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Permafrostboden
Permafrost – auch Dauerfrostboden – ist das ganze Jahr hindurch gefroren. Definitionsgemäß ist Permafrost „Boden, Sediment oder Gestein, welches in unterschiedlicher Mächtigkeit und Tiefe unter der Erdoberfläche mindestens zwei Jahre ununterbrochen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aufweist“.[1] Permafrostforschung ist Gegenstand der Periglazialforschung.
Verbreitung
Permafrostböden bilden sich dort, wo die Jahresdurchschnittstemperatur −1 °C und der Jahresniederschlag 1000 Millimeter nicht übersteigt. Somit befinden sich die großen Permafrostareale der Erde in den Polargebieten mit den arktischen und antarktischen Tundren, in großen Teilen der borealen Nadelwaldgebiete, aber auch in sämtlichen Gebieten, die die Voraussetzungen für Permafrost erfüllen, wie etwa Hochgebirge. Als Permafrostzone bezeichnet man „das zirkumpolare Gebiet ewiger Gefrornis, das die Tundra der Nordkontinente, die großen Waldgebiete sowie offshore Zonen des Meeresbodens umfasst“.[2][3][4]
Geographisch gesehen handelt es sich um große Teile Nordkanadas, Alaskas, Grönlands und Ostsibiriens. Etwa 20 bis 25 % der Landflächen der Erde sind in der Permafrost-Zone. Die Permafrost-Zone ist aber nicht zu 100 % der Fläche von Permafrost unterlagert, sondern beinhaltet ein Zone kontinuierlichen (>90 Flächen%), diskontinuierlichen (>50-90 Flächen%), sporadischen (>10-50 Flächen%) und isolierten (<10 Flächen%) Permafrosts. Grönland liegt zu 99 %, Alaska zu 80 %, Russland zu 50 %, Kanada zu 40 bis 50 % und China bis zu 20 % aus in der Permafrost-Zone.[5] Nach Süden reichen einige Permafrostgebiete bis in die Mongolei. Permafrost dringt dabei unterschiedlich tief in den Untergrund: In Sibirien erreicht der Permafrost Tiefen von bis zu 1500 Meter, in Skandinavien sind es lediglich ca. 20 Meter. Gründe dafür liegen in der großen Kontinentalvergletscherung der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit). Sibirien war nie in größerem Maße vergletschert. Daher war der Boden permanent der Kaltluft ausgesetzt, so dass er bis in sehr tiefe Lagen gefrieren konnte. Dagegen war Skandinavien durch die mächtigen Eisschilde im Untergrund mehr oder weniger isoliert, wodurch der Permafrost nicht so tief eindringen konnte.
Permafrostareale gibt es auch in Hochgebirgsregionen, wie beispielsweise den Alpen. Sie sind während der letzten Eiszeit (Würm-Kaltzeit) entstanden als der Boden stellenweise bis in mehrere 1000 Meter Tiefe gefror. Neben diesen fossilen Permafrostgebieten in den Alpen findet heute – wenn auch nur in sehr geringem Umfang – auch rezente Permafrostneubildung statt (zum Beispiel durch das Zurückweichen eines isolierend wirkenden Gletschers oder Blockgletschers, wodurch der Boden direkt der Kaltluft ausgesetzt ist und sich Permafrost neu bilden kann, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind). Andererseits bewirkt ein Anstieg der mittleren Lufttemperatur ein Auftauen von Permafrostboden in den Alpen, dem die Wasserfassung (für Trinkwasser und Wasserkraft) der Richterhütte auf 2.374 m Höhe in den Zillertaler Alpen 2015 zum Opfer fiel.[6] Auch das Sonnblick-Observatorium ist auf lange Sicht gefährdet.
Zudem gibt es auch submarinen Permafrost, also Permafrostböden am Grund der Meere. Durch die Dichteanomalie des Wassers eigentlich physikalisch unmöglich, erklärt sich dieser folgendermaßen: durch die eustatische Meeresspiegelschwankung der letzten Eiszeit lagen viele Kontinentalschelfe, die heute wieder unter Wasser stehen, über dem Meeresspiegel, wodurch die Böden dort bis in mehrere 100 Meter Tiefe Permafrost ausbilden konnten.[7] Das Meerwasser, das den Schelf in der folgenden Warmphase wieder überflutete, war zu kalt, um den dann submarinen Permafrost wieder auftauen zu können. Die bekanntesten submarinen Permafrostgebiete liegen in der Laptewsee im Nordpolarmeer.
