben
Birnbaum wurde in Berlin geboren als Sohn des jüdischen, in Langenschwalbach praktizierenden Badearztes Rudolph Raphael Birnbaum (* 5. Mai 1843 in Trachenberg; † 7. Januar 1881[3] in Berlin) und dessen ebenfalls jüdischer Ehefrau Agathe Leopoldine Isabella Birnbaum[4], geborene Lehmann (* 17. März 1842 in Berlin; † 13. Dezember 1927[5][6] ebenda), einer Tochter des jüdischen Schriftstellers, Übersetzers und Direktors der Niederschlesischen Eisenbahn Joseph Lehmann (* 28. Februar 1801 in Glogau; † 19. Februar 1873 in Berlin). Agathes Mutter, Leonhards Großmutter mütterlicherseits, war Joseh Lehmanns zweite Frau Johanna, geb. Lehfeldt (ehemals Levy), (* 12. Mai 1812 in Glogau; † 2. Mai 1878[7][8]) in Berlin. Johanna war die Schwester von Joseph Lehfeldt (* 18. Januar 1804; † 4. Juli 1857 in Berlin, einem Freund von Joseph Lehmann. Joseph Lehfeldt wiederum war der Vater von u.a. Leonhard Heinrich Lehfeldt (* 23. August 1834; † 24. Dezember 1876 in Berlin), der mit einer weiteren Schwester von Agathe Birnbaum - Therese Lehmann (* 3. August 1837; † 13. Juli 1925[9] in Berlin) - verheiratet war. Eine Tochter von Leonhard Heinrich und Therese Lehfeldt war schließlich Gertrud Georgiana Hildegard Friedmann-Braun (* 14. Mai 1870; ermordet 16. Dezember 1942 in Berlin in einem Sammellager vor der geplanten Deportation in ein KZ [10]), Ehefrau des Gerichtsrats und Preußischen Landtagsabgeordneten Felix Hugo Friedmann-Braun (* 30. April 1861; † 3. März 1934 in Berlin). Dies gibt einen kleinen Einblick in die weite Verzweigung der Familien Lehmann, Lehfeldt und Braun.
Obwohl Leonhards Eltern beide jüdischen Glaubens waren, ließen sie ihn noch im Jahr seiner Geburt in Langenschwalbach evangelisch taufen. Leonhards Vater Rudolph erkrankte im Jahre 1880 erneut schwer – vermutlich an Krebs – und starb bereits knapp 8 Monate nach Leonhards Geburt Anfang Januar 1881 in Berlin. Die Mutter Agathe ist daraufhin mit ihrem Sohn komplett nach Berlin übersiedelt, wo sie zusammen mit ihrer Schwester, Leonhards Tante Franziska Lehmann (* 23. Juli 1846; † 13. Mai 1910[11][12] in Berlin) eine Wohnung in der Voßstraße 16 im 3. Stock bezogen[13]. Die Schwestern pflegten dort ein reges gesellschaftliches Leben mit Lesungen und auch kleineren Theater- und Musikaufführungen, so dass Leonhard im Umkreis vieler Künstler, Literaten und Musiker aufwuchs.
Seine erste schulische Bildung erfuhr Leonhard im Privatunterricht, danach ging er zunächst 3 Jahre auf das Königliche Wilhelms-Gymnasium. Etwa im Jahr 1892 wechselte er dann auf das Gymnasium zu Steglitz – das heutige Heese-Gymnasium – und legte dort am 22. September 1899 das Abitur[14] ab. Während seiner Schulzeit in Steglitz wohnte er auch in Steglitz bei Pensionsfamilien.
Zum Wintersemester 1899/1900 begann Leonhard sein Studium an der Universität Leipzig. Obwohl im Jahresbericht des Gymnasiums zu Steglitz noch als Berufswunsch "Medizin" angegeben war, belegte er zunächst ein Semester Philosophie, wechselte bereits zum Sommersemester 1900 zu den Rechtswissenschaften. Gleich zu Beginn seines Studiums wurde er auch Mitglied in der Leipziger Universitätssängerschaft zu St. Pauli[15]. Ab dem Wintersemester 1900/01 hat Leonhard Birnbaum dann zunächst an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin weiter studiert, um zum Sommersemester 1901 an die Königlich-Preußische Universität Marburg[16] zu wechseln. Das Wintersemester 1901/02 hat er erneut in Leipzig an der dortigen Universität studiert, und er hat schließlich ab dem 14.04.1902 bis zum 3.9.1903 sein Studium in Berlin abgeschlossen.
