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Region Brüssel-Hauptstadt

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Die Artikel Brüssel, Stadt Brüssel, Region Brüssel-Hauptstadt und Brüssel (Begriffsklärung) überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach vollständiger Abarbeitung der Redundanz. Röhrender Elch (Diskussion) 23:32, 11. Jul. 2014 (CEST)
Region Brüssel-Hauptstadt
Brussels Hoofdstedelijk Gewest (niederländisch)
Région de Bruxelles-Capitale (französisch)
Flagge
Gliedstaat des Königreichs Belgien
Institution (Art des Gliedstaates): Region
Amtssprache: Französisch, Niederländisch
Verwaltungssitz: Stadt Brüssel
Gründung: 12. Januar 1989
Fläche: 161 km²
Einwohner: 1.138.876 (1. Januar 2012)
Bevölkerungsdichte: 7074 Einwohner pro km²
Feiertag: 8. Mai
Ministerpräsident: Rudi Vervoort (PS)
ISO-Code: BE-BRU
Website: be.brussels
Lage
Vorlage:Imagemap Belgien1
Stärkere braune Linie: Region Brüssel-Hauptstadt; dünnere Linien: die 19 Gemeinden

Die Region Brüssel-Hauptstadt (oder auch Brüsseler Region), französisch Région de Bruxelles-Capitale, niederländisch Audio-Datei / Hörbeispiel Brussels Hoofdstedelijk Gewest?/i ist eine der drei Regionen des Königreichs Belgien und somit ein Gliedstaat des belgischen Bundesstaates. Sie umfasst das „zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt“, das – genau wie der gleichnamige Verwaltungsbezirk – aus 19 Gemeinden besteht. Die Stadt Brüssel, auch „Brüssel-Stadt“ genannt, ist eine der 19 Gemeinden.

Die Region Brüssel-Hauptstadt verfügt über ein legislatives („Brüsseler Parlament“) sowie ein exekutives Organ („Brüsseler Regierung“). Hinzugezählt werden ebenfalls die französische und flämische Gemeinschaftskommission („COCOF“ und „VGC“) sowie die „gemeinsame Gemeinschaftskommission“ (COCOM/GGC). Nebenbei übt die Region Brüssel-Hauptstadt auch die Befugnisse der „Brüsseler Agglomeration“ aus.

Dieser Artikel behandelt vor allem die Themen Politik, Verwaltung und Sprachensituation. Weitere und übergreifende Themen werden im Artikel Brüssel behandelt.

Geschichtlicher Hintergrund

Verschiedene Ansichten von Brüssel

Als in Belgien die erste Staatsreform (1970) beschlossen wurde, die zur Föderalisierung des Landes führen sollte, wurden zum einen die Kulturgemeinschaften (die späteren Gemeinschaften), mit dem Schwerpunkt Kultur, und zum anderen die Regionen, mit dem Schwerpunkt Wirtschaft erschaffen. Da die flämischen Vertreter aber nicht den Zweck dieser Regionen erkannten, wurde ihre Existenz allein in einem Verfassungsartikel (107quater) festgehalten. Weitere konkrete Ausführungsmodalitäten wurden nicht vorgesehen. In diesem Artikel 107quater war bereits die Rede von einer „Brüsseler Region“.

Auch wenn also die Regionen noch nicht funktionsfähig waren, wurde für die neunzehn Brüsseler Gemeinden eine erste gemeinsame Verwaltungsstruktur erschaffen: die Brüsseler Agglomeration (siehe unten). Ein Gesetz vom 26. Juli 1971 sah vor, dass der Brüsseler Agglomerationsrat in zwei Sprachgruppen aufgeteilt würde. Die ersten und einzigen Wahlen zum Agglomerationsrat fanden am 21. November 1971 statt. Die Agglomeration verfügte über gewisse Zuständigkeiten in Sachen Raumordnung, Transportwesen, Sicherheit, öffentliche Gesundheit und Sauberkeit. Es wurden ebenfalls eine französische und eine niederländische Kulturkommission eingerichtet, in der die Mitglieder des Agglomerationsrates, je nach Sprachgruppe, tagten und über gewisse Befugnisse in Sachen Kultur und Unterricht verfügten. Das Gesetz vom 26. Juli 1971 wurde durch jedoch durch ein Gesetz vom 21. August 1987 abgeändert und viele der Befugnisse der Agglomeration wurden den dann bereits bestehenden Regionen anvertraut.

In Brüssel wurden diese Befugnisse dem „Regionalen ministeriellen Komitee“ anvertraut. Im Jahre 1974 wurden drei dieser Komitees erschaffen: ein flämisches, ein wallonisches und ein Brüsseler. Auch wenn diese Komitees nur eine beratende Funktion hatten, werden sie doch als Vorläufer der Regionen bezeichnet. In Brüssel war das Komitee zur einen Hälfte aus Senatoren und zur anderen Hälfte aus Mitgliedern des Agglomerationsrates zusammengesetzt.

Die Schaffung der Regionen, darunter einer Brüsseler Region, wurde in den zwei großen Egmont- (1978) und Stuyvenbergabkommen (1979) festgehalten. Wegen einer Regierungskrise konnten diese jedoch nicht in Kraft treten, und so wurden durch ein Gesetz vom 5. Juli 1979 provisorische gemeinschaftliche und regionale Institutionen erschaffen, deren Exekutive allein von Ministern der Nationalregierung gestellt wurde.

Erst im Zuge der zweiten Staatsreform (1980) wurden die Regionen wirklich aus der Taufe gehoben. Da jedoch kein Kompromiss für die Brüsseler Region gefunden werden konnte, gilt die Verabschiedung des Sondergesetzes vom 8. August 1980 allein als die Geburtsstunde der Flämischen und der Wallonischen Region. Das „Problem Brüssel“ wurde, so die damalige Bezeichnung, „in den Kühlschrank gestellt“ (frz. mise au frigo).

Somit blieb das Gesetz von 1979 weiterhin für Brüssel anwendbar. Ein Minister und zwei Staatssekretäre, die nicht vor dem Nationalparlament verantwortlich waren, lenkten die Geschicke der Region. Dies hatte schwerwiegende finanzielle und institutionelle Probleme zur Folge. Ein Kompromiss zwischen Flamen und Wallonen um das Statut Brüssels schien in die Ferne zu rücken, da vor allem die flämische Seite Brüssel nicht als eigenständige Region anerkennen wollte und die wallonische Seite nicht die absolute Sprachgleichheit akzeptieren wollte.

