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Mazedonier (slawische Ethnie)

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Die slawischen Mazedonier (mazedonisch Македонци, transl. Makedonci) sind eine südslawische Ethnie. Sie bilden die Mehrheitsbevölkerung und die Titularnation Nordmazedoniens.[1] Die slawischen Mazedonier sind nicht mit den antiken Makedonen zu verwechseln. Teilweise beanspruchten sie eine Verwandtschaft mit ihnen;[2] dies ist aber weder wissenschaftlich belegbar noch aus ethnologischer Sicht nachvollziehbar.[3]

Mazedonier bilden im heutigen, seit 1991 unabhängigen Nordmazedonien mit etwa 1,3 Millionen Angehörigen die größte Bevölkerungsgruppe (1.297.981 nach der Volkszählung 2002). Minderheiten leben in Griechenland, Albanien, Serbien und Bulgarien (1.654 nach der Volkszählung von 2011),[4] außerdem in Kanada, Australien und den USA. Als Minderheit sind sie jedoch nur in Albanien anerkannt.

Geschichte bis ins 20. Jahrhundert

Im 6./7. Jahrhundert siedelten Slawen im Gebiet des antiken Makedoniens. In der Folge galten sie meist als Bulgaren, und große Teile von ihnen verstanden sich auch selbst zum Teil bis ins 19. Jahrhundert als solche.[5] Aus diesem Grund ist es umstritten, ob man vor 1943 von der Existenz einer mazedonischen Sprache, Nation oder Ethnie sprechen kann.[6]

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein war die ethnonationale Determiniertheit der christlich-orthodoxen Bevölkerungsmehrheit Makedoniens gering gewesen.[7]

Durch den Kampf um die Verdrängung des Osmanischen Reiches, verbunden mit dem Erstarken des Nationalismus der Balkanvölker, entstanden territoriale Ansprüche in Bezug auf Makedonien, die auch die dort ansässige Bevölkerung einbezogen. Für Bulgarien war derjenige Teil der slawischen Bevölkerung Mazedoniens, der sich zum bulgarisch-orthodoxen Christentum (→ Bulgarisches Exarchat) bekannte, bulgarisch.[8] Für Serbien handelte es sich dabei um Serben, für die Griechen um „Konationale“, die durch einen „historischen Irrtum“ eine slawische Sprache sprachen.[9]

Die Bulgaren behaupteten, die bäuerlichen Einwohner seien Bulgaren, weil sie einen dem Bulgarischen sehr ähnlichen Dialekt sprachen. Die Serben beriefen sich auf ähnliche Volksbräuche, die Griechen wiesen auf die Verbreitung der griechisch-orthodoxen Kirche hin und dass die Griechen seit Alexander dem Großen in dem Gebiet lebten. Nach 1890 begannen Teile der Bildungsoberschicht zu verkünden, dass es eine gesonderte, mazedonische slawische Nation gäbe. Die meisten Mazedonier fühlten aber wohl lediglich lokale Bindungen an Familie, Religion und Dorf.[10]

Jüngere Geschichte und heutige Situation

Nordmazedonien

Der mazedonische Nationsbildungsprozess ist eng verbunden mit der Etablierung des zweiten, sozialistischen und föderativen Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg.[11] Schon im Vorfeld beschloss die AVNOJ in Jajce am 29. November 1943 die Errichtung einer „Republik Makedonien“ in einem zukünftigen föderalen Jugoslawien. Vertreter der makedonischen Kommunisten fehlten jedoch bei diesem Beschluss. Die Beschlüsse von Jajce zeigten den politischen Willen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, eine makedonische Sprache und Nation zu schaffen, was in den nächsten Jahren konsequent verwirklicht wurde.[6]

1944 wurden die Mazedonier dann zu einem der Staatsvölker des sozialistischen Jugoslawien erklärt[1] und bekamen eine eigene sozialistische Republik zugesprochen. Dadurch sollte eine Bevölkerung, die zwischen den zwei Weltkriegen dem Königreich Jugoslawien ablehnend bis feindlich gegenübergestanden hatte, in das titoistische Jugoslawien integriert werden.[1] Die slawisch-christliche Bevölkerung Makedoniens wurden damit nicht mehr wie von der Regierung in Belgrad als Südserben bezeichnet, oder wie von der bulgarischen Regierung und der makedonischen nationalrevolutionären Bewegung im Osmanischen Reich als regionale Gruppe der bulgarischen Nation betrachtet.[11]