Während der sich anschließenden Vorbereitung auf das geplante Referendar-Examen wurde Birnbaum im Winter 1903 schwer krank. Von dieser Erkrankung blieb schließlich eine linksseitige Lähmung zurück. Er entschloss sich, eine Promotion in Rechtswissenschaften anzufertigen und wurde am 1. August 1904 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg „cum laude“ zum Dr. jur promoviert. Unter diesem Datum findet sich Leonhard Birnbaum auch im "Verzeichnis der an der Universität Heidelberg vom 23. November 1903 bis zum 22. November 1904 Promovierten"[17].
Durch Vermittlung seines Onkels Felix Samuel Lehmann (* 1851 in Rauschwitz, Kreis Glogau; † 4. Dezember 1914[18][19] in Berlin), Verleger und späterer Direktor des Cotta- und Union-Verlags, konnte Leonhard zum 1. Januar 1905 als kaufmännischer Angestellter bei der Deutsche Lloyd Transport-Versicherungs-AG in Berlin seine erste Berufstätigkeit aufnehmen. Nach einem Jahr wechselte er dann als Privatsekretär zu dem national-liberalen Reichstagsabgeordneten Karl Albrecht Patzig.
Am 21. März 1907 heiratete er in Berlin Ella („Elli) Friedländer[20] (* 1. Mai 1883[21] im Berliner Scheunenviertel; † 1963 in Kapstadt (?)), die Tochter des jüdischen Kaufmanns, Auktionsausrufers und Auktionators Simon Friedländer (* 21. Oktober 1838 in Posen; † 6. November 1906[22][23] in Berlin) und dessen ebenfalls jüdischer Ehefrau Adelheid, geborene Gerson (* 18. Januar 1854 in Freienwalde; † ca. 1923 in Berlin (?)).
Am 26. Oktober 1908 wurde Leonhards und Ellas Sohn Heinz Rudolf in Berlin-Friedenau geboren. Dazu erschien am 28. Oktober 1908 in der Morgenausgabe des „Berliner Tageblatt“ eine entsprechende Anzeige[24]. Die Birnbaums haben damals kurzzeitig in der Friedenauer Fregestraße 11, parterre[25], gewohnt und ab 1911 in der Schöneberger Beckerstraße 19[26].
Im Anschluss an die Tätigkeit für den Abgeordneten Patzig war Leonhard Paul Birnbaum dann die überwiegende Zeit seines weiteren Berufslebens journalistisch tätig.
Am Kriegsdienst während des 1. Weltkriegs musste Leonhard Birnbaum wohl nicht teilnehmen. Als sein Onkel Felix Lehmann am 4. Dezember 1914 stirbt, beantragt Birnbaum beim Standesamt in Berlin-Steglitz die Sterbeurkunde und weist sich dort mit einem Ausmusterungsschein aus. Er war also wohl vom Militär ausgemustert worden, vielleicht auf Grund der verbliebenen Lähmung.
Neben seiner Tätigkeit als Journalist war Leonhard Birnbaum offensichtlich auch sozialpolitisch engagiert. Aus dem Mai/Juni 1915 findet sich in der „Zeitschrift für Säuglingsschutz“, VII. Jahrgang, Heft 5/6 ein Hinweis auf „Dr. Leonhard Birnbaum, Redakteur“[27]. Dort abgedruckt ist eine Petition an den damaligen Reichskanzler mit der Bitte um Vorlage und Beschlussfassung im Bundesrat. In dieser Petition geht es um eine Verbesserung der Unterstützungsleistungen für Mütter vor, im Zusammenhang mit und nach einer Entbindung. Birnbaum hat diese Petition mit den Mitgliedern des Vorstands der „Gesellschaft für Mutter- und Kindesrecht E.V., Berlin“ unterschrieben. Die unterzeichnete Petition findet sich auch in dem Buch "Die Einwirkungen des Krieges auf die Säuglingssterblichkeit und die Säuglingsschutzpolitik" von Fritz Rott aus dem Jahre 1915[28].
