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Roma in Rumänien

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Roma bilden nach den Ungarn die zweitgrößte ethnische Minderheit in Rumänien. Verlässliche Zahlen zu Bevölkerungsgröße und -anteil fehlen. Ihre offizielle Zahl stieg von 535.140 Personen 2002 auf 619.007 2011.[1] Einige Autoren halten die Roma für die größte Minderheit des Landes. Viele Roma sind sozial, materiell und politisch marginalisiert.

Begriff

Im Gegensatz zum deutschen Sprachraum, wo die Bezeichnungen „Roma“ und „Sinti und Roma“ miteinander konkurrieren, wird in Rumänien als Sammelkategorie für die große Zahl unterschiedlicher Subgruppen, zu denen Sinti nicht gehören, allein der Begriff „Roma“ (auch in der Schreibweise „Rroma“) verwendet. Daneben tritt die rumänische Fremdbezeichnung țigani (Zigeuner), die es im Romanes nicht gibt, auch als Selbstbezeichnung auf;[2] in welchem Umfang, ist nicht wissenschaftlich untersucht. Seit Ende der 1990er Jahre ist in amtlichen rumänischen Dokumenten von „Roma“ die Rede.

Dies stieß auf erheblichen Widerspruch in Politik und Gesellschaft. Rumänische Nationalisten eröffneten 2009 eine Kampagne für ein Gesetz zur Wiedereinführung von țigani und zur Beseitigung von roma.[3][4] Damit waren sie nicht erfolgreich, aber 2010 kündigte die Liberaldemokratische Partei, Regierungspartei und Mitglied der Europäischen Volkspartei, eine ganz ähnliche Gesetzesinitiative an. Ziel sei „der Schutz der Rumänen in den zigeunerfeindlichen Regionen, da die schlechte Behandlung und negative Diskriminierung der Roma ungerechtfertigter Weise auch Rumänen betreffen könnte“. In dieser Sicht rechnet die Minderheit der Roma nicht zur rumänischen Bevölkerung. Begründet wird die Ablehnung des Begriffes „Roma“ meist mit einer Verwechslungsgefahr zwischen „Roma“ und „Români“ (= Rumäne).[5] Für den rumänischen Präsidenten Traian Băsescu war die Änderung der Bezeichnung „Zigeuner“ in „Roma“ ein „großer politischer Fehler“.[6] Băsescu erklärte, dass die Rumänen in ganz Europa mit den Roma verwechselt würden. Die Aussage löste bei zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen Empörung über die Implikation aus, dass die Roma keine Rumänen seien. Sie führte zu einer Protestdemonstration in der rumänischen Hauptstadt. Das Kultur- und das Außenministerium, die Roma-Nationalagentur, das Generalsekretariat der Regierung, die Abteilung für interethnische Beziehungen und der Nationalrat für die Bekämpfung der Diskriminierung widersprachen unter Berufung auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2000. Das Ziel, so das Außenministerium, einer begrifflichen Trennung zwischen „Rumänen“ und „Roma“ werde ohnehin verfehlt, weil man in anderen Staaten weiterhin bei „Roma“ bleiben werde.[7][8] Am Ende lehnte der rumänische Senat die offizielle Umbenennung in țigani 2011 ab.[9]

Eine „wenig ethnisch orientierte Beachtung“ finden Beiträge von Roma zur Hochkultur, wenn ihnen öffentliche Ehrung zukommt wie im Falle des hoch angesehenen Jazzpianisten Johnny Răducanu, dem allgemein die Zuschreibung „Rumäne“ gewährt wird.[10] Sie treten dann auch des Öfteren als repräsentative Kulturbotschafter ihres Landes in den Blick.[11]

Seit Mitte der 1990er Jahre wurde – auf Vorschlag von Roma-Vertretern – die orthographische Neuschöpfung „Rroma“ (Singular) bzw. „Rromi“ (Plural) eingeführt, um dem Argument der Verwechslungsgefahr entgegenzutreten und eine Rückkehr zum Begriff „Zigeuner“ zu vermeiden.[12][13] Die Form „Rroma“ wird von rumänischen Behörden nur sporadisch verwendet, hat aber teilweise Eingang in die internationale wissenschaftliche Literatur gefunden.