In dieser Zeit wurde die mazedonische Sprache durch einen Beschluss des Antifaschistischen Rats der Volksbefreiung Mazedonien zur Amtssprache Nordmazedoniens proklamiert[12][13] und in der Folge zu einer voll funktionierenden, serbisch geprägten[14] Standardsprache ausgebaut und ein mazedonisches Alphabet, nach dem Vorbild des serbischen Alphabets von Vuk Stefanović Karadžić[15] entwickelt. Das Ziel war die Herausbildung einer eigenständigen, von der bulgarischen unterschiedenen nationalen Identität. Zu diesem Zweck wurde, wie üblich bei Nationenbildungen, auch ein kontinuierliches mazedonisches Geschichtsbild entworfen.[14] Zu dieser Politik gehört zum Beispiel die Vereinnahmung der Apostel Kyrill und Method als Mazedonier wegen ihres Geburtsortes Thessaloniki und die Vereinnahmung des mittelalterlichen Reiches des Zaren Samuil als mazedonisch.[16]

Probleme gab es mit Griechenland, das sich immer weigerte, Mazedonien unter seinem verfassungsmäßigen Namen Republik Mazedonien (Republika Makedonija) anzuerkennen, da es Gebiets- und Kulturgüteransprüche fürchtete.[17] Stattdessen hatte Griechenland Mazedonien unter dem provisorischen Namen Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien anerkannt, unter dem das Land auf griechischen Druck auch in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde, und verwendete intern meist den Namen Republik Skopje oder die englische Abkürzung FYROM (→ Hauptartikel Streit um den Namen Mazedonien).

Die Mehrheit der Mazedonier gehört heute der mazedonischen orthodoxen Kirche an, die jedoch von keiner anderen orthodoxen Kirche als autokephal anerkannt ist. Bei den kleinen Gruppen der Torbeschen und Goranen handelt es sich um muslimische Mazedonier.

Viele slawische Mazedonier haben in der Zeit des EU-Beitritts Bulgariens die bulgarische Staatsbürgerschaft angenommen.[18]

Griechenland

Im griechischen Teil Makedoniens wurden in den 1920er Jahren auch zahlreiche aus Kleinasien vertriebene Griechen angesiedelt, sodass dort der Bevölkerungsanteil der slawischen Bevölkerung stark sank. Bis heute sind hier die Slawen nicht als ethnische Minderheit anerkannt.[19] Damit hängt zusammen, dass die slawischen Mazedonier in Griechenland ihr Idiom weder zu einer Standardsprache ausbauen noch sich der Standardisierung in der jugoslawischen Republik Mazedonien anschließen konnten; sie sprechen das so genannte Ägäis-Mazedonische.

Bulgarien

Als in der Nachkriegszeit die Bulgarische Kommunistische Partei innerhalb der Regierung der Vaterländischen Front die stärkste Kraft wurde, setzte sie zur Überwindung der zwischenstaatlichen Streitigkeiten mit dem sozialistischen Jugoslawien auf dem Plan einer Balkanföderation, die zunächst Jugoslawien und Bulgarien umfassen sollte und später eventuell Rumänien und das nicht-kommunistische Griechenland.[8]

Im Mittelpunkt dieses Föderationsplans hatte die Schaffung einer makedonischen Nation gestanden, die als Bindeglied zwischen dem kommunistischen Bulgarien und kommunistischen Jugoslawien dienen sollte. In diesem Hintergrund wurde auch die neu erschaffene mazedonische Normsprache in den bulgarischen Teilen der geographischen Region Makedonien als offizielle Sprache propagiert. Parallel zu den im Tito-Jugoslawien laufenden Prozessen zur Etablierung der mazedonischen Nation leitete die kommunistische Regierung Bulgariens Prozesse zur Herausbildung einer mazedonischen nationalen Minderheit mit beschränkter Kulturautonomie, mit eigenen Schulen und Zeitungen innerhalb Bulgariens ein.[8]

Der Föderationsplan war jedoch nach Stalins Intervention 1948 gescheitert, die unternommenen Anstrengungen seitens Bulgariens brachten jedoch eine weitgehende Normalisierung der Nachkriegsbeziehungen zu Jugoslawien. Spätestens seit den sechziger Jahren aber änderte sich die bulgarische Politik gegenüber der im Land anerkannten mazedonischen Minderheit und eigenständigen Sprache, sodass deren Existenz mehr und mehr in Abrede gestellt wurde. Dieses fand in der bulgarischen Gesellschaft auch deshalb Zustimmung, weil ein Viertel bis ein Drittel der bulgarischen Bevölkerung Nachkommen von bulgarischen Flüchtlingen aus Makedonien und Thrakien sind. Das Problem mit der vom kommunistischen Regime anerkannten mazedonischen Minderheit und mazedonischen Nation als Ganzes blieb jedoch bis heute bestehen.[8]