Im Verlauf seines Lebens ist Leonhard Birnbaum ein Anhänger der Christlichen Wissenschaft (Christian Science) geworden. Im Bundesarchiv befindet sich eine Akte[29] aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt mit einer Korrespondenz aus dem Jahr 1931 von Birnbaum mit Helmuth Adolf Graf von Moltke[30], dem damaligen Vorsitzenden des Komitees für Veröffentlichungen der Christlichen Wissenschaft in Berlin und Vater des Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke. In dieser Korrespondenz bestätigt Leonhard Birnbaum, ein Unterstützer der Christlichen Wissenschaft zu sein.
Am 14. Oktober 1933 starb Leonhard Paul Birnbaum – gemäß seiner Sterbeurkunde um 13.00 Uhr auf dem U-Bahnhof „Innsbrucker Platz“ - an einem Schlaganfall.
Nach seinem Tod ist Anfang 1934 zunächst sein Sohn Heinz und im Spätsommer auch seine Frau Ella nach Südafrika emigriert. Im Zusammenhang mit den Emigrationen wurden seinerzeit beim Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg Akten geführt, die sich heute im Brandenburgischen Landeshauptarchiv unter der Bestandssignatur Rep. 36 A als Akte A 385/15 und A 385/17 befinden[31]. In Kapstadt hat Ella viele Jahre eine Pension geführt. Sie behielt Zeit ihres Lebens die jüdische Konfession, verbrachte ihre letzten Jahre in einem jüdischen Altenheim und verstarb im Jahr 1963. Heinz Birnbaum heiratete in Kapstadt Heather Olive Mary Louw, geborene Ellis (* 21. Oktober 1902; † 19. Dezember 1991). Heinz und Heather blieben kinderlos und schlossen sich der Glaubensbewegung der Christlichen Wissenschaft an. Heinz hat zunächst als kaufmännischer Angestellter in einer Textilfabrik und später dann viele Jahre in einer Buchhandlung gearbeitet. Er starb am 15. November 1980 in Kapstadt, während Heather ihn um gut 11 Jahre überlebte und 1991 verstarb.
Die Grabstätten von Leonhard Paul Birnbaum und seiner Mutter Agathe Birnbaum sowie auch einiger Lehfeldts und Friedmann-Brauns befinden sich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin.
Die Informationen zu Leonhard Paul Birnbaums Familie und zu seinem Leben bis etwa 1906 sind weitgehend der „Lehmann-Lehfeldt Familienchronik“ entnommen, die maßgeblich von Agathe Birnbaum und ihrer Schwester Franziska Lehmann verfasst und 1906 von Felix Lehmann privat gedruckt und im Familienkreis verteilt wurde. Mittlerweile befindet sich ein Exemplar des ursprünglichen Drucks der Chronik sowie eine illustrierte Photokopie als Bestandteile des Braun Family Archive in der Bodleian Library der Oxford University[32][33].
Die übrigen Informationen sowie die folgenden Hinweise auf das journalistische Wirken von Leonhard Birnbaum beruhen auf Recherchen im Internet sowie in diversen Archiven und Bibliotheken.
Journalistisches Wirken
Als ältester Hinweis auf Leonhard Birnbaums journalistisches Wirken findet sich im Internet der Hinweis auf einen Beitrag aus dem Jahr 1907 mit dem Titel „Die akademische Auskunftsstelle der Universität Berlin“ in der Zeitschrift „Die Deutsche Hochschule“, Nr. 13/14, Berlin, Oktober 1907[34]. In seinem Aufsatz stellt Birnbaum die 1904 nach dem Vorbild einer ähnlichen Einrichtung an der Pariser Sorbonne gegründete Berliner Auskunftsstelle der Universität und ihre einzelnen Abteilungen vor.