Die Region Brüssel-Hauptstadt (blau) im regionalen Staatsgefüge neben der Flämischen (gelb) und der Wallonischen Region (rot)

Mehrere Gesetzesvorschläge wurden eingereicht, doch erst im Mai 1988 konnte ein politischer Kompromiss gefunden werden, der alle Parteien zufriedenstellte. Dieser Kompromiss führte zur Durchführung der dritten Staatsreform und der Verabschiedung des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989, der somit als die Geburtsstunde der „Region Brüssel-Hauptstadt“, wie sie seitdem genannt wird, gilt. Dieses Sondergesetz rief schlussendlich den Rat (später Parlament) und die Exekutive (später Regierung) ins Leben und übergab der Region die restlichen Kompetenzen der Agglomeration.

Bei der vierten Staatsreform (1993), die die definitive Umwandlung Belgiens in einen Föderalstaat vollzog, und dem vorangegangenen „Sankt-Michaels-Abkommen“ (ndl. Sint-Michielsakkoord, frz. accords de la Saint Michel) wurde die Teilung der ehemaligen Provinz Brabant beschlossen. Das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt wurde dabei „entprovinzialisiert“ (für provinzfrei erklärt), der Provinzrat und die Permanentdeputation wurden abgeschafft und die Zuständigkeiten der Provinz wurden bis auf einige Ausnahmen (siehe unten) an die Region übertragen.

Das Lambermontabkommen und die fünfte Staatsreform (2001) hatten keine grundlegenden Änderungen für das Statut der Region Brüssel-Hauptstadt zur Folge. Lediglich die Anzahl Sitze im Regionalparlament wurde von 75 auf 89 angehoben.

Heute ist die Region Brüssel-Hauptstadt zwar politisch etabliert, doch besteht immer noch keine absolute Einigkeit zwischen Flamen und Wallonen über das wahre Statut Brüssels.[1] Die Region unterscheidet sich immer noch von den anderen zwei Regionen, da ihre legislativen Rechtstexte „Ordonnanzen“ genannt werden (und einen leicht anderen Wert als die regionalen „Dekrete“ besitzen; siehe unten) und sie im Gegensatz zu den anderen Regionen nicht über die „konstitutive Autonomie“ verfügt, die eine eigene Organisation der Zusammensetzung, der Wahl und der Arbeitsweise der Parlamente und Regierungen erlaubt. Seitens der Brüsseler Regierung wird immer wieder eine Neufinanzierung der Region gefordert, um den Herausforderungen eines europäischen und internationalen Zentrums gerecht zu werden.[2]

Geographie

Der zweisprachige Verwaltungsbezirk „Brüssel-Hauptstadt“ stellt das Hoheitsgebiet der Region Brüssel-Hauptstadt dar.[3] Dieses Gebiet ist deckungsgleich mit dem zweisprachigen Sprachgebiet Brüssel-Hauptstadt im Sinne von Artikel 4 der Verfassung.

Die 19 Gemeinden

Der Verwaltungsbezirk Brüssel-Hauptstadt besteht aus 19 Gemeinden, die als die „Brüsseler Gemeinden“ bezeichnet werden. Diese Gemeinden sind:

Die 19 Brüsseler Gemeinden

Vorschlag zur Fusion der Gemeinden

Die Idee einer Fusion dieser Gemeinden bzw. deren vollständige Eingliederung in die regionale Struktur wurde öfters angeregt. Auch wenn diese Fusion offensichtliche Vorteile für die „Good Governance“ der Region haben würde, hat der Vorschlag nie genug Anklang bei den frankophonen politischen Entscheidungsträgern gefunden, die darin eine Störung des institutionellen Gleichgewichts sehen. Die überproportionale Vertretung (50F/50N in der Regierung) der niederländischsprachigen Brüsseler auf Ebene der Region (siehe unten) wird nämlich u. a. durch die Wiedergabe der „wahren“ Kräfteverhältnisse (in etwa 90F/10N) auf Ebene der Gemeinden kompensiert.[4]

Vorschlag zur Ausweitung der Region

Die Hauptstadtregion Brüssel (zentrales Feld im dunkelgrünen Bereich) innerhalb des Ballungsraums Brüssel (dunkelgrün). Helle Farbtöne: Wohngebiete der Pendler.[5]

Im Zuge der belgischen Staatsreformen wurde von frankophoner Seite immer wieder die Ausweitung des Hoheitsgebietes der Region Brüssel-Hauptstadt gefordert. Besonders die Partei FDF (Fédéralistes démocrates francophones), die sich als die Verteidigerin der frankophonen Minderheit in den Brüsseler Randgebieten sieht, fordert den Anschluss der „Fazilitäten-Gemeinden“ (frz. communes à facilités, ndl. faciliteitengemeenten) der Brüsseler Peripherie, die der Provinz Flämisch-Brabant angehören und somit Teil des Gebiets der Region Flandern sind. Diese sechs sogenannten Peripherie- oder Brüsseler Randgemeinden, in denen die Frankophonen teilweise tatsächlich die Mehrheit der Bevölkerung darstellen, sind: Kraainem (frz. Crainhem), Drogenbos, Linkebeek, Sint-Genesius-Rode (frz. Rhode-Saint-Genèse), Wemmel und Wezembeek-Oppem. In Flandern stößt diese Forderung in der Öffentlichkeit und bei allen flämischen Parteien auf Ablehnung. Sie sehen darin eine Zerschlagung des flämischen Hoheitsgebiets und den Versuch einer weiteren „Französisierung“ (ndl. verfransing) Brüssels.

Dieser Konflikt kam zuletzt nach den Föderalwahlen von 2007 zur Sprache, als über die Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde verhandelt wurde.[6] Auch bei den Verhandlungen zur nächsten Staatsreform nach den Regional- und Europawahlen von 2009, die letztendlich zum Sturz der föderalen Regierung Leterme II führten, stand die Erweiterung Brüssels auf der Agenda der frankophonen Parteien.[7]

Zuständigkeiten und Institutionen

Eine Besonderheit innerhalb der Region Brüssel-Hauptstadt ist, dass die gewählten Mandatare sowohl regionale als auch gemeinschaftliche Kompetenzen in der Region ausüben, auch wenn dies de jure in zwei verschiedenen Institutionen geschieht.

Regionale Zuständigkeiten

Die Kompetenzen der Region Brüssel-Hauptstadt sind – wie auch die Kompetenzen der flämischen und wallonischen Region – in Art. 6 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen festgehalten.[8] Laut diesem Artikel sind die Regionen, unter gewissen Vorbehalten, zuständig für:

Hinzugezählt werden ebenfalls die Kompetenzen, welche die Region von der Brüsseler Agglomeration sowie von der ehemaligen Provinz Brabant übernommen hat. Des Weiteren verfügt die Region über die Befugnis, eigene Steuern zu erheben. Im Gegensatz zu den anderen Regionen verfügt sie jedoch nicht über die „konstitutive Autonomie“, die eine eigene Organisation der Zusammensetzung, der Wahl und der Arbeitsweise der Parlamente und Regierungen erlaubt.