Nach der Unabhängigkeit der Republik Nordmazedonien 1991 war Bulgarien der erste Staat, der sie anerkannte,[20] jedoch bezog sich diese Anerkennung bis 1999 lediglich auf den Staat, während die Existenz einer mazedonischen Nation sowie einer mazedonischen nationalen Minderheit auf bulgarischem Territorium negiert wurde.[21]

2011 bekannten sich bei der Volkszählung jedoch nur 1654[22] Bewohner (weniger als 1 % der gesamten Bevölkerung) Bulgariens als Mazedonier, trotzdem spricht man in Skopje von 200.000 Angehörigen einer in der Umgebung von Blagoewgrad,[23] bis 750.000 in gesamten Land lebenden „Minderheit“.[24]

Albanien

Albanisch-mazedonisches Strassenschild im Ort Pustec

2011 erklärten sich in Albanien bei der letzten Volkszählung 5512 Personen als «slawische Mazedonier». 4443 gaben hingegen Mazedonisch als Muttersprache an. Ein Großteil davon siedelt in Pustec, einer der 61 Gemeinden Albaniens. Das Minderheitengebiet ist offiziell zweisprachig und wurde deswegen bei der letzten Territorialreform 2015 nicht in eine größere Gemeinde eingebunden, obwohl der Ort rund 3000 Einwohner hat. 2013 änderte das Parlament Albaniens die Ortsbezeichnung offiziell von der albanischen Version Liqenas zur mazedonischen Version Pustec. Es gibt ein mazedonischsprachiges Gymnasium und Grundschulen mit Mazedonisch-Unterricht. Außerdem sind Hinweis- und Strassenschilder zweisprachig aufgeführt. Kleinere mazedonische Bevölkerungsgruppen soll es zudem in den Grenzgebieten zu Nordmazedonien und in den größeren Städten Albaniens geben bzw. gegeben haben.