Aus dem Jahr 1909 können im Internet zwei Artikel von Leonhard Birnbaum nachgewiesen werden, beide in der Münchener „Allgemeine Zeitung“. In der Ausgabe vom 5. Juni 1909 ist unter der Rubrik „Von unseren Hochschulen“ der Artikel „Der „neue Student""[35] von Dr. jur. Leonhard Birnbaum, Berlin, erschienen. Birnbaum spricht sich hierin für eine Erneuerung studentischer Ideale im freiheitlich-liberalen Sinn aus, die seiner Meinung nach aus der Studentenschaft selbst herauskommen muss. Ferner plädiert er dafür, dass die Studentenschaft eine stärkere Anteilnahme an allen großen Themen des gesellschaftlichen Lebens anstreben muss. In der Ausgabe vom 4. September 1909 findet sich in der gleichen Rubrik ein Artikel unter der Überschrift „Die Vorbildung der Juristen“[36]. Birnbaum unterstützt dort die Forderungen des Bonner Jura-Professors Ernst Zitelmann nach einer Reform der Juristenausbildung hin zu größerer Praxisnähe, die Zitelmann in einer ebenfalls im Jahr 1909 herausgegebenen Broschüre mit gleichem Titel erhoben hatte.
Aus dem Jahr 1912 findet sich in dem anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Wilhelm II. durch Paul Klebinder herausgegebenen Buch „Der Deutsche Kaiser im Film“ ein Beitrag mit dem Titel „Die Kulturmission des Kinematographen“ von Leonhard Birnbaum[37]. Er beschreibt hierin die vielfältigen Möglichkeiten des Mediums Film als Bewegtbilddarstellung photographisch aufgenommener Bilder. Er geht dabei bis hin zu einer Einbeziehung von Filmtechniken in den Bereich der medizinischen Ausbildung, wobei er sich hier auf zeitgleiche Anregungen des Augenarztes an der Berliner Universitäts-Augenklinik Prof. Dr. Wilhelm Meisner bezieht. Auch die Möglichkeiten des Einsatzes von Filmtechniken zu Trainings- und Ausbildungszwecken, die heutzutage mit digital erzeugten Bildern und Simulationstechniken realisiert werden, spricht Leonhard Birnbaum in seinem Beitrag bereits an. Der genannte Beitrag findet sich auch in einer englischen Übersetzung in dem Buch „The Promise of Cinema – German Film Theory 1907-1933“, herausgegeben im April 2016 von A. Kaes, N. Baer und M. Cowan[38]. Das Buch von Paul Klebinder wird außerdem mit Nennung des Namens von Leonhard Birnbaum erwähnt in der „Chronik des deutschen Films 1895-1994“, von Hans Helmut Prinzler im Jahr 1995 verfasst[39].
Von spätestens August 1914 bis Anfang 1928 war Leonhard Birnbaum dann beim „Berliner Tageblatt“ von Rudolf Mosse als verantwortlicher Redakteur für die „Wochen=Ausgabe für Ausland und Übersee“ tätig. Im Impressum erscheint sein Name erstmalig in der Ausgabe vom 6. August 1914[40] und letztmalig am 6. Februar 1928[41].
Vorab findet man in einem Album amicorum anlässlich des 70. Geburtstag von Rudolf Mosse im Jahre 1913 eine handschriftliche Widmung von Leonhard Birnbaum nebst einer Fotografie von ihm[42]. Birnbaum nimmt in seiner Widmung Bezug auf Äußerungen von Carl Schurz hinsichtlich der „... Notwendigkeit einer dauernden geistigen Verkettung der Deutschen im Ausland mit der Heimat...". Das Album amicorum wurde von Mitarbeitern Rudolf Mosses erstellt. Es enthält Grüße von vielen seiner Freunde aus Politik, Kultur und Gesellschaft sowie von Mitarbeitern seines Hauses und befindet sich heute bei der „Mosse Art Research Initiative“ (MARI)[43].
Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Wochenausgabe des „Berliner Tageblatt“ hat Birnbaum in der Sondernummer „Mittel-Europa“ vom 7. März 1916 einen Artikel mit der Überschrift „Das neue „Mitteleuropa““[44] verfasst. Ausgehend von der kurz vorher erfolgten Begriffsprägung durch den liberalen Politiker Friedrich Naumann setzt sich Birnbaum in seinem Artikel mit den Chancen und Risiken eines zumindest wirtschaftlichen Zusammenschlusses von Deutschland, Österreich und Ungarn auseinander. Weiterhin finden sich über viele Jahre verteilt immer wieder unter der Rubrik „Literarische Rundschau“ Rezensionen zeitgenössischer Publikationen, die von Leonhard Birnbaum verfasst wurden, u.a.[45][46][47].