Die Roma-Minderheit bildet auch in Rumänien kein homogenes „Volk“, da es zu keinem Zeitpunkt politisch gesteuerte und gesellschaftlich verankerte Prozesse der Volkskonstruktion gab wie im Fall der rumänischen (oder ungarischen) Mehrheitsbevölkerung. Sie ist bis heute in zahlreiche Gruppen fragmentiert geblieben. Ihre Sprecher betonen die jeweilige Eigenständigkeit, die Gruppen distanzieren sich voneinander. In Selbstverständnis und Gruppenbezeichnung beziehen sie sich dabei nach wie vor auf die inzwischen historischen gruppentypischen Wirtschaftsweisen. Größere ethnische Teilgruppen bilden die Kalderasha/Calderari (= „Kupferschmiede“), die Corturari/Țiganii nomazi (= „Zeltzigeuner“), die Băeși (= „Korbflechter“) oder die Țigani de mătasă (= „Seidenzigeuner“).[14]

Demographie

Der Anteil der „Zigeuner“ in Siebenbürgen (österreichische Volkszählung 1850)
Der Anteil der Roma in den Gemeinden Rumäniens, so wie sie bei der Volkszählung 2002 aufgenommen wurden.

Wie generell bei Roma sind valide Angaben zum Bevölkerungsanteil und zu dessen Entwicklung auch für Rumänien und seine einzelnen Verwaltungsbezirke unmöglich, nachdem die in einer Volkszählung zu Befragenden häufig

  • sich trotz der Herkunft aus der Roma-Minderheit im Zuge von Assimilierungsprozessen inzwischen in andere Nationalitäten (Rumänen, Ungarn, Türken) einordnen,[15]
  • ein Bekenntnis zur Herkunftsethnie aus Furcht vor Benachteiligungen und Diskriminierungen verweigern[16] oder
  • keine Ausweispapiere besitzen und also gar nicht befragt werden.[17]

Es entstehen so „offizielle Volkszählungsergebnisse mit einer minimalen Zahl von bekennenden Roma“, auf die wiederum Unterbehörden sich berufen, um so „die gesetzlich vorgeschriebenen Förderungsmaßnahmen nicht ausführen zu müssen“ und „um sich Arbeit und finanzielle Mittel zu ersparen.“[18]

Der allgemeine Zensus Großrumäniens behauptete 1930 262.501 (1,6 %) „Zigeuner“. 1948 waren es nur mehr 53.425.[19] Es ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Gebietsabtretungen und der Ermordung von mehr als 10.000 Roma unter dem Antonescu-Regime eine erhebliche Zähldifferenz. Im Ergebnis der Volkszählung 1977 war die Zahl wiederum auf 227.398 (1 %) Personen angestiegen, 1992 dann auf 409.723 (1,8 %). Demgegenüber behauptete eine Studie des rumänischen Instituts für Erforschung der Lebensqualität von 1998 1.002.381 selbstidentifizierte Roma. Sie bezifferte die Gesamtzahl mit 1.452.700 bis 1.588.552,[20] während die letzte Volkszählung 2002 noch wieder nur 535.250 (2,5 %) Roma ergab.[21] Viele Schätzungen gehen weit über die staatlichen Zensus-Zahlen von 2002 hinaus. Laut dem jüngsten Länderbericht des US-Außenministeriums (2011) leben in Rumänien zwischen 1,8 bis 2,5 Millionen Roma − die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen würden. Der Bericht stellt den Zensuszahlen von 2002 kritisch einen Regierungsbericht von 2008 gegenüber, der von 1,2 Millionen ausgeht.[22] NGO und nichtrumänische Sprecher bevorzugen die Angabe von 2,5 Millionen Roma,[23][24][25] bleiben leicht darunter[26] oder erhöhen auf drei Millionen.[27][28][29]

Die untere Grenze markieren zur Zeit 700.000 (2008)[30] bzw. etwa eine Generation davor 760.000 (1985).[31]

Die oft bis auf den letzten Einer genauen Zahlen legen zwar Genauigkeit nahe, belegen aber durch ihre außerordentliche Spannbreite die generell mangelnde Vertrauenswürdigkeit von Zahlenangaben. Sie gehen nicht auf wissenschaftliche Studien, sondern auf interessegeleitete Befragungen und Antworten zurück.