Siehe auch

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 Heinz Willemsen: Das politische System Makedoniens, in: Die politischen Systeme Osteuropas, Hrsg. Wolfgang Ismayr, Opladen 2006, S. 770.
  2. Durch das Prespa-Abkommen wurden, zumindest aus rechtlicher Sicht, derartige Ansprüche aufgegeben.
  3. Gustav Weigand: Ethnographie von Makedonien. 1924 S. 10.
  4. Census 2011 (bulg.) (PDF; 1,6 MB), Nationales Statistikamt Bulgariens, Endergebnisse der Volkszählung von 2011, S. 23.
  5. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Auflage, Band 17, Leipzig usw. 2006, ISBN 3-7653-4117-7, S. 488.
  6. 6,0 6,1 Daniel Blum: Sprache und Politik. Sprachpolitik und Sprachnationalismus in der Republik Indien und dem sozialistischen Jugoslawiens (1945–1991), Ergon Verlag, Würzburg 2002, ISBN 3-89913-253-X, S. 154 f.
  7. Stefan Troebst: Das makedonische Jahrhundert. Von den Anfängen der nationalrevolutionären Bewegung zum Abkommen von Ochrid 1893–2001. Ausgewählte Aufsätze. Verlag Oldenbourg, München 1996, ISBN 978-3-486-58050-1, S. 28.
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 Ulrich Büchsenschütz: Nationalismus und Demokratie in Bulgarien seit 1989 in Egbert Jahn (Hrsg.): Nationalismus im spät- und postkommunistischen Europa. Band 2: Nationalismus in den Nationalstaaten. Verlag Nomos, 2009, ISBN 978-3-8329-3921-2, S. 572–573.
  9. Claudia Weber: Auf der Suche nach der Nation. Erinnerungskultur in Bulgarien von 1878–1944 (= Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas 2). Lit-Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-7736-1, S. 165 f.
  10. Steven W. Sowards: Moderne Geschichte des Balkans. Der Balkan im Zeitalter des Nationalismus. BoD, Seuzach 2004, ISBN 3-8334-0977-0, S. 244.
  11. 11,0 11,1 Heinz Willemsen/Stefan Troebst: Schüttere Kontinuitäten, multiple Brüche; Die Republik Makedonien 1987–1995 in Egbert Jahn (Hrsg.): Nationalismus im spät- und postkommunistischen Europa. Band 2: Nationalismus in den Nationalstaaten. Verlag Nomos, 2009, ISBN 978-3-8329-3921-2, S. 517.
  12. Wolf Oschlies: Lehrbuch der makedonischen Sprache: in 50 Lektionen. Verlag Sagner, München 2007, S. 9, ISBN 978-3-87690-983-7: „[…] den Beschluss des ASNOM (Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Mazedoniens), der am 2. August 1944 in dem südserbischen (oder nordmakedonischen) Kloster Sv. Prohor Pćinjski die Republik Makedonien (innerhalb der jugoslawischen Föderation) und in dieser die „makedonische Volkssprache als Amtssprache“ proklamierte. […]“
  13. The Making of the Macedonian Alphabet
  14. 14,0 14,1 Ljubčo Georgievski: Mit dem Gesicht zur Wahrheit. Ausgewählte Aufsätze, Essays und Vorträge (bulg. С лице към истината. Избрани статии, есета, речи), Verlag Balkani, Sofia 2007, ISBN 978-954-9446-46-3.
  15. Peter M. Hill: Makedonisch (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 436 kB). In: Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt: Wieser, 2002 (= Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens, Bd. 10), S. 297 f.
  16. Jutta de Jonng: Die makedonische Nationswerdung – eigenstaendige Integration oder kuenstliche Synthese? In: Jugoslawien. Integrationsprobleme in Geschichte und Gegenwart, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984, S. 171, ISBN 3-525-27315-0.
  17. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es für kurze Zeit, nach dem zweiten Balkankrieg, einen aus Reste des osmanischen Reichs gebildeten Staat „Mazedonien“, südlich von Serbien und westlich von Bulgarien gelegen. Dieser Staat umfasste sowohl eindeutig griechische Gebiete, z. B. Thessaloniki und die Halbinsel Chalkidike, als auch eindeutig südslawische Gebiete, z. B. die Stadt Skopje und Umgebung.
  18. Fokus Südosteuropa, dw.de, Redaktion: Fabian Schmidt, Autor: Sveto Toevski / Mirjana Dikic, 11. August 2010.
  19. Vgl. den Bericht von Human Rights Watch: Denying Ethnic Identity – The Macedonians of Greece (engl.; PDF; 260 kB).
  20. Vgl. Filip Dimitrow: Bulgaria’s Recognitions (Memento vom 22. Dezember 2008 im Internet Archive) in der Zeitschrift Foreign Policy; Die politischen Systeme Osteuropas, Hrsg. Wolfgang Ismayr, Opladen 2006 , ISBN 3-8100-4053-3; Ljubomir Ivanov et al.: Bulgarian Policies on the Republic of Macedonia: Recommendations on the development of good neighbourly relations following Bulgaria’s accession to the EU and in the context of NATO and EU enlargement in the Western Balkans (Memento vom 20. Juni 2008 im Internet Archive) [dreisprachig: Bulgarisch, Mazedonisch und Englisch,] Sofia: Manfred Wörner Foundation 2007/2008, ISBN 978-954-92032-2-6.
  21. Für einen kurzen historischen Überblick vgl. Herbert Küpper, Minderheitenschutz in Osteuropa: Bulgarien (Memento vom 31. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 853 kB), [Köln 2003], S. 25 f.; für die aktuelle Situation vgl. den Abschnitt „Die mazedonische Minderheit“ im Kapitel „Bulgarien“, in: amnesty international, Jahresbericht 2007.
  22. Census 2011 (bulg.) (PDF; 1,6 MB), Nationales Statistikamt, Endergebnisse der Volkszählung von 2011, S. 23.
  23. Wolfgang Libal/ Christine von Kohl: Der Balkan. Stabilität oder Chaos in Europa, Europa-Verlag, 2000, ISBN 3-203-79535-3, S. 104–105.
  24. Според процените што се правени во македонското МНР … во Бугарија има 750.000 Македонци (Memento vom 30. Juli 2013 im Internet Archive) (aus dem Mazedonischen: Nach Schätzungen des mazedonischen Außenministeriums leben in Bulgarien 750.000 Mazedonier), Onlineversion der Zeitung Dnevnik vom 15. August 2011, abgerufen am 1. September 2011.
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