Das Brüsseler Parlament

Die Zusammensetzung des Parlamentes
Französische
Sprachgruppe
Niederländische
Sprachgruppe
Partei Sitze Partei Sitze
MR 24 Sitze OpenVLD 4 Sitze
PS 21 Sitze sp.a 4 Sitze
Ecolo 16 Sitze CD&V 3 Sitze
cdH 11 Sitze Vlaams Belang 3 Sitze
Groen! 2 Sitze
N-VA 1 Sitz
Total 72 Sitze Total 17 Sitze
Regierungsparteien sind mit einem Punkt (•) gekennzeichnet

Das Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt (oder auch „Brüsseler Parlament“; ehemals „Rat der Region Brüssel-Hauptstadt“) ist aus 89 Regionalabgeordneten zusammengesetzt. Die Präsidentin des Parlamentes ist Françoise Dupuis (PS).

Die Regionalabgeordneten werden direkt von der Bevölkerung für 5 Jahre in einem einzigen Wahlkreis, der sich über die neunzehn Gemeinden erstreckt, gewählt. Alle belgischen Staatsbürger, die in der Region Brüssel-Hauptstadt domiziliert sind und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, sind wahlberechtigt.[9] Um sich für das Regionalparlament zur Wahl zu stellen, muss man dieselben Bedingungen erfüllen. Die Wahllisten sind einsprachig, d. h. entweder französisch- oder niederländischsprachig. Die Sprache der Wahlliste, auf der eine Person kandidieren will, muss zwingend mit der Sprache, in der der Personalausweis des Kandidaten ausgestellt wurde, übereinstimmen. Dem Wähler werden bei der Wahl alle Listen vorgelegt und er kann frei und geheim entscheiden, ob er für eine französisch- oder niederländischsprachige Liste wählen will. Die letzten Wahlen fanden am 7. Juni 2009 statt.

Innerhalb des Parlamentes gibt es zwei Sprachgruppen, nämlich die französische Sprachgruppe (mit zurzeit 72 Sitzen) und die niederländische Sprachgruppe (mit zurzeit 17 Sitzen). Die Abgeordneten werden je nach der Sprache der Wahlliste, auf der sie kandidiert haben, der einen oder der anderen Sprachgruppe zugeordnet. Die Einteilung in Sprachgruppen hat gewisse Folgen für die interne Organisation des Parlamentes (Vertretung in den Ausschüssen, …). Um Konflikte zwischen den Sprachgruppen vorzubeugen, gibt es die Möglichkeit der „Alarmglocke“, die auf Anfrage einer Dreiviertelmehrheit innerhalb einer Sprachgruppe die parlamentarische Prozedur aussetzt und die Regionalregierung damit beauftragt, innerhalb von 30 Tagen eine Lösung zu finden.[10]

Das Parlamentsgebäude

Die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Sprachgruppe hat auch Auswirkungen auf die Vertretung der Brüsseler Abgeordneten im Parlament der Französischen Gemeinschaft Belgiens bzw. im Flämischen Parlament. Die Vertreter dieser beiden Gemeinschaften werden tatsächlich nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern setzen sich aus allen wallonischen bzw. flämischen Regionalabgeordneten einerseits, und gewissen Abgeordneten des Brüsseler Parlamentes der französischen bzw. (eventuell) der niederländischen Sprachgruppe andererseits zusammen. Im Parlament der Französischen Gemeinschaft sind somit neben den 75 wallonischen Regionalabgeordneten auch 19 Brüsseler Abgeordnete vertreten, die von der französischen Sprachgruppe des Brüsseler Parlamentes bestimmt werden.[11] Für das Flämische Parlament gelten seit 2001 andere Regeln, da es zusammengestellt ist aus den 118 direkt gewählten flämischen Regionalabgeordneten und aus 6 Abgeordneten, die „ihren Wohnsitz auf dem Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt haben müssen und dort direkt in dieser Eigenschaft […] gewählt wurden“.[12] Diese sechs Abgeordneten gehören also nicht zwangsläufig dem Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt an. Des Weiteren gibt es in Flandern für die Flämische Gemeinschaft und für die Flämische Region nur ein einziges Parlament. Somit sind die besagten sechs Abgeordneten nicht stimmberechtigt, wenn das Flämische Parlament sich mit rein regionalen Zuständigkeiten befasst. Da sowohl die Französische als auch die Flämische Gemeinschaft über eine „konstitutive Autonomie“ verfügen, sind sie befugt, die Zusammensetzung ihrer Parlament mittels eines Sonderdekretes (Zweidrittelmehrheit) zu ändern; in diesen Fällen muss jedoch immer das Verhältnis 19/75 bzw. 6/118 als parlamentarische Vertretung der Region Brüssel-Hauptstadt beibehalten werden.[13]

Die legislativen Beschlüsse des Parlamentes werden „Ordonnanzen“ genannt. Auch wenn Ordonnanzen im Prinzip denselben gesetzgeberischen Wert wie ein föderales Gesetz oder ein Dekret der anderen Gemeinschaften und Regionen besitzen, unterscheiden sie sich in einem bestimmten Punkt doch ganz wesentlich von diesen: Sie unterliegen der Kontrolle der gewöhnlichen Gerichte und Gerichtshöfe, die die Anwendung einer Ordonnanz verweigern können, wenn diese die Bestimmungen des Sondergesetzes über die Brüsseler Institutionen verletzt.[14] Normalerweise ist diese Befugnis der judikativen Macht nur auf Erlasse und Verfügungen (der Exekutive) begrenzt.[15] Die gewöhnlichen Gerichte und Gerichtshöfe kontrollieren somit die Verfassungsmäßigkeit der Ordonnanzen „parallel“ zum Verfassungsgerichtshof, der alle Gesetze, Dekrete und auch Ordonnanzen wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig erklären kann.

