Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Margot Wicki-Schwarzschild

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Margot Wicki-Schwarzschild

Margot Wicki-Schwarzschild (geboren am 20. November 1931[1] in Kaiserslautern[2]; gestorben am 29. Dezember 2020[1] in Basel[2]) war eine deutsche Überlebende des Holocaust und Zeitzeugin. Sie überlebte zwei Internierungslager in Frankreich.

Leben

 
Stolpersteine, die auf Richard…
 
…und Luise Schwarzschild verweisen

Ihr Vater Richard Schwarzschild, geboren am 12. Dezember 1898 in Kaiserslautern, war jüdischer Herkunft, ihre Mutter Aloisia genannt „Luise“, geborene Keim, war katholisch. Sie hatte eine Schwester: Hannelore (1929–2014). In der Familie feierte man sowohl christliche als auch jüdische Festtage. Die Familie lebte in der Steinstraße 30 in Kaiserslautern. 1938 wurde ihr Vater in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Als er zurückkam, durfte er nicht darüber sprechen, was ihm dort widerfahren war. Als sie sieben Jahre alt war, wurde sie von der Schule vertrieben. Die Synagoge, an deren Orgel ihr Vater regelmäßig spielte, wurde zerstört.

Am frühen Morgen des 22. Oktober 1940 wurde die gesamte Familie von der Gestapo in der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion in das französische Camp de Gurs in den Pyrenäen verschleppt. „Hunger, Läuse, Wanzen, Flöhe und Ratten gehörten ebenso zum Alltag wie der allgegenwärtige Schlamm.“[3] 1941 wurde Margot Wicki-Schwarzschild gemeinsam mit Mutter und Schwester ins Camp de Rivesaltes verlegt. Im November desselben Jahres kamen die beiden Schwestern in ein Heim der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes in Pringy in der Haute-Savoie. Der Vater konnte in Halbfreiheit eine kleine Wohnung bei Carcassonne mieten und holte die Familie zu sich. Doch bereits 1942 folgte die erneute Deportation nach Rivesaltes, wo die Familie getrennt wurde. Der Vater wurde 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Mutter konnte mit Hilfe durch Friedel Bohny-Reiter, einer Schwester vom Schweizerischen Roten Kreuz, und mittels einer Fotografie ihrer Kommunion sich und ihre Töchter vor der Deportation retten. Bohny-Reiter, die die Vorgaben des Roten Kreuzes betreffend Neutralität überschritten hatte, um Menschenleben zu retten, wurde 1990 von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern anerkannt. Ein Aufsatz von Schwester Hannelore über die Zustände im Lager gelangte an eine jüdische Zeitung in der Schweiz. Eine Schweizer Lehrerin las diesen Bericht und schickte der Familie daraufhin Lebensmittelpakete.[4] Als weitere Retter nennt Schwarzschild auch Elsa Lüthi-Ruth in Rivesaltes[5] und Ruth von Wild in Pringy.

Nach dem Untergang des NS-Regimes gingen Mutter und Töchter Schwarzschild zurück nach Kaiserslautern. Die Töchter wären lieber in Frankreich geblieben, sie sprachen kaum mehr Deutsch. Sie gingen zu den Pfadfindern und ihre Erzählungen beeindruckten den jungen Erhard Roy Wiehn derart, dass er beschloss, Soziologie zu studieren und Überlebensschicksale zu erforschen. Nach der Schule absolvierte Margot Schwarzschild eine Ausbildung als Übersetzerin und Dolmetscherin. Sie fand Arbeit in den American Headquarters, danach in einer jüdischen Agentur in Genf. Sie heiratete Josef Wicki (ihre Schwester heiratete dessen Bruder). Das Ehepaar hat Kinder und Enkelkinder. 1961 zogen sie nach Reinach, wo sich Margot Wicki sozial engagierte. Sie begann in Schulen über ihre Erlebnisse zu berichten, wurde zur Zeitzeugin. Sie begleitete auch Schulklassen auf der Reise nach Gurs, gemeinsam mit anderen Zeitzeugen, wie Eva Mendelsson und Paul Niedermann.[6] Margot Wicki-Schwarzschild publizierte auch eine Reihe von Erinnerungstexten.

