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Stephan Harbarth

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Stephan Harbarth (2017)

Stephan Harbarth (* 19. Dezember 1971 in Heidelberg) ist ein deutscher Jurist. Seit November 2018 ist er Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts[1] und Vorsitzender dessen ersten Senates.[2] Am 15. Mai 2020 wurde er zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Er war Rechtsanwalt und ist Honorarprofessor, Mitglied des Bundesvorstandes der CDU[3] und von 2009 bis 2018 Mitglied des Deutschen Bundestags.

Leben und Beruf

Stephan Harbarth wuchs in Schriesheim auf. 1991 legte er das Abitur am Bunsen-Gymnasium in Heidelberg ab und studierte anschließend Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1996 legte er die Erste juristische Staatsprüfung ab, absolvierte zwischen 1997 und 1999 das Referendariat am Kammergericht in Berlin und legte dort im August 1999 die Zweite juristische Staatsprüfung ab. 1998 wurde er an der Universität Heidelberg zum Dr. iur. promoviert. Im Studienjahr 1999/2000 studierte er mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an der Yale Law School; er erwarb dort den akademischen Grad eines Master of Laws.

Von 2000 bis zu seiner Ernennung als Richter am Bundesverfassungsgericht war Harbarth als wirtschaftsrechtlich beratender Rechtsanwalt in Mannheim tätig. Von 2006 bis 2008 war er Partner der internationalen Anwaltssozietät Shearman & Sterling LLP.[4] Ab Mai 2008 wurde er Vorstandsmitglied der (wieder eigenständigen) SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG[5] und verdiente dort neben seiner Abgeordnetendiät bis 2018 in der Stufe 10 oberhalb von 250.000 Euro jährlich.[6] Für den Zeitraum Januar bis November 2018 ist mit Einkünften bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz von „mehr als 400.000 Euro, vermutlich sogar gut das Doppelte“ auszugehen. „Hinzu kam die Abgeordnetendiät.“[7] Harbarth dementierte, bei der Übernahme des Richterpostens beim Bundesverfassungsgericht wegen der damit verbundenen Einkommenseinbußen gezögert zu haben.[7] Mit seiner Ernennung zum Richter am Bundesverfassungsgericht am 30. November 2018 schied Harbarth als Partner und Rechtsanwalt aus der Kanzlei SZA aus.

Stephan Harbarth ist seit 2004 Lehrbeauftragter[4] und seit März 2018 Honorarprofessor[8] an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg. Sein Doktorvater war Peter Hommelhoff[9], mit dem Harbarth bis heute die gesellschaftsrechtlichen Fachzeitschriften Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht[10] und European Company and Financial Law Review[11] herausgibt. Als Richter hat Harbath bisher noch nicht gearbeitet.[12]

Harbarth ist katholisch, verheiratet und Vater dreier Kinder.[13]

Politik

Partei

1987 trat Harbarth in die Junge Union ein und führte von 1995 bis 1997 den Kreisverband Rhein-Neckar. 1993 wurde er Mitglied der CDU und gehörte seit 1995 dem Kreisvorstand der CDU Rhein-Neckar und seit 2005 dem Bezirksvorstand der CDU Nordbaden an. 2007 wurde er stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Rhein-Neckar und seit 2009 war er Mitglied im CDU-Bundesausschuss. Ende August 2010 wurde Harbarth in den Bundesfachausschuss Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik der CDU Deutschlands berufen. 2011 wurde er als Nachfolger von Georg Wacker zum Kreisvorsitzenden der CDU Rhein-Neckar gewählt, seit 2013 war er Mitglied des Landesvorstandes der CDU Baden-Württemberg. Er war ab 2016 Mitglied im CDU-Bundesvorstand.

Abgeordneter

Bei den Bundestagswahlen 2009, 2013 und 2017 wurde er als CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis 277 Rhein-Neckar direkt in den Deutschen Bundestag gewählt.

Harbarth war im Parlament ordentliches Mitglied des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Darüber hinaus war er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat sowie im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.[14] Er ist Mitglied der Europa-Union Parlamentariergruppe Deutscher Bundestag und Vorstandsmitglied im Parlamentskreis Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Vom 28. Januar 2014 bis zum 21. Juni 2016 war er Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages.[15][16] Am 7. Juni 2016 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Bereiche Recht und Verbraucherschutz, Innen, Sport und Ehrenamt, Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten gewählt[17] und in diesem Amt am 29. Januar 2018[18] sowie am 25. September 2018[19] bestätigt.

Die Volkswagen AG mandatierte 2015 die SZA Rechtsanwaltsgesellschaft, um dem Konzern beim VW-Abgasskandal zu helfen. Daher wurde ihm von der Opposition Befangenheit als deren Vorstandsmitglied vorgeworfen.[20] Der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb, es gebe „nach geltendem Recht keine zwingenden Gründe für einen Ausschluss von Stimmrechten eines Abgeordneten bei Entscheidungen des Bundestages, die diesen selbst begünstigen können“. Harbarth hatte für die Absetzung des Tagesordnungspunktes VW gestimmt, ohne den Ausschuss über seinen Interessenskonflikt zu informieren.[21] Harbarth war an dem Mandat nicht aktiv beteiligt und die Beratung der Kanzlei bezog sich auf aktienrechtliche Aspekte.[22]

Der Öffentlichkeit wurde Stephan Harbarth bekannt durch seine Initiative zu einem Antrag im Kampf gegen Antisemitismus, mit dem der Posten des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung eingeführt wurde. Der Antrag wurde von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne unterzeichnet und am 18. Januar 2018 mehrheitlich angenommen; mit den Stimmen der AfD und bei Enthaltung der Linken.[23][24] In der Bundestagsdebatte im November 2018 zum umstrittenen UN-Migrationspakt sprach sich Harbarth für dessen Unterzeichnung aus.[25]

Bundesverfassungsgericht

Der Richter Ferdinand Kirchhof hätte im Juni 2018 aus dem Bundesverfassungsgericht ausscheiden sollen, die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich aber schwierig, da die regierende Koalition (CDU/CSU, SPD) keine Zweidrittelmehrheit hatte und zusätzlich Stimmen aus der Opposition brauchte.[26] Im November 2018 einigten sich die Fraktionsführungen von Union, SPD, Grünen und FDP darauf, Harbarth als Richter für das Bundesverfassungsgericht zu nominieren.[27] Am 22. November 2018 wurde Harbarth vom Bundestag zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt.[28] Er ist damit seit 2005 der erste ehemalige Rechtsanwalt als Richter am Bundesverfassungsgericht. Am 23. November 2018 wählte ihn der Bundesrat einstimmig zum Vizepräsidenten des Gerichts.[29] Er wurde am 30. November 2018 ernannt und ist Vorsitzender des ersten Senates.[2] Die Volkswirtin Dorothea Siems kommentierte, dass seine Fachkenntnisse „sowohl in der Politik als auch in Kollegenkreisen“ anerkannt seien.[25]

Am 8. März 2020 erklärte Harbarth in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, Nachfolger von Andreas Voßkuhle als Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden zu wollen.[30] Voßkuhles reguläre Amtszeit endete am 6. Mai 2020. Am 15. Mai 2020 wurde Harbarth vom Bundesrat zum Präsidenten gewählt; die Ernennung durch den Bundespräsidenten steht noch aus.[31]

Kritik

Die Wahl von Harbarth zum Bundesverfassungsrichter ist beständiger Kritik ausgesetzt. Aled Wyn Griffiths, Chefredakteur des in der Rechtsanwaltschaft angesehenen JUVE Verlag für juristische Information, konstatierte „ehrliche Verblüffung“[32], dass überhaupt eine Diskussion über die Wählbarkeit von Harbarth geführt werde. Gäbe es Interessenskonflikte, so Griffiths, sei „[d]er Schlüssel dafür […] eine Definition von Befangenheit und Interessenkonflikten, die so streng und klar ist, dass Richter wissen, wenn sie einen Fall abgeben sollten.“ Griffiths fügte hinzu: „Würden diese Fragen einem Mitglied des Supreme Courts in Großbritannien oder den USA gestellt – die Reaktion wäre wohl ehrliche Verblüffung. Jeder britische Richter war früher ein praktizierender Anwalt. Jedes Mitglied des dortigen Obersten Gerichts, der Berufungsgerichte, buchstäblich jedes einzelnen Gerichts hat in seiner früheren Laufbahn Sonderinteressen von Mandanten vertreten.“ Allerdings musste in den USA schon einmal ein Richter am U.S. Supreme Court, Abe Fortas, der zuvor Anwalt in einer Großkanzlei war, nach einer gescheiterten Wahl zum Gerichtspräsidenten zurücktreten wegen Honoraren, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit begründeten. Mit dem Rücktritt kam Fortas einem Impeachment zuvor.[33]

Harbarth selbst sieht die Kritik als unberechtigt an.

Vorwürfe von Verstößen gegen § 44a des Abgeordnetengesetzes

In der Öffentlichkeit werden Vorwürfe erhoben, es sei vom Arbeitsumfang nicht nachvollziehbar, wie Harbarth während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter nebenher so viel Geld mit seiner Anwaltstätigkeit verdient haben kann.[34] „Wofür bekam Harbarth also seine hohe Vergütung?“, fragte das Handelsblatt.[35][36] Entweder habe Harbarth sein Abgeordneten-Mandat angesichts des abgerechneten Arbeitsumfangs fast nicht wahrgenommen, oder habe Leistungen als Anwalt abgerechnet, ohne eine entsprechende Anwaltstätigkeit auszuüben.[37] Letzteres wäre ein Verstoß gegen § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG: „Unzulässig ist ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird.“[38] Die Bundestagsverwaltung hat diese Vorwürfe ernst genommen und geprüft. Der Bericht ist nicht öffentlich. Harbarth hat zu diesen Vorwürfen niemals Stellung genommen und sie aber auch niemals abgestritten.

Mit einer Feststellungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht wurde 2019 von zwei Bundestagsabgeordneten (Frauke Petry, ehemals AfD und Mario Mieruch, ehemals AfD) die Feststellung begehrt, dass die Wahl und Ernennung von Harbarth zum Richter des Bundesverfassungsgerichts, nichtig sind: BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19.[39] Das Bundesverfassungsgericht hat diese Feststellungsanträge als unzulässig verworfen und nicht zur Sache entschieden. Kern der Argumentation der Antragsteller war, so die Zusammenfassung des Bundesverfassungsgerichts in den Gründen seiner Entscheidung: „Unabhängig davon liege ein bewusster Verstoß gegen die einfachgesetzliche Bestimmung des § 44a AbgG vor, weil der Antragsgegner zu 2. nicht offengelegt habe, dass der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts in seiner Zeit als Abgeordneter in erheblichem, wohl überwiegendem Umfang Vermögenszuwendungen aus dritten, ungeklärten Quellen erhalten habe. Angesichts zahlreicher ungeklärter Detailfragen zum Einkommen des Abgeordneten aus seiner früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt, während derer er auch Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskanzlei gewesen sei, bestehe die Vermutung eines unzulässigen, mit dem freien Mandat eines Abgeordneten unvereinbaren Interessenkonflikts. Er habe daher §§ 44a, 44b AbgG missachtet; zugleich seien die von ihm in offensichtlich verschleiernder Weise gemachten Angaben vom Antragsgegner zu 2. nicht überprüft und damit bewusst falsch veröffentlicht worden. Dies verletze die Antragsteller in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der ein umfassendes Frage-, Informations- und Auskunftsrecht der Abgeordneten gewährleiste. Die nicht wahrheitsgemäße Information und die Offenlegungsmängel führten ferner zu einem Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG und das Demokratieprinzip. Da Wahl, Feststellung des Wahlergebnisses und die Ernennung hiervon infiziert seien, seien sämtliche Maßnahmen nichtig.“ (Beschluss vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, Rn. 10). In der Berichterstattung der juristischen Fachpresse wurde die abweisende Entscheidung positiv auf genommen, da die Vorwürfe „ersichtlich spekulativ und ohne äußeren Anlass ins Blaue hinein vorgebracht“ seien.[40]

Das Bundesverfassungsreicht hat in derselben Entscheidung außerdem Maßstäbe für die Transparenz und Mindestanforderungen an Informationen bei der Wahl von Bundesverfassungsrichtern aufgestellt: „Auch gebietet es das Wesen des Bundestages als Vertretung des Volkes, in der die Fragen der Staatsführung, insbesondere der Gesetzgebung, in Rede und Gegenrede der einzelnen Abgeordneten zu erörtern sind […], dass allen Abgeordneten im parlamentarischen Binnenverhältnis ein Mindestmaß an Informationen und Erkenntnissen zugänglich ist, das für die Wahrnehmung des Mandats erforderlich ist. Das im parlamentarischen Verfahren nach Art. 42 GG gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen und trägt zu einer Willensbildung der Abgeordneten bei, die sie in die Lage versetzt, die Verantwortung für ihre Entscheidung zu übernehmen […]. Die Willensbildung von Abgeordneten in der durch das Grundgesetz errichteten parlamentarischen Demokratie kann nur dann eine taugliche Grundlage der Übernahme von Entscheidungsverantwortung sein, wenn sich die Willensbildung ohne Zwang in Freiheit und Gleichheit vollziehen kann.“ (Beschluss vom 2. Juli 2019 – 2 BvE 4/19, Rn. 26).

In der juristischen Fachliteratur ist das Urteil kritisch-zustimmend aufgenommen worden. Gleichwohl war der Rechtswissenschaftler Michael Sachs „irritiert, dass [vom Gericht] wie selbstverständlich die Beeinflussung durch bewusste Falsch- oder Nichtinformation unter den Begriff des Zwangs subsumiert wird. Im Ergebnis blieb das ohne Bedeutung, weil das BVerfG keine für nötig erklärten hinreichend konkreten Anhaltspunkte feststellen konnte.“[41] Ob dem Bundesverfassungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die Akte der Bundestagsverwaltung mit deren Prüfbericht zu Harbarth und § 44a AbgG vorgelegen hat, ist unbekannt. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU/SPD hat kurz nach dieser Entscheidung einen Gesetzesentwurf vorgelegt zur Verschärfung von § 44a AbgG, auch in Reaktion auf Kritik der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO).[42]

Vorratsdatenspeicherung

In der Legal Tribune Online führte Christian Rath an, dass eine Befangenheit nicht bei jeder Mitabstimmung gegeben sei, sondern nur wenn Harbarth „eine besonders enge Verbindung zu einem Regelwerk“ habe. Er führt als Beispiel die Vorratsdatenspeicherung an, für die sich Harbarth nachdrücklich eingesetzt habe.[22]

Cum-Ex-Geschäfte

Auf den NachDenkSeiten wies der Journalist Werner Rügemer u. a. darauf hin, dass die Cum-Ex-Geschäfte in Harbarths ehemaliger Kanzlei „zur juristischen Reife“ gebracht worden seien. In Harbarths Kanzlei sei gleichzeitig Hanno Berger tätig gewesen, gegen den Strafverfahren anhängig seien.[43]

Diesel-Abgasskandal und Wirtschaftsmandate

Ein Anwalt der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer legte für Teilnehmer der Musterfeststellungsklage (MFK) im Abgasskandal gegen die Volkswagen AG am 28. November 2019 Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung Harbarths als Bundesverfassungsrichter ein. Es bestehe die Besorgnis, dass die Automobilindustrie und der damit zusammenhängende Industriekomplex wie Zulieferer die Möglichkeit erhalten, die Rechtsprechung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es seien zudem Nebeneinkünfte in jährlicher Millionenhöhe aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter ungeklärt. Am 18. Februar 2020 (Az. 2 BvR 2088/19) wies das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde ab.[44] Die Kanzlei kündigte an, den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu prüfen.[45]

In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen wies Harbarth den Vorwurf der Befangenheit zurück.[46] Im Spiegel hatte Harbarth bereits im Januar 2019 gesagt, man „könne sich nicht ‚wünschen, dass ein Rechtsanwalt an das Bundesverfassungsgericht gewählt wird‘, und es dann ‚für grundlegend problematisch erachten, dass dieser Rechtsanwalt auch Mandanten hatte‘.“[7]

§ 217 StGB (Sterbehilfe) und Beachtung der religiös-weltanschaulichen Begründungsneutralität von Rechtsnormen

In einer ifw-Mitteilung kritisierte Jacqueline Neumann Harbarths Wirken als Bundestagsabgeordneter u. a. beim § 217 StGB, § 219a StGB und der gleichgeschlechtlichen Ehe aus verfassungs-, religions- und weltanschauungsrechtlicher Sicht. Seine Positionen zur Einschränkung der individuellen Selbstbestimmung missachteten das verfassungsrechtliche Gebot der religiös-weltanschaulichen Begründungsneutralität von Rechtsnormen. Beim § 217 StGB habe er 2015 als Abgeordneter „zu einer der schlimmsten Fehlleistungen des Gesetzgebers in der Geschichte der Bundesrepublik“ beigetragen, die von den Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 mit acht zu null Stimmen korrigiert wurde. Es gebe seit Bestehen der Bundesrepublik keinen Bundesverfassungsrichter, geschweige denn einen Präsidenten, der eine verfassungswidrige Strafnorm zustande gebracht habe, die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. Das mache seine Personalie einmalig.[47]

Gleichberechtigung

Der Deutsche Juristinnenbund kritisierte, dass seit 2002 mit Harbarth zum dritten Mal in Folge ein Mann Präsident des Gerichtes werden solle.[48]

Umstände der Ernennung zum Honorarprofessor in Heidelberg in 2018

Im Handelsblatt berichteten Jan Keuchel und Volker Votsmeier, dass Gutachten und Gutachter von der Universität Heidelberg über die Ernennung Harbarths zum Honorarprofessor im Jahr 2018 verschwiegen würden. Der Zeitung gegenüber habe sich die Universität Heidelberg auf Vertraulichkeit berufen – „im Interesse des offenen Wortes in den akademischen Berufungs- und Bestellungsverfahren“. Es gebe jedoch, so die Journalisten, eine „offensichtlich finanzielle und personelle Nähe der Hochschule zu Harbarths früherer Kanzlei SZA Schilling Zutt & Anschütz aus Mannheim“.[49] Am 18. Juli 2018 berichtete die überregionale Presse, Harbarth werde als Mitherausgeber der angesehenen Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (ZGR) „in einen besonders erlauchten Kreis von Rechtsprofessoren aufgenommen“.[50][51] Zuvor war der zusammen mit Harbarth für die CDU im Bundestag und im Rechtsausschuss sitzende Kölner Abgeordnete und Hamburger Universitätsprofessor Heribert Hirte aus dem Kreis der Herausgeber der ZGR und des European Company and Financial Law Review (ECFR) ausgeschlossen worden.[52] Über die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dieses Ausschlusses wird bis heute vor Gericht gestritten.[53]

Internationale Wirkung

Der polnische Außenminister äußerte, die Wahl eines „aktiven Abgeordneten“ zum Verfassungsrichter sei als politische Einflussnahme zu erachten.[54]

Schriften

Weblinks

 Commons: Stephan Harbarth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof scheidet aus dem Amt. 30. November 2018, abgerufen am 3. Dezember 2018.
  2. 2,0 2,1 Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M. Abgerufen am 3. Dezember 2018.
  3. Vorstand. In: Christlich Demokratische Union Deutschlands. 2018 (https://www.cdu.de/partei/vorstand).
  4. 4,0 4,1 Über Dr. Stephan Harbarth. In: Abgeordnetenwatch. Abgerufen am 15. November 2018.
  5. Geschichte der SZA Rechtsanwaltsgesellschaft
  6. Bundestag veröffentlicht Nebeneinkünfte: Die meisten Nebenverdiener in der Unionsfraktion, FAZ.net, 21. März 2014.
  7. 7,0 7,1 7,2 Melanie Amann, Dietmar Hipp: Politisches Gift. Stephan Harbarth ist für das Verfassungsgericht als neuer Vizepräsident Bereicherung und Hypothek zugleich. In: Der Spiegel, Nr. 4, 19. Januar 2019, S. 38–39.
  8. http://www.jura.uni-heidelberg.de/lehre/lehrstuehle.html. Juristische Fakultät der Universität Heidelberg, 28. März 2018, abgerufen am 28. März 2018.
  9. Wolfgang Janisch: Stephan Harbarth. Abgerufen am 13. Mai 2020.
  10. Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. Abgerufen am 13. Mai 2020.
  11. European Company and Financial Law Review. Abgerufen am 13. Mai 2020.
  12. Stephan Harbarth – vom Abgeordneten zum Verfassungsrichter? In: www.morgenpost.de, 22. November 2018
  13. Lebenslauf auf der eigenen Homepage
  14. Dr. Stephan Harbarth. In: Deutscher Bundestag. 2018 (https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/H/harbarth_stephan/520100).
  15. [1] Presseteam, am 29. Januar 2014
  16. Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Memento vom 22. Februar 2014 im Internet Archive)
  17. https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/stephan-harbarth-zum-stellvertretenden-vorsitzenden-fuer-den-bereich-innen-und-recht-gewaehlt. Abgerufen am 9. Juni 2016.
  18. Wahl der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und der Parlamentarischen Geschäftsführer. Abgerufen am 30. Januar 2018.
  19. Weitere Vorstandsmitglieder im CDU-Teil der Unionsfraktion gewählt. Abgerufen am 18. November 2018.
  20. Bundestag – Bundestagspräsident: Auch befangene Abgeordnete dürfen abstimmen, Süddeutsche.de, 24. November 2015.
  21. VW-Abgasaffäre und Verbraucherschutz – Mandat vs. Mandant sueddeutsche.de, am 19. Oktober 2015, abgerufen am 14. September 2018
  22. 22,0 22,1 Christian Rath: Ausgeschlossen oder befangen? In: Legal Tribune Online. 3. Dezember 2018, abgerufen am 3. Dezember 2018.
  23. Benny Riemer: Antisemitismus-Beauftragter gegen Hass und Hetze. In: BR. 18. Januar 2018, abgerufen am 20. August 2019.
  24. Eckart Lohse: Bundestag will Antisemitismus-Beauftragten. In: FAZ. 18. Januar 2018, abgerufen am 15. November 2018.
  25. 25,0 25,1 Merkels Mann für Karlsruhe ist der richtige. In: Die Welt. 14. November 2018, abgerufen am 15. November 2018.
  26. Harbarth soll Verfassungsrichter werden. In: Tagesschau. 9. November 2018, abgerufen am 15. November 2018.
  27. Helene Bubrowski: Grüne unterstützen Harbarths Wahl. In: FAZ. 10. November 2018, abgerufen am 10. November 2018.
  28. CDU-Politiker Harbarth als Verfassungsrichter gewählt. In: FAZ. 22. November 2018, abgerufen am 22. November 2018.
  29. Bundesrat wählt Harbarth als Vizepräsidenten. In: FAZ. 23. November 2018, abgerufen am 23. November 2018.
  30. Stephan Harbarth im Interview mit Wolfgang Janisch: Verfassungsrichter Harbarth im Interview. In: Süddeutsche Zeitung. 8. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  31. LTO: BVerfG: Harbarth Präsident, Wallrabenstein neue BVR. Abgerufen am 15. Mai 2020.
  32. Ehrliche Verblüffung – Sollte der frühere Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt werden? In: Handelsblatt. 21. April 2020, abgerufen am 30. April 2020.
  33. Abe Fortas. Abgerufen am 30. April 2020.
  34. Lars Wienand: Dem neuen Präsidenten hängen alte Geldfragen an. In: T-Online. 15. Mai 2020, abgerufen am 15. Mai 2020. „Wenn aber die Aufgaben als Abgeordneter im Vordergrund standen und für die Anwaltstätigkeit wenig Zeit blieb, stellt sich die andere Frage: Wofür bekam Stefan Harbarth dann diese Summen?“
  35. Jan Keuchel, Volker Votsmeier: Designierter Präsident: Stephan Harbarth: Verfassungsrichter mit umstrittener Vergangenheit. In: Handelsblatt. 5. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  36. Heike Anger, Volker Votsmeier: Stephan Harbarth zum obersten Verfassungshüter gewählt. In: Handelsblatt. 15. Mai 2020, abgerufen am 15. Mai 2020. „Doch Harbarth ist zugleich umstritten. Im Parlament gehörte er als einer der Geschäftsführer der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz mit jährlichen Nebeneinkünften von deutlich mehr als 250.000 Euro zu den Topverdienern. Mehr Transparenz schreibt das Abgeordnetengesetz nicht vor. Offen bleibt die Frage, wie er diesen anspruchsvollen Job neben seinem Bundestagsmandat ausüben konnte.“
  37. Langer Nachhall eines Doppeljobs. 5. Juli 2019, abgerufen am 30. April 2020.
  38. Ausübung des Mandats. 21. Februar 1996, abgerufen am 1. Mai 2020.
  39. Unzulässige Anträge im Organstreitverfahren zur Bundesverfassungsrichterwahl. In: Entscheidungen. Bundesverfassungsgericht, abgerufen am 29. April 2020.
  40. Anträge gegen Har­b­arth-Ernen­nung zum Ver­fas­sungs­richter unzulässig. In: LTO. 12. Juli 2019, abgerufen am 30. April 2020.
  41. Antragsbefugnis von Abgeordneten wegen Wahl eines Richters des BVerfG.Sachs, JuS 2019, 1228, 1229.
  42. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes - BT-Drs 19/13507. 24. September 2019, abgerufen am 5. Mai 2020.
  43. Werner Rügemer: Unternehmens-Lobbyist als Hüter des Grundgesetzes? In: NachDenkSeiten – Die kritische Website. 9. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  44. Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Ernennung zum Richter des Bundesverfassungsgerichts. In: Entscheidungen. Bundesverfassungsgericht, 18. Februar 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  45. Verfassungsbeschwerde gegen Ernennung von Harbarth zum Bundesverfassungsrichter nicht angenommen / Kanzlei Dr. Stoll & Sauer prüft weitere Schritte auf europäischer Ebene | Dr. Stoll & Sauer. Abgerufen am 13. April 2020.
  46. Rudi Wais: Verfassungsgerichtsvize Harbarth: „Unser Rechtsstaat funktioniert“. Augsburger Allgemeine, 12. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  47. Jacqueline Neumann: Wenn der Gesetzgeber einer verfassungswidrigen Strafnorm Verfassungsgerichtspräsident werden soll. In: ifw-Mitteilung. 12. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  48. Widerstand gegen Stephan Harbarth. In: LTO. 14. November 2018, abgerufen am 15. November 2018.
  49. Jan Keuchel, Volker Votsmeier: Designierter Präsident: Stephan Harbarth: Verfassungsrichter mit umstrittener Vergangenheit. In: Handelsblatt. 5. März 2020, abgerufen am 13. April 2020.
  50. Arno Balzer: Bundesverfassungsgericht: Stephan Harbarth ist Favorit für die Nachfolge von Ferdinand Kirchhof. In: Die Welt. 2018-07-18 (https://www.welt.de/wirtschaft/bilanz/article179533674/Bundesverfassungsgericht-Stephan-Harbarth-ist-Favorit-fuer-die-Nachfolge-von-Ferdinand-Kirchhof.html).
  51. Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. Abgerufen am 27. April 2020.
  52. Joachim Jahn: Fachzeitschrift wirft Bundestagsabgeordneten raus. C.H. Beck, abgerufen am 27. April 2020.
  53. „Manche Entscheidungen entstehen irrational“, Interview, NJW-aktuell 1–2/2020, S. 12 f.
  54. Zitiert nach Jost Müller-Neuhof, Unabhängig, aber wie? in Deutsche Richterzeitung (DRiZ) 2019, S. 54.
VorgängerAmtNachfolger
Ferdinand KirchhofVizepräsident des Bundesverfassungsgerichts
seit 2018
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