In seiner Funktion als verantwortlicher Redakteur der Wochenausgabe des „Berliner Tageblatt“ war Leonhard Birnbaum von 1920 an und bis mindestens 1924 mit einer Privatklage seitens des antisemitischen Schriftstellers Arthur Dinter befasst. Auslöser war ein in der Wochenausgabe des Tageblatts vom 9. November 1919 erschienener Artikel unter dem Titel „Antisemitismus als Geschäftsobjekt“. Diesen Artikel hat der beim "Berliner Tageblatt" beschäftigte jüdische Journalist Julius Barasch auf Geheiß von Leonhard Barasch verfasst. Darin wird Dinters 1920 erschienenes Buch „Die Sünde wider das Blut“[48] u.a. als „Pamphlet“ bezeichnet, und es wird Dinter der Verfälschung von jüdischen Zitaten bezichtigt.
Dinter hat daraufhin Birnbaum als verantwortlichen Redakteur beim Berliner Schöffengericht verklagt. Der Prozess zog sich über mehrere Jahre hin und stieß auf großes Interesse in der Presse – zumindest in 1924, z.B.[49][50][51][52]. Über den Prozessausgang konnte bisher nichts ermittelt werden. Es gibt aber Hinweise, dass sowohl der Redakteur Birnbaum als auch der Journalist Barasch zu Geldstrafen verurteilt wurden. Barasch konnte im Frühjahr 1933 zusammen mit seiner Frau gerade noch einer Verhaftung durch die SA entkommen und floh von Berlin über Paris nach Kopenhagen. Hier wurde das Ehepaar Barasch am 29. August 1942 verhaftet, über Deutschland in das KZ Auschwitz deportiert und dort am 23. Oktober 1943 ermordet[53].
Neben seiner Tätigkeit für das „Berliner Tageblatt“ war Leonhard Birnbaum aber auch noch selbständig journalistisch tätig.
Im Jahr 1921 ist bei der UFA in der Reihe „UFA-Blätter – Programm-Zeitschrift der Theater des UFA-Konzerns“ ein von Leonhard Birnbaum verfasstes Heft mit dem Titel „Massenszenen im Film“ erschienen. Birnbaum befasst sich darin anhand von Beispielen aus zeitgenössischen Filmen mit den Möglichkeiten der Filmregisseure, beim Dreh – im Gegensatz zu Aufführungen in Theatern – große Menschenmassen einzusetzen. Das UFA-Heft befindet sich im Archiv der Deutschen Kinemathek. Es wird u.a. in dem 1946 erschienen Buch von Siegfried Kracauer „From Caligari to Hitler – A Psychological History of the German Film“[54] zitiert.
Einen weiteren Artikel von Leonhard Birnbaum findet man in „Die Weltbühne“ vom 27. Juli 1926. Unter der Überschrift „Die Völkischen und die Jungfrau Maria“[55] beschäftigt sich Birnbaum satirisch-kritisch mit der Abstammung von Jesus und seiner Mutter Maria. Dies macht er in Form einer fiktiven „Kleinen Anfrage“ an die völkischen Landtagsabgeordneten und vor dem Hintergrund eines vom Gericht eingestellten Verfahrens gegen Berthold Brecht wegen angeblicher Gotteslästerung in seinem Gedicht „Maria“. Birnbaum schreibt in seinen Ausführungen u.a. „… meine Herren völkischen Abgeordneten, wenn Sie auch jenen Jesus von Nazareth, der für seine Überzeugung und seinen Glauben an den Gott Israels den Kreuzestod starb, zum “Arier“ umgeprägt haben: seine Mutter, diese mit allen Fasern ihres Wesens jüdische Maria – die zu verteidigen, steht Ihnen, den Wotansrummlern, kein Recht zu. …“ Leonhard Birnbaum erwähnt in seinem Artikel namentlich den antisemitischen Autor Arthur Dinter, den völkischen Politiker und Publizisten Reinhold Wulle und Richard Paul Wilhelm Kube, den späteren Gauleiter von Brandenburg. Auch spielt er auf den schon damals weitverbreiteten Antisemitismus vor allem in den deutschen Nord- und Ostseebädern (Bäder-Antisemitismus) an und nennt dabei auch den Borkumer Pastor und späteren Reichsredner der NSDAP Ludwig Johannes Herbert Martin Münchmeyer. Insgesamt macht Birnbaum in dem Artikel seine jüdische Abstammung sehr deutlich und stellt sich offen gegen die späteren Machthaber der NSDAP. Birnbaums Weltbühne-Artikel wird u.a. auch in der 1955 als Buch veröffentlichten Dissertation „Die dramatischen Versuche Bertold Brechts 1918 – 1933“[56] von Ernst Schumacher, dem Theaterkritikers und späteren Professor am Institut für Theaterwissenschaft der Berliner Humboldt-Universität, erwähnt.