Die Brüsseler Regierung

Ministerpräsident Partei Regierungszeit
Charles Picqué (I + II) PS 12. Juni 1989 - 15. Juli 1999
Jacques Simonet (I) PRL 15. Juli 1999 - 18. Oktober 2000
François-Xavier de Donnea PRL/MR 18. Oktober 2000 - 6. Juni 2003
Daniel Ducarme MR 6. Juni 2003 - 18. Februar 2004
Jacques Simonet (II) MR 18. Februar 2004 - 19. Juli 2004
Charles Picqué (III + IV) PS 19. Juli 2004 - 7. Mai 2013
Rudi Vervoort PS 7. Mai 2013 - heute

Die Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt (auch Brüsseler Regierung; ehemals Exekutive der Region Brüssel-Hauptstadt) wird für fünf Jahre vom Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt gewählt. Diese Regierung setzt sich aus einem Ministerpräsidenten (seit Mai 2013 Rudi Vervoort), vier Ministern und drei Staatssekretären zusammen, die nicht unbedingt als Regionalabgeordnete gewählt sein müssen. Es wurde gesetzlich festgehalten, dass der Ministerpräsident „sprachlich neutral“ bleibt und mindestens zwei Minister und ein Staatssekretär der „weniger zahlreichen“ (d. h. niederländischen) Sprachgruppe zugehören.

Die Regierung kann Erlasse und Verordnungen verabschieden. Diese unterliegen der Kontrolle des Staatsrates – des obersten belgischen Verwaltungsgerichts – der sie wegen Gesetzwidrigkeit für nichtig erklären kann.

Siehe auch: Regierung Picqué IV

Gemeinschaftliche Zuständigkeiten

Die Region Brüssel-Hauptstadt selbst verfügt über keine Gemeinschaftsbefugnisse. Auf dem zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt üben prinzipiell sowohl die Flämische als auch die Französische Gemeinschaft ihre Zuständigkeiten aus. Diese sind laut den Artikeln 127 bis 129 der Verfassung vor allem:

Aufgrund des „zweisprachigen“ Statuts Brüssels werden jedoch diese Befugnisse in Brüssel meistens nicht von den Gemeinschaften selbst ausgeübt, sondern an sogenannte „Gemeinschaftskommissionen“ weitergeleitet.[17] Da das Föderalsystem Belgiens keine Subnationalitäten kennt bzw. toleriert,[18] sind diese Gemeinschaftskommissionen nicht für „flämische“ oder „französischsprachige“ Bürger Brüssels zuständig (niemand ist gezwungen, sich öffentlich für eine der beiden Gemeinschaften zu entscheiden), sondern allein für die Institutionen, die dieser oder jener Gemeinschaft zugeordnet werden können (wie z. B. eine französischsprachige Schule oder eine flämische Theatergruppe). Außerdem haben die Gemeinschaftskommissionen nach der „Entprovinzialisierung“ Brüssels die ehemals von der Provinz Brabant ausgeübten Gemeinschaftszuständigkeiten übernommen.[19]

Es gibt drei verschiedene Gemeinschaftskommissionen (die französische, die flämische und die gemeinsame), die sich stark voneinander unterscheiden.

Die französische Gemeinschaftskommission

Die Flagge der COCOF

Die Commission communautaire française (kurz COCOF) vertritt die Französische Gemeinschaft im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt. Im Gegensatz zu ihrem flämischen Gegenstück, der VGC (siehe unten), ist die COCOF eine hybride Institution. Sie ist nicht nur ein rein ausführendes Organ, sondern in gewissen Zuständigkeitsbereichen ein vollständig autonomer Dekretgeber. COCOF und VGC haben sich somit seit ihrer Gründung asymmetrisch entwickelt.

Die COCOF war ursprünglich, genau wie die VGC, eine rein untergeordnete Behörde, die unter der Verwaltungsaufsicht der Französischen Gemeinschaft stand. Heute noch hat sie die Dekrete der Französischen Gemeinschaft in Brüssel auszuführen[20] und kann, immer noch unter der Aufsicht der Französischen Gemeinschaft, punktuell selbstständig ihre Gemeinschaftskompetenzen ausüben, indem sie „Verordnungen“ ausfertigt.[21] In diesem Punkt gleichen sich die COCOF und die Provinzen im restlichen Teil der Französischen Gemeinschaft.

Im Gegensatz zur VGC wurde der COCOF jedoch anfangs der neunziger Jahre in gewissen Zuständigkeitsbereichen eine vollkommen eigenständige dekretale Kompetenz von der Französischen Gemeinschaft übertragen. Zu dieser Zeit befand sie die Französische Gemeinschaft nachweislich in einer finanziellen Notlage.[22] So wurde bei der vierten Staatsreform (1993) der Artikel 138 in die Verfassung eingefügt, welcher vorsieht, dass die Französische Gemeinschaft die Ausübung gewisser ihrer Zuständigkeiten im französischen Sprachgebiet an die Wallonische Region und im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt an die COCOF abtreten kann. Dieser Schritt wurde mittels zweier „Sonderdekrete“, die eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigen,[23] für folgende Kompetenzen vollzogen: Sportinfrastrukturen, Tourismus, soziale Förderung, Umschulungen, Weiterbildungen, Schülertransport, Politik der Pflegeversorgung, Familienpolitik (außer Familienplanung), Sozialhilfe, Integration der Einwanderer und Teile der Behinderten- und Seniorenpolitik. In diesen Bereichen fertigt die COCOF also eigene Dekrete mit „Gesetzesstatus“ aus. Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, dass die COCOF somit auch die „internationale Kompetenz“ der Französischen Gemeinschaft übernommen hat und eigene internationale Verträge unterzeichnen kann.[24]

Die COCOF verfügt über ein legislatives Organ (Rat oder „Conseil de la Commission communautaire française“; manchmal auch „Parlement francophone bruxellois“), das aus den Abgeordneten der französischen Sprachgruppe des Brüsseler Parlamentes zusammengesetzt ist (derzeit 72 Abgeordnete), und ein exekutives Organ (Kollegium oder „Collège de la Commission communautaire française“; manchmal auch „Gouvernement bruxellois francophone“), in dem die französischsprachigen Mitglieder der Brüsseler Regierung vertreten sind (derzeit drei Minister, Ministerpräsident – der französischsprachig ist – inbegriffen, und zwei Staatssekretäre).

Die flämische Gemeinschaftskommission

Die Flagge der VGC

Die Vlaamse Gemeenschapscommissie (kurz VGC) vertritt die Flämische Gemeinschaft in Brüssel, verfügt aber über weitaus weniger Autonomie als ihr französischsprachiges Gegenstück. In der Tat wird die VGC von flämischer Seite weniger als eine eigenständige Institution als eine untergeordnete Behörde betrachtet, deren Aufgabe es lediglich ist, die flämischen Dekrete in Brüssel anzuwenden. So arbeitet die flämische Gemeinschaftskommission als rein dezentralisierte Behörde in den kulturellen, Unterrichts- und personenbezogenen Angelegenheiten (es werden nur „Verordnungen“ abgestimmt und ausgeführt); sie befindet sich somit unter der Verwaltungsaufsicht der Flämischen Gemeinschaft.