Vorlass

Der Vorlass Margot Wicki-Schwarzschilds befindet sich im United States Holocaust Memorial Museum, ein Kopienbestand wird im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich aufbewahrt.[7]

Porträts

  • Jürgen Enders (Regisseur): Nach dem Dunkel kommt das Licht. Berichte vom Leben und Überleben in den südfranzösischen Lagern Gurs und Rivesaltes. Drei Schicksale. Drei Porträts Hannelore und Margot Wicki-Schwarzschild, Paul Niedermann. Dokumentarfilm, 84 min, Format 16:9, Sprache Deutsch, PAL 2, DVD-Video, Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2011, ISBN 978-3-86628-394-7.
  • Elske Brault: Stolperstein zum Lesen: Margot Wicki-Schwarzschild, SWR2 – Manuskriptdienst, Redaktion: Johannes Weiß
  • Thomas Brunnschweiler: Holocaust-Überlebende gibt dem Grauen eine Sprache, Basellandschaftliche Zeitung, 22. Oktober 2015
  • Andreas Schuler: Eines Nachts war es dann soweit. In: Südkurier vom 14. Juli 2017, S. 19. (Zeitzeugenbericht von Margot Wicki-Schwarzschild)
  • Johanna Högg: ich Spreche für Millionen. In: Badische Zeitung vom 28. Januar 2012 (Zeitzeugenbericht von Margot Wicki-Schwarzschild)

Publikationen

  • August Bohny: Unvergessene Geschichten. Zivildienst, Schweizer Kinderhilfe und das Rote Kreuz in Südfrankreich 1941–1945. Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild. Bearbeitet und eingeleitet von Helena Kanyar Becker. Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2009, ISBN 3-86628-278-8.
  • Erhard Roy Wiehn (Hrsg.): Camp de Gurs. Zur Deportation der Juden aus Südwestdeutschland 1940. Mit einem Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz. Erweiterte Neuauflage 2010, 200 Seiten, ISBN 3-86628-304-0.
  • Margot Wicki-Schwarzschild, Hannelore Wicki-Schwarzschild: Als Kinder Auschwitz entkommen, unsere Deportation von Kaiserslautern in die französischen Lager Gurs und Rivesaltes 1940/42 und das Leben danach in Deutschland und der Schweiz. Sammelband mit Texten, Fotos und Dokumenten. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2011, ISBN 3866283393
  • Vorhof der Vernichtung: Tagebuch einer Schweizer Schwester im französischen Internierungslager Rivesaltes 1941–1942. Einleitung: Michèle Fleury-Seemuller, Margot Wicki-Schwarzschild, Erhard Roy Wiehn. Hrsg. von Erhard Roy Wiehn. Hartung-Gorre, Konstanz 1995, ISBN 3-89191-917-4.
  • Camp de Rivesaltes: Tagebuch einer Schweizer Schwester in einem französischen Internierungslager 1941–1942. Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild. Einleitung von Michèle Fleury-Seemuller. Unter Mitarbeit von Helena Kanyar Becker hrsg. von Erhard Roy Wiehn. Hartung-Gorre, Konstanz 2010, ISBN 978-3-86628-291-9 (erweiterte Neuausgabe von Vorhof der Vernichtung).
  • Margot Wicki-Schwarzschild: «Ich habe nur getan, was ich tun musste», Elsie Ruth (1909–2005). In: Helena Kanyar Becker (Hrsg.): Vergessene Frauen. Humanitäre Kinderhilfe und offizielle Flüchtlingspolitik 1917–1948. Schwabe Verlag, Basel 2010, ISBN 3-79652695-0. S. 186–206. (= Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 182.)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Margot Wicki-Schwarzschild, Gedenkzeit.ch, abgerufen am 7. Januar 2021.
  2. 2,0 2,1 Margot Wicki-Schwarzschild ist gestorben. In: swr.de. 31. Dezember 2020, abgerufen am 7. Januar 2021.
  3. Thomas Brunnschweiler: Holocaustüberlebende gibt dem Grauen eine Sprache. In: Basellandschaftliche Zeitung. 22. Oktober 2015, abgerufen am 2. Januar 2021.
  4. Andreas Schuler: Ein Bild und eine Schweizerin retteten sie vor den Nazis. In: Suedkurier.de. 13. Juli 2017, abgerufen am 1. April 2018.
  5. Helena Kanyar Beker (Hrsg.): Vergessene Frauen: Humanitäre Kinderhilfe und offizielle Flüchtlingspolitik 1917–1948 (= Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft; 182). Schwabe Verlag, Basel, 2010, ISBN 978-3-7965-2695-4, S. 186–206.
  6. Melina Ness: Jugendgedenkfahrt nach Gurs. In: Klartext – Die offizielle Schuelerzeitung des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Neustadt. 24. November 2015, abgerufen am 2. Januar 2021.
  7. Daniel Nerlich, Franziska Schärli: Jahresbericht 2016. (pdf; 2,6 MB) ETH Zürich, Archiv für Zeitgeschichte, S. 20, 28, abgerufen am 1. April 2018.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Margot Wicki-Schwarzschild aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.