Im April 1928 findet dann vor dem Ehrengericht des Bezirksverbandes Berlin des Reichsverbandes der deutschen Presse ein Verfahren gegen Birnbaum als Beschuldigtem statt. Mit Datum 27. April 1928 wird er schuldig gesprochen, gegen die journalistische Standesehre auf das Gröbste verstoßen zu haben. Er wird damit aus dem Reichsverband der deutschen Presse ausgeschlossen[57]. Ob die Anschuldigungen einen realen Hintergrund hatten oder womöglich fingiert waren, konnte bisher nicht ermittelt werden.
Nach dem April 1928 taucht der Name Leonhard Birnbaum beim „Berliner Tageblatt“ nicht mehr auf, und es finden sich auch ansonsten keinerlei Hinweise mehr auf weitere Veröffentlichungen nach diesem Datum.
Insgesamt spiegeln die aufgefundenen Artikel und Aufsätze von Leonhard Birnbaum ein sehr breites Themenspektrum wider. Es reicht von bildungspolitischen Themen über Kulturpolitik, sozialpolitische Themen bis hin zur Außenpolitik. Auch religionsgeschichtliche Aspekte und insbesondere Themen aus der jüdischen Kultur und Religion tauchen immer wieder auf. In allen Veröffentlichungen kommen grundsätzlich ein ausgeprägter Hang zu freiheitlicher Liberalität zum Ausdruck und auch der Mut, „kein Blatt vor den Mund“ zu nehmen.
Einzelnachweise, Literatur und Weblinks
- ↑ Geburtenregister des Standesamtes Berlin II P Rep. 801 Nr. 615/1880 Leonhard Paul Birnbaum (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Berlin-Schöneberg II P Rep. 161 Nr. 725/1933 Leonhard Paul Birnbaum (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Berlin IVa P Rep. 500 Nr. 28/1881 Rudolph Raphael Birnbaum (Web-Ressource)
- ↑ Heiratsregister des Standesamtes Berlin III P Rep. 804 Nr. 145/1875 Heirat von Rudolph Raphael Birnbaum und Agathe Leopoldine Isabella Lehmann am 17. April 1875 in Berlin (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Charlottenburg I P Rep. 551 Nr. 891/1927 Agathe Leopoldine Isabella Birnbaum, geb. Lehmann (Web-Ressource)
- ↑ Todesanzeige für Agathe Leopoldine Isabella Birnbaum in der Morgenausgabe des "Berliner Tageblatt" vom 14. Dezember 1927 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Berlin II P Rep. 801 Nr. 413/1878 Johanna Lehmann, geb. Lehfeldt (Levy) (Web-Ressource)
- ↑ Todesnachricht von Johanna Lehmann in der Morgenausgabe des "Berliner Tageblatt" vom 5. Mai 1878 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Charlottenburg I P Rep. 551 Nr. 492/1925 Therese Lehfeldt, geb. Lehmann (Web-Ressource)
- ↑ Stolpersteine in Berlin - Gertrud Friedmann-Braun, geb. Lehfeldt (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Charlottenburg I P Rep. 551 Nr. 301/1910 Franziska Lehmann (Web-Ressource)
- ↑ Todesanzeige für Franziska Lehmann in der Morgenausgabe des "Berliner Tageblatt" vom 14. Mai 1910 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Berliner Adressbuch 1882 Eintrag "Birnbaum, A., geb. Lehmann, vw. Dr., W Voßstr. 16 III" (Web-Ressource)
- ↑ "Jahresbericht der Gymnasiums zu Steglitz über das Schuljahr 1899/1900" aus der Universitäts- und Landesbibliothek der Heinrich Heine Universität Düsseldorf (Web-Ressource)
- ↑ Alphabetisches Gesamtverzeichnis (Findliste) - Universitäts-Sängerschaft St. Pauli Leipzig (Web-Ressource)
- ↑ "Verzeichnis des Personals und der Studierenden auf der Königlich Preußischen Universität Marburg. SS 1901 - WS 1901/1902" aus dem Archiv der Philipps Universität Marburg (Web-Ressource)