Nichtsdestotrotz verfügt die VGC über ein legislatives Organ (Rat oder „Raad van de Vlaamse Gemeenschapscommissie“), das aus den Abgeordneten der niederländischen Sprachgruppe des Brüsseler Parlamentes zusammengesetzt ist (derzeit 17 Abgeordnete), und ein exekutives Organ (Kollegium oder „College van de Vlaamse Gemeenschapscommissie“), in dem die niederländischsprachigen Mitglieder der Brüsseler Regierung vertreten sind (derzeit 2 Minister und eine Staatssekretärin).

Die Zusammenstellung des Rates der VGC sollte im Jahr 2001 infolge des „Lombard-Abkommens“ geändert werden, indem man zu den 17 Abgeordneten der niederländischen Sprachgruppe des Brüsseler Parlamentes noch 5 Sitze hinzufügen wollte, die ebenfalls auf Personen verteilt werden sollten, die sich auf den Listen zum Brüsseler Parlament zur Wahl gestellt hatten, aber nicht gemäß dem Wahlresultat in der Region Brüssel-Hauptstadt, sondern gemäß dem Wahlresultat in der Flämischen Region. Der ausgesprochene Grund hierfür war der politische Wille, eine eventuelle Mehrheit des rechtsextremen Vlaams Belang (damals Vlaams Blok), der in der niederländischen Sprachgruppe des Brüsseler Parlamentes besonders stark, im Flämischen Parlament proportional aber weniger stark vertreten ist, zu unterbinden.[25] Dieses Vorhaben wurde jedoch vom Schiedshof (heute Verfassungsgerichtshof) als verfassungswidrig erklärt und die alte Zusammensetzung des Rates der VGC beibehalten.[26]

Die gemeinsame Gemeinschaftskommission

Die Commission communautaire commune (kurz COCOM) bzw. Gemeenschappelijke Gemeenschapscommissie (kurz GGC) übt die gemeinsamen Gemeinschaftszuständigkeiten auf dem zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt aus, d. h. jene Zuständigkeiten, die von „gemeinsamem Interesse“ und nicht ausschließlich für die Bürger der Französischen oder der Flämischen Gemeinschaft vorgesehen sind. Sie ist ebenfalls eine hybride Institution.

Ursprünglich war die COCOM/GGC nur eine untergeordnete Behörde, die sich um die Gemeinschaftskompetenzen von „gemeinsamem Interesse“ kümmert (frz. matières bicommunautaires).[27] Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, kann sie genau wie die COCOF und VGC punktuell eine eigene Politik führen, indem sie „Verordnungen“ verabschiedet. Auch ihre Situation ist somit mit der der Provinzen im restlichen Teil des Landes vergleichbar. Zudem übt sie seit der Teilung der ehemaligen Provinz Brabant die von „gemeinsamem Interesse“ im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt aus. Obwohl die COCOM/GGC hier als „untergeordnete“ Behörde fungiert, ist es bemerkenswert, dass keine andere Institution im belgischen Staatsgefüge eine Verwaltungsaufsicht über sie ausüben kann – selbst nicht der Föderalstaat.[28] Die Verordnungen – die keinen Gesetzeswert haben – können jedoch vom Staatsrat wegen Gesetzeswidrigkeit für nichtig erklärt werden.

Dazu ist laut Artikel 135 der Verfassung, der durch die Artikel 69 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 ausgeführt wurde, die COCOM/GGC für jene personenbezogenen Angelegenheiten zuständig, für die laut Artikel 128 der Verfassung weder die Französische noch die Flämische Gemeinschaft auf dem Gebiet Brüssels zuständig sind. Dabei handelt es sich um personenbezogene Angelegenheiten (d. h. Gesundheit und Soziales), die weder der Französischen noch der Flämischen Gemeinschaft zugeordnet werden können (frz. matières bipersonnalisables).[29] Betroffen sind somit die öffentlichen Einrichtungen, die nicht einer Gemeinschaft zugeordnet werden können (z. B. die öffentlichen Sozialhilfezentren (ÖSHZ) oder öffentlichen Krankenhäuser im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt), oder die unmittelbare Personenhilfe. Nur in diesen Fällen ist die COCOM/GGC völlig autonom und verabschiedet – genau wie die Region – „Ordonnanzen“, die Gesetzeswert haben (siehe oben). Auch verfügt sie in diesen Materien über die „internationale Kompetenz“ und kann somit eigene internationale Verträge abschließen.

Die COCOM/GGC verfügt über ein legislatives Organ (Vereinigte Versammlung oder „Assemblée réunie de la Commission communautaire commune“ bzw. „Verenigde vergadering van de Gemeenschappelijke Gemeenschapscommissie“), das aus den französisch- und niederländischsprachigen Abgeordneten des Brüsseler Parlamentes zusammengesetzt ist (89 Abgeordnete), und ein exekutives Organ (Vereinigtes Kollegium oder „Collège réuni de la Commission communautaire commune“ bzw. „Verenigd College van de Gemeenschappelijke Gemeenschapscommissie“), in dem die französisch- und niederländischsprachigen Minister der Brüsseler Regierung vertreten sind (5 Minister, Ministerpräsident inbegriffen, der jedoch nur über eine konsultative Stimme verfügt). Die Organe der COCOM/GGC sind also mit denen der Region vollkommen deckungsgleich.[30]

Eine besondere Aufgabe wird mit dem Artikel 136, Abs. 2 der Verfassung dem Vereinigten Kollegium anvertraut: Es fungiert ebenfalls „zwischen den zwei Gemeinschaften als Konzertierungs- und Koordinierungsorgan“.

Besonderheiten

Abgesehen von den für die Region Brüssel-Hauptstadt spezifischen Gemeinschaftskommissionen (siehe oben), gibt es in und um Brüssel ebenfalls andere institutionelle Einzigartigkeiten, die sich in keinem anderen Teil des belgischen Föderalstaates wiederfinden.