Permafrostböden können im Sommer oberflächlich auftauen; der Auftauboden (in der Literatur häufig auch als „active layer“ bezeichnet) ist meist zwischen 30 Zentimetern und 2 Metern tief. Der darunter liegende Boden bleibt weiterhin gefroren. Bedingt durch den Auftauboden finden zahlreiche periglaziale Denudationsprozesse statt. Die außerhalb der Periglazialgebiete gebildete, periodisch gefrorene, obere Bodenschicht bezeichnet man als Winterfrostboden; dieser gehört nicht zu den Permafrostböden (zum Beispiel der in Zentraleuropa gefrorene Oberboden im Winter).
Zukunftsprognosen gehen aufgrund der zunehmenden Erderwärmung von einem Rückgang der Permafrostgebiete weltweit um 25–44 % bei einer Anhebung der Globaltemperatur um 2 K aus.[8]
Gliederung des Permafrosts
- Horizontale Gliederung
- Zone des kontinuierlichen Permafrosts (90 bis 100 % des Unterbodens einer Region sind gefroren)
- Zone des diskontinuierlichen Permafrosts (mehr als 50 % des Unterbodens einer Region sind gefroren)
- Zone des sporadischen Permafrosts (lückenhafte Verteilung des gefrorenen Unterbodens)
Vertikale Gliederung (von oben nach unten)
- sommerlicher Auftauboden (active layer), der bei höheren Temperaturen mehr oder weniger stark aufgetaut sein kann (Mächtigkeit: wenige Zentimeter bis mehrere Meter)
- eigentlicher Dauerfrostboden ist immer gefroren; die Oberfläche, also die Grenze zum Auftauboden, wird als Permafrosttafel bezeichnet
- Niefrostboden ist aufgrund der geothermischen Wärmezufuhr aus dem Erdinneren ungefroren, liegt in einigen Dekametern bis maximal 1.500 Meter Tiefe
Ein nicht gefrorener Bereich innerhalb des Dauerfrostbodens wird als Talik bezeichnet. Dabei werden offene und geschlossene Taliki unterschieden, letztere haben keinen Kontakt zum Auftauboden.
Paläontologische Bedeutung
In Permafrostböden wurde die voreiszeitliche Fauna und Flora vorzüglich konserviert. Das gefundene biologische Material ist dabei permanent tiefgefroren. Dadurch sind auch DNA-Analysen der Funde möglich, was bei Fossilien sonst nicht möglich ist. So wurde 1997 ein sehr gut erhaltenes Wollhaarmammut (das Jarkov-Mammut) auf der Taimyr-Halbinsel in Nordsibirien von dem Dolganen Gennadij Jarkow gefunden, das umfassend untersucht wurde.
Die Leinkrautart Silene stenophylla konnte sich im sibirischen Permafrost über 30.000 Jahre halten. 2012 gelang es Forschern der Russischen Akademie der Wissenschaften, Pflanzen aus gefrorenen Resten heranzuziehen.[10]
Viren, wie das 30.000 Jahre alte Mollivirus sibericum, wurden ebenfalls im Permafrostboden gefunden.[11]
Rückgang von Permafrostböden
Im Zuge der globalen Erwärmung wurde in den letzten Jahrzehnten eine Nordwärtswanderung der Permafrostgrenze in Nordamerika und in geringerem Umfang auch in Eurasien beobachtet. Die Folgen sind Schäden an Straßen und Häusern, die dort, wo der Permafrost auftaut, nun nur noch auf Morast stehen. Langfristig wird ein Auftauen in noch wesentlich größerem Ausmaß befürchtet, da die Klimamodelle eine weit überdurchschnittliche Erwärmung in der Arktis voraussagen. Einige Wissenschaftler nehmen an, dass es zu einer positiven Rückkopplung kommen könnte, da in den dauerhaft gefrorenen Böden als Biomasse gebundener Kohlenstoff in großer Menge vorhanden ist, der beim Abtauen und Abbau der Biomasse als Treibhausgas Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben würde.