- ↑ "Verzeichnis der an der Universität Heidelberg vom 23. November 1903 bis zum 22. November 1904 Promovierten" in "Pamphlets on phonetics: Ueber die Einigung der deutschen Aussprache", W. Braune, 1904 (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Steglitz P Rep. 700 Nr. 626/1914 Felix Samuel Lehmann (Web-Ressource)
- ↑ Todesanzeige für Felix Samuel Lehmann in der Morgenausgabe des "Berliner Tageblatt" vom 6. Dezember 1914 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Heiratsregister des Standesamtes Berlin Xa P Rep. 808 Nr. 199/1907 Leonhard Paul Birnbaum/Ella Friedländer (Web-Ressource)
- ↑ Geburtenregister des Standesamtes Berlin IX P Rep. 806 Nr. 979/1883 Ella Friedländer (Web-Ressource)
- ↑ Sterberegister des Standesamtes Berlin Xa P Rep. 808 Nr. 1085/1906 Simon Friedländer (Web-Ressource)
- ↑ Todesanzeige für Simon Friedländer in der Morgenausgabe des "Berliner Tageblatt" vom 8. November 1906 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Geburtsanzeige im "Berliner Tageblatt" vom 28. Oktober 1908 Heinz Rudolf Birnbaum (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Berliner Adressbuch 1909 und 1910 Eintrag "Birnbaum, Leonhard, Dr. jur., Literat und Redakt., Schönebg, Fregestr. 11 pt (Post Friedenau)." (Web-Ressource)
- ↑ Berliner Adressbuch 1911 - 1934 Eintrag "Birnbaum, Leonhard, Dr.jur., Redakt., Schönebg., Beckerstr. 19.19a II (Post Friedenau) T.St 711" (Web-Ressource)
- ↑ Unterzeichnung einer Petition in "Zeitschrift für Kleinkinder- und Säuglingsschutz, Organ des Kaiserin Auguste-Victoria Hauses und der Deutschen Vereinigung für Säuglingsschutz, Band 7 1915 (Web-Ressource)
- ↑ Unterzeichnete Petition in dem Buch "Die Einwirkungen des Krieges auf die Säuglingssterblichkeit und die Säuglingsschutzpolitik" von Fritz Rott, 1915 (Web-Ressource)
- ↑ Bundesarchiv-Akte Archivsignatur R58/11156 mit Korrespondenz des Christian Science Veröffentlichungs-Ausschuss mit u.a. Leonhard Birnbaum (Web-Ressource)
- ↑ Helmuth Adolf Graf von Moltke, 1876 - 1939 (Web-Ressource)
- ↑ Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Archivplansuche Rep. 36 A Devisenstelle (Web-Ressource)
- ↑ Link zur "Lehmann-Lehfeldt-Familienchronik" von 1906 in den "Bodleian Archives and Manuscipts" der Bodleian Libraries (Web-Ressource)
- ↑ Link zu Fotografien u.a. von Leonhard Birnbaum und seiner Mutter Agathe in der "Lehmann-Lehfeldt-Familienchronik" von 1906 in den "Bodleian Archives and Manuscipts" der Bodleian Libraries (Web-Ressource)
- ↑ Referenz auf den Artikel "Die akademische Auskunftsstelle der Universität Berlin", in "Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeitalter" von Bernhard vom Brocke, 1991 (Web-Ressource)
- ↑ Artikel "Der "neue Student"" in "Allgemeine Zeitung" vom 5. Juni 1909 (Web-Ressource)
- ↑ Artikel "Die Vorbildung der Juristen" in "Allgemeine Zeitung" vom 4. September 1909 (Web-Ressource)
- ↑ Buch "Der Deutsche Kaiser im Film" von Paul Klebinder mit dem Beitrag "Die Kulturmission des Kinematographen" von Leonhard Birnbaum ab Seite 76 (Web-Ressource)
- ↑ Referenz auf die englischsprachige Fassung "The Cultural Mission of the Cinematograph" in "The Promise of Cinema" von A. Kaes, N. Baer und M. Cowan, 2016 (Web-Ressource)
- ↑ Referenz auf "Der Deutsche Kaiser im Film" in "Chronik des deutschen Films 1895 - 1994" von Hans Helmut Prinzler, 1995 (Web-Ressource)