Seit 1990 (Wegfall des Eisernen Vorhangs), aber besonders seit 2002 (Visafreiheit für rumänische Staatsangehörige im Schengener Raum) und 2007 (EU-Aufnahme Rumäniens), setzte eine massive Auswanderungswelle rumänischer Roma nach Westeuropa ein. Florin Cioabă, ein wichtiger Führer der Roma, sagte in einem Interview, dass die Fortführung dieses Trends den Verlust der Roma-Minderheit für Rumänien bedeuten könnte.[32]

Geschichte

In den Donaufürstentümern

Es ist davon auszugehen, dass erste Gruppen von „Zigeunern“ bereits im 13. Jahrhundert ins Donaugebiet, im 14. Jahrhundert dann nach Siebenbürgen und in die Walachei zugewandert sind. Urkundlich belegt ist die Minderheit erstmals 1385 für die Walachei, 1416 für Siebenbürgen. Die als „Zigeuner“ Bezeichneten beschrieben sich als Pilger, Büßergruppen oder Überbringer päpstlicher Botschaften.[33]

Bereits für das 16. Jahrhundert ist in beiden Fürstentümern ihr Dasein in einem sklavenähnlichen Zustand bezeugt.[34] Einzelne Fürsten siedelten Roma in den Karpaten – d. h. an der damaligen Grenze zum Königreich Ungarn – an, wo sie von dort kommende militärische Einfälle abwehren sollten und dafür einige Vergünstigungen erhielten.[35]

Von ihren Eigentümern, den weltlichen oder geistlichen Grundherren, konnten sie verschenkt, verkauft oder verpachtet werden. Es gab unterschiedliche Grade der Unfreiheit. Robi domnești konnten als Handwerker einigermaßen frei innerhalb des landesherrlichen Territoriums der Erwerbsmigration nachgehen, Robi mănăstirești arbeiteten als Landarbeiter ortsfest auf klösterlichen Gütern.[36]

Constantin Mavrocordat, der Fürst der Walachei und der Moldau, schaffte Mitte des 18. Jahrhunderts die Sklaverei in den Donaufürstentümern ab, nahm die Roma hiervon jedoch aus.[37] Mihail Kogălniceanu schätzte 1840 die Zahl der Roma in der Walachei und in der Moldau auf 200.000, in Europa insgesamt auf 600.000.[38] Von den etwa 200.000 Roma waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts 80.000 Sklaven der Fürsten; sie durften (oder mussten) umherziehen, um als Handwerker, Goldwäscher, Händler, Musiker oder Gaukler Geld zu verdienen. Dafür hatten sie einen bestimmten jährlichen Betrag beim Fürsten abzuliefern. Es war ihnen verboten, das Land zu verlassen. Die meisten anderen arbeiteten als Diener oder auf den Gütern von Bojaren und von orthodoxen Klöstern.[39] Sie waren ihren Herren schutzlos ausgeliefert. Offiziell durften sie nicht getötet werden; ein Mord an einem Rom wurde jedoch gerichtlich nicht verfolgt.[40]

Während der Revolution in der Walachei 1848 schaffte die provisorische Regierung die Sklaverei ab; sie wurde nach der Intervention türkischer Truppen wieder eingeführt. Während des Krimkrieges (1853) erging in der Walachei erneut eine Verordnung zur Sklavenbefreiung, kurze Zeit später schloss sich das Fürstentum Moldau an.[35] 1855/56 wurde in der Walachei und in der Moldau die Sklaverei endgültig abgeschafft. Ein großer Teil der Befreiten verließ das Land und migrierte vor allem nach Mitteleuropa. Andere siedelten sich an den Rändern der Städte an und ein Teil ging ambulanten Tätigkeiten mit wechselndem Aufenthaltsort nach.[41] Die Bojaren wurden für die erzwungene Freilassung ihrer Sklaven entschädigt; sie erhielten für einen Sklaven 10 Dukaten.[42] In der Walachei und der Moldau bewirkte die Unfreiheit der Minderheit einen starken Verlust der Sprache, des Romanes.

In den heute nordwestlichen Landesteilen

Gesondert zu betrachten sind die Roma in den heute nordwestlichen Landesteilen Rumäniens, die bis 1918 zum Königreich Ungarn, zum Fürstentum Siebenbürgen bzw. zu Österreich gehörten. 1476 erging ein Freibrief des ungarischen Königs Matthias Corvinus, der die Zigeuner von Hermannstadt aus der siebenbürgisch-fürstlichen Gerichtsbarkeit herausnahm. Seit Maria Theresia gab es systematische staatliche Anstrengungen zur Zwangsassimilation. Dazu gehörten ein Sprachverbot, ein Verbot der Heirat innerhalb der Minderheit, ein generelles Verbot einer minderheitlichen kulturellen Praxis oder auch das Verbot, das festgelegte Domizil zu verlassen (zu „wandern“). 1786 wurde unter Joseph I. die Leibeigenschaft aufgehoben. Die soziale Marginalisierung, die sich in Wohnplätzen am Rande der Ortschaften widerspiegelte, blieb: für Hermannstadt ist belegt, dass die Angehörigen der Minderheit die als „unehrlich“ (= „unehrenhaft“) geltende Aufgabe der Stadtreinigung hatten.[36]

Im Königreich Rumänien

In den ersten Jahrzehnten des Königreichs Rumänien besserte sich die Situation der Roma, die weitgehend ungehindert ihren Handwerksberufen nachgehen konnten. Die wirtschaftlichen Krisenjahre nach dem Ersten Weltkrieg, die Umstrukturierung der Wirtschaft und der damit verbundene Niedergang vieler Handwerksberufe führten jedoch wieder zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen den Roma und der rumänischen Mehrheitsgesellschaft. Andererseits gab es gerade in dieser Zeit eine lebendige Roma-Presselandschaft; im Land erschienen zwischen 1930 und 1940 sieben Roma-Zeitungen.[41] Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt Rumänien im Vertrag von Trianon weite Gebiete des Königreichs Ungarn, unter anderem Siebenbürgen. Auch in diesen Regionen lebten zahlreiche Roma. Deren Lebensgrundlage bildeten vor allem selbständige Erwerbsweisen in Handwerk (Kessel-, Kupfer- und Blechschmiede) und Handel, oft ambulant ausgeübt. Bei ihnen hat sich das Romanes neben Ungarisch und Rumänisch als Primärsprache behauptet.

Antonescu-Regime

Ein starker Einschnitt in die Geschichte der rumänischen Roma war das Jahr 1942, als während der Herrschaft des mit den Nationalsozialisten verbündeten Militärregimes unter Ion Antonescu 41.000 Roma – ortsfest lebend oder in Erwerbsmigration – erfasst wurden. Ortsfest Lebende waren dann betroffen, wenn die Behörden sie als „kriminell“ oder als „asozial“ kategorisierten. „Rasse“ war offiziell kein Kriterium. 25.000 Roma wurden nach Transnistrien deportiert. 11.000 von ihnen starben durch Unterernährung, Kälte, Krankheiten und andere Folgen mangelnder Versorgung.[43]

Während der Herrschaft der Kommunistischen Partei

Nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei gelang es einem Teil der Roma, ihre wirtschaftliche Grundlage wieder zu verbessern, da viele im Zuge der planmäßigen Industrialisierung des Landes eine feste Erwerbsmöglichkeit erhielten. Offene Verfolgung und Diskriminierung waren verboten. Auf der anderen Seite leugnete das Regime gegen Ende seiner Herrschaft die Existenz einer ethnischen Minderheit der Roma.

Lage seit der Revolution 1989

Nach dem Ende des kommunistischen Regimes und der Etablierung eines marktwirtschaftlichen Systems gehörten Roma zu den zuerst Entlassenen.[44] Bei der Arbeitsplatzsuche waren Diskriminierungen an der Tagesordnung. Die Verschlechterung ihrer Situation betrifft aber nicht nur ihre Einkünfte. Auch wohnen Roma häufiger als Rumänen anderer Ethnien in Siedlungen ohne fließendes Wasser und ohne Strom;[45] ein Teil der Kinder lebt auf der Straße. Das traditionelle Handwerk ist inzwischen weitgehend aufgegeben, die damit einhergehende (Erwerbs-)migration ebenfalls, der Handel als Marktbeschicker ist an die Stelle getreten. Ablehnung der Roma aus der Mehrheitsbevölkerung entlud sich nach dem Systemwechsel und dem damit einhergehenden Kontrollverlust in Pogromen. Beide Ursachenkomplexe – schlechte wirtschaftliche Bedingungen und vielfältige Formen der Exklusion – führten zur Abwanderung vieler Roma nach Westeuropa.[41][46][47] Sie wurden so Teil der Migration von Rumänen nach Westen, was verstärkte Distanzierungen von Seiten anderer Bevölkerungsgruppen und aus dem Spektrum zwar nicht nur, aber doch insbesondere vehement rechtsgerichteter Organisationen zur Folge hatte. Behauptet wurde, es handle sich bei den Angehörigen der Roma-Minderheit nicht um Rumänen, was wiederum auf scharfe Kritik aus anderen Teilen der rumänischen Gesellschaft stieß, die sich in dieser Frage gespalten zeigt (siehe Abschnitt „Begriff“). Eine Untersuchung der Haltung der rumänischen Transformationsgesellschaft zur Roma-Minderheit ergab „eine tiefe Gespaltenheit der Gesellschaft und eine bewusste Abgrenzung der Einkommensstarken, Westorientierten und Gebildeten von anderen [sozialen] Schichten“, darunter in besonders hohem Maße von Roma. Gerade in diesem auf Exklusion drängenden Teil der Gesellschaft gibt es zu realen Roma nur sehr wenig Kontakt, während mit persönlichen Erfahrungen „Generalisierungen zur sozialen Stellung an Bedeutung (verlieren)“ und zu positiven Urteilen führen. Der Anteil der „positiven Einstellungen und Erfahrungen im rumänischen Kontext“ wurde als „bemerkenswert hoch“ eingeschätzt.[48]

Ein weiteres Problem ist die schlechte Bildung vieler Roma. Um die Jahrtausendwende waren 44 % der Männer und 59 % der Frauen Analphabeten.[49] Nachdem dieses Problem in den ersten Jahren nach der Revolution von den jeweiligen Regierungen zunächst weitgehend ignoriert worden war, ist seit etwa 2001/2002 die Situation der Roma immer wieder Gegenstand von Regierungsuntersuchungen, in denen darauf hingewiesen wird, dass insbesondere die Bildung der Roma verbessert werden müsse.[50] Das Bildungsministerium verfügte die Aufnahme einer bestimmten Mindestanzahl Roma an den Universitäten; letztere stellen teilweise von sich aus zusätzliche Studienplätze für Roma bereit. So wurden ab 1992/1993 Sonder-Studienplätze für Roma an der Universität Bukarest eingerichtet, zunächst auf die Fakultät für Sozialarbeit begrenzt. Ab 1998 wurden im Rahmen von affirmativen Maßnahmen eine größere Zahl von Studienplätzen an acht Universitäten Rumäniens für Roma-Studenten reserviert.[51] In den Grundschulen findet trotz offizieller Gleichberechtigung nach wie vor der Unterricht oft ethnisch getrennt statt, d. h. Roma werden in eigenen Klassen von anderen rumänischen Kindern segregriert. Dies mag von der Weigerung anderer Rumänen mitbedingt sein, ihre Kinder zusammen mit Roma-Kindern unterrichten zu lassen. Die Schulabbrecherquote ist unter Roma gegenüber den anderen Nationalitäten Rumäniens deutlich höher.[52]

Es gibt demnach einen Gegensatz zwischen der sozialen Wirklichkeit und der verfassungsmäßigen Rechtsgleichheit. Artikel 4 Absatz 2 der rumänischen Verfassung von 1991 verspricht allen Rumänen Rechtsgleichheit „ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität, der ethnischen Herkunft, der Sprache, der Religion, des Geschlechts, der Meinung, der politischen Zugehörigkeit, des Vermögens oder der sozialen Herkunft“.[53]

Die explizite Diskriminierung von Roma bei Stellen- oder Mietanzeigen und die Verweigerung des Zutritts zu Gaststätten oder Diskotheken, wie sie zuvor vorkamen, stehen inzwischen unter Strafe.[54][47] Von weiten Teilen der rumänischen Öffentlichkeit werden Roma jedoch nach wie vor ausgegrenzt. Nach einer Umfrage kurz nach dem Jahr 2000 waren 30 % der rumänischen Mehrheitsbevölkerung der Meinung, dass Roma nicht ins Ausland reisen sollten. 36 % glaubten, dass Roma am besten am Rande der Gesellschaft leben sollten, 50 % befürworteten eine obligatorische, staatlich kontrollierte Geburtenbeschränkung.[55] Innerhalb weiter Teile der rumänischen Mehrheitsbevölkerung ist der Begriff „Zigeuner“ ein gängiges Schimpfwort (auch für einen anderen Rumänen). Als solches wurde er auch von Staatspräsident Traian Băsescu gegenüber einer ihm aufdringlich wirkenden Journalistin verwendet.[56]

Es gibt in Rumänien etwa 200 bis 300 Roma-Verbände, jedoch keine anerkannte Dachorganisation, was die Interessenvertretung seitens der Roma, aber durch das Fehlen allseits akzeptierter Ansprechpartner auch die Arbeit der Regierung hinsichtlich der Roma erschwert.[57] Die Partei der Roma (Partida Romilor) erhielt bei den Parlamentswahlen 2008 etwa 44.000 Stimmen, was einem Anteil von nur 0,6 % entspricht.[58] Da die Roma zu den 19 offiziell anerkannten ethnischen Minderheiten Rumäniens gehören, steht der Partei jedoch trotzdem ein Sitz in der Abgeordnetenkammer zu.

Einige Roma waren ökonomisch erfolgreich, nicht selten indem sie mit Eisen und Stahl aus stillgelegten Produktionsstätten – nun Schrott – handelten oder Altstoffe aufarbeiteten.[59] Mitunter zeigen sie ihren Wohlstand in auffälliger Weise. „Mit steigendem Status“ lehnen Rumänen aus der Bevölkerungsmehrheit derartige Formen der Selbstdarstellung ab und tragen zugleich vor, „Zigeuner“ blieben doch stets „Zigeuner“.[60]

Die heutigen Probleme der Roma in Rumänien – wie auch in anderen Staaten – sind nach Auffassung vieler Fachleute auf zahlreiche, komplex aufeinander wirkende Faktoren zurückzuführen. Dazu gehören die gegenüber der Mehrheitsbevölkerung deutlich schlechtere materielle Ausgangsbasis, eine meist inoffizielle Segregation der Roma in vielen Bereichen der Gesellschaft, seitens mancher Roma aber auch ein zähes Festhalten an herkömmlichen Strukturen. Aufgrund einer langen Tradition verschiedener Formen der Diskriminierung gibt es bei vielen Roma ein Misstrauen gegenüber staatlichen Maßnahmen und privaten Hilfsangeboten, welche schließlich oft an mangelnder Mitarbeit und Initiative scheitern.[61]

Die rumänische Regierung richtete 2004 ein eigenes Amt ein (Agenţia Naţională pentru Romi, dt. Nationale Agentur für Roma), das sich speziell mit den Problemen der Roma-Minderheit befasst.[62]

Einige bekannte rumänische Roma

  • Musiker
  • Politiker
  • Sportler

Literatur

zur Geschichte der Roma in Rumänien
  • Franz Remmel: Die Roma Rumäniens. Volk ohne Hinterland, Wien, 1993

Film

  • The Curse of the Hedgehog (Kamera: Dumitru Budrală), Dokumentarfilm über ein Jahr einer in äußerster Armut nomadisch lebenden Roma-Familie in den Südkarpaten

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Roma in Rumänien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. adz.ro, Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien: Die Deutschen und Ungarn erreichten historisches Tief, 29. August 2012
  2. Maria Sass/Herbert Uerlings/Iulia Karin Pătruț: Europa und seine Zigeuner‘. Literatur- und kulturgeschichtliche Studien, Sibiu 2007, S. 20, (PDF; 965 kB)
  3. "Nachkommen der Römer" gegen Roma. In: TAZ. 28. März 2009. Abgerufen am 18. Oktober 2013.
  4. Rumänien: „Zigeuner statt Roma!“. roma-service.at. 1. April 2009. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  5. punkto.ro vom 10. Oktober 2010, abgerufen am 24. Oktober 2010
  6. Rumänischer Präsident für „Zigeuner“ statt „Roma“. In: Die Presse, 10. September 2010. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  7. Rumänien: Roma wollen nicht „Zigeuner“ genannt werden. In: Die Presse, 2. Dezember 2010. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  8. Rumänien will Begriff „Zigeuner“ wieder einführen. In: Kleine Zeitung, 3. Dezember 2010. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  9. punkto.ro vom 9. Februar 2011, abgerufen am 4. Mai 2011
  10. Esther Quicker: Die „Zigeuner“ und wir. Stimmen zu den Roma in der rumänischen Transformationsgesellschaft. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. 19 (2010), S. 71; „Liste der rumänischen Komponisten“, in: www.worldlingo.com/ma/enwiki/de/List_of_Romanian_composers.
  11. Wie Radacanu zu den rumänischen Kulturtagen in München: Die rumänischen Kulturtage in München 2011. Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition e. V. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  12. adz.ro vom 10. Dezember 2010, abgerufen am 15. Dezember 2010
  13. Gernot Haupt: Antiziganismus und Sozialarbeit: Elemente einer wissenschaftlichen Grundlegung, gezeigt an Beispielen aus Europa mit dem Schwerpunkt Rumänien. Frank & Timme GmbH, Berlin 2006. S. 65. ISBN 978-3-86596-076-4
  14. Brigitte Mihok, Stephan Müller: Roma in Rumänien – Ein kleiner Einblick. In: ZAG – Antirassistische Zeitschrift. Nr. 05/1992, 1992-09-30, S. 18–22. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  15. „… belong to other nations with whom they identified …“, siehe: Viorel Achim, Gypsy Research ans Gypsy Policy in Romania, 1920–1950, in: Michael Zimmermann (Hrsg.), S. 157–174, hier: S. 158.
  16. „… because they considered the term 'Gypsy' to be demeaning …“, siehe: Viorel Achim, Gypsy Research ans Gypsy Policy in Romania, 1920–1950. In: Michael Zimmermann (Hrsg.), S. 157–174, hier: S. 158.
  17. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. S. 29
  18. Gernot Haupt: „Eine eigene Religion haben sie nicht…“? Über den religiösen Antiziganismus gegenüber Roma und Sinti. Vortrag gehalten am 14. November 2007 anlässlich des XVIII. Europäischen Volksgruppenkongresses in Klagenfurt, (PDF; 117 kB)
  19. Viorel Achim, Gypsy Research ans Gypsy Policy in Romania, 1920–1950, in: Michael Zimmermann (Hrsg.), S. 157–174, hier: S. 158.
  20. Romii din România (rumänisch, PDF; 575,82 kB) edrc.ro. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  21. Populația după etnie (Memento vom 5. November 2010 im Internet Archive), abgerufen am 13. Oktober 2012 (rumänisch)
  22. [ (Link nicht mehr abrufbar) Siehe das deutsch-rumänische Medienprojekt „punkto.ro“, 9. Mai 2011] (Zugriff 17. Mai 2011).
  23. SVP-Politiker nähren Vorurteile gegen Roma. humanrights.ch. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  24. Sinti und Roma: Paris macht Druck auf Rumänien. In: Frankfurter Rundschau, 5. August 2010. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  25. Rumäniens Roma raufen sich zusammen. In: Die Presse, 6. Januar 2010. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  26. Z. B. amnesty international: Online-Petition für Roma in Rumänien: Keine rechtswidrigen Zwangsräumungen!. Amnesty International Deutschland. Archiviert vom Original am 13. November 2011. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  27. Interview mit dem Schweizer Romund Bürgerrechtler Stéphane Laederich: [www.deza.admin.ch/en/Dossiers/.../resource_de_153002.pdf]
  28. Roland Schlumpf: Fallen bald die Roma ein?. In: Tages-Anzeiger, 30. Januar 2008. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  29. [ (Link nicht mehr abrufbar) Neue Zürcher Zeitung im Schweizer Fernsehen]
  30. Rumänien sieht Ende starker Auswanderung: Beschwichtigungen und Unsicherheiten um Personenfreizügigkeit. In: Neue Zürcher Zeitung, 1. April 2008. Abgerufen am 24. Mai 2013. 
  31. Alexandre Zouev, Peter Ustinov. Generation in jeopardy: children in Central and Eastern Europe and the former Soviet Union, page 164. Published by UNICEF.
  32. Regele Cioabă se plânge la Guvern că rămâne fără supuşi. Gandul.info. 10. September 2007. Abgerufen am 24. Mai 2013.
  33. Alle Angaben nach: Martin Bottesch, Franz Grieshofer, Wilfried Schabus (Hrsg.): Die siebenbürgischen Landler 1. Teil 1. Böhlau-Verlag, Wien 2002, ISBN 3-205-99415-9 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  34. Martin Bottesch et al.: Die siebenbürgischen Landler: eine Spurensicherung, Bd. 2, Wien 2002. S. 383
  35. 35,0 35,1 Guillaume Lejean: Ethnographie der Europäischen Türkei, Gotha 1861, S. 11.
  36. 36,0 36,1 Alle vorausgehenden Angaben nach: Martin Bottesch, Franz Grieshofer, Wilfried Schabus (Hrsg.): Die siebenbürgischen Landler 1. Teil 1. Böhlau-Verlag, Wien 2002, ISBN 3-205-99415-9, S. 383.
  37. Rudolf Lindau: Die Walachei und Moldau. Ausgabe 2., Dresden/Leipzig, 1849. S. 51
  38. Mihail Kogălniceanu: Skizze einer Geschichte der Zigeuner, ihrer Sitten und ihrer Sprache. Verlag J. F. Cast'sche Buchhandlung, Stuttgart 1840. S. 35
  39. Rudolf Lindau: Die Walachei und Moldau. Ausgabe 2. Verlag Arnold. Dresden/Leipzig, 1849. S. 70
  40. J. L. Neigebaur in: Hamburger literarische und kritische Blätter. Band 31. Ausgabe Jan. – März 1855. Hrsg. F. Niebour, Hamburg 1855. S. 440
  41. 41,0 41,1 41,2 Martin Bottesch, Franz Grieshofer, Wilfried Schabus (Hrsg.): Die siebenbürgischen Landler 1. Teil 1. Böhlau-Verlag, Wien 2002, ISBN 3-205-99415-9, S. 384.
  42. Agronomische Zeitung: Organ für die Interessen der gesamten Landwirtschaft. Nr. 17/1856. Verlag Reclam. Leipzig 1856
  43. Viorel Achim, Gypsy Research and Gypsy Policy in Romania 1920–1950, in: Michael Zimmermann (Hrsg.): Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bd. 3), Stuttgart: Franz Steiner, 2007, S. 157–174.
  44. Judith Okely: Kontinuität und Wandel in den Lebensverhältnissen und der Kultur der Roma, Sinti und Kalé. In: Reetta Toivanen, Michi Knecht: Europäische Roma – Roma in Europa, Berliner Blätter, Ethnografische und ethnologische Beiträge, Heft 39/2006, LIT Verlag, ISBN 3-8258-9353-7, Seiten 25–42, S. 30
  45. EU-Studie: Tschechische Roma fühlen sich im Vergleich am häufigsten diskriminiert, 10. Dezember 2009, Roma in der Tschechischen Republik
  46. Roland Schopf: Sinti, Roma und wir anderen: Beiträge zu problembesetzten Beziehungen. LIT-Verlag. Münster, 1994. S. 82 f.
  47. 47,0 47,1 Keno Verseck: Rumänien, Beck, 3. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-55835-1, S. 127
  48. Esther Quicker, Die „Zigeuner“ und wir. Stimmen zu den Roma in der rumänischen Transformationsgesellschaft, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 19 (2010), S. 66 ff., 73 f.
  49. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. Otto-Bennecke-Stiftung. V&R unipress. Göttingen, 2005. S. 29
  50. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. Otto-Bennecke-Stiftung. V&R unipress. Göttingen, 2005. S. 30
  51. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. Otto-Bennecke-Stiftung. V&R unipress. Göttingen, 2005. S. 38 f.
  52. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. S. 40 f.
  53. Siehe Verfassung vom 21. November 1991, auf Deutsch
  54. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, Reihe Beiträge der Akademie für Migration und Integration H9, Göttingen, 2005, Seiten 29–46, S. 31
  55. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. Otto-Bennecke-Stiftung. V&R unipress. Göttingen, 2005. S. 29
  56. welt.de vom 21. Mai 2007, abgerufen am 24. Oktober 2010
  57. Ivanka Graffius: Stärkung der politischen Partizipation von Roma-Frauen in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung. S. 104
  58. Zentrales Wahlbüro Rumäniens, abgerufen am 24. Oktober 2010 (PDF; 2,1 MB)
  59. Judith Okely: Kontinuität und Wandel in den Lebensverhältnissen und der Kultur der Roma, Sinti und Kalé. In: Reetta Toivanen, Michi Knecht: Europäische Roma – Roma in Europa, Berliner Blätter, Ethnografische und ethnologische Beiträge, Heft 39/2006, LIT Verlag, ISBN 3-8258-9353-7, Seiten 25–42, S. 31
  60. Esther Quicker: Die „Zigeuner“ und wir. Stimmen zu den Roma in der rumänischen Transformationsgesellschaft. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 19 (2010), S. 63 f.; Keno Verseck: Rumänien. Verlag C. H. Beck. München, 1998. S. 25
  61. Gernot Haupt: Antiziganismus und Religion: Elemente einer Theologie der Roma-Befreiung. LIT-Verlag. Münster, 2009. S. 30.
  62. Website der Nationalen Agentur für Roma

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