Die Brüsseler Agglomeration

Auch wenn in der Verfassung von mehreren Agglomerationen die Rede ist,[31] so wurde allein in Brüssel eine solche errichtet. Die Städte Lüttich, Charleroi, Antwerpen und Gent haben nie den Willen gezeigt, eine eigene Agglomeration zu gründen, obschon ein gesetzlicher Rahmen für sie bereits besteht.[32] Doch die Verfassung sieht auch spezifische Modalitäten für die Brüsseler Agglomeration vor, nämlich die Bestimmung der Agglomerationsbefugnisse durch ein Sondergesetz und deren Ausübung durch die Brüsseler Regionalinstitutionen (Parlament und Regierung), welche jedoch nicht in ihrer Eigenschaft als Institutionen der Region handeln, sondern für diese Fälle als „lokale Behörde“ auftreten (und dementsprechend keine Ordonnanzen verabschieden, sondern gewöhnliche „Verordnungen“ und „Erlasse“).[33]

Das Gebiet der Brüsseler Agglomeration entspricht dem der Region Brüssel-Hauptstadt, d. h. den neunzehn Gemeinden. Die Befugnisse der Agglomeration sind präzise aufgezählt und begrenzen sich auf vier Gebiete:[34]

Da die regionalen Institutionen die Befugnisse der Agglomeration übernehmen, entfällt die Verwaltungsaufsicht.

Der Gouverneur

Nach der Teilung der ehemaligen Provinz Brabant und ihrem Verschwinden hat man für Brüssel trotzdem die Funktion eines Gouverneurs behalten. Der Grund hierfür war, dass wenn man die Funktionen des Gouverneurs, der u. a. ein Kommissar der Föderalregierung ist, einem regionalen Organ (d. h. wahrscheinlich dem Ministerpräsidenten der Region Brüssel-Hauptstadt) anvertraut hätte, dies zur Folge gehabt hätte, dass die Föderalregierung über eine gewisse Aufsicht über dieses regionale Organ verfügen würde, was damals nicht im Sinne der Staatsreform stand.

Der Gouverneur des Verwaltungsbezirks Brüssel-Hauptstadt wird von der Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt nach gleich lautender Stellungnahme (d. h. nach Erlaubnis) des Ministerrates der Föderalregierung ernannt.[35] Er übt mehr oder weniger dieselben Zuständigkeiten aus, über die auch die anderen Provinzgouverneure verfügen, nur dass er nicht den Vorsitz der Permanentdeputation (oder Provinzkollegium) innehat, was in der Wallonischen Region seit 2006 ebenfalls nicht mehr der Fall ist, da es eine solche Permanentdeputation im Verwaltungsbezirk Brüssel-Hauptstadt seit der „Entprovinzialisierung“ nicht mehr gibt. Laut Artikel 5, § 1 des Provinzgesetzes vom 30. April 1936 übt der Gouverneur die in Artikel 124, 128 und 129 desselben Gesetzes vorgesehenen Zuständigkeiten aus. Diese Zuständigkeiten betreffen vor allem:

  • die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung
  • die Koordinierung der Dienste der Polizei und des Zivilschutzes
  • die Erstellung eines Katastrophenplans für den Bezirk Brüssel-Hauptstadt und das Katastrophenmanagement
  • die Sonderaufsicht über die Brüsseler Polizeizonen
  • die Ausstellung von Reisevisa
  • die Anwendung der Gesetzgebung über den Gebrauch von Waffen

Nach der letzten Staatsreform, die den Regionen die vollständige Aufsicht über die lokalen Behörden übertragen hat,[36] wurde im Verwaltungsbezirk Brüssel-Hauptstadt das Neue Gemeindegesetz so geändert, dass keine Intervention mehr des Gouverneurs im Rahmen der Gemeindeaufsicht stattfindet. In der Tat sieht der Artikel 280bis, Abs. 1 des Neuen Gemeindegesetzes nur noch vor, dass der Gouverneur allein die in den Artikeln 175, 191, 193, 228 und 229 vorgesehenen Zuständigkeiten ausübt.[37] Diese Artikel, die die Kompetenz des Gouverneurs in Sicherheitsangelegenheiten betreffen, wurden jedoch im Zuge der Neugestaltung der Polizeidienste Belgiens aus dem Neuen Gemeindegesetz gestrichen.[38]

Um seine Aufgaben wahrzunehmen verfügt der Provinzgouverneur über Personal, das ihm teils vom Föderalstaat, teils von der Region zur Verfügung gestellt wird. Der Gouverneur des Verwaltungsbezirkes Brüssel-Hauptstadt ist nicht Mitglied des Kollegiums der Provinzgouverneure.[39]

Der Vizegouverneur

Die Funktion des Vizegouverneurs bestand bereits vor der Teilung der ehemaligen Provinz Brabant. Dieser Vizegouverneur übte seine Zuständigkeiten in der ganzen Provinz Brabant, Brüssel inbegriffen, aus. Nach der Teilung blieb die Funktion des Vizegouverneurs allein im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt erhalten, während in der Provinz Flämisch Brabant ein „beigeordneter Gouverneur“ eingesetzt wurde (die Präsenz dieses „beigeordneten Gouverneurs“ lässt sich durch den notwendigen Schutz der frankophonen Minderheit in der Provinz Flämisch-Brabant – die in den Brüsseler Randgemeinden jedoch in der Mehrheit ist – erklären).

Der Vizegouverneur ist ein Kommissar der Föderalregierung, der „mit der Aufsicht über die Anwendung der Gesetze und Verordnungen über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten in den Gemeinden des Verwaltungsbezirks Brüssel-Hauptstadt beauftragt“ ist.[40] Er verfügt über eine Verwaltungsaufsicht, die es ihm ermöglicht, gegebenenfalls die Entscheidungen der Brüsseler Gemeinden für vierzehn Tage auszusetzen. Er übt ebenfalls die Rolle eines Vermittlers aus, indem er die Klagen bezüglich der Nichteinhaltung der Gesetzgebung über den Sprachengebrauch entgegennimmt und versucht, die Standpunkte des Klägers und der betreffenden Behörde in Einklang zu bringen. In Abwesenheit des Gouverneurs übt der Vizegouverneur auch dieses Amt aus.[41]

Zuständigkeiten des Föderalstaates

Die Artikel 45 und 46 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 ermöglichen es dem Föderalstaat, eine Art „Verwaltungsaufsicht“ über die Region Brüssel-Hauptstadt auszuüben, sobald „die internationale Rolle Brüssels und die Funktion als Hauptstadt“ betroffen sind. Die Föderalregierung kann die von der Region in Ausübung der Artikel 6, § 1, I, 1° und X des Sondergesetzes vom 8. August 1980 getroffenen Entscheidungen in Sachen Städtebau, Raumordnung, öffentliche Arbeiten und Transportwesen aussetzen und die Abgeordnetenkammer kann diese für nichtig erklären. Die Föderalregierung kann ebenfalls einem „Kooperationskomitee“ jene Maßnahmen vorlegen, die die Region ihrer Ansicht nach nehmen sollte um das internationale Statut und die Funktion als Hauptstadt zu fördern.

Regelungen zum Sprachengebrauch

Zweisprachiges Verkehrsschild


Die Regeln zum Sprachengebrauch im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt gehören zum Zuständigkeitsbereich des Föderalstaates. Der Artikel 129, § 2 der Verfassung beschränkt die Kompetenz der Französischen und der Flämischen Gemeinschaft, die normalerweise für den Sprachengebrauch in Verwaltungs-, Unterrichts- und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten zuständig sind, auf das alleinige französische bzw. niederländische Sprachgebiet.

Für den Sprachengebrauch von Privatpersonen sieht Artikel 30 der Verfassung ausdrücklich vor, dass dieser vollkommen frei ist. Niemand kann also gezwungen werden, im alltäglichen Leben (in der Familie, an der Arbeit, etc.) eine gewisse Sprache zu sprechen. Die Regeln zum Sprachengebrauch betreffen nur das Verhalten öffentlicher Einrichtungen gegenüber dem Bürger oder gegenüber anderen öffentlichen Einrichtungen. Diese Regeln sind in der koordinierten Gesetzgebung vom 18. Juli 1966 über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten festgehalten.

In der koordinierten Gesetzgebung wird zwischen „lokalen“ und „regionalen“ Dienststellen unterschieden.[42] Im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt sind die Regeln zum Sprachengebrauch der lokalen und der regionalen Dienststellen jedoch genau dieselben.[43]

  • Öffentlichkeit: Brüsseler Dienststellen setzen die für die Öffentlichkeit bestimmten Bekanntmachungen, Mitteilungen und Formulare auf Französisch und auf Niederländisch auf. Dazu gehören z. B. der Anschlag einer Baugenehmigung, ein beschriftetes Verkehrsschild oder die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags im „Amtsblatt der Ausschreibungen“. Veröffentlichungen in Bezug auf den Personenstand erfolgen jedoch ausschließlich in der Sprache der Urkunde, auf die sie sich beziehen.
  • Privatpersonen: Diese Dienststellen bedienen sich in ihren Beziehungen mit Privatpersonen der Sprache, die die Betreffenden benutzen, wenn dies Französisch oder Niederländisch ist.
  • Standesamt: Brüsseler Dienststellen setzen Urkunden, die sich auf Privatpersonen beziehen, und Bescheinigungen, Erklärungen und Genehmigungen für Privatpersonen je nach Wunsch der Interessehabenden auf Französisch oder auf Niederländisch auf.
  • Andere Dienststellen im restlichen Landesteil: Dienststellen aus Brüssel-Hauptstadt bedienen sich in ihren Beziehungen mit Dienststellen des französischen oder des niederländischen Sprachgebietes der Sprache dieses Gebietes.

Das Verhalten einer Brüsseler Dienststelle gegenüber den anderen Dienststellen im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt ist äußerst detailliert in der Gesetzgebung vorgesehen:

A. Wenn die Angelegenheit begrenzt oder begrenzbar ist:
  1. ausschließlich auf das französische oder niederländische Sprachgebiet: der Sprache dieses Gebietes,
  2. gleichzeitig auf Brüssel-Hauptstadt und auf das französische oder niederländische Sprachgebiet: der Sprache dieses Gebietes,
  3. gleichzeitig auf das französische und niederländische Sprachgebiet: der Sprache des Gebietes, in dem die Angelegenheit ihren Ursprung hat,
  4. gleichzeitig auf das französische und niederländische Sprachgebiet und auf Brüssel-Hauptstadt, wenn die Angelegenheit ihren Ursprung in einem der zwei ersten Gebiete hat: der Sprache dieses Gebietes,
  5. gleichzeitig auf das französische und niederländische Sprachgebiet und auf Brüssel-Hauptstadt, wenn die Angelegenheit ihren Ursprung in letzterer hat: der nachstehend unter Buchstabe B) vorgeschriebenen Sprache,
  6. ausschließlich auf Brüssel-Hauptstadt: der nachstehend unter Buchstabe B) vorgeschriebenen Sprache,
B. Wenn die Angelegenheit örtlich weder begrenzt noch begrenzbar ist:
  1. wenn sie sich auf einen Bediensteten einer Dienststelle bezieht: der Sprache, in der dieser seine Zulassungsprüfung abgelegt hat oder, in Ermangelung einer solchen Prüfung, der Sprache der Gruppe, der der Betreffende aufgrund seiner Hauptsprache angehört,
  2. wenn sie von einer Privatperson eingeleitet wurde: der Sprache, der diese Person sich bedient hat,
  3. in allen anderen Fällen: der Sprache, in der der Bedienstete, dem die Angelegenheit anvertraut wird, seine Zulassungsprüfung abgelegt hat. Wenn dieser Bedienstete keine Zulassungsprüfung abgelegt hat, bedient er sich seiner Hauptsprache.

Das Beamtenrecht sieht vor, dass in den Dienststellen des zweisprachigen Gebietes Brüssel-Hauptstadt ein Gleichgewicht zwischen Beamten, deren Muttersprache Französisch bzw. Niederländisch ist, bestehen muss. Angesichts der Tatsache, dass in der Region Brüssel-Hauptstadt die übergroße Mehrheit der Bürger eher französischsprachig ist, sorgt diese gleichgewichtige Aufteilung für große Probleme bei der Rekrutierung von Beamten und beim „Ausfüllen“ des Kaders. In jedem Fall müssen die Beamten eine Sprachenprüfung in der „anderen“ Sprache ablegen (Referenz ist die Sprache des Diploms).

Eine „ständige Kommission für Sprachenkontrolle“ überwacht die korrekte Ausführung der Gesetzgebung über den Sprachengebrauch.[44]

Siehe auch

Literatur

  • C. Hecking: Das politische System Belgiens. Leske und Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3724-9.

Belgische Literatur

  • A. Alen: De derde staatshervorming (1988–1989) in drie fasen. In: T.B.P., speciaal nummer, 1989.
  • J. Brassine: Les nouvelles institutions politiques de la Belgique. In: Dossiers du CRISP, Nr. 30, 1989, ISBN 2-87075-029-3.
  • J. Clement, H. D’Hondt, J. van Crombrugge, Ch. Vanderveeren: Het Sint-Michielsakkoord en zijn achtergronden. Maklu, Antwerpen 1993, ISBN 90-6215-391-7.
  • F. Delperee (dir.): La Région de Bruxelles-Capitale. Bruylant, Brüssel 1989, ISBN 2-8027-0455-9.
  • P. Nihoul: La spécificité institutionnelle bruxelloise. In: La Constitution fédérale du 5 mai 1993. Bruylant, Brüssel 1993, ISBN 2-8027-0851-1, S. 87 ff.
  • Ph. De Bruycker: La scission de la Province de Brabant. In: Les réformes institutionnelles de 1993. Vers un fédéralisme achevé? Bruylant, Brüssel 1994, ISBN 2-8027-0883-X, S. 227 ff.
  • P. van Orshoven: Brussel, Brabant en de minderheden. In: Het federale België na de vierde staatshervorming. Die Keure, Brügge 1993, ISBN 90-6200-719-8, S. 227.