- ↑ Impressum der "Wochenausgabe des Berliner Tageblatts" vom 6. August 1914 - "Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Dr. Leonhard Birnbaum, Berlin-Schöneberg" (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Impressum der "Monats-Ausgabe des Berliner Tageblatts" vom 6. Februar 1928 - "Verantwortlich für den gesamten redaktionellen Teil und die Bilder: Dr. Leonhard Birnbaum, Berlin-Schöneberg" (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Album americum mit Glückwünschen von Politikern, Gelehrten, Künstlern und Literaten zum 70. Geburtstag von Rudolf Mosse, 1913, als Digitalisat bei der Staatsbibliothek zu Berlin (Web-Ressource)
- ↑ MARI - Mosse Art Research Initiative (Web-Ressource)
- ↑ Artikel "Das neue "Mitteleuropa"" in der Sonderausgabe "Mittel-Europa" der "Wochenausgabe des Berliner Tageblatts" vom 7. März 1916 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Buchrezension von Leonhard Birnbaum in der "Wochenausgabe des Berliner Tageblatts" vom 30. April 1925 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Buchrezension von Leonhard Birnbaum in der "Wochenausgabe des Berliner Tageblatts" vom 2. Januar 1927 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Buchrezension von Leonhard Birnbaum in der "Monats-Ausgabe des Berliner Tageblatts" vom 2. Januar 1928 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ „Die Sünde wider das Blut“ von Artur Dinter, 1920, als Download aus der Open Library des Internet Archive (Web-Ressource)
- ↑ Artikel „Die Sünde wider Dinter: Der Prozess des völkischen Agitators" in "Vorwärts" (Berlin), Abendausgabe vom 13. November 1924 (aus der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung) (Web-Ressource)
- ↑ Artikel „Dinters Klage: Der "harmlose Sünder wider das Blut"" in "Vossische Zeitung" (Berlin), Abendausgabe vom 13. November 1924 (Web-Ressource)
- ↑ Artikel „Die Sünde wider das Blut" in "Berliner Tageblatt" (Berlin), Abendausgabe vom 13. November 1924 (aus der Staatsbibliothek zu Berlin) (Web-Ressource)
- ↑ Artikel „Dinter und der Talmud. - "Antisemitismus als Geschäftsobjekt"" in "Das Jüdische Echo" (München), vom 21. November 1924 (aus dem Internet-Archive) (Web-Ressource)
- ↑ Stolperstein für Julius Barasch in Kopenhagen (Web-Ressource)
- ↑ Buch „From Caligari to Hitler – A Psychological History of the German Film“ von Siegfried Kracauer, 1946 (Download von monoskop.org) (Web-Ressource)
- ↑ Beitrag "Die Völkischen und die Jungfrau Maria" in "Die Weltbühne" vom 27. Juli 1926 (Web-Ressource)
- ↑ Erwähnung von Birnbaums Artikel "Die Völkischen und die Jungfrau Maria" in "Die dramatischen Versuche Bertolt Brechts 1918 - 1933" von Ernst Schumacher, 1955 (Web-Ressource)
- ↑ Ausschluss aus dem Reichsverband der deutschen Presse am 27. April 1928, veröffentlicht in "Deutsche Presse", Band 18, 1928 (Web-Ressource)
Personendaten | |
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NAME | Birnbaum, Leonhard Paul |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist, Redakteur und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 13. Mai 1880 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 14. Oktober 1933 |
STERBEORT | Berlin |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Leonhard Paul Birnbaum aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |