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Piero Sacerdoti

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Piero Sacerdoti (geboren am 6. Dezember 1905 in Mailand; gestorben am 30. Dezember 1966 in St. Moritz) war ein italienischer Jurist, langjähriger Geschäftsführer der Riunione Adriatica di Sicurtà und Hochschullehrer für Arbeitsrecht an Università degli Studi di Milano.

Leben

Piero Sacerdoti

Piero Sacerdoti wurde 1905 als Sohn des Ingenieurs Nino Sacerdoti und Margherita Donati, die aus einer einflussreichen, weit verzweigten jüdischen Kaufmannsfamilie in Modena stammt, in Mailand geboren.

Nach seinem Schulabschluss am Liceo Parini in Mailand begann er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Mailänder Universität. 1927 promovierte er im Verwaltungsrecht mit dem Thema Der Gewerkschaftsverband im italienischen Recht. Im September 1927 absolvierte er ein dreimonatiges Praktikum bei der Commerzbank in Berlin. 1928 erwarb er an der Universität von Pavia einen zweiten Hochschulabschluss in Politikwissenschaften. Nach der Rückkehr aus Berlin wurde ihm eine Stelle im Londoner Büro der italienischen Versicherungsgesellschaft Riunione Adriatica di Sicurtà (RAS) angeboten. 1929 erhielt er seine Zulassung als Rechtsanwalt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit arbeitete er als Privatdozent für Arbeitsrecht.

1933 wurde er zum stellvertretenden Generaldirektor der RAS ernannt. Zu seinen Aufgaben zählten die Gründung und Betreuung der Niederlassungen in Belgien, Frankreich, Schweiz und Spanien. 1936 wurde er zum Direktor der Unfall- und Lebensversicherung (Protectrice) der RAS in Paris berufen.

Nach der Besetzung der französischen Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg durch die Wehrmacht, verlegte man 1940 den Sitz der Protectrice unter der Leitung von Sacerdoti nach Marseille. Durch die Teilung Frankreichs konnte Sacerdoti zunächst nur in der Unbesetzten Zone in Südfrankreich und Nordafrika tätig werden, erst im Herbst 1940 erhielt er eine Sondergenehmigung, mit der er auch kurze Dienstreisen in die Besetzte Zone Frankreichs unternehmen konnte.

Als italienischer Staatsbürger war Piero Sacerdoti vor den Repressalien der antijüdischen Maßnahmen und dem Zugriff der Vichy-Behörden geschützt. Nach der Besetzung von Südfrankreich durch die Wehrmacht im November 1942 flüchtete Sacerdoti mit seiner deutschen Ehefrau Ilse Klein nach Nizza, welches sich bis September 1943 in der italienisch besetzten Zone in Südfrankreich befand. Gemeinsam mit dem Cousin seiner Mutter, dem Diplomaten Angelo Donati, half er bei der Organisation der Flucht jüdischer Emigranten in die Schweiz und nach Italien. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und Angelo Donati half er, im August 1942 die Kinder Marianne und Rolf Spier zu verstecken, deren Eltern Karl Ludwig und Hilde Spier – Verwandte von Sacerdotis Ehefrau – nach Auschwitz deportiert wurden.[1][2]

Im Sommer 1943 erhielt Sacerdoti mit seiner Ehefrau die Erlaubnis, seine Familie in Stresa in Italien zu besuchen. Am 3. September 1943 trat Italien mit dem Waffenstillstand von Cassibile aus dem Krieg aus und die Deutschen besetzten die italienische Zone in Frankreich und Italien, so dass die Familie Sacerdoti eine Verhaftung und Deportation befürchten musste. Mit Hilfe von Freunden gelang ihnen am 20. November 1943 die Flucht in die Schweiz. In Genf setzte Piero Sacerdoti seine Tätigkeit für die Protectrice fort und gab unter anderem zusammen mit Luigi Einaudi, Amintore Fanfani und Donato Donati Lehrveranstaltungen in Verwaltungsrecht für geflüchtete italienische Studenten in der Schweiz.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er nach Paris zurück und begann mit dem erfolgreichen Wiederaufbau der Protectrice in Frankreich, in dem er die Versicherung mit einigen kleineren Gesellschaften (L'Empire und Vigilance) fusionierte. 1947 wurde er als Geschäftsführer und 1949 als Generaldirektor der Riunione Adriatica di Sicurtà (RAS) ernannt.[3]

Piero Sacerdoti führte im Unternehmen zahlreiche neue Versicherungselemente von globalen Policen, über Gruppenlebensversicherungen für Beschäftigte eines Unternehmens bis hin zu Hagelschlagversicherungen für Zitronenhaine ein. Er gehörte 1953 zu den Initiatoren des Europäischen Versicherungsausschusses (European Insurance Committee – CEA).[4]

1954 wurde er an den Lehrstuhl für Arbeitsrecht der Universität Mailand berufen, den er 1964 aufgrund seiner zahlreichen beruflichen Verpflichtungen aufgeben musste.[3] Er untersuchte seit 1957 im Rahmen seiner Tätigkeit das Risiko, dass Dritte bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie eingehen und rief 1959 die erste italienische Versicherung gegen Atomschäden ins Leben, die unter anderem den an der Universität von Cagliari installierten experimentellen Kernreaktor versicherte.

Er beteiligte sich an der Ausarbeitung eines 1960 unterzeichneten, internationalen Abkommens im Rahmen der Europäische Organisation für Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit, das darauf abzielte, rechtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Ländern auszugleichen. 1963 übernahm Sacerdoti das Auslandsgeschäft der RAS-Gruppe und eröffnete weltweit zahlreiche neue Zweigbüros.[4]

Im Rahmen seiner Tätigkeit publizierte Piero Sacerdoti zahlreiche Werke zu versicherungsrechtlichen Fragen und veröffentlichte eine umfangreiche Studie zum Thema Ein Jahrhundert des Versicherungsgeschäfts in der italienischen Wirtschaft (1865-1965).

Piero Sacerdoti starb im Alter von 61 Jahren am 30. Dezember 1966 an einem Herzinfarkt in St. Moritz. Er wurde unter großer Anteilnahme von zahlreichen Vertretern der in- und ausländischen Versicherungswirtschaft sowie italienischen Politikern auf dem Mailänder Hauptfriedhof beigesetzt.[5]

Familie

Piero Sacerdoti war der einzige Sohn von Nino Sacerdoti und Margherita Donati. Das Ehepaar hatte noch zwei Töchter: Luisa (1903 – 1979) und Gabriella (1910 – 1994). 1938 lernte Piero Sacerdoti die aus Köln stammende Ilse Klein (1913 – 2001) in Paris kennen. Ilse Klein war die älteste Tochter des jüdischen Rechtsanwaltes Siegmund Klein, der als Richter am Kölner Oberlandesgericht tätig war. Nachdem Ilse Klein nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten der Zugang zum Studium verwehrt wurde, ging sie im Oktober 1933 nach Paris, wo sie ab 1935 als Fremdsprachensekretärin für Metro-Goldwyn-Mayer arbeitete. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris wurde Ilse Klein verhaftet und unter anderem im Vélodrom d'Hiver und im Lager Gurs interniert. Nach der Teilung Frankreichs in eine Besetzte und Unbesetzte Zone am 22. Juni 1940 wurde sie aus Gurs entlassen und lies sich gemeinsam mit Piero Sacerdoti zunächst in Marseille nieder. Am 14. August 1940 heirateten sie und Ilse Sacerdoti erhielt mit der Heirat die italienische Staatsbürgerschaft.

Ilses Bruder Walter und ihre Eltern emigrierten im August 1938 bzw. im Februar 1939 in die Niederlande. Nach der Besetzung der Niederlande waren die jüdischen Emigranten in Amsterdam auch hier zunehmend Repressalien ausgesetzt. Walter Klein wurde im April 1942 beim Versuch illegal nach Kuba auszuwandern in Dole verhaftet und in Fort d'Hauteville inhaftiert. Am 13. August 1942 wurde er über das Camp de Pithiviers in das Durchgangslager Drancy überstellt. Von Drancy wurde Walter Klein am 26. August 1942 mit dem 24. Transport ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.[6] Auch die Eltern von Ilse Klein überlebten den Holocaust nicht: die Mutter Helene starb 15. Januar 1943 in Amersfoort. Das Versteck von Siegmund Klein wurde am 16. Oktober 1943 verraten.[7] Er wurde in der Hollandsche Shouwburg inhaftiert und acht Tage später ins Durchgangslager Westerbork verschleppt, von wo er am 16. November 1943 nach Auschwitz deportiert wurde.[7]

Nachdem Italien im September 1943 von der Wehrmacht besetzt wurde und auch hier die jüdische Bevölkerung verhaftet und deportiert wurde, versteckten sich Ilse und Piero Sacerdoti oberhalb von Stresa und Viggiu. Am 20. November 1943 gelang ihnen die Flucht in die Schweiz. Das Ehepaar hat vier Söhne (Giorgio geb. 1943 in Nizza, Emilio und Andrea geb. 1946 in Paris, Michele geb. 1950 in Mailand); ein Mädchen Beatrice verstarb 1945 in Genf kurz nach der Geburt.[8]

Ehrungen und Gedenken (Auswahl)

Seine gesellschaftliche Arbeit wurde in Italien und Frankreich mit zahlreichen hohen staatlichen Auszeichnungen gewürdigt, u. a.:

Werke (Auswahl)

  • L’associazione sindacale nel diritto italiano, Rom, 1928
  • Le associazioni sindacali nel diritto pubblico germanico, Padova, 1931
  • Le Corporatisme et le regime de la production et du travail en Italie, Paris, 1938
  • Il cittadino e lo stato, corso di diritto amministrativo tenuto a Ginevra nel 1944
  • Le assicurazioni private nella regione Lombardia, Cariplo, 1954
  • La responsabilità civile per danni a terzi nell'utilizzazione pacifica dell'energia nucleare, Piacenza, 1958
  • L'atomo e il diritto, 1958
  • Il nostro programma per gli anni '60, Convegno degli Agenti Ras, Mailand, 1962
  • La Compagnia dei 5 Continenti, 1963
  • Previdenza sociale e promozione del risparmio nell'economia moderna, Mailand, 1964
  • Insurance in the Common Market, International Centre for Research and Documentation on the European Communities, Mailand, 1966

Literatur

  • Giandomenico Piluso: Sacerdoti, Piero. In: Bitte Band und Seitenzahlen korrekt angeben! (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 89 (Bitte Band und Seitenzahlen korrekt angeben!), Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom Bitte Band und Seitenzahlen korrekt angeben! (italienisch).
  • Giorgio Sacerdoti: Falls wir uns nicht wiedersehen... Briefe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Italien (1938 bis 1945), Münster, 2010, ISBN 978-3-941688-00-1, 598 Seiten

Weblinks

 Commons: Piero Sacerdoti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Giorgio Sacerdoti, Giorgio: Falls wir uns nicht wiedersehen ... : Die Familie von Siegmund Klein zwischen Rettung und Tod : Briefe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Italien (1938 bis 1945). Prospero, Münster 2010, ISBN 9783941688001, S. 327ff..
  2. Olga Tarcali: Rückkehr nach Erfurt : Erinnerungen an eine zerstörte Jugend. Erfurt 2001, ISBN 3897023997.
  3. 3,0 3,1 Nachruf: Professor Piero Sacerdoti. London 6. Januar 1967.
  4. 4,0 4,1 SACERDOTI, Piero in "Dizionario Biografico". Abgerufen am 9. Februar 2019 (it-IT).
  5. Questo numero è dedicato alla memoria di Piero Sacerdoti. In: Bollettino tecnico del gruppo R.A.S.. 35, Nr. 2, Milano 1967, S. 103.
  6. Giorgio Sacerdoti: Falls wir uns nicht wiedersehen ... : Die Familie von Siegmund Klein zwischen Rettung und Tod : Briefe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Italien (1938 bis 1945). Prospero, Münster 2010, ISBN 9783941688001, S. 315.
  7. 7,0 7,1 Giorgio Sacerdoti: Falls wir uns nicht wiedersehen ... : Die Familie von Siegmund Klein zwischen Rettung und Tod : Briefe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Italien (1938 bis 1945). Prospero, Münster 2010, ISBN 9783941688001, S. 489f..
  8. Giorgio Sacerdoti: Falls wir uns nicht wiedersehen ... : Die Familie von Siegmund Klein zwischen Rettung und Tod : Briefe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Italien (1938 bis 1945). Prospero, Münster 2010, ISBN 9783941688001, S. 598.
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