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. La Région bruxelloise a 20 ans – Une Région, non peut-être. Lalibre.be, 12. Januar 2009 (frz.)
  2. La Région bruxelloise a 20 ans – Bruxelles, un modèle pour la Belgique. Lalibre.be, 12. Januar 2009, Interview mit Charles Picqué (frz.)
  3. Art. 2, § 1 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen (B.S., 14. Januar 1989)
  4. La Région bruxelloise a 20 ans – 19 communes. Et demain, plus, moins? Lalibre.be, 12. Januar 2009 (frz.)
  5. Stedelijk gebied van Brussel in der niederländischsprachigen Wikipedia
  6. Proposition de loi visant l’élargissement de Bruxelles. Lalibre.be, 25. September 2007 (frz.)
  7. Maingain: poursuivre les négociations en réclamant toujours l’élargissement. Lalibre.be, 21. April 2010 (frz.)
  8. Art. 4 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen
  9. Das Wort „wahlberechtigt“ kann irreführend sein, da in Belgien tatsächlich Wahlpflicht herrscht.
  10. Art. 31 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen
  11. Dies geschieht traditionell nach dem sogenannten „D’Hondt Verteilerschlüssel“, der eine proportionale Vertretung aller im Brüsseler Parlament vertretenen Parteien sichert.
  12. Art. 24, § 1, 2° des Sondergesetzes vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen
  13. Art. 24, § 1, Abs. 4 und § 3, Abs. 3 und 4 des Sondergesetzes vom 8. August 1980
  14. Art. 9, Abs. 1 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen
  15. Art. 159 der Verfassung
  16. Art. 5 des Sondergesetzes vom 8. August 1980
  17. Art. 136 der Verfassung
  18. In Belgien gilt das sog. „Territorialitätsprinzip“, welches – so der Schiedshof (heute Verfassungsgerichtshof) – den Gemeinschaften die Befugnis über ein gewisses Gebiet (nicht über gewisse Personen) gibt; siehe Urteil des Schiedshofes Nr. 17/86 vom 26. März 1986 und die folgenden „Carrefour“-Urteile
  19. Art. 163, Abs. 1 der Verfassung
  20. Art. 166, § 3, 2° der Verfassung
  21. Art. 166, § 3, 1° und 3° der Verfassung
  22. Fr. Tulkens: La Communauté française, recépage ou dépeçage. In: La Constitution fédérale du 5 mai 1993. Bruylant, Brüssel 1993, S. 110 ff.
  23. Dekret I der Fr. Gem. vom 5. Juli 1993 und Dekret II der Fr. Gem. vom 19. Juli 1993 zur Übertragung der Ausübung gewisser Zuständigkeiten an die Wallonische Region und die französische Gemeinschaftskommission (beide B.S., 10. September 1993)
  24. So ist die Zustimmung der COCOF zu den europäischen Verträgen erforderlich, bevor die Zustimmung des Königreichs Belgien rechtskräftig werden und der Vertrag in Kraft treten kann; siehe z. B. das Dekret der COCOF vom 17. Juli 2008 zur Zustimmung zum europäischen Vertrag von Lissabon (B.S., 26. August 2008).
  25. Siehe u. a. die Aussage des zuständigen Ministers bei der Diskussion über den Entwurf des Sondergesetzes im Senatsausschuss (Parl. Dok., Senat, 2000-2001, Nr. 2-709/7, bes. S. 263 ff.); einlesbar auf der offiziellen Webseite des Belgischen Senats
  26. Urteil des Schiedshofes Nr. 35/2003 vom 25. März 2003; einlesbar auf der offiziellen Webseite des Verfassungsgerichtshofes
  27. Artikel 166, § 3, Nr. 3 der Verfassung
  28. Art. 83 des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen
  29. Im Gegensatz zu den im vorigen Absatz erwähnten Gemeinschaftskompetenzen von „gemeinsamem Interesse“ handelt es sich hier nur gemeinsame personenbezogene Angelegenheiten, nicht um kulturelle oder unterrichtsbezogene.
  30. Nur die Staatssekretäre gehören nicht der COCOM/GGC an.
  31. Art. 165, § 1, Abs. 1 der Verfassung
  32. Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juli 1971 zur Organisierung der Gemeindeagglomerationen und -föderationen (B.S., 24. August 1971)
  33. Art. 166, § 2 der Verfassung und Art. 48 ff. des Sondergesetzes vom 12. Januar 1989 über die Brüsseler Institutionen
  34. Art. 4, § 2 des Gesetzes vom 26. Juli 1971 zur Organisierung der Gemeindeagglomerationen und -föderationen
  35. Art. 6, § 1, VIII, 1°, des Sondergesetzes vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen
  36. Art. 6, § 1, VIII des Sondergesetzes vom 8. August 1980 über institutionelle Reformen
  37. Ordonnanz vom 17. Juli 2003 zur Abänderung des Neuen Gemeindegesetzes (B.S., 7. Oktober 2003)
  38. Gesetz vom 7. Dezember 1998 zur Organisation eines auf zwei Ebenen strukturierten integrierten Polizeidienstes (B.S., 5. Januar 1999)
  39. Art. 131bis des Provinzgesetzes vom 30. April 1936
  40. Art. 65 der koordinierten Gesetze über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten vom 18. Juli 1966
  41. Art. 5, § 2 des Provinzgesetzes vom 30. April 1936
  42. Diese „Regionen“ sind nicht mit den in Artikel 3 der Verfassung vorgesehenen Regionen (Flämische Region, Wallonische Region, Brüsseler Region) zu verwechseln. Im Sinne der Gesetzgebung über den Sprachengebrauch sind die Gemeinschaften und selbst der Föderalstaat auch „Regionen“.
  43. Art. 35, § 1 der koordinierten Gesetzgebung vom 18. Juli 1966 über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten (B.S., 2. August 1966); diese Regeln befinden sich in den Artikeln 17 bis 22 der koordinierten Gesetzgebung.
  44. Art. 60 ff. der koordinierten Gesetzgebung vom 18. Juli 1966 über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten
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