Darüber hinaus wird in diesem Fall in Permafrostböden in großen Mengen gebundenes Methan in die Atmosphäre entweichen. Dieser Vorgang wäre eine Verstärkung der Erwärmung, da das Treibhauspotenzial von Methan etwa 25 mal so groß ist wie das von CO2. Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 beträgt dieser Faktor sogar 33, wenn Wechselwirkungen mit atmosphärischen Aerosolen berücksichtigt werden.[12] Die wirtschaftlichen Folgekosten alleine der Freisetzung von Methangas beim Abtauen des Permafrosts unter der Ostsibirischen See (Arktis) im Zuge der Klimaerwärmung werden auf weltweit 60 Billionen US-Dollar geschätzt.[13]
Laut Scientific Reports tauen an den Küsten der Antarktis selbst bisher stabile Permafrostböden vor allem wegen einer intensiveren Sonneneinstrahlung schneller als bislang erwartet.[14]
Das Auftauen von Permafrostböden sorgt kurzfristig und lokal bereits für erhebliche und bedrohliche Veränderungen der Topographie. Vor allem im Norden Russlands sinken große ebene Flächen innerhalb kurzer Zeit plötzlich ab, wenn das gefrorene Wasser taut und an Volumen verliert, eingeschlossenes Gas entweicht, und das durchlöcherte Erdreich in der Folge unter dem eigenen Gewicht in sich zusammensinkt. Zurück bleibt auf weiten Flächen eine Kraterlandschaft mit schiefen und entwurzelten Bäumen und Seen, gefüllt mit Tauwasser. Auch der unter der Meeresoberfläche liegende („submarine“) Permafrost vor der russischen Küste beginnt durch den Zufluss warmen Wassers verstärkt aufzutauen.[15]
Das oberflächliche Auftauen der Böden bereitet viele Probleme beim Bau von Gebäuden. Wurden Gebäude im Winter auf den gefrorenen Böden gebaut, kann es passieren, dass sie bei seinem Auftauen wieder einstürzen. In Gebieten mit Permafrostböden werden deshalb Gebäude vornehmlich auf Pfählen gebaut, die bis in die permanent gefrorenen Bereiche des Bodens hinabreichen und somit auf festem Grund stehen. Außerdem kann Luft den Unterboden des Hauses umströmen und die vom Gebäude abgestrahlte Wärme abtransportieren, um den darunter liegenden Boden nicht auftauen zu lassen.
Das Auftauen der Permafrostböden in den Alpen hingegen setzt ganze Berghänge in Bewegung.[16] Am Bliggferner in den Alpen rutschen derzeit etwa vier Millionen Kubikmeter Gestein und Eis in Richtung Tal. Diese Gebirgsmasse wandert täglich 20 Zentimeter, reißt den Gletscher zunehmend auf, und macht ein plötzliches Abrutschen immer wahrscheinlicher. Ein Abrutschen in den Gepatsch-Stausee könnte den See über die Staumauer treten lassen und damit eine Flutwelle ähnlich wie im Fall der Vajont-Staumauer in den italienischen Alpen auslösen.[17][18]
Auch in Gebirgslagen Norwegens zeigt sich ein ähnliches Bild: Mit 0 bis −3 °C ist der dortige Permafrostboden wärmer, als man gemeinhin denkt. Deshalb sind auch dort bei anhaltender Klimaerwärmung massive Erdrutsche wahrscheinlich, da das gefrorene Wasser als Bindemittel loses Gestein, Sand und dergleichen zusammenhält. Als Folge von Murgang könnten in den engen Fjordschluchten bis zu 45 Meter hohe Tsunamis entstehen.[19]
Sonstiges
Es wird vermutet, dass das einst auf dem Mars reichlich vorhandene Wasser sich heute zumindest zum Teil als Eis im Boden befindet. Somit würde es auch dort gefrorene Böden geben.
Eine Erdwärme nutzende Wärmepumpenheizung kann zu einem künstlichen Permafrostboden führen, wenn die abgezogene Wärmeenergie nicht mehr durch die Umwelt ausreichend nachgeliefert werden kann. In diesem Fall bildet sich um die Wärmetauscherschlangen im Erdreich ein Block aus gefrorenem Boden, der die Heizleistung deutlich reduziert.
Siehe auch
Literatur
- A. Strahler & A. Strahler: Physische Geographie. 2002.
- M.A. Summerfield: Global Geomorphology. An Introduction to the Study of Landforms. 1991.
- H. Zepp: Grundriss Allgemeine Geographie: Geomorphologie. 2004.
- F. Ahnert: Einführung in die Geomorphologie. 1996.
- H. French: The Periglacial Environment. 2004.
- H. Leser: Geomorphologie. – Das Geographische Seminar. 2003.
- J. Karte: Räumliche Abgrenzung und regionale Differenzierung des Periglaziärs. 1979.
- A. Semmel: Periglazialmorphologie. 1985.
- W.D. Blümel: Physische Geographie der Polargebiete. 1999.
- Bernhard Wietek: Permafrost im Gipfelbereich. Internationale Seilbahnrundschau 2/2007.
Weblinks
- Videoanimation des Alfred-Wegener-Instituts: Was ist Permafrost?
- Permafrost auf den Punkt gebracht: Die Themenseite des Alfred-Wegener-Instituts
- Bauen im Permafrost – Ein Leitfaden für die Praxis. (PDF; 7,0 MB) Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf, 2009
- Spiegelbericht über Permafrost in Kanada
- Online Lehrbuch zur Physischen Geographie
- Permafrost über Permafrost und Klimawandel im Bildungswiki klimawiki.org
- Global Terrestrial Network for Permafrost (GNT-P), internationales Programm zur Erfassung von Permafrostparametern, mit Permafrostdaten und -karten
- Unbekannte Methan-Mikrobe im arktischen Permafrostboden entdeckt
Einzelnachweise
- ↑ Lexikon der Geowissenschaften. 2., 2000, S. 326.
- ↑ G. Hintermaier-Erhard et al.: Wörterbuch der Bodenkunde. S. 205.
- ↑ Alexey Portnov, Andrew J. Smith et al.: Offshore permafrost decay and massive seabed methane escape in water depths >20 m at the South Kara Sea shelf. 40, GRL, 2013, S. 3962–3967, doi:10.1002/grl.50735. Online PDF
- ↑ Max, M.D.: Natural Gas Hydrate: Coastal Systems and Continental Margins. 5 Auflage. Springer, 2000, ISBN 978-94-011-4387-5, S. 415. Online PDF
- ↑ Permafrost. The Canadian Encyclopedia
- ↑ Klimawandel zerstört Hüttenkraftwerk, orf.at, 11. September 2015, abgerufen 5. Oktober 2015.
- ↑ WTZ-Projekt Permafrost. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
- ↑ Oleg A. Anisimova, Frederick E. Nelson: Permafrost distribution in the Northern Hemisphere under scenarios of climatic change. In: Global and Planetary Change. Band 14, Nr. 1–2, August 1996, S. 59–72. doi:10.1016/0921-8181(96)00002-1.
- ↑ Peter U. Clark, Arthur S. Dyke, Jeremy D. Shakun, Anders E. Carlson, Jorie Clark, Barbara Wohlfarth, Jerry X. Mitrovica, Steven W. Hostetler, A. Marshall McCabe: The Last Glacial Maximum. In: Science. 325, Nr. 5941, 2009, S. 710–714.
- ↑ Meldung auf handelsblatt.com vom 21. Februar 2012, abgerufen am 21. Februar 2012
- ↑ AFP: "Scientists to reanimate 30,000-year-old 'giant virus' found in Siberia" Daily Telegraph vom 8. September 2015
- ↑ D. T. Shindell; G. Faluvegi, D. M. Koch, G. A. Schmidt, N. Unger und S. E. Bauer (2009): Improved attribution of climate forcing to emissions. Science 326, Nr. 5953, S. 716–718.
- ↑ Monika Seynsche: Methan aus tauendem Permafrost, dradio.de, Deutschlandfunk, Forschung Aktuell, 24. Juli 2013
- ↑ Badische Zeitung, Panorama, 25. Juli 2013, Dpa: Permafrostboden schmilzt immer schneller, badische-zeitung.de, 26. Juli 2013
- ↑ Forscher messen erstmals Methan-Ausbruch vor Sibirien, Spiegel.de, abgerufen am 5. März 2010
- ↑ Klimawandel in den Alpen, faz.net
- ↑ Permafrost – Und dann war der Gipfel weg, sueddeutsche.de 27. Dezember 2007 (Kopie auf waltner.co.at)
- ↑ Rutschungs-Katastrophen
- ↑ «Limet» i bakken forsvinner („Der «Klebstoff» im Boden verschwindet.“) – Nachricht am 21. Mai 2009 bei yr.no (Bokmål, abgerufen am 23. Juni 2009)
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